"Sich fügen heißt lügen“ - Der Schriftsteller und "Anarchist" Erich Mühsam

Diese Ausstellung wurde am Sonntag, den 12. September im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten eröffnet...

Erich Mühsam (1878 – 1934) wird von jeder Generation neu entdeckt und gelesen. Der Schriftsteller, Anarchist und Bohemien war ein Querdenker, dessen gelebte Subkultur, gedankliche Radikalität und Unmittelbarkeit im politischen Ausdruck immer wieder provozieren und faszinieren. Der „Gefühlsanarchist“ Mühsam war geprägt von einem Hass auf Autoritäten und einer tief empfundenen Verbundenheit mit den sozial Benachteiligten. Dies spiegelt sich in seiner „privaten“ Lyrik, in Streitschriften, tagespolitischer Satire und seiner Autobiografie.

Anlässlich seines 125. Geburtstages 2003 zeigten die Erich-Mühsam-Gesellschaft und das Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum im Lübecker Buddenbrookhaus eine Sonderausstellung zum Leben und Werk des Schriftstellers und Anarchisten.

Die Ausstellung folgt in sechs Stationen der Lebenskurve Erich Mühsams: von der Jugend in Lübeck, seiner wilden Bohemezeit in München, über sein beginnendes publizistisches Schaffen, die Zeit der Münchener Revolution und Räterepublik, in der er eine führende Rolle spielte, seine Festungshaft bis schließlich zu seinem Tod als einem der ersten Opfer des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Oranienburg 1934. Es ist der Lebensweg eines konsequenten Rebellen, der hier in seinem kultur- und zeitgeschichtlichen Kontext vorgestellt wird. (Text vom JMW; s. URL.)
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Im Netz gibt es erstaunlich viele Gedichte, die "überlebt" haben - zu den "ewigen" Fragen: Freiheit, individuelle Menschenrechte, Volk, Soldaten, Krieg, Hunger - gerade auch, weil es für die Wohlstandsgesellschaft und ihre "Krankheiten" passt, ob Essstörungen, Antisemitismus, bürgerliche Erpressungen der Gemeinschaft...
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Was damals und heute für Mühsam oder wen snst auch "Anarchist" hieß - deshalb gefiel es dem bürgerlichen und dem Nazi-Terror als Vorwand für die Niedertracht; sie fühlten sich in ihrem Unfrieden, ihrer Gewalt, ihrem Geschrei und ihren Lügen erwischt.

Das mir persönlich liebste Mühsam-Gedicht:

Erich Mühsam:
Ich bin ein Pilger ...

Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt ? weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.
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Als URL ein Bild vom phantastischen Mühsam.

Seine Ratlosigkeit in diesem Poem, die ich im Prinzip teile, erinnert mich an die eigentliche Erkenntnis-Aussichtslosigkeit des Menschen, die auch im Höhlengleichnis von Sokrates zur furchtbaren Gewissheit wird.

Noch was Jahreszeitliches von M ü h s a m, gleichsam auf "Vor-Rat":
Erich Mühsam:
(Aus: Kalender 1913)

September:

Vorüber ist die Ferienzeit.
Der Lehrer hält den Stock bereit.
Ein Kind sah Berg und Wasserfall,
das andre nur den Schweinestall.
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Oktober:

Zum Herbstmanöver rücken an
der Landwehr- und Reservemann.
Es drückt der Helm, es schmerzt das Bein.
O welche Lust, Soldat zu sein!

November:

Der Tag wird kurz.
Die Kälte droht.
Da tun die warmen Kleider not.
Ach, wärmte doch der Pfandschein so
wie der versetzte Paletot!

Dezember:

Nun teilt der gute Nikolaus
die schönen Weihnachtsgaben aus.
Das arme Kind hat sie gemacht,
dem reichen werden sie gebracht.
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Zur URL: Noch eine "Lebensregel" von Mühsam...