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THEMA:   Der Deutschen Leid

 9 Antwort(en).

Hanskarl begann die Diskussion am 04.05.03 (17:38) mit folgendem Beitrag:

Hallo Miteinander,

Der Deutschen Leid: Regulierungswahn, Sozialwahn, Erziehungsdefizit

Regulierungswahn
R. resultiert aus der Befürchung vor dem erlaubten aber nicht genehmen Verhalten
von Mitmenschen.

R. ist wegen mangeldem Gegendruck möglich. Sowie eine Pflanzen- oder Tierart sich
ohne natürliche Grenzen ungehindert ausbreiten und alles "überwuchern" und verdrängen
kann, so wuchert die R. ungehindert im deutschen Staat.

Es fehlt der deutschen Bürokratie der "Gegenpart", da die Deutschen willfähriger und
obrigkeitshöriger sind als andere Völker und es gibt viel zu viele Oportunisten.

R. nimmt eigene Verantwortung - die Deutschen sind verantwortungsscheu. Wenn der
Staat regelt, dann kann ich wegsehen und brauche kann mich ausschließlich um meine
eigenen Belagne kümmern.

Sozialwahn
Der S. resultiert aus der besonderen Verantwortungsscheu der Deutschen. So war und
ist z.B. eine staatliche Regelung der Altenpflege ( Pflegeversicherung ) bei Völkern un-
nötig, die ihre Alten achten und ehren, die sich in der Generationenfolge eingereicht wissen
und daher die Verantwortung für die Alten und Kranken in ihrer Gesellschaft selbst über-
nehmen und diese privat betreuen und pflegen.

So wie im Beispiel der Altenpflege dargelegt, versuchen die Deutschen jegliche soziale
Eigenverantwortlichkeit durch den Staat erledigen zu lassen. Daraus folgt, daß gerade
die heftigsten Streiter für die "sozialen Errungenschaften" die verantwortungslosesten
Menschen sind - außerdem unterstellt bereits der Begriff "soziale Errungenschaften",
daß Hilfe, Mitgefühl, Rücksichtnahme und mitmenschliches Verhalten sozial errungen
werden müssen und nicht natürlichen, angeborenen menschlichen Wertmaßstäben
entsprechen.

Erziehungsdefizit
Mangelnde Erziehung resultiert aus dem Versagen der Eltern, ihren Kindern genügend
Zuwendung, Leitung, Zeit, Gesprächsbereitschaft verbunden mit Ehrlichkeit ( nicht zu
Verwechseln mit dem Getue in manchen Fernsehfilmen ) zu schenken.

Dieses Versagen wiederum, ist zum einen in Faulheit, zum anderen in Egoismuß
begründet. Ideale, Werte und Tugenden sind den Eltern durchaus bekannt, werden
aber nicht vermittelt, da sie ja vorgelebt werden und die Eltern sich daran womöglich
messen lassen müßten.

Daraus entstehen Verantwortungslosigkeit und Egoismuß, da Vorleben bekanntlich
Erziehen heißt. Und häufig sind es die gleichen Eltern, die den Schullehrern Versagen
vorwerfen.

Resumee
Die Deutschen haben "Der Deutschen Leid" selbst verursacht. Aber Halt! Haben die
Deutschen nicht viele Jahrzehnte lang die Leichtigkeit des Seins, die gelassene Lebensart,
das "doce far niente" anderer Völker bewundert und sich ihrer Tüchtigkeit, ihres Fleißes,
ihrer deutschen Tugenden geschämt?

Nun, die Welt ist gerecht, jetzt haben die Deutschen, wohnach sie sich sehnten.

Sehe ich das richtig oder wo liege ich falsch ?

Gruß Hanskarl


Hanskarl antwortete am 04.05.03 (17:43):

Ich meine, wo liege ich falsch, außer bei den Schreibfehlern !

Entschuldigung

Gruß Hanskarl


Siegi antwortete am 04.05.03 (18:07):

@Karl,


da ist sehr viel Wahres dran und wir sind grösstenteils an sehr vielen, heute beklagenswerten Zuständen selbst schuld.

Beste Grüsse


Karl antwortete am 04.05.03 (21:28):

Lieber Hanskarl,

wir sollten nicht von "den Deutschen" reden. Es gibt solche und solche. Trotzdem erkenne ich in Deinen Äußerungen einen Kern Wahrheit. Speziell Deine Bemerkungen zur Pflegeversicherung machen mich nachdenklich. Allerdings erlebe und erlebte ich in meinem Bekanntenkreis, dass die Pflegeversicherung gerade auch die Pflege zuhause ermöglicht hat unter Bedingungen, die anders zur Einlieferung in ein Pflegeheim geführt hätten.

Es ist nicht immer der Mangel an Liebe, sondern häufig die Abwesenheit der Kinder, die aufgrund der geforderten Mobilität teilweise Hunderte von Kilometern entfernt wohnen. Unter solchen Bedingungen ist m.E. die Einführung der Pflegeversicherung, die die ambulante Versorgung möglichst lange in den privaten vier Wänden ermöglicht, eine sinnvolle Einrichtung.

Ich bin sicher, so könnte man bei vielen Punkten die einzelnen "Regulierungen" mit guten Argumenten rechtfertigen.

Ein "deutsches Leid" gibt es nicht. Falls vorhanden, wird es vorübergehender Natur sein. Heute haben wir Probleme, morgen die anderen. Ich bin grundsätzlich Optimist, d.h. ich glaube immer, dass die Chancen, auch wenn sie noch so klein sind, ergriffen werden können.


Hanskarl antwortete am 05.05.03 (11:04):

Lieber Karl,

ich war mir der Verallgemeinerung bewußt, als ich Die Deutschen schrieb, habe diese Formulierung aber gewählt, weil ich meine Aussagen auf die Deutschen bezogen wissen wollte - schließlich bin ich selbst einer.

Das die Pflegeversicherung nichts grundsätzlich schlechtes ist, versteht sich von selbst, ich habe mit dem Beispiel einen Sachzusammenhang darlegen wollen.

Du weißt ja, die Münze hat nunmal zwei Seiten - ich übe keine Kritik an "GUTEN" sondern an "ÜBLEN" Erscheinungen der Über-Regulierung.

Die beiden ersten Punkte meiner Darlegung zielen auf den dritten Punkt, das Erziehungsdefizit - welches ich für die negativen Auswüchse der Entwicklung unserer Gesellschaft verantwortlich mache.

Danke für Deine Antwort.

Gruß Hanskarl


Wolfgang antwortete am 10.05.03 (09:40):

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands (und anderer vergleichbarer kapitalistischer Länder) haben ihre Ursache natürlich nicht in irgendwelcher angeblichen Verantwortungslosigkeit oder irgendwelchen angeblichen Erziehungsdefiziten. Der Sachverhalt ist einfach zu erklären: Wenn technischer Fortschritt und Rationalisierung die Arbeitsproduktivität (d. h. den Output pro Arbeitsstunde) ständig erhöht, die Gesamtproduktion aber praktisch unverändert bleibt (wie derzeit, wo das BIP nicht mehr wachsen mag), so sinkt der benötigte Arbeitseinsatz und die Arbeitslosigkeit wächst.

Betroffen von dieser Entwicklung sind vor allem auch die Sozialsysteme, deren Finanzierung in Deutschland traditionell an Arbeitsverhältnisse gekoppelt ist. Die Zahlungsunfähigkeit droht.

Das Ganze ist also systemimmanent... Die Folge unseres (was die Verzinsung des eingesetzten Kapitals betrifft) äusserst erfolgreichen kapitalistischen Wirtschaftssystems. Der "neue" bessere (?) Mensch wird auf sich warten lassen; ein neues ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Wirtschaftssystem ist leichter zu bewerkstelligen. ;-)

Webtipp...

Greenpeace
Nachhaltige Wirtschaft
https://www.greenpeace.org/deutschland/fakten/umwelt_und_wirtschaft/nachhaltige-wirtschaft/index


Hanskarl antwortete am 10.05.03 (16:58):

@Wolfgang

Wir haben uns ja schon einmal, in einem anderen Zusammenhang, über Wirtschaft, System, Ideologie und die erforderlichen und eventuell erfolgreichen Maßnamen ausgetauscht. Dazu ergänzend, das Folgende.

Sozial-Inflation
So, wie es immer dann in der Vergangenheit zur Geldentwertung und in der Folge zum Zusammenbruch der Währung und zur Währungsreform gekommen ist, weil Geld per "Druckerpresse" erzeugt wurde anstatt es erarbeiten zu lassen. So befinden wir uns im Moment mitten in einer Sozial-Inflation.

Es wurde in den vergangenen 50 Jahren Sozial-Vermögen ( Tarifrecht, Renten, Pensionen, Forderungen an die Gemeinschaft ) wie mit einem Füllhorn ausgeschüttet ( auf den Druck der Gewerkschaften hin ) ohne den "Gegenpart" die soziale Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft im Auge zu behalten.

Was ich als "Gegenpart" bezeichnet habe, die "Arbeitenden" ( werden weniger ), die "Reichen" ( entziehen sich dem Zugriff ), die "Unternehmer" ( erwirtschaften ihre Gewinne im Ausland ), die "Aktionäre" ( haben mehrheitlich Verluste anzumelden ).

Ich bin überzeugt, daß die Sozial-Inflation weiter gehen wird und die weitgehende, wenn nicht vollständige Entwertung des "Sozialvermögens" bevorsteht - solange bis eine Angleichung an das "globale Niveau" eingetreten ist.


Gruß Hanskarl


Lisa1 antwortete am 10.05.03 (17:00):

@Karl

Karl schrieb :
Ein "deutsches Leid" gibt es nicht. Falls vorhanden, wird es vorübergehender Natur sein. Heute haben wir Probleme, morgen die anderen. Optimist sein ?:-(

@Friedrich

Ich habe Kontakt mit jugendlichen Menschen und kann feststellen,ich bin immer wieder angenehm überrascht.

Was ist das Leid in Deutschland ?

Mir fällt als erstes das Leid der Arbeitslosen und deren Familien dazu ein,wer kann sich in dieses Leid hinein versetzen,wir mit einer Arbeitsstelle,gut betuchte Rentner?
Ich denke ,schnelle Veränderungen sind angesagt.

Beste Grüße


Wolfgang antwortete am 10.05.03 (18:20):

Hallo, Hanskarl... Ich bestreite nicht, dass es einen Sozialabbau gibt - ein Prozess in der politischen Diskussion schönfärberisch gerne mit dem Wort "Reform" belegt. Dass es diesen Sozialabbau - also die Umverteilung von "unten" nach "oben" - gibt, ist aber nicht zu erklären mit der Erfolglosigkeit unseres Wirtschaftssystem. Im Gegenteil: Gemessen an dem Zweck unserer Wirtschaft - aus Geld mehr Geld zu machen, und diesen Zuwachs hauptsächlich auf die Geldgeber zu verteilen - war unsere Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten äusserst erfolgreich. Man kann das daran messen, dass sich beim oberen Viertel der Gesellschaft grosse Geldmengen angehäuft haben (die auf gute Verzinsung warten), die bei den unteren drei Vierteln der Gesellschaft zwangsläufig fehlen.

Wir haben es deshalb mit einer wirtschaftlichen Krise zu tun, weil dem eh' schon grossen und immer mehr zunehmenden (Waren-)Angebot nicht die entsprechend zunehmende Nachfrage gegenübersteht. Es ist das klassische Dilemma einer kapitalistisch organisierten Volkswirtschaft: Ist sie erfolgreich, zerstört sie sich mittels ihrer eigenen Mechanismen selbst.


Hanskarl antwortete am 11.05.03 (11:54):

Hallo Wolfgang,

Deine Argumentation kann ich nachvollziehen - will sagen ich sehe die Situation genauso. Nur in der Ursacheneinschätzung scheinen wir uneins zu sein.

Kann es sein, daß einviertel unseres Volkes tüchtig und desshalb "reich" ist, zweiviertel durchschnittlich und daher zwar im Wohlstand lebend aber eben nicht vermögend sind und das letzte Viertel faul und deshalb verarmt ist?

Sicher haben einige "Reiche" ihren Reichtum auch unredlich erworben, aber beileibe doch nicht die überwiegende Mehrzahl - sie haben gearbeitet, hatten Ideen, haben anderen Arbeit gegeben ( und natürlich an ihnen verdient ), haben Geld gespart und reeinvestiert und sind noch reicher geworden. Sie haben aber auch Geld für sich ausgegeben und dadurch weitere Arbeitsplätze geschaffen.

Ein Hoch also den Reichen - mehr Reiche braucht das Land oder besser und ohne Ironie gesagt, mehr junge Menschen die durch Arbeit, Einsatz, Fleiß und Tüchtigkeit reich werden wollen und nicht nur durch Erbschaft.

Das meine ich halt - ohne zu wissen ob ich damit recht habe.

Gruß Hanskarl