Zur Seniorentreff Homepage
 Bücher suchen:





Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe



Archivübersicht | Impressum

THEMA:   Siegfried von Vegesack: Von einer Windturbine

 2 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 13.10.04 (18:05) :

TEil 1:
Die erste, private W i n d t u r b i n e in Bayern: habe ich mal rausgesucht.

Siegfried von Vegesack: Das Licht der Lüfte

Auf weißem Quarzfelsen, fast achthundert Meter hoch, stößt die alte Burg wie eine Faust in den Himmel. In ihrem Schutz, ängstlich geduckt vor Sturm und Unwetter, kauert das Dorf, mit schweren Feldsteinen auf den flachen verwitterten Schindeldächern.

Denn hier oben gibt es Stürme, die ganze Häuser davontragen, Dächer wie Papier eindrücken und uralte Bäume entwurzeln. Verräterisch ist die Windstille, tückisch die große Ruhe, wenn der Wind den Atem anhält und kein Blatt sich regt. Nur im Westen, in der Wetterecke, ballt sich etwas Dunkles am Himmel, verdächtige Lichter zucken lautlos hinter den Bergen.
Aber dann plötzlich: du hörst einen dünnen, winselnden Ton, der schnell zu einem Stöhnen und Heulen anschwillt wie das ferne Brüllen eines unheimlichen Tieres, - noch rührt sich kein Blatt, aber das heulen kommt immer näher und näher. Du kennst den laut, du liegst mit Herzklopfen wie gelähmt im Dunkeln, du weißt: jetzt - und da braust auch schon der Orkan durch die Lüfte, wirft sich an die Mauer, reißt und zerrt an den Fenstern, tobt um das Dach, daß die schweren ungeheuren Balken im Dachstuhl knirschen und das ganze Haus wie ein Schiff auf hoher See zu schwanken scheint.
In einer solchen Sturmnacht kam mir der Gedanke: ob nicht außer hier die furchtbare Kraft der Lüfte nutzbar gemacht, in Licht und Wärme verwandelt werden könnte? Denn hier oben gibt es kein Wasser, und der Fluß im Tal ist z weit, um den elektrischen Strom bis zu uns herauf zu leiten. Armselige Petroleumlampen, Talgkerzen und Ölnäpfchen qualmen in den Stuben, man tappt auf dunklen Stiegen, mit schwankender Laterne zum Stall, - die Finsternis ist so furchtbar, daß man schon im Herbst tiefsinnig wird, wenn man an die dunklen Winterabend denkt.
Ein Fachmann kam und nannte den Ort ideal für die Anlage einer Windturbine: kilometerweit, bis zu den Donaubergen im Süden und dem Böhmerwald im Norden, ist diese der höchste Punkt. Nun galt es, die Bauern für den Plan zu gewinnen. Aber sie schüttelten nur mißtrauisch ihre Köpfe: aus Wasser, ja, da könne man Licht machen - aber aus Wind? Das sei doch zweifelhaft. So etwas hätte man noch nie gesehen. Da half kein Zureden, kein Erklären: die schlauen Waldler wollten lieber darauf warten, bis der Fluß vom Tal den Berg herauf flösse, als den unbekannten Lüften zu vertrauen.
So mußte das Kraftwerk allein in Angriff genommen werden: ein mächtiger, siebzehn Meter hoher Eisenturm wurde aufgerichtet, ein ungeheures Rad oben angebracht. Dynamo und Batterie aufgestellt und die Leitung zum Haus gezogen. Und nun kam der große Tag, an dem das Licht zum erstenmal brennen sollte.
Teil 2 folgt...
URL: In diesem Turm wohnte der (grüne, pazifistische, alternative...) Balte Siegfried von Vegesck; es ist als Museum eingerichtet in Weißenstein bei Regen.

Internet-Tipp: https://www.realschule-regen.de/infos/fressendes_haus.jpg


iustitia antwortete am 13.10.04 (18:11):

Von einer Windturbine, deren Beton-Fundamentreste man noch heute sehen kann, neben dem Grab des S. von Vegesack, auf dem "Pfahl", einem Bergkamm, in Weißenstein, Niederbayern.

Teil 2:

Siegfried von Vegesack : Das Licht der Lüfte

Aber wie alles fertig war, blieb der Wind natürlich aus: die Batterie konnte nicht geladen werden. Das große Rad rührte sich kaum, die Bauern schauten lachend hinauf, und wir schlichen beschämt wieder ins Haus.
Am anderen Morgen bestieg ich wieder die Felshöhe; graublaue Nebelwolken umlagerten wie eine feste Mauer den Turm, kein Lufthauch regte sich. Aber gegen Abend fielen die Nebelwände, ein frischer Ostwind fegte sie über die Wälder, das große Rad öffnete seine weiten Flüge und begann, sich langsam zu drehen, dann immer schnelle rund schnelle; der Dynamo fing an zu singen: das Werk war in vollem Gang. Am dritten Tag war die Batterie gefüllt.
Und nun, Punkt acht Uhr, war der große Augenblick gekommen. Das ganze Dorf hatte sich angesammelt und starrte vom Hügel auf unsere Fenster.
Wir saßen schweigend und erwartungsvoll im dunklen Saal, Da, plötzlich begann es unter der orangegelben Lampenglocke über dem großen, runden Tisch zu glühen, und dann flammte es auf, strahlend und blendend wie ein Sonne: das Licht, das Licht brannte!
Und nun eilten wir alle im langen Zug durch das ganze Haus: von Zimmer zu Zimmer, treppauf und treppab, von einem Stockwerk zu anderen. Isabel, die kleine Tochter, die schnell aus dem Bett geholt wurde, stürmte jauchzend im Nachthemd vor uns her und knipste überall die vielen Lampen an, bis alle Räume, alle Treppen und Korridore in einem Meer von Licht strahlten und alle vierzig Fenster das Licht in die Nacht hinauswarfen!
Noch lange standen die Bauern auf dem Hügel. Sie waren ganz still geworden. Dann fragten mich zwei verlegen, ob sie auch Licht bekommen könnten? Und als ich erklärte, das ganze Dorf könne Licht haben, da fühlte ich, daß es auch in den Köpfen der Waldler zu dämmern anfing.
Als aber Isabel auch im Stall die Lampe anknipste, machte Bakele, die brave Kuh, buchstäblich einen Freudensprung. Der Hahn fing verwundert an zu krähen, und auch die verschlafenen Hühner gackerten ratlos: sie wurden an der Weltordnung irre!
*
(Aus: Vossische Zeitung. Berlin. ??; um 1931; Erstdruck nicht festgestellt; Text nach dem Ausschnitt im Vegesack-Archiv VEG - I,73; der Text ist verändert eingearbeitet in den Roman „Das fressende Haus“; 1932)
*
URL - ein Band mit Gedichten von S.v.V.

Internet-Tipp: https://www.lesekost.de/deutsch/vegesack/images/vegesack4.jpg


mart antwortete am 14.10.04 (16:01):

Auf dem Windrad fährt der Wind Rad.
und in den Glühlampen glüht das Licht.