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THEMA:   Rumpelstilzchen... Ein Märchen neu erzählt

 8 Antwort(en).

Wolfgang begann die Diskussion am 17.04.03 (14:13) mit folgendem Beitrag:

Die Politik der Macht
Rumpelstilzchens Reinkarnation
Von ARUNDHATI ROY

[...]

Rumpelstilzchen ist etwas Abstraktes, eine Figur perverser, heimtückischer weisser Logik, die sich am Ende selbst vernichten wird. Doch vorerst geht es ihm prächtig. Er ist der Grösste. Der König all dessen, worauf es wirklich ankommt (Geld). Er hat die Konkurrenten aus dem Feld geschlagen, die anderen Prätendenten umgebracht, all die anderen Arten von Königen. Er hat uns davon überzeugt, dass er alles ist, was uns noch geblieben ist. Unsere einzige Rettung.

Was für ein Potentat ist Rumpelstilzchen? Mächtig, mitleidlos und bis an die Zähne bewaffnet. Ein König, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Sein Reich ist das Kapital, seine Eroberungen sind die aufstrebenden Märkte, seine Waffen stammen aus dem nuklearen Arsenal, seine Gebete sind Profitraten und Grenzen kennt er nicht. Wer auch nur versucht, ihn sich vorzustellen und sein ganzes Wirken in den Blick zu bekommen, der muss sich an den Rand des vernünftigerweise Denkbaren begeben und darf keine Scheu haben, sich lächerlich zu machen. Sein Herz ist ein Bankkonto. Seine Augen sind Fernsehbildschirme, und seine Nase ist die Presse, in der nur das steht, was er die Leute lesen lassen möchte. [...] Doch das ist noch nicht alles. Sein Mund dient ihm als Megaphon, das seine Stimme verstärkt, während die übrige Welt stumm geschaltet wird, sodass man nichts von ihr hört, nicht einmal Schreie (und schon gar nicht das Stöhnen der Hungernden und Sterbenden). Und dabei flüstert König Rumpel nur mit nordamerikanischem Akzent (er rollt das R).

[...]

Quelle...

Arundhati Roy
Die Politik der Macht
EUR 8,00 [D]
btb Verlag
ISBN: 3-442-72987-4
3. Auflage (Deutsche Erstausgabe Februar 2002)
S. 159 ff.

https://www.randomhouse.de/author/author.jsp?per=52452

Internet-Tipp: https://www.randomhouse.de/author/author.jsp?per=52452


js antwortete am 17.04.03 (18:49):

sorry, aber ein wenig langweilt mich schon, ständig überall fast! nur mehr Wortgeschütze gegen USA, Bush, und Konsorten zu lesen, das hab ich doch überall; zuviel Energie hier hinein gesetzt versperrt den Blick nach vorne.
Nicht a priori ist alles schlecht, was amerikanisch ist, sowenig wie das Deutsche, das Tschechische, das Libanesische, das vietnamesische, das chilenische, etc. etc.
Gut, dass wir die UNO haben, die muss Rettung für alles Übertriebene auf der Welt sein, und:
Trotz der vielen Völker setze ich auf Europa, USA ist, wie schon öfter von mir behauptet, ein Auslaufmodell.


Wolfgang antwortete am 18.04.03 (06:52):

Du scheinst das Märchen nicht verstanden zu haben, js... ARUNDHATI ROY erwähnt zwar den nordamerikanischen Akzent, den Rumpelstilzchen hat. Ansonsten aber ist Rumpelstilzchen staatenlos. Wenn Du Augen im Kopf hättest, würdest Du um Dich herum das Rumpelreich bemerken.


js antwortete am 18.04.03 (09:10):

weisst du was, ich sehe dir deine Einlassung zu meinen paar harmlosen Zeilen nach.
Werde mir mehr Verstand und sehende Augen besorgen ;-))

Wünsche euch allen ein frohes Osterfest.

auch für nachher noch viel Ausstrahlung davon.


Siegi antwortete am 18.04.03 (11:03):

Das Rumpelstilzchen gibts lange schon. Sein Staat ist gross, fast weltumfassend. Eine schemenhafte, kaum wahrnehmbare Gestalt und doch überall höchst aktiv und in emsiger Betriebssamkeit. Seine Stärke basiert aus der Vernebelung menschlichen Geistes. Seine Waffe ist die Lüge, er verspricht das irdische Paradies. Kaum einen grösseren Komödianten hat die Welt gesehen. Mit dem strategischen Geschick, erlangt über Jahrhunderte menschenlichen Wollens, ist sein Weg so deutlich-klar und ohne viele Hindernisse und nur die "Seinen" sind erlaucht die Reise mitzutun. Sirenenhaft sind seine Worte, so menschlich gut er sich verkauft, doch hinter seiner Fratze steckt der Schurke, er peitscht sie gern, die Sklavenhaut. Ganz ohne jede Not er nutzt die Gunst der Stunde und sticht mit stetīger Mörderhand, hinein ins Fleisch der Ignoranten, fällt jeden der sein Walten band. Doch auch hat er die schwache Stelle, doch Augen brauchts und Einigkeit, die Blinden müssen sehen lernen, die Knechte ihres Weges ziehn. Sonst schafft er das was er stets wollte, dass niemand seinen Namen sprach und somit schnellen Schrittes, den Weg zum Ziel hin fand!

Viele wussten das, lange bevor wir lebten gab es das Rumpelstilzchen schon. Es ist ja auch ein sehr altes Märchen. Leider zerbrachen die Wissenden an der schieren Unmöglichkeit, dem allgemeinen menschlichen Geist die diabolische Berechnung, die teuflische Geschicklichkeit, des Schalten und Waltens dieser geistig-ideologischen Bruderschaft, dieses Ordens gleicher Interessen aufzuzeigen! "Nietsche" wird darüber wohl den Verstand verloren haben! Die Entdecker des Rumpelstilzchen, jene, die "es" beschreiben, werden von den Schergen seines Systems, den Vasallen dieser Allmacht absichtlich "verkleinert". Nietzsche, wohl auf der Stufe eines der wenigen Genies stehend, wird ziemlich berechnend, also politisch als nicht mehr "genehm", kaum noch erwähnt. "Sein Zarathustra" wäre die eigentlich Antwort auf all unsere Fragen, sein Zarathustra würde wohl als einziger das Übel von dieser Erde tilgen können!

Ältere Exemplare sollte man wählen, diese Neuauflagen sind manchmal mit "eigentümlichen Anmerkungen" des jeweiligen Autors oder seiner "Auftraggeber" versehen! Leider haben aber ältere Exemplare bei Ebay keinen geringen Preis!
Ich bevorzuge daher hauptsächlich Bücher, die vor 1970 verlegt wurden. Die heutigen sind mir zu voll mit aktuellem, politischen, menschenmarionettierendem Zeitgeist!


Barbara antwortete am 18.04.03 (12:57):

Die Politik der Macht
Rumpelstilzchens Reinkarnation

Das ist das Thema... und es lohnt sich, den Menschen diese Grundformel des sich immer stärker ausbreitenden Übels vor Augen zu führen...

Was die Bush-Leute im Großen treiben, nämlich die rigorose Ausbeutung wehrloser Staaten, geschieht um uns herum tagtäglich im Kleinen. Jeder freut sich, wenn er sein Bankkonto füllen kann, während Obdachlose aus den Innenstädten verbannt werden und immer mehr Kinder von Sozialhilfe leben müssen.

In meinem Wohnort bekämpft man seit Jahren die herumlungernden "Penner". Es sind Menschen, die abseits unserer Gesellschaft stehen. Um wenigstens das Gefühl zu haben, noch dazu zu gehören, haben sie ihren Treffpunkt in einer Ecke des pulsierenden Einkaufszentrums gewählt. Dort ist Leben um sie herum... Sie trinken ihr Bierchen, erzählen und lachen. Noch nie habe ich gehört, dass sie gewalttätig geworden sind.... Trotzdem wird alles unternommen, um sie zu vertreiben.... Sie schädigen das Image des Centers.... also weg mit ihnen.

Genauso ergeht es den Bettlern in den Innenstädten. Die Polizei greift sie auf und setzt sie am Stadtrand ab. Sie sollen aus unserem Blickfeld verschwinden... sie passen nicht in Einkaufszonen, tragen nicht zur Steigerung der Lust am Konsum bei.... was müssen wir ihr Elend beim Einkauf vor Augen haben? Und wenn ab und zu einer erfriert, weil man ihn bei eisiger Kälte in der Wildnis aussetzte... na, eben Pech.
Eine Krankenstation für Obdachlose wurde gerade in Hamburg, was zu den reichsten Regionen Europas gehört, aufgelöst... für die Finanzierung fehlt angeblich das Geld....

In meiner Zeitung standen gestern nebeneinander zwei Artikel:

Der erste informierte über die Verdoppelung und Verdreifachung der Bezüge der Aufsichtsrats-Mitglieder von Mercedes. Herr Kopper, Ex-Vorstand der Deutschen Bank (durch seine Peanuts-Bemerkung bekannt geworden), erhält nun das Dreifache..... Über wie viele Aufsichtsratsposten mag er verfügen?

Der zweite Artikel informierte über die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Sie hat ergeben, dass gerade die unteren Schichten zu wenig für ihre Altersvorsorge unternehmen. Sozialhilfeempfänger, allein Erziehende, Frauen, Geringverdiener... sie alle scheinen noch nicht begriffen zu haben, dass sie durch ihr Verhalten auf eine Versorgungslücke im Alter zusteuern. Nun will man diese Gruppen besser informieren....

Ich frage mich, ob diese Artikel bewusst nebeneinander stehen? Eigentlich müssten doch jedem beim Lesen die Auswirkungen einer Rumpelstilzchen-Politik aufgehen. Das Selbstbewusstsein der Ausgebeuteten wird mit Füßen getreten. Sie werden für dumm gehalten, weil sie kein Geld für ihre Altervorsorge zurücklegen können. Immer mehr von ihnen resignieren, sehen für sich keine Chance, ihr Leben in Würde leben zu können.
Die anderen scheffeln die Millionen auf ihren Konten.... Es muss ein absolut geiles Gefühl sein, sich während einer Kreuzfahrt den eigenen Kontostand vor Augen zu führen. Das Umfeld zollt ihnen Bewunderung: der Wert, das Ansehen eines Menschen wächst mit seinem Vermögen....

Fortsetzung w/ Überlänge folgt



Barbara antwortete am 18.04.03 (12:59):

Fortsetzung:

für mich drängt sich die Frage auf, wie man dieser Geldgeilheit weltweit Einhalt gebieten könnte. Leider sehe ich für mich nur die Möglichkeit, in meinem kleinsten Umfeld tätig zu werden. Durch Leserbriefe und Unterschriftenaktionen kann ich mich für den Verbleib der "Penner" im Einkaufszentrum einsetzen, kann freundlich ein paar Worte mit dem Verkäufer der Obdachlosenzeitung wechseln und ihm seine Zeitung abkaufen, kann mit den Menschen der Stadtreinigung ihre Probleme erörtern...
Ändern wird sich für diese Menschen dadurch nichts...

Wie ändert man die Wertvorstellungen in den Köpfen der Menschen allgemein? Gute Theaterstücke sind ein Weg... Wer aus dem einkommensschwachen Bereich kann sich heute noch einen Theaterbesuch leisten? Dort könnten diese Menschen schließlich erfahren, dass andere Dinge im Leben zählen, als Geld. Das könnte ihr Selbstbewusstsein heben, ihnen Mut machen, auf andere zuzugehen....

Und die Koppers unserer Gesellschaft? Haben die überhaupt ein Herz, was durch ein gesellschaftskritisches Stück erweicht werden könnte? Lt. ARUNDHATI ROY besteht ihr Herz aus einem Bankkonto.... und das wird man nicht erwärmen können.


Siegi antwortete am 18.04.03 (16:19):

Wir schimpfen und wettern über diese USA, die imperialistische Ziele verfolgt -was sie auch macht- und vergessen das Übel direkt vor u. unter uns. Im Grunde, so sehr wir auch diesen Krieg und seine offensichtlichen Ziele verabscheuen, sind wir es doch, unsere Gesellschaft, die immer gefühlskälter wird. Diese Saat allen Übels keimt überall auf und man muss sie wo man sie auch antrifft, bekämpfen! Was wir brauchen sind neue, andere, bessere Werte. Der Mensch sollte Ersatzdrogen bekommen, die ihn gegen diesen gefährlichen Gehirnpestvirus der Rumpelstilzchenorganisation immun macht!


Wolfgang antwortete am 20.04.03 (01:13):

Niemand wird sich an die Herrschaft des Geldes (besser: des Kapitals) gewöhnen und sich irgendwann mit ihr abfinden können. Schon aus dem Grund nicht, weil diese Herrschaft untrennbar verbunden ist mit Mord und Totschlag. Der Krieg ist der Schatten, der der Herrschaft des Kapitals auf Schritt und Tritt folgt. Der Krieg und der Kampf um die Vorherrschaft ist im Rumpelreich die normalste Sache der Welt. (Nicht nur das derzeit mächtigste amerikanische) Rumpelstilzchen kann gar nicht anders: Bevor es sich selbst zerreist, muss es Krieg führen.

Webtipp...

Socialist Worker / ZNet Deutschland - 18.04.2003
Der Umriss des wilden Tieres
ARUNDHATI ROY über George Bushs Krieg für das amerikanische Imperium
https://www.zmag.de/article/article.php?id=587

Internet-Tipp: https://www.zmag.de/article/article.php?id=587