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THEMA:   Arbeit, die Geld- und Müllberge schafft

 8 Antwort(en).

Annett Blunk begann die Diskussion am 15.04.03 (16:48) mit folgendem Beitrag:

Welche bezahlten Jobs sind gesellschaftlich notwendig?

Sinn und Unsinn der ‘Hauptsache Arbeit’ liest sich nirgendwo besser ab als an der Vielzahl überflüssiger Konsumartikel, die die Regale überschwemmen. Außer den Herstellern und Werbefachleuten, die daran verdienen, hat niemand etwas davon.

Hier wird Arbeitskraft vergeudet, während sie in gesellschaftlich notwendigen Bereichen wie Pflege, Betreuung und Erziehung fehlt bzw. wo vorhanden, entweder schlecht oder gar nicht bezahlt wird. Die Arbeits- und Konsumgesellschaft hat sich zum Selbstzweck entwickelt und ihr eigenes Fundament vergessen. Der Überproduktion sinnlosen Konsummülls steht die Verarmung immer breiterer Bevölkerungsschichten gegenüber.

Die Krise wird immer verheerender. Ohne eine Umverteilung der Einkommen von oben nach unten und eine Ausrichtung der Wirtschaftsweise am gesellschaftlichen Bedarf läßt sie sich nicht bewältigen.

Die Wachstumskurve liebäugelt mit der Null, die Konjunkturprognosen sind düster, auf dem Börsenparkett brummt der Bär. Auf den Märkten sinkt die Stimmung. Allein die Arbeitslosenzahlen verzeichnen Zuwächse. Die Wirtschaftsforscher brandmarken die Zurückhaltung beim Konsum als eine der Hauptursachen für die ‘lahmende Konjunktur’. Die Leute kaufen nicht genug. Sie tendieren zur Beschränkung auf das Nötigste: Nahrung, Kleidung, Klopapier und Windeln.

Aufgrund der Länge des Beitrages und der Begrenzung in diesen Forum, finden Sie den kompletten Beitrag, wenn Sie möchten auf unserer Web-Site unter "Forum und Gastkommentator".

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Wolfgang antwortete am 15.04.03 (18:10):

Ein wichtiges Thema, Annett: Wie schaffen wir es, dass Überflüssiges, Verschwenderisches - als das Meiste - nicht mehr produziert wird? Denn, ist es erst einmal produziert, sind die dafür aufgewendeten Ressourcen unwiederbringlich dahin.

Das Lustige bei der Sache: Fast jede(r) wird dir erst einmal Recht geben, um dann langatmig und verwinkelt zu erklären, dass all die überflüssigen Waren weiter produziert werden müssen, schon aus dem Grund, weil sonst die ganze Ordnung (besser: Unordnung) zusammenbrechen würde.

Der Wahnsinn wird also mit dem Wahnsinn begründet. ;-)


Angelika antwortete am 15.04.03 (19:34):

...was Du da schreibst, Wolfgang, erinnert mich an ein Kapitel aus den Afrikaerinnerungen von Albert Schweitzer. Darin erklrärt er sehr anschaulich, dass die weissen Kaufleute und Händler sich über die Faulheit der Schwarzen beklagten. Nun war es aber so, dass die Afrikaner bis zur Ankunft der Weissen eigentlich in paradiesischen Verhältnissen gelebt hatten - Früchte vielen quasi von den Bäumen, Wild gab es im Überfluss - alles was sie zum Leben brauchten, fanden sie in ihrer Nachbarschaft. Plötzlich kam die Zivilisation und das Paradies war vorbei - die Schwarzen wurden zur Arbeit gezwungen und zu allem Überfluss musste bei ihnen ein eigentlich unnützer Bedarf geweckt werden, damit sie die Waren, die die weissen Händler mitbrachten, überhaupt verkauft wurden. Die Schwarzen waren also absolut nicht faul sondern hatten logischer weise absolut kein Verständnis, warum sie denn eigentlich arbeiten sollen.


Wolfgang antwortete am 16.04.03 (15:16):

Eine Zahl aus dem Wahnsinnsland: Die Weltwirtschaft wächst durchschnittlich um rund 2 Prozent pro Jahr. Das hört sich im ersten Moment nach nicht sehr viel an. Wer aber etwas vom exponentiellen Wachstum versteht, der weiss: Wird diese Wachstumsrate durchgehalten, dann würden in gut drei Jahrzehnten doppelt so viel Waren produziert werden als heute. Trotz aller und gesteigerter Energie- und Materialeffizienzen würden die Ressourcen zusätzlich geplündert und weiter abnehmen. Pro ausgebrachter Output-Einheit - also relativ - würde zwar der Energie- und Materialinput abgenommen haben, aber absolut würde der Energie- und Materialinput weiter gestiegen sein (Rebound-Effekt nennen das die Ökonomen). Ein Lärm wird veranstaltet und das Ereignis wird gefeiert: Wieder 2 Prozent Wachstum!

Ich vergleiche die Situation gerne mit der Geschichte der Titanic, die ihren Wahnsinnskurs durchs Eismeer fuhr... Die Offiziere auf der Brücke sehen die Eisberge und sind sich ihrer Gefahren bewusst; trotzdem treiben sie die Leute im Maschinenraum an, einen Zahn zuzulegen, um das Tempo zu erhöhen. Die Passagiere, egal in welcher Klasse, interessieren sich weder für die Brücke noch für den Maschinenraum... Sie feiern ihre Party und vertrauen auf Mannschaft und Schiff. Abtanzen ist angesagt... Kaum einer von ihnen geht an Deck und schaut sich um und spürt den Wind und die Wellen und sieht die Eisberge.

Das Schicksal der Titanic ist bekannt.


Siegi antwortete am 16.04.03 (16:22):

Über dieses Thema(Problem), dem wahrscheinlichst wichtigsten gegenwertig, sollte man viel sprechen. Der Vergleich mit der Titanic, die auf den Eisberg zufährt, ist wunderbar, leider (so finde ich), auch entsetzlich richtig. Der, besser gesagt die "Kapitäne" wollen sich aber gar nicht mehr in die Karten sehen lassen. Es ist "ihre" Reise und es ist "Profit".
Der arme "Bayer, Hesse, Sachse", denkt nicht wie diese Kapitäne, sie denken bayrisch, hessisch oder sächsisch, weniger "deutsch" und schon gar nicht europäisch! Der bayrische, grössere Mittelständer, der denkt natürlich deutsch. Der grössere Wirtschaftsboss "europäisch" und der Konzernmagnat fühlt sich als Weltbürger!
So eine Art von Globalisierung muss scheitern. Da hilft es auch nicht, mit zuckersüssen Worten immer wieder und wieder dem dummen, einfachen Wahlschaaf das zusammenwachsen der Welt schmackhaft zu machen. Wir sind mit Deutschland immer noch eine mächtige Exportnation, wir importieren auch nicht wenig. Leider jede Menge "geistigen Müll", den man fast gratis mitdazubekommt!
Vollkommen richtig ist auch, dass dieses Afrika ohne die westlichen Industrie, ohne Kolonialmächte besser drangewesen wäre. Niemand würde dort hungern müssen! Warum "musste" Amerika besiedelt, koloniert werden! Wozu diese Expansion der Europäer. Ja, die "Gier", dieses Streben nach mehr und mehr..; in heutigen Tagen nichts anderes. Rückständigen und unterentwickelten Völkern hätte man eben die Zeit geben müssen, aber wer wollte das schon...und wozu?, haben sich wohl viele gedacht!? Lassen wir sie für uns arbeiten, dann sind sie uns besser vonnutzen. Leider verliert der "Einzelne" immer mehr an Einfluss, auch über unsere Köpfe wird nur noch hinwegentschieden. Alles wird grösser, man fusioniert, auch Europa ist ein derartiges Fusionsmach(t)werk, um den "Einzelnen" noch mehr zu entmachten. "Wir müssen es ja so machen, es ist längst keine interne Frage mehr, sondern eine Europäische." Mehr und mehr verlieren die Rädchen der Wirtschaftsmaschine, der einfache Arbeiter, Angestellte, Beamte an Einfluss und das ist meiner Meinung nach reine politische Absicht! Die bauen sich da einen gefrässigen, unersättlichen Verwaltungsmolloch Brüssel zusammen und wir bezahlen ihn. Gleichzeitig verändert sich aber in unserem Land selbst gar nichts. Nein, die "sichern" sich ihre Plätze an der politschen "Sauschütte"! Von Stellenabbau nichts zu bemerken! Aber die Unternehmer sind ja nicht anders. Wo wird heute noch sowas wie Pflichtbewusstsein oder Fleiss honoriert. Man belohnt Faulheit und bestraft beruflichen Eifer. Beim Wort Reform zuckt der Angestellte und Arbeiter schon zusammen, weil er ganz genau weiss, was das Wort bedeutet! Was man in Jahrhunderten peinlichst vermied, schafft man nun in kürzester Phase, man züchtet sich "faule" und "desinteressierte" Menschen heran! Vorbei ist die Zeit, als sich der Arbeiter noch mit dem Produkt und seiner Firma identifizieren konnte. Er tat das gerne....


Barbara antwortete am 16.04.03 (19:01):

Die Menschen müssten vorallem verstehen, dass weniger oft mehr bedeutet...

Ich erinnere, wie sich mir das Herz im Leibe umdrehte, als ich ein Mädchen auf dem Flohmarkt ihre Puppen verkaufen sah... Als ich sie ganz entsetzt fragte, ob sie ihre Püppchen denn nicht lieb habe, meinte sie, sie habe an die fünfzig Stück und keinen Platz mehr für andere Spielsachen....

Ein Kind ist arm dran, wenn es in Massen von Spielsachen oder auch Kleidung erstickt. Es kann keine Beziehung zu Dingen aufbauen, Liebe zu Spielsachen oder Kleidungsstücken empfinden. Ist es nicht viel schöner, weniger zu haben und an diesen Dingen mit dem Herzen zu hängen? Macht es wirklich Freude, alle paar Jahre seine Möbel auf den Sperrmüll zu stellen, Pflanzen aus dem Garten zu reißen, die Altkleidersäcke zu füllen.... nur um ständig neu kaufen zu können?

Mir täte ein solches Verhalten in der Seele weh. Ginge unsere Wirtschaft wirklich daran zugrunde, wenn alle weniger konsumieren würden? Ich denke, der Verbraucher müsste besser darüber informiert werden, dass Produkte umweltfreundlich und unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurden.... dann wäre er auch bereit, einen höheren Preis dafür zu zahlen, so dass der Umsatz für den Hersteller gleich bliebe und die Gesellschaft sogar noch Kosten für die Müllentsorgung sparen könnte.

Auch im Export können Billigprodukte dem Ruf eines Landes schaden. für "made in Germany" waren Menschen weltweit bereit, mehr zu zahlen, weil sie auf Qualität vertrauten. Wieviel Schrott wird heute weit übers Meer herangeschifft, um nach kurzem Gebrauch die Müllhalden zu füllen?

Mir wird immer ganz anders, wenn ich die Handarbeiten aus China sehe. Zu Billigstpreisen werden die Produkte hier angeboten. Da sie aus minderwertigem Garn gehäkelt oder gestickt wurden, halten sie nicht lang. Aber wieviel Arbeit steckt dahinter? Ich denke an all die armen Frauen, die von morgens bis abends sich die Finger wund sticken und häkeln. Gäbe man ihnen hochwertiges Garn, würden sie Qualitätsware herstellen, die weitaus länger hielte. "Made in China" würde dann doch aufgewertet werden? Was sind das für Arbeitgeber, die Arbeitskraft derart verschwenden und sich selbst noch - aufgrund der miesen Qualität - schaden?


Siegi antwortete am 16.04.03 (20:47):

Ja, Barbara, es ist die grenzenlose Fülle, der Kaufzwang der Eltern, die sich fast schon "gezwungenerweise" einem Konkurrenzdruck beugen müssen. Die Kinder, sie haben zwar alles, aber es fehlt immer mehr die Beziehung zu diesen Dingen. An Geburtstagen, an Weihnachten kann man deutlich verfolgen, wie die Kleinen ein Päckchen nach dem anderen aufreissen, kurz mit dem einen, dann mit dem anderen Geschenk spielen um es dann nach kürzester Zeit gelangweilt wegzustellen. Nicht nur die Kinder haben diese Probleme, bei uns Erwachsenen ist es ja bereits ganz ähnlich. Muss man die neue Stereoanlage wirklich haben, braucht man das neue Auto, den Fernseher, was auch immer. Wir verlieren mehr und mehr an den wirklichen Werten und jagen wie fanatisch dem Irrealen, Belanglosen nach. Es ist wie eine Seuche, die uns mehr und mehr schwächt.
Am wenigstens, so empfinde ich es jedenfalls, sollten wir uns um die Natur sorgen. Die hilft sich selbst, denn sie rechnet nicht in unseren Zeitdimensionen. Sie wird sich richtig entfalten, hat ja dann Zeit genug, wenn der Mensch erstmal verschwunden ist!

Ja, die Arbeitskraft des Menschen wird überall auf dieser Welt schamlos ausgenutzt. Sie kommt immer "wenigeren" zugute. Diese Wenigeren werden immer reicher. Dabei sollte sich der "Mensch" mal fragen, was Leben ist, wie lange es ist, wieso er lebt und warum er überhaupt lebt. Mehr wie essen, lieben, schlafen kann er nicht. Multipliziert man essen, lieben, schlafen, was kommt dabei heraus!? Vielleicht sind wir auf der Welt, damit "Andere" mehr, oder besser essen, lieben und schlafen können? Meiner Meinung nach entfernt sich der Mensch mehr und mehr von seinen wirklichen Instinkten und damit schwächt er sich geistig und körperlich, er wird zu einem Fremdkörper, zu einem Parasiten auf dieser Erde, über dessen Tilgung und Vergehen nur er selbst jammern dürfte!

Es stimmt auch und wir sind selbst schuld daran. Wir kaufen ja diese Billigprodukte. Gerade in Heimwerkermärkten bekommt man inzwischen zu 90 % nur noch Schrott zu kaufen. Alles geht in Kürze kaputt, bricht auseinander, verbiegt oder verwindet sich, taugt einfach nichts mehr. Da sollte man dann doch Qualität kaufen und so ist es wohl mit allen Produkten? Dabei setze ich nicht unbedingt Markennamen mit Qualität gleich, oh nein! Billiges muss nicht immer schlechter sein.


Wolfgang antwortete am 27.04.03 (14:27):

Schade, dass das Thema so wenig Anerkennung findet... Dabei ist der Wahnsinn evident: Gerade versucht man wieder ein paar Millionen Menschen (die nachweislich als überflüssig aus der Arbeitsgesellschaft ausgeschieden wurden) in prekäre und schlecht entlohnte Ausbeutungsverhältnisse (à la Spargel stechen, Gurken pflücken oder unnütze Broschüren eintüten) zu zwingen. Oder, die andere Strategie: Entferne diese Menschen einfach aus den Sozialsystemen und damit aus den Statistiken, dann hast du sie aus den Augen und aus dem Sinn.

Die Verheissung des Kapitalismus auf einen gerechten Anteil am gemeinsamen Wohlstand entpuppt sich für immer mehr Menschen als gern erzähltes Märchen. Nur, daran denken die MärchenerzählerInnen nicht... Zum Märchenerzählen gehören immer auch die, die an die Märchen glauben. Die Zahl der ehemals noch gläubigen Depperles aber nimmt dramatisch ab. Schliesslich ist fast jeder Mensch lernfähig. :-)))


schorsch antwortete am 28.04.03 (11:14):

Rezept 1:

Man nehme einen hochbezahlten Manager und kündige ihm, weil man jemanden gefunden hat, der um die Hälfte arbeitet. An die offene Stelle, die dieser Manager hinterlassen hat, stelle man einen Untergeordneten, der schon lange auf diesen Posten geschielt hat. Dieser wird den Posten für weniger ausfüllen, als der alte Inhaber beanspruchte. Nun wird weiter unten wieder eine Stelle frei. Diese kann nach dem soeben genannten Rezept besetzt werden - oder man verteilt die Pflichten des Gegangenen auf die Schultern seiner Mitarbeiter usw.

Rezept 2:

Man gehe genau umgekehrt vor, indem man jeden Angestellten nach unten zurückstuft.

Bei beiden Rezepten gewinnt einer. Wer? Natürlich der Boss! Aber es gibt doch gewiss auch Verlierer, oder? Natürlich: Die Qualität und das Ansehen eines Betriebes. Denn wo den MitarbeiterInnen das Gefühl gegeben wird, sie seien jederzeit durch billigere Arbeitskräfte zu ersetzen, da schwindet das Zusammengehörigkeitsgefühl zum Boss und zu den Mitarbeitern - und damit eben die Qualität der Produkte - weil sich kaum mehr einer mit dem Arbeit gebenden Betrieb und seinen Produkten identifiziert!.