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THEMA:   Wem kann man überhaupt noch trauen?

 77 Antwort(en).

Siegi begann die Diskussion am 18.04.03 (12:05) mit folgendem Beitrag:

Wir leben in einer Zeit der Lüge. Wir begegnen ihr fast täglich, egal ob wir nun eine Tageszeitung, eine Illustrierte zur Hand nehmen, das TV-Gerät oder das Radio einschalten. DER oder DAS EINE profitiert vom ANDEREN, es gibt Interessengemeinschaften, allen voran Industrie und Wirtschaft mit ihren allmächtigen Bossen. Den "unabhängigen, freien" Politiker gibt es längst nicht mehr, denn sie haben sich ihren Auftraggebern, den wirklichen Landesherrschern zu beugen!

Warum müssen Grosskonzerne mit Zehntausenden von Beschäftigten keine Steuern zahlen? Warum wohl nicht?
Weil die Politiker sofort mit der Androhung von Massenaustellungen konfrontiert würden und das eben wahlpolitischer Selbstmord wäre! Unsere Wirtschaft und Industrie machte über Jahrzehnte hinweg immense Gewinne, gab aber nur Zuckerstückchen an jene weiter, die dies mit ihrer Arbeitskraft, ihrem Einsatz überhaupt ermöglicht hatten. Hier hätte genug Geld abgezweigt werden können, ohne das Mollochsystem zu belasten und die Renten auf unbegrenzte Zeit hinaus zu sichern!
Die Politik denkt nur noch im Vierjahresrytmus, sie ist träge und schwerfällig geworden und meiner Meinung nach nicht mehr Herr der Dinge. Im Grunde hat sie ja sowieso nichts zu sagen. Marionetten und Vasallen, Marktschreier ihrer Auftraggeber sind sie, mehr nicht.
Das ist bei uns hier nicht anders als in Bush-Amerika, wir werden im Grunde genauso manipuliert und systemgenehm dummgehalten. Die eigentliche und wirkliche Gefahr aber, welche sie nie ganz bannen können, ist die Unberechenbarkeit der Masse, sie wird sich entladen bei weiter steigenden Arbeitslosenzahlen. Lächerlich von politscher Seite her ist die Feststellung, die Menschen hätten Zukunftsängste und daher liesse ihre Kaufbereitschaft nach. Nein, es fehlt ihnen am Geld und das wissen diese Politiker auch ganz genau. Propagandistisch dagegenhalten, solange wie irgendwie möglich, das ist ihre Devise! Die Medien wissen nur zu gut, dass sie diese Linie mitfahren müssen, sie sind Eingebundene und Abhängige des Herrschersystems, dem Diktat des Geldes unterworfen.


Barbara antwortete am 18.04.03 (13:20):

Ja, Siegi,

Du hast vollkommen Recht. Leider hat man den Verlierern unserer Gesellschaft ihr Selbstbewusstsein genommen. Ich denke, irgendwann wird sich jemand finden, der die Kraft dieser Menschen erweckt und bündelt, der ihnen ihre Macht vor Augen führen wird.... Und dann Gnade uns Gott....

Leider muss der Bogen erst einmal völlig überspannt sein, bevor er reißt... Wir steuern den Punkt auf dem schnellsten Wege an.

Wieso gibt es keinen Politiker, der sich dem Problem der Umverteilung der Arbeit annimmt? Warum wird den Arbeitslosen eingeredet, sie unternähmen einfach zu wenig, um einen Job zu bekommen... ihre Arbeitslosigkeit ist also durch ihr eigenes Versagen begründet? Gibt es zu wenig Mathematiker, die die Zahl der offenen Stellen der der Arbeitslosen gegenüberstellen kann?

Die enorme Entlastung der Menschen durch modernste Technik könnte doch wirklich ein Segen für uns alle bedeuten. Wer könnte ein Interesse daran haben, die Arbeitslosenzahlen hoch zu halten? Bei einem Überangebot an Arbeitskraft sinkt deren Wert. Das ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage.... In Zeiten der Vollbeschäftigung diktieren die Arbeitnehmer den Lohn... Liegt es vielleicht daran?


Siegi antwortete am 18.04.03 (15:52):

Genau daran liegt es @Barbara. Sie wollen die Löhne nach unten drücken. für die Industrie ist doch nichts wichtiger als billigst zu produzieren. Die Industrie braucht die offenen Grenzen, die Osterweiterung und die Oststaaten versprechen sich finanzielle Unterstützungen davon. Das Gelabere und der Hinweis von politischer Seite her auf das Europa der Menschen, des Zusammengehörigkeitsgefühl halte ich für reine taktische Heuchelei. Aber das ist Ansichtsache, eine Frage des Glaubens! Die Staatsverschuldung ist das wohl derzeit dringlichste, für uns alle grösste Problem. Diese Schulden sind progressiv und sie führen wahrscheinlich innerhalb der nächsten 5-7 Jahre zum endgültigen Zusammenbruch. Jetzt noch zum Widersinnlichsten und Unlogischten überhaupt!! Man hört immer wieder, unsere Geburtenrate reichte nicht aus, wir Deutsche seien vom Aussterben bedroht. Ja und! Wir stopfen unser Land daher künstlich mit 85 Millionen Menschen voll, warum nur? Um die Renten weiter bezahlen zu können!!!???
Das würde ja bedeuten, das wir im Jahre äh....2025 ca. 15 Millionen mehr Staatsbürger im Lande bräuchten usw. usw.

Ich glaube vielmehr, man versucht von "oben" aus nur den Wirtschaftstandart halten zu können, damit die Politik und Industrie auch weiterhin, "international" gesehen, eine der ersten Geigen zu spielen! Ein langsamer Abbau unseres Volksvolumens dagegen wäre nur gut für den Einzelnen. Weniger Stress, weniger Arbeitslose und eben kein Wirtschaftwachstum mehr! Ja, sind wir denn dazu verdammt. Wer will das überhaupt? Wolfgangs Rumpelstilchenelite?
Die Grossmannsucht in unserem Land ist nicht totzukriegen. In Schweden, Norwegen und Finland kommen die Menschen auch zurecht und es sind ganz "angenehme" u. "natürliche", auch intelligente Völker. Ihre Politiker haben nicht die angeborene dt. Vermessenheit in sich, gross in der Weltpolitik mitzuquasseln! Überall werden Stellen abgebaut, die Politiker und Abgeordnetenstellen, sammt aufgedunsenen Verwaltungsapperat bleiben aber erhalten. Unsere Bevölkerungzahl nimmt ständig zu! Das sind doch wieder nur neue Arbeitslose von morgen. Deren Logik ist mir langsam unbegreiflich geworden. Diese Umstände bergen in sich die grosse Gefahr, dass bei weiterer Arbeitslosigkeit eine immer grössere Ausländerfeindlichkeit entsteht! Wer ist dann aber schuld daran? Genauso wird es kommen und dann Prost Mahlzeit!


DorisW antwortete am 18.04.03 (19:13):

@Siegi:
"Unsere Bevölkerungzahl nimmt ständig zu! Das sind doch wieder nur neue Arbeitslose von morgen."

Statistisches Bundesamt:
"Nach der 9. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung nimmt die Bevölkerung Deutschlands in den nächsten 50 Jahren um mindestens 12 Millionen ab.
Heute hat Deutschland etwa 82 Millionen Einwohner. In 50 Jahren werden es - je nach den Annahmen zur Zuwanderung - nur noch 65 bis 70 Millionen sein. Zu dieser Abnahme kommt es, weil in Deutschland - wie in den letzten drei Jahrzehnten - auch in den nächsten 5 Jahrzehnten mehr Menschen sterben, als Kinder geboren werden."

Internet-Tipp: https://www.destatis.de/allg/d/veroe/d_bevoe.htm


Fred Reinhardt antwortete am 18.04.03 (20:25):

@ Siggi, soweit sind wir.
Armes Deutschland wohin haben wir dich gebracht, wenn der Abgrund, den du uns aufzeigst, schon sichtbar ist.

Ich glaube du hast die Nullzeit in Deutschland nicht erlebt. Die Leute die den Aufbau mitgetragen haben, waren im Abgrund und wollten dort unbedingt raus. Wie du jetzt sehen kannst haben diese Menschen mehr als ihr Soll erfüllt.

Bei deiner Einstellung kann ich verstehen, dass du niemanden mehr trauen kannst. Ich, als Selbständiger, vertraue den meisten Menschen. Sie erhalten von mir Ware auf Rechnung und ich erhalte mein Geld. Da sind immer mal schwarze Schafe dabei aber 95 % bezahlen ihre Rechnung.
Was Vertrauen aus macht Siggi !!!!!!


Siegi antwortete am 18.04.03 (23:56):

@Doris, ich bestätigte den deutschen Geburtenrückgang ja mit "ja und!" Dieses Statistikamt kann sagen was es will, über die Zuwanderung wird die Politik entscheiden und die brauchen ja wegen der Renten angeblich immer mehr Menschen im Land.

Na @Fred, dann hast Du Glück, scheinst einer der wenigen Unternehmer zu sein, die nicht wegen der immer schlechter werdenden Zahlungsmoral der Menschen jammern. Aber sag mir doch bitte, inwiefern ich die Leistungen der Wiederaufbaugeneration geschmählert habe. Adenauers Politik und die der Besatzu...äh, Befreiungsmächte haben sehr wenig mit der heutigen zu tun, möchte ich doch meinen? Den Wiederaufbau des völlig zerstörten Nachkriegsdeutschlands sehe ich als eine historisch herausragenden Kraftakt an. Man könnte es fast als Trotzreaktion sehen!


Lisa1 antwortete am 19.04.03 (20:38):

Hallo Siegi,

leider hast du recht mit Deiner Zustandsbeschreibung,
ich stimme Dir voll und ganz zu.
Ich sehe auch die einzelnen Menschen ,z.B.die Arbeitslosen,
die in in totaler Unsicherheit leben und sich auch noch rechtfertigen müssen.


Fred Reinhardt antwortete am 20.04.03 (18:20):

Nein Siegi du hast die Wiederaufbauarbeit in keiner Weise schlecht gemacht. Mein Beispiel war aber angebracht, denn wie sah es in Deutschland damals aus und wie gut geht es uns 2003.

Lass dich beraten, an Trotz hat damals niemand gedacht. Es ging ums Überleben. 54 Wochenstunden normal und für 3 zusätzlichen Stunden gab es 1/2 kg Schweineschmalz.
Lehrlingslohn 25 RM pro Monat = 20 Stück Amizigaretten am Schwarzmarkt kosteten 30 - 35 RM.
Arbeitslosigkeit nach der Währung RM zu DM. Arbeitslose wurden mit dem Stempel asozial versehen. Die Abwanderung von allen Landesteilen ins Ruhrrevier, Zechen und Stahlindustrie war voll im Gange. Auch ich habe unter Tag gearbeitet denn die Arbeitslosigkeit hat mich nach Beendigung meiner Lehre als Zimmermann getroffen. Meinst du ich habe dies gerne getan, Kohle auf 900 m Tiefe gemacht ?

Zu deiner Aussage Arbeitslosigkeit und Zuwanderung.
Wenn du und auch Lisa weiterhin Erdbeeren, Spargel, Gemüse,
Wein usw. auf dem Markt und Geschäften kaufen wollt, werdet ihr euch schwer tun. Unsere deutschen Arbeitslosen kann niemand bewegen, auf den Feldern in Gärtnereien oder Weinbergen zu arbeiten. Fast 1 Million Fremdarbeiter übernehmen diese Arbeiten, weil viele deutsche Arbeitslose schon Rückenschmerzen beim hinschauen bekommen. Solche Arbeiten werden nicht angenommen, desshalb benötigen wir unbedingt diese Hilfskräfte aus dem Ausland. In der Gastronomie sieht es doch genau so aus. Uns geht es zu gut !!!!!

Die meisten Menschen jammern schon aus Gewohnheit. Ihnen kann nicht geholfen werden.
Fred


webmaster antwortete am 25.04.03 (09:15):

Schreibtest wegen Siegis Problem (s. Internet und Computer).


Wolfgang antwortete am 25.04.03 (11:03):

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen werden die angeblichen Ursachen der Krisen gerne im persönlichen, privaten Bereich geortet. Da findet man dann urplötzlich Millionen von Menschen, die angeblich zu faul zum Arbeiten sind. Tatsache ist: Sie sind nicht zu faul zum Arbeiten, sondern ihnen fehlen Arbeitsplätze. Wohlgemerkt: Ihnen fehlen gute Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, die ihren Begabungen und Ausbildungen und körperlichen und geistigen Voraussetzungen entsprechen und von denen sie und ihre Familien sich ausreichend unterhalten können. Schlechte Arbeitsplätze mit niedriger Produktivität, niedrigem Sozialstatus, niedrigem Lohn und prekärem Status gibt es immer mehr.

Aber trotz der Millionen schlechter Arbeitsplätze bleibt eine Angebot-Nachfrage-Lücke von mindestens 5 Millionen Arbeitsplätze, die auch noch stetig grösser wird. Das hat seinen systembedingten Grund: Die Arbeitsproduktivität wächst seit langem schneller, als das allgemeine Wirtschaftswachstum. Miondestens 2 1/2 - 3 Prozent BIP-Wachstum bräuchte man, um die Arbeitslosigkeit langsam abzubauen. Was haben wir? 1 Prozent (sagt die Regierung), 0,5 Prozent (sagen die Ökonomen), 0 Prozent (prophezeien die Ökonomen). Bei 1 Prozent BIP-Wachstum steigt die Arbeitslosigkeit. Bei 0,5 und 0 Prozent BIP-Wachstum steigt die Arbeitslosigkeit schneller.

In der nächsten Zeit wird man sehen, wo es langgeht... Schafft man es mit systemimmanenten Mitteln, das Arbeitsplatzangebot zu erhöhen? Ist das derzeitige Wirtschaftssytem in der Lage, den Arbeitenden und Arbeitssuchenden eine auskömmliche UND erträgliche wirtschaftliche Perspektive zu bieten? Werden linke oder rechte Kräfte gewinnen? Wird es wieder Kriege geben zum Zerstören und Nachkriegszeiten zum Wiederaufbauen, damit die Wirtschaft "läuft"?


pilli antwortete am 25.04.03 (11:37):

die kunst wird sein, die "rechten" bei den "linken" zu erkennen.


Medea. antwortete am 25.04.03 (19:11):

"Kind, sei nicht so vertrauensseelig", war ein Standardspruch meiner Mutter, um mich auf die überall lauernden Gefahren aufmerksam zu machen. Ganz viel genutzt hat er allerdings nicht, denn nach wie vor begegne ich erst einmal den Menschen und den Tieren mit Vertrauen, möchte meine eigenen Erfahrungen machen, auch traue ich den Wenigsten von vornherein etwas Schlechtes zu. Das hat auch schon einiges an Lehrgeld gekostet, mein Grundvertrauen aber hat es nicht nachhaltig gestört :-)
Mißtrauen gegen alles und jenes ist für mich so destruktiv, so gehe ich auch erst einmal davon aus, daß man/frau mir offen begegnet und mir nicht hintenherum ein Bein stellt.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, wo zwar vorne die Haustür abgeschlossen war, aber die hintere Tür nie.
Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstelle ich auch nicht, daß er mit seinen Reformvorschlägen die Leute schädigen will, sondern daß er in verantwortlicher Weise zukunftsträchtig handelt. Schon das Wort "Reformen" weckt bei vielen Mißtrauen, da es immer zwangsläufig an den Geldbeutel geht und wer möchte das schon gerne? Ich denke, daß gerade in der Politik Vertrauen angebracht ist.
Wie kann ein Politiker auf Dauer bestehen, wenn ihm das Vertrauen der ihn gewählten abhandenkommt?


Siegi antwortete am 25.04.03 (22:45):

Hallo Fred Reinhardt,

Du wirst lachen, aber ich gebe Dir da völlig und hundertprozentig recht! Ich selbst weiss, dass es z.B. in der Forstwirtschaft, ebenso in Baumschulen Arbeit genug gäbe, die aber kaum noch ein Deutscher machen will. Liegt aber u.a. auch an der Bezahlung! Was kann man daran ändern? Die Politik will daran gar nichts ändern, denn unser Land möchte sich in "diesem Europa" ja "spezialisieren!" Landwirtschaft, Forstwirtschaft und ähnliche Branchen drumherum sind kaum noch lebensfähig, weil man eben diese, ihre "Produkte" im EU-Ausland billiger herstellen, bzw. heranziehen oder fördern kann! Ich weiss, oder kann mir gut vorstellen, wie es "damals" war "unter Tage" zu schuften, denn ich weiss am eigenen Leib, wie selbiges in der "Forstwirtschaft" ist!

Die EU-Erweiterung wird vermutlich weitere Auslandsunternehmen nach Deutschland bringen, das ist klar, aber ob damit auf Dauer diese schwer in Bedrängnis geratenen Wirtschaftszweige erhaltbar bleiben, ist die andere Frage, aber man wird ja sehen,..oder die nach uns kommen.

Beste Grüsse


Siegi antwortete am 25.04.03 (23:46):

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Es ist schon richtig und ich leugne es gar nicht, dass mir jedes Vertrauen verloren ging. Nur so wird man vor Entäuschungen bewahrt. Menschen sind Menschen, in ihnen steckt zuviel Schlechtes und das Gute tritt dagegen sehr selten zutage.

Zu Schröders SPD. Sie ist immer mehr hin zur Mitte gewandert, sie ist nicht mehr die alte Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Die CDU, tja, wo die wohl steht? Weiss sie derzeit wohl selbst nicht genau *lol*. Von Koalitionen hielt ich nie recht viel, weil sie ein geradliniges, zukunftsausgerichtetes Konzept nur verhindern, alles verschleppen und verlangsamen. Parteien unter 10 % Bevölkerungsunterstützung sollten "das Ihre" nicht der grossen Mehrheit aufpressen dürfen!

@pilli, *lol*, mir fällt der Sargnagel wieder ein *g*. Du glaubst, dass es wichtig ist, die Rechten unter den Linken herausfiltern zu können!? Denke lieber nicht, dass dann noch irgendeine Chance dazu besteht. Ich kenne mich in der Geschichte soweit aus, dass die gesammte weitläufige Mitte einfach beiseitegschoben wird! Wenn das Chaos die Herrschaft übernimmt, dann sind es lediglich die Radikalen, welche die Radikalen im Zaume halten können! Die Mittigen werden hinterher zu Opportunisten und schmeicheln sich immer an die neuen Herrscher heran. Die Linkeren müssen ein Dasein im Gefängnis fristen, wenn sie nicht kollaborien. Das taten die Wenigstens! Ja @Pilli, das wollte ich Dir noch sagen *gg*.

Internet-Tipp: https://www.a-smile.de/


Tessy antwortete am 26.04.03 (16:36):

Zu Wolfgangs Beitrag vom 25.04.03 11.04:
"Sie sind nicht zu faul zum Arbeiten, sondern ihnen fehlen Arbeitsplätze. Wohlgemerkt: Ihnen fehlen gute Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, die ihren Begabungen und Ausbildungen und körperlichen und geistigen Voraussetzungen entsprechen und von denen sie und ihre Familien sich ausreichend unterhalten können. Schlechte Arbeitsplätze mit niedriger Produktivität, niedrigem Sozialstatus, niedrigem Lohn und prekärem Status gibt es immer mehr."

Grundsätzlich gebe ich dir recht, aber wenn nicht so viele Menschen Arbeitsplätze ausfüllen würden ohne daß diese ihren Voraussetzungen entsprechen, könnte so mancher nicht mehr wählerisch sein!


Fred Reinhardt antwortete am 26.04.03 (18:50):

Leider ist es so. Wählerisch sind vor allem diejenigen, die am wenigsten gelernt haben. Leute die etwas können, übernehmen auf Zeit mal eine Arbeit die unter ihren Fähigkeiten liegt, bis sie wieder ihren Fähigkeit entsprechende Arbeit finden. Dies wird von zukünftigen Arbeitgebern meist gewürdigt.
Jung, nichts gelernt, arbeitsscheu und Sozialhilfe einstecken, wird unser Sozialsystem auf Dauer nicht mehr verkraften können.
Übrigens ist die Bezahlung in den Aushilfsarbeiten gar nicht so schlecht bezahlt. Dafür hat der Gesetzgeben gesorgt.


schorsch antwortete am 26.04.03 (18:51):

Lieber Fred, weiss du das aus eigener Erfahrung?


Fred Reinhardt antwortete am 26.04.03 (19:54):

Ja lieber Schorsch, dem war so und ich habe auch bei solchen Arbeiten dazu gelernt.
Fred


Barbara antwortete am 26.04.03 (20:03):

Fred,

da muss ich Dir allerdings widersprechen. Es mag sein, dass es sich aus der Sicht einer Frau anders darstellt als bei Männern. Das kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls hatte ich Null-Chance nach den Jahren der Kindererziehung wieder in eine leitende Position zu kommen. Mit sehr viel Glück konnte ich wenigstens in meinen erlernten Beruf zurückkehren, was den meisten nicht vergönnt ist. Aber Aufstiegschancen? Nein, die kann man sich abschminken.

Als ich mich mit 43Jahren bei kaufmännischen Firmen beworben habe, bekam ich jede Menge Angebote... zu einem Gehalt, mit dem ich nicht einmal meine Miete hätte zahlen können. Dafür forderte man alle möglichen Qualifikationen. Es war sehr deprimierend.... In meinen Augen die reinste Ausbeutung... Wenn Frauen diese Angebote annehmen müssen: wie werden ihre Rentenansprüche später dann aussehen? Mich wundert es, dass darüber öffentlich praktisch nicht geredet wird. Aber wer nicht genug zum Leben hat, schämt sich, fühlt sich als Versager.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein beglückendes Gefühl ist, von Sozialhilfe zu leben. Du wirst ständig überprüft, musst für jede Leistung Anträge stellen, alles und jedes offenlegen....
Nein, das wird niemandem leicht fallen.


pilli antwortete am 26.04.03 (20:08):

aus eigener erfahrung weiß ich zu berichten :-)

und es wird den schwarzmalern unter uns so garnicht gefallen...:-) egal

wem ich noch trauen kann? na mir!

den bereich der dienstleistung und zwar dann, wenn sie gefragt ist, den habe ich mir ausgewählt, nachdem ich festgestellt habe, daß hier ein weites feld von möglichkeiten brach liegt.

wie sonst hätte ich als frau mit seinerzeit 54 jahren vollkommen "neu" :-) starten können?

wie sonst sind freizeit und arbeit so flexibel abzustimmen,daß ich erfolgreich sein kann?

wie sonst, ist es möglich, daß ich ungeachtet irgendwelcher gewerkschaftlichen bestimmungen arbeiten darf, wann immer ich das will und so lange ich das möchte?

wie sonst, ist es möglich, daß ich auswählen darf, für wen ich was, wie lange mache?

wie sonst, kann ich entscheiden, wie hoch ich meinen lebensstandard setzen möchte?

wie sonst, kann ich beweisen, daß auch harter einsatz guten lohn verspricht?

wie sonst, hätte ich die chance, "ja" statt "nein" zu sagen?

neee...dat jammertal datt baut mal auf ohne pilli:-)

so lange "immer die anderen" schuld sein sollen, so sehr verzögert sich, meiner meinung nach, der weg zum ziel.
datt "juuuttt datt wir mal drüber geredet haben" mag ja erhebend sein...ich mag da lieber "watt tun" :-) und wenn ett denn auch mal 12 oder 17 stunden sind...egal...hat spaß gemacht, zu zeigen, "wo der hammer hängt"!

das arbeit auch freude machen kann, habe ich hier im forum sehr selten gelesen, eigentlich schade!


Barbara antwortete am 26.04.03 (21:28):

Wie schön, dass hier so ausnahmslos tolle und tüchtige Leute berichten können: meinen herzlichen Glückwunsch zu eurer Genialität!

Mir ging es darum, Menschen die vielleicht nicht ganz so toll und tüchtig sind, die vielleicht nicht ganz so viel Glück in ihrem Leben hatten, nicht zu diffamieren.... von wegen, sie sind zu wählerisch, faul.... arbeitsscheu... schmarotzen von der üppigen Sozialhilfe auf Kosten der Fleißigen und Tüchtigen. Meiner Meinung nach macht man es sich da zu einfach.

Mir persönlich ging und geht es gut.... aber ich habe nicht vergessen, dass mein Glück oft genug am seidenen Faden hing.


pilli antwortete am 26.04.03 (22:03):

@ Barbara,

neee, da hast du was gelesen, das nicht da stand.

nein, Barbara

"genial" bin ich nicht...ich schrieb vom "anpacken" und chancen erkennen und "tüchtig", das ergiebt sich doch von alleine, wenn dienstleistungen darauf warten, auch erledigt zu werden und zwar, und das ist mir jetzt besonders wichtig:

nicht nur an "leitender" stelle.

warum du schreibst "ausnahmslos", versuche ich zu verstehen.

Barbara, wie oft lese ich hier von ausbeutung und ich weiß nicht was sonst noch schlimmes...ja himmel, die grenzen, wie weit ich oder du das zulassen, die setzen wir beide doch oder etwa nicht? mit erhobenem kopf durch unsere welt zu marschieren und das papier nicht zu sehen, daß es aufzuheben gilt, datt kann et doch nicht bringen.

klar, haben wir wünsche, träume und vorstellungen...nur, ich bin doch mir selbst verpflichtet, das so gut als möglich zu verwirklichen.

bitte verstehe mich richtig, ich möchte mehr als von verständnis schreiben...ich möchte wege aufzeigen, mut machen...auch noch im alter...aber das ist dir vielleicht zu real?

ich schreibe bewußt sehr "persönlich" denn nur dann bin ich sicher, daß ich weiß, wovon ich schreibe.

ich bitte dich sehr herzlich, nicht allen den mut zu nehmen, auch mal "eigene" versuche zu starten.


Barbara antwortete am 26.04.03 (22:53):

pilli,

noch einmal:

Erst schreibt Fred, dass diejenigen, die am wenigsten gelernt haben, am wählerischten sind. Wie kann man pauschal Leute von niedrigerem Bildungsstand derart diffamieren? Es gibt tausende Schicksale... und da sagt man einfach ganz allgemein: die Dummen wollen sich ihre Arbeit auch noch aussuchen! Außerdem sagt er, dass Aushilfsarbeiten gar nicht schlecht bezahlt werden. Was ist "nicht schlecht"? Arbeitslose sind einfach arbeitsscheu (siehe Erntehelfer) und es wird ihnen unterstellt, lieber von Sozialhilfe zu leben.

Dann schreibst Du, mit welch bewundernswertem Einsatz Du Deine Selbstständigkeit zum Erfolg geführt hast. Du warst sicher sehr mutig und hast viel erreicht.

Es freut mich für Euch beide, wie tüchtig und erfolgreich Ihr seid.

Ich sagte:
>>Mir ging es darum, Menschen die vielleicht nicht ganz so toll und tüchtig sind, die vielleicht nicht ganz so viel Glück in ihrem Leben hatten, nicht zu diffamieren.... von wegen, sie sind zu wählerisch, faul.... arbeitsscheu... schmarotzen von der üppigen Sozialhilfe auf Kosten der Fleißigen und Tüchtigen. Meiner Meinung nach macht man es sich da zu einfach.<<

Man hilft Leute nicht aus ihrer Misere, indem man ihnen sagt: du hast selber Schuld. Das Geld liegt auf der Straße, du musst nur aktiv werden. Manch einer hat seine gesamten Ersparnisse in eine Idee investiert und war danach hochverschuldet.... Es liegt nicht immer an der Faulheit des Einzelnen. Es gibt viele unterschiedliche Schicksale.

Das ist meine Meinung und die wollte ich zum Ausdruck bringen.


Lisa1 antwortete am 26.04.03 (23:27):

Barbara,

>>Mir ging es darum, Menschen die vielleicht nicht ganz so toll und tüchtig sind, die vielleicht nicht ganz so viel Glück in ihrem Leben hatten, nicht zu diffamieren.... von wegen, sie sind zu wählerisch, faul.... arbeitsscheu... schmarotzen von der üppigen Sozialhilfe auf Kosten der Fleißigen und Tüchtigen. Meiner Meinung nach macht man es sich da zu einfach.<<

Man hilft Leute nicht aus ihrer Misere, indem man ihnen sagt: du hast selber Schuld. Das Geld liegt auf der Straße, du musst nur aktiv werden. Manch einer hat seine gesamten Ersparnisse in eine Idee investiert und war danach hochverschuldet.... Es liegt nicht immer an der Faulheit des Einzelnen. Es gibt viele unterschiedliche Schicksale.

Ich sehe es auch so,pauschale Aussagen wie:faul,arbeitsscheu
u.s.w. lehne ich ab.Was empfindet ein Arbeitsloser,der sich redlich bemüht,über 60 Bewerbungen geschickt hat,oft keine Antwort bekommt-oder Absagen mit rotmarkierter Altersangabe?


henner antwortete am 26.04.03 (23:29):

liebe pilli,,,alles was Du berichtest von:
-weites feld von möglichkeiten
-freizeit und arbeit flexibel abzustimmen,,
-arbeiten darf, wann immer ich das will und so lange ich das möchte
abzustimmen,daß ich erfolgreich sein kann?
wie sonst, ist es möglich, daß ich auswählen darf, für wen ich was, wie lange mache?
wie sonst, kann ich entscheiden, wie hoch ich meinen lebensstandard setzen möchte?
wie sonst, kann ich beweisen, daß auch harter einsatz guten lohn verspricht?
erinnert mich sehr an intensive Gespräche die ich mit einer Kölner Familie und später mit einem bayerischen Junggesellen "durchlebte"
noch heute sind sie der Meinung,daß die Menschen im Osten mit dem geschenkten Schlaraffenland Schindluder treiben ,,,
sie ließen sich nicht einreden,daß auch ein arbeitender Ossi Solidarbeiträge abführt,sie liessen sich nicht ausreden dass die Ossis (ich vermute aus welcher Infoquelle
sie Ihre Überzeugung nehmen)nach der Wende zinslose Darlehen und wertvolle Immobilien für eine DM angeboten bekamen und und und..
Sie glauben ,daß es in Meckpomm am fehlenden guten Willen der Betroffenen liegt dass es fast 50%reale Arbeitslosigkeit gibt.
pilli weißt du,das die Ostdeutsche Textilindustrie von 330000 auf 21300 Beschäftigte gesundgeschrumpft wurde ?
daß schon 1992 der Schiffbau in Mecklenburg von 56000 auf unter 20000 reduziert wurde
daß die Hochseefischerei von 8000 auf 250
und Fahrendes Personal von 3500 auf 225 Miarbeiter reduziert wurden
daß in meinem ehemaligem Betrieb über Nacht durch Töpferbeschluß (damaliger Umweltchef)mehr als 8000 Beschäftigte zu ehemaligen Beschäftigten wurden,dazu in meiner Stadt keine Molkerei Brauerei u ähnliche tratitionelle Betriebe mehr existieren,,,
,gib bitte mal unter Google "Umschulung Gärtner" ein und dann schau rechts die unterste Anzeige
und du wirst erkennen müssen,wie es Menschen aus meiner Region zumute sein muß,die seit 1991 kein Bein mehr in einem richtigen Beruf,Arbeitsstelle,Funktion,Job oder wie immer du das nennen willst bekommen haben,sondern Ihr Leben mit ABM,nutzloser Umschulung,Einem durch Steuergelder finanziertem Bildungszentrum mehrfache Weiterbildung und mehrmalige intensive Bewerbertrainings durchleben mußten,ohne jegliche echte Chance jemals wieder in ihrer Heimat selbstverdientes Geld nach hause bringen zu können.
liebe pilli,Können wir uns darauf einigen ,daß nicht wenige daran verzweifeln und Ihr anfänglicher Elan ,Ihre Hoffnungen,Ihre Einsatzbereitschaft und Leidensfähigkeit doch lückenhaft werden ?


pilli antwortete am 27.04.03 (09:59):

lieber Henner,

ich erinnere mich an ein anderes thema, da schilderst du deine situation und bist nicht sicher, ob es dir nun gut oder eher doch nicht so gut geht. leider finde ich es im archiv nicht aber ich denke, es ist dir bekannt. von daher und auch aus eigenen erkenntnissen sind mir deine argumente nicht fremd.

schwierig finde ich es, wenn du die unterschiedlichen wertungen "Wessi" contra "Ossi" miteinbeziehst. ich kenne nicht alle meinungen aller "Wessis" und umgekehrt. das sollte m.e. nicht unsere diskussion färben. ich weiß aber genau wie du, von den durch steuergeldern finanzierten
umschulungsmaßnahmen; ich las wie du von gefälschten statistiken und anderen maßnahmen, die dazu dienen sollten, die tatsächliche situation meiner meinung nach, zu verschleiern. mein "nein" zu dieser art von politik ist wohl im ST bekannt.

Henner, wir müssen uns nicht einigen...ich bin mit dir, was deine argumentation betrifft, gleicher meinung.

ich möchte aber im gegenzug meine hier geschilderte persönliche situation in gleicher weise verstanden wissen. einen kontrapunkt zu setzen, ist nicht nur in der musik erlaubt. ich mache bewußt gebrauch von der technik, in der mehrere stimmen gleichberechtigt nebeneinander geführt werden.

Barbara spricht wiederholt ihrer argumentation von "erfolgreichem" tun:
----------------------------------------------------------------
"Dann schreibst Du, mit welch bewundernswertem Einsatz Du Deine Selbstständigkeit zum Erfolg geführt hast. Du warst sicher sehr mutig und hast viel erreicht.
Es freut mich für Euch beide, wie tüchtig und erfolgreich Ihr seid."
-----------------------------------------------------------------

woher weiß sie, daß dieser zum erfolg geführt hat und ich viel erreicht habe? kennt sie meine auswertungen? nur weil ich eine winzige spur optimismus signalisieren will? ich sprach von erfolgreich erledigten dienstleistungen aufgrund der von mir geschaffenen umstände.
nicht von erfolg, der in geld meßbar ist. ich sprach vom erfolg, den ich ganz alleine für mich in anspruch nehme, weil ich oft viele stunden arbeite, so daß es "lohnend" ist...auch davon sprach ich.

"ich weiß nicht du"

bedeutet für mich, meine gedanken und vorstellungen kenne ich, die der anderen muß ich kennenlernen. darum ist diskussion und der austausch unverzichtbar für das verständnis. in einigen beiträgen erkenne ich sich widersprechende argumente. ich nenne bewußt keine namen, denn ich habe keinen bock darauf, mit persönlicher betroffenheit und speziellen empfindlichkeiten konfrontiert zu werden.

ein krasses beispiel:
- es fehle den menschen an geld zu weiterer kaufbereitschaft
an anderer stelle dann aber erfahre ich unter gleicher signatur vom "luxus" von dem sich verabschiedet werden soll. na denn! oder vielleicht auch watt denn nu eigentlich?

ich lese von der betroffenheit, die der empfang von sozialhilfe auslöst. ich lese aber auch in der wochenendausgabe meiner tageszeitung,
daß es nicht länger hingenommen werden kann, daß der geschätzte missbrauch in Köln unter der summe von 25 millionen ä liegt.
(www.ksta.de) es gibt also den mißbrauch oder? sollte ich aus lauter mitgefühl, daß tatsächlich vorhanden ist, den artikel lieber nicht zur kenntnis nehmen?

wem also traue ich?


Barbara antwortete am 27.04.03 (10:49):

@ pilli,

Missbrauch gibt es und wird es immer geben. Es gibt Gesetze, Verordnungen in Hülle und Fülle, die ihn unterbinden sollen. Wenn von diesen Gesetzen Gebrauch gemacht wird, hat sicher niemand etwas dagegen. Dazu brauche ich nicht die ehrlichen Menschen zu diffamieren, nur weil sie auf unsere finanzielle Hilfe angewiesen sind.

Und nun zu Deinem "krassen Beispiel"...

Vielen fehlt tatsächlich das Geld für das Allernötigste. Da können Kinder an Klassenfahrten oder am Sportunterricht nicht teilnehmen, weil den Eltern das Geld für die Ausstattung fehlt.
Andere könnten sich ohne Not ein paar Luxusanschaffungen verkneifen. Besuche einmal eine Yacht-Messe. Ein paar Millionen für eine Luxus-Yacht, was soll's? Oft haben diese Leute sogar mehrere davon. Irgendwie muss man sein Geld ja anlegen....

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den vergangenen Jahren in Deutschland immer größer geworden. Das ist Fakt. Bei den Reichen ist nichts zu holen, dafür haben diese Leute ihre Lobby. Viel befriedigender ist dagegen die Diffamierungen von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern.... denn sie haben keine Lobby.


Fred Reinhardt antwortete am 27.04.03 (11:16):

Hallo Barbara,
wir haben wirklich zuviele junge Leute in Deutschland die zwei linke Hände bei der Arbeit, aber nicht bei der Verteilung von Geld, aus den Sozialkassen haben. Noch etwas beste Barbara. Du verwechselst Glück mit harter Arbeit. Wenn es uns, meiner Frau und mir gut geht, so war dies unser enormer Arbeitseinsatz. Glück hatte ich auch . Eine Frau die seit 40 Jahren alle Tiefen und Höhen mitgemacht hat. Ein gegenseitiges Vertrauen innerhalb der Familie, Töchter, Schwiegersöhne und Enkelsöhne. Ohne TRAUEN, ohne VERTRAUEN wäre ich heute kein zufriedener älterer Mann der immer noch selbständig ist und arbeitet.

Hallo Lisa1,
ein Arbeitsloser der sich um eine Stelle bewirbt ist kein Faulenzer und soetwas habe ich auch nicht geschrieben. Er will ja arbeiten, sonst würde er sich nicht bewerben.


henner antwortete am 27.04.03 (11:25):

liebe pilli,,,freut mich,daß du dich nicht persönlich angegriffen fühlst und auch nicht (wie es ab und zu hier nicht unüblich ist,zum Sofortrundumschlag ausholst)
Natürlich muß sich niemand für eigene Leistung,Erfolg und Glück schämen oder gar entschuldigen ( solche Auswüchse ironischer Selbstdarstellung-wie schon so schön von Wilhelm Busch erkannt-werden bei und durch einige Mitmenschen sehr schnell mißverstanden).Bin schon sehr zufrieden in der jetzigen Zeit ,wenn "Normalbürger mit geregelter und ausreichend honorierter Tätigkeit "nicht mit -ideologisch verbrämten-Fingern auf Arbeitslose allgemein zeigen.Ich selbst für meinen Teil bin schon länger der Meinung,daß ich auf einem für vergleichbare "Durchschnittsbundis"relativ niedrigem aber für vergleichbare von Arbeitslosigkeit und Frühverrentung betroffene Vorpommern relativ hohem Niveau ,meckere.Aber diese Sicht der Dinge ist sicherlich nicht ausreichend objektiv,sondern doch etwas von der hiesigen sozialen Umwelt geprägt.Sicher,auch ich seh den augenscheinlichen Widerspruch zwischen dem Zustand der Staatsfinanzen,dem oftdiskutierten Finanzmangel unterer Einkommensgruppen und den zum Bersten vollen riesigen Einkaufswagen in den Supermärkten.


Barbara antwortete am 27.04.03 (12:03):

Ein Zeitungsartikel in meinem gestrigen Dorfblatt von einer Frau mit leerem Einkaufswagen, die für ihre Kinder stahl:

>>Kein Geld: Da griff die Mutter ins Regal
Prozess: Ihre Kinder benötigten passende Kleidung.

Es waren finanzielle Probleme, die Viktoria K. (37) aus Aserbeidschan zur Diebin werden ließen. Die ledige Mutter von zwei Kindern, die seit 1999 in der Bundesrepublik lebt, war angeklagt, am 28. September 2002 bei H&M im Herold-Center Kinderkleidung im Wert von 93,40 Euro gestohlen zu haben.

Zu ihrer Verteidigung gab die Angeklagte an, dass ihre beiden Kinder das neue Schuljahr begonnen und keine passende Kleidung gehabt hätten. Da sich ihre Wohnung in der Nähe des Herold-Centers befindet, hoffte sie, dort billige Angebote zu finden. Kinderkleidung sei regulär ja viel zu teuer. Und dann habe sie zugelangt und die Sachen in ihrer Hose verschwinden lassen. Es waren diverse Paar Socken, Unterwäsche, ein BH und zwei Tops.

Viktoria K. ist zwar asylberechtigt, wurde aber vom Sozialamt aufgefordert, arbeiten zu gehen. "Weil sie mir 25 Prozent meiner Sozialhilfe gestrichen hatten. Jetzt arbeite ich für 325 Euro in einer Bäckerei." Allerdings war dieser Diebstahl nicht der erste für die Angeklagte. Im Jahr 2001 stand sie deshalb zweimal vor Gericht. Diese Urteile wurden jetzt mit einbezogen und ergaben insgesamt sechs Monate, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden.

In seiner Urteilsbegründung sagte Amtsrichter Reinhard Leendertz: "Die Angeklagte ist nicht bereit, die ihr durch ihre Situation entstandenen Beschränkungen zu akzeptieren. Aber es gibt auch keinen wirtschaftlichen Zwang, Straftaten zu begehen." Deshalb erlegte er ihr zusätzlich eine Geldbuße von 500 Euro auf.<<

https://www.abendblatt.de/daten/2003/04/26/152431.html

Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2003/04/26/152431.html


pilli antwortete am 27.04.03 (12:08):

@ Fred Reinhardt

ich möchte verstehen lernen, warum der "ausflug" zu den foren des ST sich für mich manchmal so konträr zum gerade erlebten und erfahrenen im alltag zeigt.

und doch sind es gerade die gegensätzlichen standpunkte, die mithelfen "verstehen" zu lernen. den vielen aspekten kann m.e. niemand getreu werden und sicherlich nicht den beweggründen der einzelnen.

wenn ich also "hilfe" benötige und eine mir bekannte junge frau vorab frage, ob interesse besteht, den über das wochenende terminierten auftrag begleitend zu Unterstützen, dann erhalte ich oft eine absage. bestimmt nicht, weil der zu erwartende verdienst zu gering ist; nach abzug der kosten teile ich den erwirtschafteten verdienst :-) dazu braucht es keiner gewerkschaftlichen druckmassnahmen :-).

sicherstellen konnte ich die fertigung und vor allem einen gewünschten nachfolge-auftrag nur durch die dann eiligst zusammengerufenen familienmitglieder.

nun, mittlerweile habe ich gelernt, meine gefundenen möglichkeiten alleine zu nutzen, wie sonst hätte es gehen können? aber ab und an kleine denkanstösse, die biete ich gerne wert-und jammerfrei an :-)


pilli antwortete am 27.04.03 (12:27):

@ Babara

gelesenes beispiel:

ja, 325ä monatlich ist nicht viel.

erlebtes beispiel:

die einkuvertierung eines mailings mit einer stückzahl von 2000 am wochenende. mein angebot 200.-ä...leider nicht annehmbar, da wochenende!

200.-ä zu wenig oder falsche zeit oder welche gründe sollte ich mir noch suchen, um die junge frau zu verstehen?

nein, ich habe gelernt zu akzeptieren und wünschte ihr heute nach der absage von ihr, ein angenehmes wochenende.

egal!


Barbara antwortete am 27.04.03 (13:21):

@ pilli

>>Weil sie mir 25 Prozent meiner Sozialhilfe gestrichen hatten. Jetzt arbeite ich für 325 Euro in einer Bäckerei.<<

Vor der Straftat hatte sie diese 325 Euro nicht. Man kürzte ihr ihre Sozialhilfe um 25%. Dadurch geriet sie in Not. Insofern stimmt Deine Rechnung nicht.


mechtild antwortete am 27.04.03 (13:42):

Zum Thema Arbeitslosigkeit möchte ich sagen, dass es in Deutschland zu wenig Arbeit gibt. Maschinen sind zuverlässiger und billiger. Die Arbeitslosigkeit wird auch in Zukunft bleiben. Arbeitslose müssen jedoch auch leben und brauchen ein verlässlichen Einkommen. Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass Menschen, die am Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden, weil sie falsch qualifiziert sind oder aus anderen Gründen, finanziell abgesichert werden und das Jugend beruflich qualifiziert wird.
Missbrauch von Sozialleistungen gibt es, aber die vorhandenen Verordnungen reichen aus, um Missbrauch abzustellen, wenn die Verordnungen angewandt werden. Es ist eine Diffamierung von Menschen, die Sozialleistungen beziehen, ihnen von vorneherein zu unterstellen sie erschwindeln sich die ihnen zustehenden Sozialleistungen. Dass eine reiche Gesellschaft wie die deutsche Gesellschaft sich so viel „Arme“ leistet und dass die Wohlhabenden dieser Gesellschaft so vor Selbstmitleid triefen, empfinde ich auch als Armut dieser Gesellschaft. Großzügigkeit ist eine Form von Reichtum, dafür muss man nicht Millionär sein und ist ein Luxus den man sich leisten sollte.


Wolfgang antwortete am 27.04.03 (13:42):

Spargel stechen, Gurken pflücken, unnütze Broschüren eintüten für einen Hungerlohn... Wenn das mein Arbeits- und damit Lebensschicksal wäre, würde ich auch zum Klauen übergehen. :-)


Siegi antwortete am 27.04.03 (14:38):

Leider holt man solche Leute ja ins Land, damit sie diese Hungerlohntätigkeiten ausführen können. Andere Gründe fallen mir dazu gar nicht ein. Je ausgefeilter die Maschinen werden, je weniger Menschen brauchen wir. Daher kann es nur besser werden, möchte man eigentlich meinen!?
Irgendwann muss diese Technik, diese Menschenersetzungsindustrie besteuert werden, Firmen die ohne Beschäftigte grosse Gewinne einfahren. Der Mensch wir als Arbeitskraft zukünftlich "überflüssig!" Je weniger zu Versorgende wir dann haben, desto besser! Geburtenrückgang ist gut, nicht schlecht!

Beste Grüsse


Fred Reinhardt antwortete am 27.04.03 (15:13):

Sicher hab ihr recht, warum für 650,-- bis 800,-- Euro monatlich Gurken oder Sonstiges ernten, wenn ohne buckeln fast Gleiches, auch ohne dem geht. Sägen wir uns nicht bereits den Ast ab, auf dem wir sitzen ?

für solche Hungerlöhne krümmt man seinen deutschen Rücken nicht, denn dafür haben wir Polen und Slowaken.

Wenn ich mir in meinem Geschäft eine solche Denkweise zu eigen gemacht hätte, würde ich mich heute, auch unter den immer Unzufriedenen, einreihen.


Barbara antwortete am 27.04.03 (15:25):

Siegi,

die Frau wurde nicht "ins Land geholt". Sie ist asylberechtigt. Die Gründe kennen wir nicht.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:

als das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal, damit jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern und durch fortschreitende Maßnahmen im nationalen und internationalen Bereiche ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und Verwirklichung bei der Bevölkerung sowohl der Mitgliedsstaaten wie der ihrer Oberhoheit unterstehenden Gebiete zu gewährleisten.

Artikel 1
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Artikel 2
Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen. Weiters darf keine Unterscheidung gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des landes oder Gebietes, dem eine person angehört, ohne Rücksicht darauf, ob es unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder irgendeiner anderen Beschränkung seiner Souveränität unterworfen ist.

Artikel 3
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

https://www.amnesty-duesseldorf.org/menschenrechte/menschenrechte.html

Internet-Tipp: https://www.amnesty-duesseldorf.org/menschenrechte/menschenrechte.html


Wolfgang antwortete am 27.04.03 (15:38):

Die, um deren Wohl es Dir angeblich geht, Fred Reinhardt, sitzen auf keinem starken Ast mehr, sondern sind längst schon abgestürzt und ein "soziales Netz" - so kümmerlich es auch mittlerweile ist - hat sie vor dem ganz tiefen Fall bewahrt. Die Menschen, die ganz unten angekommen sind in unserem angeblichen Wohlstandsstaat, werden Dich auch weiterhin nicht fragen, was für sie gut oder schlecht ist. Sie werden sich, wenn sie klug sind (und daran besteht kein Zweifel), immer mehr auf ihre eigene Stärke besinnen und ihren Ausbeutern und ihren politischen Statthaltern zunehmend zeigen, dass sie Menschen sind und keine (billigen) Arbeitskräfte. Dieser kollektive Lernprozess ist bereits in vollem Gange. :-)


pilli antwortete am 27.04.03 (16:08):

oh, verzeihung,

ich wußte nicht, daß ein netto verdienst pro stunde in höhe von ca. 30ä ein hungerlohn ist.

egal :-), jetzt habe ich wieder was gelernt...arbeite ich auch für einen hungerlohn...so biete ich doch anderen ein leuchtendes beispiel dafür, wieviel klüger es doch ist, in stolzer armut zu leben. na wenigstens was...:-)

nun, ich hoffe lieber Henner, daß du mitliest...:-)


DorisW antwortete am 27.04.03 (17:51):

@Wolfgang
"Die Menschen, die ganz unten angekommen sind in unserem angeblichen Wohlstandsstaat" ... "werden sich, wenn sie klug sind (und daran besteht kein Zweifel), immer mehr auf ihre eigene Stärke besinnen und ihren Ausbeutern und ihren politischen Statthaltern zunehmend zeigen, dass sie Menschen sind und keine (billigen) Arbeitskräfte."

... indem sie was tun? Klauen statt Gurken pflücken?


Fred Reinhardt antwortete am 27.04.03 (17:55):

Richtig Wolfgang, auf die eigene Stärke besinnen, sich selbständig machen und sich dann ohne murren selbst ausbeuten.
Wer dann durchfällt, kann wenigsten nicht mehr von Fremdausbeutung reden ( schreiben ).

Gruss von Fred.


Barbara antwortete am 27.04.03 (18:39):

DorisW,

und wenn Du vom Gurkenpflücken nicht leben kannst? Zur Zeit flüchten immer mehr in die Schwarzarbeit... auch dieser Zustand kann auf Dauer einen Staat kaputt machen.

Die Menschen brauchen das Gefühl, dass es in ihrem Land gerecht zugeht. Im heutigen Presseclub auf ard wurde gesagt, dass es vor Jahren ein stilles Übereinkommen gab, dass das Gehalt eines Managers das Zehnfache des durchschnittlichen Facharbeiterlohnes nicht übersteigen sollte. Heute würde es bei vielen Managern mehr als das Hundertfache betragen.

Ein weiteres Beispiel des Verlustes der Bodenhaftung zeigt gerade Florian Gerster, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit. für den Umbau der Chefetage in seinem Hause hat er locker 1,8 Mio. Euro bereitstellen lassen....
Da müssen ganz schön viele Gurken für gepflückt werden.....

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,246417,00.html

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,246417,00.html


Wolfgang antwortete am 27.04.03 (19:24):

Der ein oder die andere kennen sicher die berühmte (neunte) Szene in BERTOLT BRECHT's 'Dreigroschenoper'... Herr Macheath, der Verbrecher. der es in einer Welt voller legaler Verbrechen (sprich: Geschäfte) allzu toll und ausserhalb der allgemein akzeptierten bürgerlichen Normalität getrieben hat, wird abgeführt zum letzten Gang zum Galgen:

MAC: Wir wollen die Leute nicht warten lassen. Meine Damen und Herren. Sie sehen den untergehenden Vertreter eines untergehenden Standes. Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Grossunternehmern verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes? [...]

Herr Macheath wird dann doch nicht gehenkt, weil ein Bote des Königs noch rechtzeitig die Botschaft der Begnadigung bringt. Weil er so schön anrührend ist, hier noch der Schluss der 'Dreigroschenoper':

FRAU PEACHUM: So wendet alles sich am End zum Glück. So leicht und friedlich wäre unser Leben, wenn die reitenden Boten des Königs immer kämen.

PEACHUM: Darum bleibt alle stehen, wo ihr steht, und singt den Choral der Ärmsten der Armen, deren schwieriges Leben ihr heute dargestellt habt, denn in Wirklichkeit ist gerade ihr Ende schlimm. Die reitenden Boten des Königs kommen sehr selten, wenn die Getretenen wiedergetreten haben. Darum sollte man das Unrecht nicht zu sehr verfolgen.

ALLE singen zur Orgel, nach vorn gehend:

Verfolgt das Unrecht nicht zu sehr, in Bälde
Erfriert es schon von selbst, denn es ist kalt.
Bedenkt das Dunkel und die grosse Kälte
In diesem Tale, das von Jammer schallt.


hl antwortete am 27.04.03 (19:40):

Ja, lieber Wolfgang :-)

Manchmal wundert es mich, wie aktuell Brecht gerade heute wieder ist.


DorisW antwortete am 27.04.03 (20:59):

Liebe Barbara,

"und wenn du vom Gurkenpflücken nicht leben kannst?"
Ich laufe wahrscheinlich Gefahr, zu arrogant zu antworten, weil ich zugegebenermaßen noch nie vom Gurkenpflücken oder Ähnlichem leben musste, deswegen lasse ich es lieber :-(
Trotzdem wirst du mich nicht davon überzeugen, Unrecht durch anderes Unrecht zu rechtfertigen. Was soll das? Weil irgendwo Milliarden verschleudert werden, ist es auch für den kleinen Mann / die kleine Frau ok, sich auf die illegale Art den gewünschten Lebensstil zu finanzieren?
Nee, oder?


@Wolfgang,
zu Brecht habe ich ein gespaltenes Verhältnis... Er hat einige der schönsten Liebesgedichte geschrieben, die ich kenne, aber mit seiner Proletenromantik kann ich nichts anfangen.
Ich will nicht wissen, was Brecht sagt, sondern was *du* sagst. Worauf willst du eigentlich hinaus?

Doris, die als Bänkerin mehr von der Bankengründung als von Bankeinbrüchen hält ;-)


Lisa1 antwortete am 27.04.03 (21:21):

Doris W. schrieb :

Trotzdem wirst du mich nicht davon überzeugen, Unrecht durch anderes Unrecht zu rechtfertigen. Was soll das? Weil irgendwo Milliarden verschleudert werden, ist es auch für den kleinen Mann / die kleine Frau ok, sich auf die illegale Art den gewünschten Lebensstil zu finanzieren?
Nee, oder?

Der große Unterschied besteht darin,der kleine Mann wird zur Verantwortung gezogen und wer übernimmt die Verantwortung für die verschleuderten Milliarden ?


Barbara antwortete am 27.04.03 (21:40):

@ DorisW,

Das "Du" war als "man" gemeint:

>>und wenn man vom Gurkenpflücken nicht leben kann? Zur Zeit flüchten immer mehr in die Schwarzarbeit... auch dieser Zustand kann auf Dauer einen Staat kaputt machen.<<

Es bleibt dabei: Wenn man vom kleinen Mann fordert, den Gürtel enger zu schnallen, braucht er das Gefühl, dass es im Lande gerecht zugeht, dass sich alle einschränken. Wenn bei den Arbeitslosen gespart werden soll, wenn das Arbeitslosengeld nur noch 12 Monate gezahlt werden soll und die Arbeitslosenhilfe der Sozialhilfe gleichgestellt wird, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit gleichzeitig für 1,8 Mio. Euro seine Räume umbauen lassen will, fehlt das Gefühl der Gerechtigkeit.


Barbara antwortete am 27.04.03 (21:49):

@ DorisW,

habe ich irgendwo geschrieben, dass es richtig ist zu stehlen? Ich versuche lediglich, mich in Menschen hineinzuversetzen. Diese Frau ist fremd in unserem Land, die Sozialhilfe wurde ihr um 25% gekürzt, sie wollte ihre Kinder gut gekleidet in das neue Schuljahr schicken..... Weiß sie überhaupt, wo sie ihre Kinder lassen soll, wenn sie eine Arbeit annimmt? Vielleicht wollte sie ihre Kinder nicht allein lassen? Hat sie Geld für eine Kinderbetreuung?
Diese Fragen kommen wir, wenn ich einen derartigen Artikel lese.

Da sie aus Geldmangel gestohlen hat, wird ihr das Urteil von 500 Euro Geldstrafe sicher auf den rechten Weg helfen....


henner antwortete am 27.04.03 (22:13):

@ pilli,,,na klar les ich mit und dies mit wachsendem Interesse,obwohl ich einigen Rechnungen nicht mehr folgen kann.200ä Wochenendangebot
,,,30ä Stundenlohn
,,,,325ä Monatsgehalt
werden hier wohl in falschen Zusammenhängen interprediert
ich hoffe du hast die von mir angegebene Addi mal angeklickt und folgende Annonse gefunden:
Gärtner gesucht?
Bei Ansus.de finden Sie Gärtner
und Gartenhelfer ab 4ä / Std.
garten.ansus.de
Interesse:
Das ist für mich die Aufforderung zur Schwarzarbeit und/oder zur Ausbeutung
Ich kenne keinen deutschen Gärtner der bei den hiesigen Miet-,Strom-,Wasser-,Nahrungsmittel-,Kleider-,Stadtverkehr,Versicherungs-,und sonstigen Kosten einen derartigen Job guten Gewissens annehmen kann,ohne zusätzliche Fördermittel/Sozialhilfe/Wohngeld/Schwarzarbeitszweitjob-Mittel, oder eine mitverdienende Frau o.ä in Hinterhand zu wissen,um seine Familie durchzubringen.Er müsste Überstunden noch und nöcher machen,um netto noch halbwegs über die Runden zu kommen.(übrigens werden in meiner Gegend nicht wenige Beschäftigte,zB.Wachdienstler,Gaststättengehilfen usw tatsächlich so ähnlich bezahlt).
Durch eigene Erfahrung weiss ich jedoch,daß in einer Tageszeitung in deiner Gegend ("Generalanzeiger" an einem Wochenende mehr Stellenangebote zu finden sind-so war es 2002 imSommer-als in meiner hiesigen Ostseezeitung im halben Jahr.


pilli antwortete am 27.04.03 (23:11):

@ Henner

klar habe ich den hinweis von dir gesehen und schon gedacht,nur watt ich dabei gedacht habe, mochte ich dir nicht so deutlich schreiben...du siehst ja, wie das thema gefahr läuft zu verwässern oder gegen-argumente mit leichter überheblicher wohlfeister geste vom tisch geschoben werden.

ich wollte mit meinem statement lediglich ausdrücken, daß es möglich sein könnte, ich habe nicht geschrieben, daß andere das auch tun sollen.

ich wollte zufriedenheit ausdrücken mit dem was ich tue, aber auch das paßt nicht in manch schablonierte denkweise.
nur um solidarisch zu sein, soll ich die großstadt, die tatsächlich ein weites feld von dienstleistungen erfordert verlassen? :-)

die zynischen bemerkungen und die häme, von der du schriebst, hier trifft es zu :-) halt nur anders, als du dachtest. adresse war in meinem fall doch schnell erreicht...ich denke mal, ich kann es tragen :-)


DorisW antwortete am 28.04.03 (07:54):

Liebe Barbara,

nein, du hast natürlich nicht das Stehlen gutgeheißen.
Mit meiner provokanten Frage "Klauen statt Gurken pflücken?" bezog ich mich hauptsächlich auf Wolfgangs Beitrag ("Wolfgang antwortete am 27.04.03 (13:42)") und nicht auf dein Fallbeispiel der aserbaidschanischen Frau.

für mich hat es auch wenig Sinn, ein Einzelschicksal zu diskutieren, weil wir eben die Hintergründe nicht kennen. Du stellst dir mit Recht Fragen ("Vielleicht wollte sie ihre Kinder nicht allein lassen?" usw.), natürlich kann man dann auch Fragen stellen wie "Warum wurde ihr die Sozialhilfe gekürzt?" Aber lassen wir das...

Mich ärgert es einfach nur, wenn die Gesetzesverstöße der "Kleinen" mit dem Hinweis auf die der "Großen" relativiert und - ja, auch gerechtfertigt? - werden sollen.
Das macht eine ungerechte Gesellschaft nicht gerechter.


Wolfgang antwortete am 28.04.03 (08:10):

Die Erwerbsarbeit geht uns aus. In allen Branchen werden immer mehr Maschinen, sogar solche mit eingebauter Intelligenz, eingesetzt. Neue Arbeitsabläufe lassen schneller und effizienter produzieren. So ist es erklärbar, warum die (Arbeits-)Produktivität steigt und Umsätze und Gewinne neue Rekordmarken erreichen.

Leider steigen auch die Arbeitslosenzahlen. Sie steigen immer dann, wenn das Wachstum der (Arbeits-)Produktivität grösser ist als das Wachstum aller produzierten Güter (= Bruttoinlandsprodukt = BIP).

Seit Jahrzehnten ist die deutsche Volkswirtschaft eine der produktivsten der Welt. Zu Zeiten eines stetig und schnell wachsendes BIP wurden zwar auch Arbeitsplätze vernichtet, aber - dank des schnellen BIP-Wachstums - woanders neue geschaffen. Seit einigen Jahren wächst die Volkswirtschaft als Ganzes kaum noch. Von den Ökonomen werden für dieses Jahr magere 0,5 Prozent BIP-Wachstum prognostiziert. Zu wenig, um neue profitable Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit wird weiter zunehmen. Die Probleme vor allem im sozialen Bereich und mit den sozialen Sicherungssystemen werden sich verschärfen.


Siegi antwortete am 28.04.03 (10:08):

Ich glaube, unser deutsches Sozialsystem ist so beschaffen, dass derzeit niemand hier zu hungern braucht. Es sollten keine Unterschiede von der Gesetzgebung, ebensowenig vom Privatmensch selbst dahingehend gemacht werden, ob eine Straftat nun von einem Zugewanderten, Asylanten, Urlauber, Staatsbürger oder wem auch immer begangen wurde. Wieviel Geld steht jeder Person gegenwertig in unserem Land als Mindestbetrag zur Verfügung? Über 700 Euro warens noch vor einiger Zeit, gell? Dann vergleichen wir mal. Ich kenne wen, der nach etwa 45 Jahren Büroarbeit(weibl.), die letzten ca. 25 Jahre davon halbstags, heute, mit 62 Jahren, knapp über 830 Euro Rente bezieht!!! Nein, darum lohnt es sich nicht mehr, Rentenbeiträge einzubezahlen, überhaupt noch arbeiten zu gehen! Sollten die Renten dann zu 100 % besteuert werden, die Sozialhilfe vermutlich nicht, stellt sich die Frage wohl kaum noch, was zu tun ist!?

Von Gerechtigkeit kann man hier langsam gar nicht mehr sprechen, es breitet sich langsam Wahnsinn aus!


Barbara antwortete am 28.04.03 (10:45):

Sozialhilfe:
Regelsätze für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (Stand 01.07.2002)

Haushaltsvorstand
294,00 ä

Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres
147,00 ä

Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres bei Alleinerziehenden
162,00 ä

Vom Beginn des 8. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
191,00 ä

Vom Beginn des 15.Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
265,00 ä

Von Beginn des 19.Lebensjahres an
235,00 ä

https://www.vdk.de/ov-frankfurt-bockenheim/page.cgi?ID=2281

Noch einmal: ich rechtfertige nirgends einen Diebstahl. Aber Fakten dürfen wohl genannt werden:

Diese Frau erhielt incl. ihrer zwei Kinder bei einer Kürzung der Sozialhilfe von 25% 463,50 Euro.

Internet-Tipp: https://www.vdk.de/ov-frankfurt-bockenheim/page.cgi?ID=2281


schorsch antwortete am 28.04.03 (10:59):

....und wieviel ä hast denn du lieber Siegi zur Verfügung?


Gudrun antwortete am 28.04.03 (11:51):

Siegi
begann hier mit der Frage:

Wem kann man überhaupt noch trauen

möchte ihm eine Antwort geben,die ich lesend gefunden habe--

Zwei Frauen unterhalten sich über alles mögliche bei einem Treffen in Frankfurt.Natürlich sind auch Zeitereignisse nicht ausgespart.Sagt die Eine:die Welt ist ja so schläächt!

Jo,sagt die andere,die Welt is so schläächt,dass man seinem eischenen Hinnere nisch mehr traue kann...


Siegi antwortete am 28.04.03 (12:49):

Lieber @schorsch,

bei mir sitzt das Geld derzeit nicht so locker. Nach einer MeniskusOP, startete ich kürzlich einen viertägigen Arbeitsversuch, der kläglich scheiterte :-((. Ich beziehe nun Krankengeld und muss abwarten, denn das kann noch Wochen dauern. Ich habe mich eingeschränkt, lediglich das DSL u. die Flat leisste ich mir noch. Beschäftigt bin ich im Münchner Stadtwald, Forstwirt, moderner Holzfäller, wenn Dir das was sagt. Aufgrund, dass meine Entlöhnung durch Zuschläge stark in die Höhe getrieben wird, die Krankenkasse jedoch vom normalen Brutto ausgeht, reicht es hinten und vorne nicht mehr....Eigentlich wars ein Arbeitunfall und die Berufsgenossenschaft müsste zahlen. Aber die reden sich raus, weil nunmal Meniskusschäden über Jahre hinweg entstehen. Hatte vor Jahren schon einen solchen "Unfall", trug ihn leider nicht ein, arbeitete weiter, weil das Knie besser wurde und daher sehe ich jetzt ziemlich alt aus!

Derzeit grüble ich nach!? Ich bekam ein Schreiben der Krankasse, ob es denn einen Unfall gegeben hätte? Ja, hatte es und der ist auch "eigetragenerweise bezeugt und bewiesen!" Sie setzen sich nun mit der Berufsgenossenschaft in Verbindung, nehme ich schwer an um Kosten zu sparen. Müssten die nun zahlen, sähe es für mich weitaus günstiger aus! Die Krankenkasse wird bestimmt eine Vereinbarung mit der Berufsgenossenschaft treffen. Aber wie wird die aussehen? Ganz bestimmt nicht zu meinen Gunsten, warum auch, beide könnten ja quasi nach Absprache Geld einsparen!?
Alles wird nur unübersichtlicher und der Mensch ist der Dumme!

Beste Grüsse


Fred Reinhardt antwortete am 28.04.03 (13:22):

Nach meinen beiden Meniskus - Operationen die kurz hintereinander stattfanden, gib ich dir folgenden Tipp.
Kniemanschette tragen und täglich 3 - 4 mal Knie mit
" Perskindol Aktiv Fluid " einreiben. Hat bei mir geholfen.
Hergestellt wird es in der Schweiz bei der Pharma Singer AG.
Die Apotheken müssen dieses Einreibmittel meist bestellen. Die Krankenkasse bezahlt es nicht ist aber nicht sehr teuer. Preis - Leistungsverhältnis stimmt.
Dir wünsche ich gute Besserung und baldigste Genesung.
Fred


Siegi antwortete am 28.04.03 (13:37):

Dank Dir recht herzlich Fred Reinhardt,


ich probiers aus. Herje, 2 Op`s. Kommt sicher daher, weil man das eine Knie dann fortlaufend stärker belastet! Und jetzt muss ich in die Therapie, auf bald..

Beste Grüsse aus dem leicht diesigen Oberbayern.


Siegi antwortete am 28.04.03 (17:13):

@Barbara,

leider müssen Rentner oft auch noch ihre Miete bezahlen, der Sozialhilfeempfänger aber nicht.

Beste Grüsse


Ursula J. antwortete am 28.04.03 (18:20):

@Siegi,

ich möchte nicht von 294,-- Euro leben müssen. Hast du es schon mal ausprobiert, mehr als einen Monat? Oder vielleicht sogar ein paar Jahre?

Ich weiß nicht was daran so beneidenswert ist.


Siegi antwortete am 28.04.03 (18:50):

@Ursula u. @Barbara,


ich drückte mich vielleicht nicht ganz verständlich aus. München und Umland hat horrende Mietpreise. Wie soll ein alleinstehender Rentner mit 850 Euro existieren, wenn er zumindest eine 2 Zimmer-Wohnung bewohnen möchte. Ist hier nicht unter Euro 600 warm zu haben. Keine Chance. Nun blicken wir auf das Restgeld, was diesem Rentner noch zur Verfügung steht!?
Der Rentner muss nun seine Heimat verlassen, die er und seine Ahnen vielleicht seit Jahrhunderten bewohnten, wusch und wech.

Sozialhilfeempfänger wird diese Miete natürlich gezahlt, hilft ja nix! Darum ist es, möchte man in seiner alten Heimat und Umgebung bleiben, zukünftig besser nicht mehr zu arbeiten!

Ich sagte ja nie, dass es diesen Sozialhilfeempfänger gut geht, ich sprach eigentlich nur von der allgemeinen Ungerechtigkeit in unserem Land. Jeder, der ohne eigene Schuld in eine Situation kommt, dass er um Sozialhilfe betteln muss, ist ein armer Teufel und hat mein ganzes Mitgefühl. Persönlich kenne ich jedoch die "Spreu", die sich unter den Anderen befinden und die gilt es gnadenlos auszusondern. Köpfen lassen würde ich sie auch nicht, auch wenn mir das hier einige zutrauen würden, *pruuuuuuuuuust*.

Beste Grüsse, Siegi


Barbara antwortete am 28.04.03 (19:02):

Siegi,

ich habe eine gute Nachricht für Deinen alleinstehenden Rentner aus Bayern:
er braucht seine Heimat und die seiner Vorfahren nicht zu verlassen, denn er kann Wohngeld beantragen!

https://www.bmvbw.de/Wohngeld-ab-2002-.732.htm

Internet-Tipp: https://www.bmvbw.de/Wohngeld-ab-2002-.732.htm


Siegi antwortete am 28.04.03 (20:11):

Danke @Barbara,


ehrlich gesagt, habe mich bisher nie gross damit befasst. Hattest somit recht, ich unrecht. Gut für diese Rentner, danke nochmal,


beste Grüsse


Wolfgang antwortete am 28.04.03 (22:21):

Armut stellt für einen ziemlich grossen Anteil der Bevölkerung eine reale Gefahr dar. Aus der Armut kann sich der Arme in aller Regel nicht alleine befreien (zumal ein grosser Anteil der Armen minderjährige Kinder sind). 17 Prozent aller Menschen in der EU gelten als arm.*

Der Anteil der Armen in Deutschland ist seit 1992 (10,5 Prozent Arme) kontinuierlich gestiegen... Im Jahr 2000 waren 13,0 Prozent aller Deutschen arm (was nicht heisst, dass die alle sozialhilfeberechtigt sind; um Sozialhilfe beanspruchen zu können, werden im Einzelnen noch strengere Maßstäbe angelegt).

Quelle... DIW-Wochenbericht + DGB einblick 02/03

Armut in reichen Volkswirtschaften ist ein gesellschaftliches Phänomen, dem nicht privat beizukommen ist. Alle Appelle an die eigene private Kraft entstammen der beliebten Ideologie des "jeder ist seines eigenen Glückes Schmied". Diese Ideologie dient dazu, gesellschaftlich gemachte Armut den Armen als eigenes Versagen in die Schuhe zu schieben. Beliebt ist diese Ideologie nur noch bei neoliberalen, rechten PolitikerInnen und ihren AnhängerInnen. In den Sozialwissenschaften werden die VertreterInnen der Ideologie, dass die Armen selber schuld an ihrer Armut seien, nur noch mitleidig belächelt.

* Als arm gilt in der Statistik, wer über ein Nettoeinkommen von weniger als 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügt.


pilli antwortete am 28.04.03 (22:43):

Bekenntnis zum Leben

Ich will unter Umständen ein Allerweltsmensch sein.
Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen-wenn ich es kann. ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt.
Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben.

Ich lehne es ab, mir den eignen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein führen; lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolgs als die dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen:
dies ist mein Werk. Das alles ist gemeint, wenn ich sage:
Ich bin ein freier Mensch.

Albert Schweitzer


Wolfgang antwortete am 28.04.03 (23:29):

Entgegen allen neoliberalen Ideologen: Würde in Armut kann es nicht geben; Armut macht nicht frei. Solche Ideologien verschleiern und rechtfertigen Bedingungen und Zustände unter denen Menschen würdelos und unfrei gehalten werden. Übrigens ist Würde im Reichtum ebenfalls eine Illusion, weil die, die über den Reichtum verfügen, diesen den anderen abgepresst haben. Staatlich legalisierter und wirtschaftlich institutionalisierter Diebstahl an Lebenschancen mag der allgemein akzeptierte und (in normalen Zeiten) nicht weiter hinterfragte Normalzustand sein...

Aber, es bleibt dabei: Reichtum auf der einen Seite bedingt Armut auf der anderen Seite. Das lässt sich nachweisen innerhalb von Gesellschaften (also z. B. innerhalb Deutschlands), aber erst recht zwischen den Gesellschaften (also z. B. zwischen der sogenannten 1. und 2. Welt und der sogenannten 3. Welt).

Reichtum und Armut haben nichts mit Moral oder individueller Selbstverwirklichung zu tun. Reichtum und Armut entstehen aufgrund kollektiv wirkender Herrschaftsstrukturen und ihren Einkommens- und Vermögensverteilungen.

Reichtum und Armut können abgeschafft werden. Allerdings werden das nicht die derzeitigen 'Gewinner' im Spiel ums grosse Geld tun; das Geschäft müssen die derzeitigen 'Verlierer' selbst in die Hand nehmen. :-)


DorisW antwortete am 29.04.03 (08:15):

Pilli,
es muss natürlich heißen "... unter *keinen* Umständen ein Allerweltsmensch sein..."
Bitte, keine Ursache ;-)

Wolfgang,
wenn ich bloß wüsste, worauf du hinauswillst.
Ich verstehe deine Kritik an den Verhältnissen und kann sie in Teilen nachvollziehen, aber was ist deine Prognose - oder dein Wunsch?
Wie, glaubst du, wird es aussehen, wenn die "Verlierer das Geschäft in die Hand nehmen"? Ich wünschte, du würdest mal etwas konkreter werden...
P.S. Wann ist Revolution? Nächsten Samstag um sechs?

@alle
Irgendwie finde ich es absurd, Armut am durchschnittlichen Einkommen zu messen. Ich meine, wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung sich ein Ferienhäuschen und zwei bis drei Autos leisten könnte, dann wäre der schon arm, der "nur" eine schicke Mietwohnung und ein einziges Auto sein eigen nennt?
Wäre es nicht sinnvoller, ein paar Grundbedürfnisse zu definieren (Wohnung, Nahrung, Kleidung, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben usw.) und diese finanziell zu bewerten?


Wolfgang antwortete am 29.04.03 (09:08):

Die "relative Armut" - also die Verfügung über weniger als 50 Prozent des Durchschnittseininkommens - ist internationale Statistikgrundlage und auch allgemein akzeptierte Grundlage in Wissenschaft und Politik. Das macht Sinn, weil der Mensch ein soziales Wesen ist, der in einer konkreten Community lebt und dort (relativ) arm sich bewähren muss.

Die "absolute Armut" wird zum Beispiel im Regelwerk des (deutschen) Sozialhilferechts zu Grunde gelegt (obwohl auch dort Elemente des Gedankens der "relativen Armut" enthalten sind). Einige Beispiele aus dem deutschen Bundessozialhilfegesetz (BSHG):

ß 1 (2) BSHG - Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der WÜRDE DES MENSCHEN entspricht. [...]

ß (1) BSHG - Art, Form und Maß der Sozialhilfe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den ÖRTLICHEN VERHÄLTNISSEN. [...]

ß 12 (1) Der notwendige Lebensunterhalt umfaßt besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfange auch BEZIEHUNGEN ZUR UMWELT UND EINE TEILNAHME AM KULTURELLEN LEBEN.

Darüber hinaus ist es in Deutschland dem Staat per Verfasssung aufgetragen, die Würde des Menschen zu schützen und aktiv zu sichern. SozialhilfeempfängerInnen leben per definitionem am Rande der Gesellschaft in absoluter Armut (also unterhalb der statistischen relativen Armutsgrenze). Einen Menschen aber auf Wohnung, Heizung, Kleidung, Essen zu reduzieren in einer Qualität unabhängig vom durchschnittlichen Qualitätsniveau und ihm auch keine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, wäre eindeutig gegen die Menschenwürde. Selbst Strafgefangene müssen untergebracht und versorgt werden in Einrichtungen und in einer Qualität, die dem allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Niveau entsprechen.

Internet-Tipp: https://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/bshg/index.html


pilli antwortete am 29.04.03 (09:22):

@ Doris

na klar! und danke für den berichtigenden hinweis, ich habe nicht kopiert sondern abgeschrieben.:-)

@ Wolfgang

"wenn ich bloß wüsste, worauf du hinauswillst."
Doris hat so klar gefragt, :-) das wüßte ich auch gerne.


DorisW antwortete am 29.04.03 (09:48):

Wolfgang,
vielen Dank für deine Ausführungen vom 29.04.03 (09:08)!

Die andere Frage bleibt bestehen...


Wolfgang antwortete am 29.04.03 (12:51):

Nicht nur mein Traum: Eine nachhaltige Produktion und Konsumtion, gerechte Lebenschancen für ALLE Menschen (also insbesondere auch für die in der sogenannten "3. Welt"), eine Demokratie, die diesen Namen verdient (also das krasse Gegenteil von dem, was uns als "Demokratie" von den derzeit Mächtigen verkauft wird), Respekt bei sämtlichen Entscheidungen vor der Würde der Menschen UND vor der Würde der Natur.

Zwei Ökonomen möchte ich ins Gespräch bringen: LEOPOLD KOHR und (sein Schüler) ERNST FRIEDRICH SCHUMACHER... Die formulierten als erste den Gedanken der "Rückkehr zum menschlichen Mass"... Small is beautiful...

Webtipp(s)...

Eine Lange Nacht über Leopold Kohr und seine Erben
Die Lehre vom rechten Maß
Von DOLORES BAUER
https://www.dradio.de/dlr/sendungen/langenacht/030125.html

The E. F. Schumacher Society
https://www.schumachersociety.org/

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/inhalt.html


Medea. antwortete am 29.04.03 (14:49):

Liebe Barbara, die Regelsätze für die Sozialhilfe sind mir auch bekannt, ich möchte dennoch einmal auch eine andere Sichtweise beleuchten.
Zu meinem Bekanntenkreis gehören beide Kategorien, die "ach so Armen" und die "unverschämt Reichen" - und die "ach so Armen" empfinden sich gar nicht als so arm, denn dann und wann ist auch die eine oder andere kleine Urlaubsreise mit drin. Ich führe öfter sehr offene Gespräche mit beiden Seiten und bin dann doch überrascht, w a s alles unsere Ämter zu leisten bereit sind. Zur Einschulung einen Sonderbetrag für Schultasche und Schultüte, beim Umzug der Tochter in eine eigene kleine Wohnung (18 Jahre alt) einen Betrag für eine neue Wohnungseinrichtung einschließlich neuer Toilette, hat die Waschmaschine oder der Fernseher den Geist aufgegeben kann ein neuer angeschafft werden, im Einzelfall auch neue Auslegware, Materialkosten für Farbe etc., wenn die Wohnung in Eigenhilfe renoviert wird, Kleidergeld (entweder halbjährlich oder ganzjährig), Wohnungsgeld- und Heizungskostenzuschuß, in etlichen Fällen auch gesamte Miete, übernommen werden auf Antrag auch noch andere Hilfen, die ich jetzt nicht alle aufführen möchte ....
Die Menschen, die ich aus dem "reicheren Lager" kenne, helfen auch unentwegt, sind ehrenamtlich in gemeinnützigen Einrichtungen tätig, unterhalten mehrere Patenkinder in der driten Welt, sind bei Resozialisierungsmaßnahmen im Strafvollzug tätig (ehrenamtlich), organisieren tätige Hilfe für Opfer irgendwelcher gerade stattfindenden Katastrophen, sitzen nicht auf ihrem Geldsack, sondern fühlen die Verpflichtung, gerade eben weil es ihnen gutgeht, davon abzugeben. Auch aus den Logen heraus wird - ohne darüber groß zu reden - viel finanzielle Hilfe für die unterschiedlichsten Projekte geleistet.

So grau in grau sieht es also gar nicht aus, wenn ein wenig auch hinter die Kulisssen geschaut wird. Ich bin das ständige Gejammer auch satt und sehe schon die eigene Verpflichtung, aus seiner jeweilien Situation das Beste zu machen und nicht alles dem Staat in die Schuhe zu schieben. Wozu haben wir alle den Verstand mitbekommen? Dann soll er auch eingesetzt werden und nicht nur dafür, wie ich wo am besten abstauben kann.


rolf antwortete am 29.04.03 (16:16):

Es ist richtig, daß Sozialhilfeempfänger sich beim Sozialamt etliches erbetteln können, und wenn sie sich einmal überwunden haben, regelmäßig den erniedrigenden Gang zu tun, auch erhalten. Allerdings müssen sie dann auch erdulden, daß zuhause kontrolliert wird, ob die Anschaffung bzw. der Ersatz wirklich nötig ist. Also alle Schränke öffnen usw. Wird dann bei einer Frau etwas gefunden, daß auf einen Mann hinweist, wird geprüft, ob sie nicht von dem unterstützt werden kann. u. s. w.


fred Reinhardt antwortete am 29.04.03 (17:19):

Wenn du Rolf dies als betteln bezeichnest wird dem schon so sein. Ich war nach nie in solch einer Situation, kann es also nicht wissen.
Was ist aber bei den Menschen die morgens zur Arbeit gehen. Sie werden auch am Arbeitsplatz kontrolliert ob sie ihre Arbeit gut und den Anweisungen entsprechend machen.
Was ist mit Selbständien die ihre Leistung verkaufen und wenn Diese verkauft ist, noch um die Bezahlung bitten müssen und vom Finanzamt, Berufsgenossenschaft und Krankenkassen kontrolliert werden.
Warum meinst du Rolf das Eine sei nicht gut, aber das Andere sollten wir so über uns ergehen lassen. Meiner Meinung nach ist es schon wichtig, dass eine Kontrolle stattfindet. Geldausgaben gerade aus Steuermitteln müssen überwacht werden.

Grüsse von Fred


Ursula J. antwortete am 29.04.03 (19:17):

@fred Reinhardt,

du warst wirklich noch nicht beim Sozialamt, sonst würdest darüber anders reden.
Du hast bei jeder Behörde Rechte, aber beim Sozialamt bekommst du spätestens beim zweiten Besuch das Gefühl, als wären sie dir genommen.


schorsch antwortete am 30.04.03 (09:48):

Ich stand Jahre lang selber auf der untersten Stufe der Arm-Reich-Leiter. Der einzige "Bettelversuch" war, als ich meine Kirchgemeinde bat, mir einen Teil der Kirchensteuer zu erlassen - und damit abblitzte!

Nach der Scheidung gings langsam aber beharrlich bergan. Ich gönnte mir so lange nichts, bis die Schulden - die meine erste Frau gemacht und mir hinterlassen hatte - abbezahlt waren. Erst dann habe ich aufgeschnauft und angefangen, mir hin und wieder etwas zu gönnen.

Narben sind mir geblieben - sie reissen hin und wieder auf......wie eben hier bei diesem Thema!