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THEMA:   Gedichte über Essen, Trinken...

 35 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 23.08.04 (22:27) :

Weil ich wieder einmal diesen "Ohrwurm" (für den Magen) hörte, setze ich das Hohelied auf die Currywurst hierher.
Wer kennt sonst Texte über Essen, Trinken, Verdauen - Genießen?? (Vielleicht auch: über Hunger, Verdursten..., über Essstörungen...? [Ja, drei "s"! Sonst wäre es so etwas wie eine -törung.)
*
Herbert Grönemeyer:
Currywurst

gehse inne stadt
wat macht dich da satt
'ne currywurst

kommse vonne schicht
wat schönret gibt et nich
als wie currywurst,

mit pommes dabei
ach, dann gebense gleich zweimal
currywurst

bisse richtig down
brauchse wat zu kaun
'ne currywurst

willi, komm geh mit,
ich krieg appetit
auf currywurst
ich brauch wat in bauch
für mein schwager hier auch noch
ne currywurst

willi, is dat schön
wie wir zwei hier stehn
mit currywurst

willi, wat is mit dir
trinkse noch n'bier
zur currywurst


ker scharf ist die wurst
mensch dat gibt'n durst,
die currywurst

bisse dann richtig blau
wird dir ganz schön flau
von currywurst

rutscht dat ding dir aus,
gehse dann nach haus
voll currywurst

aufm hemd auffer jacke
ker wat is das ne k....
alles voll currywurst

komm willi
bitte, bitte, komm geh mit nach hause,
hörma ich kriegse wenn ich so nach hause komm
willi, willi, bitte, du bisn kerl nach mein geschmack
willi, willi komm geh mit, bitte willi
*
(LP "Total Egal", Herbert Grönemeyer, 1982)


pilli antwortete am 23.08.04 (23:11):

Sonntags in der kleinen Stadt,

wenn die Spinne Langeweile
Fäden spinnt und ohne Eile
giftig-grau die Wand hochkriecht,
wenn's blank und frisch gebadet riecht,
dann bringt mich keiner auf die Straße,
und aus Angst und Ärger lasse
ich mein rotes Barthaar stehn,
lass den Tag vorübergehn,
hock am Fenster, lese meine
Zeitung, decke Bein mit Beine,
seh, hör und rieche nebenbei
das ganze Sonntagseinerlei.
Tada-da-da-dam...

Da treten sie zum Kirchgang an,
Familienleittiere voran,
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,
ihre Männer unterfassend,
die sie heimlich vorwärts schieben,
weil die gern zu Hause blieben.
Und dann kommen sie zurück
mit dem gleichen bösen Blick,
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,
ihre Männer unterfassend,
die sie heimlich heimwärts ziehn,
daß sie nicht in Kneipen fliehn.
Tada-da-da-dam...

Wenn die Bratendüfte wehen,
Jungfrauen den Kaplan umstehen,
der so nette Witzchen macht,
und wenn es dann so harmlos lacht,
wenn auf allen Fensterbänken
Pudding dampft, und aus den Schenken
schallt das Lied vom Wiesengrund
und daß am Bach ein Birklein stund,
alle Glocken läuten mit,
die ganze Stadt kriegt Appetit,
das ist dann genau die Zeit,
da frier ich vor Gemütlichkeit.
Tada-da-da-dam...

Da hockt die ganze Stadt und mampft,
daß Bratenschweiß aus Fenstern dampft.
Durch die fette Stille dringen Gaumenschnalzen,
Schüsselklingen, Messer, die auf Knochen stoßen,
und das Blubbern dicker Soßen.
Hat nicht irgendwas geschrien?
Jetzt nicht aus dem Fenster sehn,
wo auf Hausvorgärtenmauern
ausgefranste Krähen lauern.
Was nur da geschrien hat?
Ich werd so entsetzlich satt.
Tada-da-da-dam...

Wenn Zigarrenwolken schweben,
aufgeblähte Nüstern beben,
aus Musiktruhn Donauwellen
plätschern, über Mägen quellen,
hat die Luft sich angestaut,
die ganze Stadt hockt und verdaut.
Woher kam der laute Knall?
Brach ein Flugzeug durch den Schall?
Oder ob mit 'm Mal die Stadt
ihr Bäuerchen gelassen hat?
Die Luft riecht süß und säuerlich.
Ich glaube, ich erbreche mich,
Tada-da-da-dam...

Dann geht's zu den Schlachtfeldstätten,
um im Geiste mitzutreten,
mitzuschießen, mitzustechen,
sich für wochentags zu rächen,
um im Chor Worte zu röhren,
die beim Gottesdienst nur stören.
Schinkenspeckgesichter lachen
treuherzig, weil Knochen krachen
werden. Ich verstopf die Ohren
meiner Kinder. Traumverloren
hocken auf den Stadtparkbänken
Greise, die an Sedan denken.
Tada-da-da-dam...

Dann ist die Spaziergangstunde,
durch die Stadt, zweimal die Runde.
Hüte ziehen, spärlich nicken,
wenn ein Chef kommt, tiefer bücken.
Achtung, daß die Sahneballen
dann nicht in den Rinnstein rollen.
Kinder baumeln, ziehen Hände,
man hat ihnen bunte, fremde
Fliegen - Beine ausgefetzt -
sorgsam an den Hals gesetzt,
daß sie die Kinder beißen solln,
wenn sie zum Bahndamm fliehen wolln.
Tada-da-da-dam..,.

Wenn zur Ruh die Glocken läuten,
Kneipen nur ihr Licht vergeuden,
wird's in Couchecken beschaulich.
Das ist dann die Zeit, da trau ich
mich hinaus, um nachzusehen,
ob die Sterne richtig stehen,
Abendstille überall. Bloß
manchmal Lachen wie ein Windstoß
über ein Mattscheibenspäßchen.
Jeder schlürft noch rasch ein Gläschen
und stöhnt über seinen Bauch
und unsern kranken Nachbarn auch.
Sonntags in der kleinen Stadt,
sonntags in der deutschen Stadt.

(F.J. Degenhardt)


hl antwortete am 24.08.04 (00:30):

Passt! ;-)))))


Medea. antwortete am 24.08.04 (07:34):

Der Pöbel frißt - die Intelligenz säuft ......

(Da hat sich wohl einiges geändert ... :-) )

Gut essen und trinken, hält Leib und Seele zusammen.

Arm wie eine Kirchenmaus, die muß am Hungertuche nagen.


pilli antwortete am 24.08.04 (08:04):

Anke's Bioladen

Ich gehe, weil ich im Moment kein Fleisch mehr essen mag in Ankes Bioladen,
sage laut und deutlich "Guten Tag!"
Mein Gruß wird nicht erwidert und hängt wie ein falscher Ton
isoliert im Raum und dann merke ich auch schon
ich liege irgendwie daneben und ich störe hier;
der Aasgeruch des Fleischfressers haftet noch an mir...

Um weiter so zu leben wie bisher weißt du zuviel
Doch um deinen eigenen Weg zu gehen zu einem neuen Ziel
ohne dich im Kreis zu drehen und ohne Selbstbetrug;
dazu weißt du wieder nicht genug

Anke schweigt in ihren knöchellangen, kackebraunen Rock,
bleich und weggetreten, fast wie unter einem Schock.
Neben ihr steht jemand, ihre Mutter nehme ich an.
Ist dann doch nicht ihre Mutter, es ist ihr Mann;
und anstatt nach knackig, frischen Kräutern riecht die Luft
dumpf und abgestanden, beinahe wie in einer Gruft...


Ich wehre mich vergebens gegen ein Gefühl von Schuld
als die beiden Blicke wechseln, voll verzeihender Geduld.
Verbunden in geheimer Kenntnis vom verborgenen Sinn
des Lebens, von der ich auf ewig ausgeschlossen bin;
und Anke lächelt schmerzlich wie ein welkender Salat,
der die Nichtigkeit des Seins am eigenen Leib erfahren hat...


Ich kaufe ein Pfund Möhren, schrumpelig, weich, mit Erde dran
die man, wenn man sie nicht essen mag, zu Kringeln biegen kann...
Bei Menschen und bei Möhren von der äußeren Gestalt
Rückschlüsse zu ziehen auf ihren inneren Gehalt...
Ich weiß, das funktionert nicht immer und nicht überall;
und ich will's auch nie mehr wieder tun...nur noch in diesem einen Fall...

(Hannes Wader)


Enigma antwortete am 24.08.04 (08:31):

Hab`schon gefrühstückt und kann darum ohne Futterneid loslegen. *gg*

Wie wäre es mit einem Borschtsch?
von Mascha Kaléko

Man nehme erstens zirka sieben
fein abgeschälte rote Rüben.
Dann hacke man den Weißkohl klein,
tu Zwiebel, Salz und Essig rein.
Mit Hammelfleisch muß das nun kochen,
auf kleiner Flamme, sieben Wochen.
Jetzt Kaviar mit Wodka ran
nebst Zimt und frischem Thymian.
Nun schüttet man das Ganze aus
und ißt am besten - außer Haus


Die Pfarrersköchin
von Günter Eich

Die Pfarrersköchen schwenkt die Pfanne,
der Teig verteilt sich mit Gezisch.
Hier wartet Eiweiß, Lauch und Fisch,
der Rahm in der Emaillekanne.

Geruch von Rauch und von Gewürzen,
die Köchin schwitzt im Feuerschein.
Die Gartenarbeit fällt ihr ein.
Die rote Grütze muß sie stürzen.

Sie scheucht die Fliege aus dem Haar
und von den frischgetünchten Mauern.
Der Regen draußen wird nicht dauern.
Wie schnell verging das letzte Jahr!

Der Mesner zieht die Glockenschnur,
im Echo schwingt das Netz der Spinnen.
Unhörbar mahnt im Niederrinnen
der rote Sand der Eieruhr.


Restauration
von Eduard Mörike

Das süße Zeug ohne Saft und Kraft!
Es hat mir all mein Gedärm erschlafft.
Es roch, ich will des Henkers sein,
wie lauter welke Rosen und Kamilleblümelein.

Mir ward ganz übel, mauserig, dumm,
lief in den Garten hinterm Haus,
zog einen herzhaften Rettich aus.
Fraß ihn auch auf bis auf den Schwanz.
Da ward ich wieder frisch und genesen ganz.


ricardo antwortete am 24.08.04 (09:17):

Da bin ich ganz anderer Meinung:

Mollig sein ist wunderbar
In dieser Hinsicht bin ich ein Star!
Wegen die Linie hab ick keene Sorgen
Freue mir heute schon auf Morgen.
Denn Morgen gibt’s an schönem Orte
Meine Lieblings-Sachertorte!
Ick pfeife auf das Schlankheits-gedöns
Mollig is schön, jetzt sach ick dir eens
Viel lieber sind mir die dicken Leute,
Nicht so fanatisch wie die Dürren von heute!
Der bin Laden das Klappergestell
Ist doch wohl ein übler Gesell
Bei den Dicken, schaut euch doch um
Gibts kein einziges Scheusal und deswegen drum
Lob ick mir die molligen heiteren Gäste,
Die gerne gut essen bei jedem Feste.
Und welche nicht schon beim ersten Bissen
Sich klammheimlich und leise verpissen.
Die neue Mode hiermit ist klar:
Mollig sein ist wunderbar!

Grüßle
vom Autor :-))))


schorsch antwortete am 24.08.04 (09:47):

Sommersprossen
**************

Bill Kramer ging zum Hallenfest;
dort traf sich Prominenz und Rest,
mit wenig und auch viel Vernunft
in des Dorfes Truppenunterkunft,
welche man unterirdisch angelegt
und für das Fest hat sehr gepflegt.
Der Bill hat nicht nur zugeschaut;
Er ass auch Wurst und Sauerkraut;
welch letzeres dann nachts und spät
sehr die Därme ihm hat aufgebläht.
Bill ist dann zur Toilette gehetzt;
doch diese war halt schon besetzt,
von jemand der schon lang gesessen,
weil auch er hat Sauerkraut gegessen.
Bill wand und krümmte sich gar kläglich,
sein Drücken wurde unerträglich;
er weinte fast, er klagte, fluchte,
dann alsbald er das Weite suchte.
Doch draussen an der Halle Wand,
er dann ein finsteres Plätzchen fand.
Dort in einen tiefen Gitterschacht
hat er nun sein Geschäft gemacht.
Erleichtert dann und voller Glück
ging Bill nun zu dem Fest zurück.
Hier wurde er mit Fäusten, Stangen
und mit Mordsgeschrei empfangen.
Man schimpfte Sau ihn und man schlug;
am Ende man ihn aus der Halle trug.
Und die Moral von der Geschicht?
Euch zu warnen ist es meine Pflicht:
Wann immer ihr ein Drücken spürt;
entlässt es nur, wo sich`s gebührt,
nicht an dem Platz, den Bill erkoren,
nicht in den Schacht von Ventilatoren.
Denn was man immer hat genossen:
es verändert sich zu Sommersprossen!

****************

August 1999 Schorsch, alias Georg von Signau


chris antwortete am 24.08.04 (20:36):

A Fröüschla in Zolot!

"Näichta, wia dr Pfarr doa war,
ho i dr eine Angst fei khot"
säicht dr Dräas zu seiner Fra:
"A Fröüschla wor in dein Zolot."

"Oh, heilcher Gott , in Himmel nei",
schent dia glei loass:"Oh Graus!
Sooch amal, du hast`s doch gsann!
Worüm hast`s denn niet raus?"

"OH", säicht dr Dräas: "Du därfst mers gläb,
erscht hat mi`s schon gejuckt,
dann ower hat dos kleena Geschöpf
mi sou treuharzet ageguckt.

Vor Harm ho i fast grein gemüaßt
und mir wor niet zum Spassa.
I ho`s niet üwers Harz gebracht
und ho`s halt dinn gelassa."

"Und", gilft doa die Fra draufloas:
"Wua is denn hie dann kumme?"
"Dos wäß i niet" säicht drauf dr Dräas:
"I - ho mer keen Zolot genummen."

-Helmut Krieger-


Helmut Krieger war fränk. Mundartdichter und hat dem
Volk auf`s Maul geschaut, wie man so sagt.


Miriam antwortete am 24.08.04 (22:16):

Heinrich Heine:

Sei mir gegrüßt, mein Sauerkraut

Der Tisch war gedeckt. Hier fand ich
die altgermanische Küche.
Sei mir gegrüßt, mein Sauerkraut,
holdselig sind deine Gerüche.
Gestovte Kastanien im grünen Kohl,
so aß ich einst bei der Mutter!
Ihr heimischen Stockfische, seid mir gegrüßt,
wie schwimmt ihr klug in der Butter.
Jedwedem fühlenden Herz bleibt
das Vaterland ewig teuer.
Ich liebe auch recht braun geschmort
die Bücklinge und Eier.
Wie jauchzen die Würste in spritzendem Fett!
Die Krammtesvögel, die frommen
Englein mit Apfelmus,
die zwitschern mir: "Willkommen!"


So eine deftige, schwere Kost bei so einen feinen Poeten!
Wer hätte das gedacht?


pilli antwortete am 25.08.04 (08:42):

..."Sie sehen also, Madame, für mich brauchen Sie nichts zu besorgen. Ich kann alles ruhig ansehn in dieser Welt. Der Herr hat mich gesegnet mit irdischen Gütern, und wenn er mir auch den Wein nicht ganz bequem in den Keller geliefert hat, so erlaubt er mir doch in seinem Weinberge zu arbeiten, ich brauche nur die Trauben zu lesen, zu keltern, zu pressen, zu bütten, und ich habe dann die klare Gottesgabe; und wenn mir auch nicht die Narren gebraten ins Maul fliegen, sondern mir gewöhnlich roh und abgeschmackt entgegenlaufen, so weiß ich sie doch so lange am Spieße herumzudrehen, zu schmoren, zu pfeffern, bis sie mürbe und genießbar werden. Sie sollen Ihre Freude haben, Madame, wenn ich mal meine große Fete gebe. Madame, Sie sollen meine Küche loben. Sie sollen gestehen, daß ich meine Satrapen ebenso pompöse bewirten kann, wie einst der große Ahasveros, der da König war, von Indien bis zu den Mohren, über hundertundsiebenundzwanzig Provinzen. Ganze Hekatomben von Narren werde ich einschlachten. Jener große Philoschnaps, der, wie einst Jupiter, in der Gestalt eines Ochsen, um den Beifall Europas buhlt, liefert den Ochsenbraten; ein trauriger Trauerspieldichter, der auf den Brettern, die ein traurig persisches Reich bedeuteten, uns einen traurigen Alexander gezeigt hat, liefert meiner Tafel einen ganz vorzüglichen Schweinskopf, wie gewöhnlich sauersüßlächelnd mit einer Zitronenscheibe im Maul und von der kunstverständigen Köchin mit Lorbeerblättern bedeckt; der Sänger der Korallenlippen, Schwanenhälse, hüpfenden Schneehügelchen, Dingelchen, Wädchen, Mimilichen, Küßchen und Assessorchen, nämlich H. Clauren, oder wie ihn auf der Friedrichstraße die frommen Bernhardinerinnen nennen, "Vater Clauren! unser Clauren!" dieser Echte liefert mir all jene Gerichte, die er in seinen jährlichen Taschenbordellchen mit der Phantasie einer näscherischen Küchenjungfer so jettlich zu beschreiben weiß, und er gibt uns noch ein ganz besonderes Extra-Schüsselchen mit einem Sellerie-Gemüschen, "wonach einem das Herzchen vor Liebe puppert"; eine kluge, dürre Hofdame, wovon nur der Kopf genießbar ist, liefert uns ein analoges Gericht, nämlich Spargel; und es wird kein Mangel sein an Göttinger Wurst, Hamburger Rauchfleisch, pommerschen Gänsebrüsten, Ochsenzungen, gedämpftem Kalbshirn, Rindsmaul, Stockfisch, und allerlei Sorten Gelee, Berliner Pfannkuchen, Wiener Torte, Konfitüren --
Madame, ich habe mir schon in Gedanken den Magen überladen! Der Henker hole solche Schlemmerei! Ich kann nicht viel vertragen. Meine Verdauung ist schlecht. Der Schweinskopf wirkt auf mich wie auf das übrige deutsche Publikum -- ich muß einen Willibald-Alexis-Salat darauf essen, der reinigt -- Oh! der unselige Schweinskopf mit der noch unseligern Sauce, die weder griechisch noch persisch, sondern wie Tee mit grüner Seife schmeckt; -- Ruft mir meinen dicken Millionarrn!...

Heinrich Heine aus:

"Ideen. Das Buch Le Grand"


Enigma antwortete am 25.08.04 (09:42):

Der Hering ist ein salzig Tier
von Heinrich Seidel

Der Hering ist ein salzig Tier.
Er kommt an vielen Orten für.
Wer Kopf und Schwanz kriegt, hat kein Glück.
Am besten ist das Mittelstück
Es gibt auch eine saure Art;
in Essig wird sie aufbewahrt.
Geräuchert ist er alle Zeit
ein Tier von großer Höflichkeit.
Wer niemals einen Hering aß,
wer nie durch ihn von Qual genas,
wenn er mit Höllenpein erwacht,
der kennt nicht seine Zaubermacht!
Drum preiset ihn zu jeder Zeit,
der sich der Menschheit Wohl geweiht,
der heilet, was uns elend macht,
dem Hering sei ein Hoch gebracht.


marie2 antwortete am 25.08.04 (16:54):

Ein Gedicht über Essen und Trinken hier heute einzugeben, fällt mir wahrlich leichter, als Essen für viele zuzubereiten, was gestern der Fall war.

Junge Hähnchen sanft gebraten
Dazu kann man dringend raten.
Und man darf getrost inzwischen
Etwas Rahm daruntermischen.

(Wilhelm Busch)

Marie2


Joan antwortete am 25.08.04 (17:55):

Zum Essen zurück....

Mein Schatz,leb wohl
dein Tisch ist vol-ler Delikatessen
zu heiss zum essen

Es tut mir leid
bin nicht bereit bei so viel Heissem
erst anzubeissen

um hintennach
mit Weh und Ach schlecht zu verdauen
müsst lange kauen--

Ein Trost
daheim gibt`s Hausmannskost-solides Futter.
In Butter?


iustitia antwortete am 25.08.04 (21:59):

Herrlich!
Besonders: Heine - und ach, "eigentlich" alle...
Danke!
*
Essen und Trinken,
Suppe und Schinken:
Wein und Brot
Lippen- und Wangenrot –
tun Leib und Seele got.
*
Ein findiger Typ hat mir gesteckt die URL gesteckt...:

Internet-Tipp: https://www.fleischwirtschaft.de/fleischundwurst/literatur/pages/2.html


iustitia antwortete am 25.08.04 (22:50):

Von einem Arzt, der nach noch nachts nach seinen Krnakenschaute und auch wusste, was sie zu essen kriegten - oder krigen sollten:

Justinus Kerner
Der Traum eines Arztes in einer Nacht zu Nürnberg im Jahre 1845

Es war ein Arzt aus Schwaben
Zu Nürnberg in Quartier, s. URL...
Der wollt' frühmorgens haben
Zur Stärkung Wurst und Bier.

Da sprach des Hauses Meister:
"Ja! trinkt! bleich seht Ihr aus.
Saht Ihr heut nacht wohl Geister
In meinem alten Haus?"

"Nein!" sprach der Arzt, "mit Schauern
Träumt' ich heut nacht den Traum:
In eines Kirchhofs Mauern
Saß ich an einem Baum.

Kein goldner Vollmond schiffte
Durchs grüne Rebental.
Es zuckte durch die Lüfte
Entfernter Blitze Strahl.

Ich aber saß beklommen,
Als drohte was noch mehr;
Sprach, wie bin ich gekommen
Um Mitternacht hieher?

Ich seufzte und ich grollte,
Da hör ich dumpfes Schall'n,
Als ob die Erd' entrollte
Den Grabeshügeln all'n.

Der Mond aus Wolkenbergen
Auf einmal strahlend bricht,
Da seh ich, wie aus Särgen
Steigt Leich' an Leiche dicht.

Die lenken ihre Schritte
Gerade auf mich zu,
Ich aber ruf: "Ich bitte,
Ihr Toten, kehrt zur Ruh'!"

Schnell will ich mich erheben,
Gebannt bleib ich am Baum,
Die Leichen zu mir schweben. -
0 nie vergeßner Traum!

Die erste, wie im Grimme
Hebt auf die schwarze Hand,
Und spricht mit hohler Stimme:
"Mein Tod war heißer Brand.

Du aber hast gestecket
Moschus in mich hinein,
Die Glut noch mehr gewecket,
Der Tod half mir allein."

Drauf mit den Knochenhänden
Die zweite weist aufs Herz,
Und spricht: "So mußt' ich enden!
Hier innen saß mein Schmerz.

Du aber gabst mir Pillen
Und Tränke für die Brust:
Mein Leiden hat zu stillen
Allein der Tod gewußt."

Die dritte kommt geschritten,
Und streckt mir hin ihr Bein.
"Hättst du dies abgeschnitten,
Würd' ich noch lebend sein.

Du doch auf meine Klagen
Sprachst: Jod und Lebertran
Heilt dich in wenig Tagen,
Der Tod nur hat's getan."

Die vierte mit dem Kopfe
Stets nickte hin und her:
"Wie war mir armen Tropfe
Im Leben der so schwer!

Hättst Wasser mir gegeben
Statt China immerdar,
So wär' ich noch am Leben:
Der Tod mein Helfer war."

Jetzt kommt die fünfte Leiche
An Krücken her auf mich,
Ich kenne sie, ruf: "Weiche!
Die Erde decke dich!

Fort! fort! sie deck' euch alle,
Ihr Toten! fort vom Licht!"
Da ruft's mit grellem Schalle:
"Arzt, mit dir ins Gericht!"

Nun kommt der Tod gegangen,
Die Leichen singen: "Tod!
Mit Kränzen sei umfangen,
Du Retter aus der Not.

Preis dir, Arzt, der gefunden
Den Balsam Grabesruh',
Du bandest unsre Wunden
Sanft mit dem Sargtuch zu."

Und jetzt, an mir vorüber,
Schwebt' Tod und Leichenchor.
Schnell war der Himmel trüber,
Das Mondlicht sich verlor.

Zum Baum, wo meine Stätte,
Ein Blitzstrahl niederkracht,
Davon bin ich im Bette
Vom tollen Traum erwacht." -

Der Hausherr, etwas kühler,
Sprach: „0 das hat gemacht,
Daß ihr im Dunst so vieler
Kunstbrüder zugebracht.

Trinkt unser Bier nur dreister,
Speist eine Wurst dazu,
Dann lassen euch die Geister
Und böse Träum' in Ruh'."

Der diesen Traum hier träumte,
Justinus Kerner hieß,
Ob aber er ihn reimte -
Das bleibt noch ungewiß.

Internet-Tipp: https://thm-br1r2.search.vip.scd.yahoo.com/image/230345366


Enigma antwortete am 26.08.04 (08:04):

Hoffmann von Fallersleben:
Vom Schlaraffenland

Kommt, wir wollen uns begeben
jetzo ins Schlaraffenland!
Seht, da ist ein lustig Leben
und das Trauern unbekannt.
Seht, da läßt sich billig zechen
und umsonst recht lustig sein:
Milch und Honig fließt in Bächen,
aus den Felsen quillt der Wein.
Alle Speisen gut geraten
und das Finden fällt nicht schwer.
Gans`und Enten gehn gebraten
überall im Land umher.
Mit dem Messer auf dem Rücken
läuft gebraten jedes Schwein.
O wie ist es zum Entzücken!
Ei, wer möchte dort nicht sein!
Und von Kuchen, Butterwecken,
sind die Zweige voll und schwer;
Feigen wachsen in den Hecken,
Ananas im Busch umher.
Keiner darf sich mühn und bücken,
alles stellt von selbst sich ein.
O wie ist es zum Entzücken!
Ei, wer möchte dort nicht sein,
Und die Straßen allerorten,
jeder Weg und jede Bahn
sind gebaut aus Zuckertorten
und Bonbons und Marzipan.
Und von Brezeln sind die Brücken,
aufgeführt gar hübsch und fein.
O wie ist es zum Entzücken!
Ei, wer möchte dort nicht sein!
Ja, das mag ein schönes Leben
und ein herrlich Ländchen sein!
Mancher hat sich hinbegeben,
aber keiner kam hinein.
Ja, und habt ihr keine Flügel,
nie gelangt ihr bis ans Tor,
denn es liegt ein breiter Hügel
ganz von Pflaumenmus davor.


schorsch antwortete am 26.08.04 (08:57):

Pasta, Kraut, Kartoffeln, Schinken,
und dazu ein Weinchen trinken.
Dann leg ich mich, wo keiner schaut,
ein Stündchen auf die faule Haut.

Schorsch


Miriam antwortete am 26.08.04 (12:29):

Eugen Roth:

Der starke Kaffee

Ein Mensch, der viel Kaffee getrunken,
Ist nachts in keinen Schlaf gesunken.
Nun muß er zwischen Tod und Leben
Hoch überm Schlummerabgrund schweben
Und sich mit flatterflinken Nerven
Von einer Angst zur andern werfen
Und wie ein Affe auf dem schwanken
Gezweige turnen der Gedanken,
Muß über die geheimsten Wurzeln
Des vielverschlungnen Daseins purzeln
Und hat verlaufen sich alsbald
Im höllischen Gehirn-Urwald.
In einer Schlucht von tausend Dämpfen
Muß er mit Spukgestalten kämpfen,
Muß, von Gespenstern blöd geäfft,
An Weiher, Schule, Krieg, Geschäft
In tollster Überblendung denken
Und dann sich nicht ins Nichts versenken.
Der Mensch in selber Nacht beschließt,
Daß er Kaffee nie mehr genießt.
Doch ist vergessen alles Weh
Am andern Morgen - beim Kaffee.


marie2 antwortete am 26.08.04 (13:59):

Der Wein war ein Gedicht

Kartoffeln schälen
Möhren schaben
Derweil sich schon am Weißen laben.
Fisch geträufeln
Und gelassen
Den Roten abseits atmen lassen.

Tomaten vierteln
Schoten waschen
Na gut-nochmal vom Weißen naschen
Fischbett machen
Ofen wärmen
Vom Bukett des Roten schwärmen.

Fisch ins Bett
Bett ins Rohr
Schmeckt der Weiße nach wie wor?
Durchaus! Chapeau!
War auch nicht billig
Der Rote riecht extrem vanillig.

Geiter Zwang -
Quatsch: Zweiter Gang!
Weißer - bist ein guter Fang!
Wühnchen haschen?
Hühnchen waschen!
Wird daschu der Rote paschen?

Mussich kosten
Junge Junge
Der liegt ewig auf der Zunge!
Tut mir lei - Hicks
Tut mir leiter
Dagegen ist der Weiße Zweiter!

Huhn muß raten?
Braaten! Rohr -
Fisch vergessen - kommt mal vor!
Kann nix machen
Muß zum Müll
Der Rote macht mich lall und lüll

Dummes Huhn
Bis morgen dann
Heute leg´ich keine Hand mehr an
Dein Fl - Dein Fl -
Dein tzartes Fleisch
Wo far denn noch die Wlasche gleisch?

Versteckdichnich!
Ich finde dich!
Heutkochichnicht heuttrinkichdich!
Da bissuja
Mein roter Bruder
Dadi´Dadu´Dadi´Daduda!

Fritz Eckengan


pilli antwortete am 27.08.04 (08:24):

Etwas für Auswanderungslustige und Hypochonder

Amerika, das Feenland
Soll laut mein Kiel besingen.
Drum bitt ich um geneigtes Ohr
Es kommen seltne Dinge vor
Die gar zu lieblich klingen.-

Bei einem Wirt in Asla
War ich erst Kerbholzschneider;
Dann stieg ich immer höher auf,
Und in des zweiten Jahreslauf
War ich schon Doppelkreider.

Von da an ging's fort mit Extrapost,
So heißt das Barfußlaufen
Durch Belgien und Polenland
Und kam an jenen Wunderstrand,
Wo's Glück liegt auf ein'm Haufen.

Dies war in Nordamerika,
Da ist Euch was zu machen!
Potz Tausend, welche Herrlichkeit
Ziert diese Gegend weit und breit!
Das Herz im Leib muß lachen.-

In Baltimore steigt man ab,
Die Stadt will beschreiben.
Sie liegt in einem Rosenthal;
Die Häuser sind vom purem Stahl,
Kristall die Fensterscheiben.

Die Schornstein sind von Jungfernwachs,
Von Marzipan die Türen.
Die Lüftchen wehen mild und süß;
Die Straßen sind mit Pfeffernüß
Gepflastert zum Spazieren.

Die Brunnen sind von Zuckerteig
Symetrisch aufgeführet.
Da fließt aus einer Quell hinein
Champagner und Burgunder Wein
Mit Malagga melliret.

0 Kaffee, göttliches Getränke!
Er bildet große Weiher.
Auch Chokolad und Malvasier
Drückt man aus Quetschenkernen hier -
Und gibt kein Kreuzer Steuer. -

Wer fahren will, der kann sich auch
Nach Herzenslust ergötzen
Fiaker halten stets vollauf,
Die zahlen Geld noch in den Kauf,
Will man sich nur aufsetzen. -

Das Gold und Silber hängt sich Nachts,
Wie Reif, an Schwarzdornhecken;
Und jeden Morgen prügelt man,
So viel ein Esel tragen kann,
Herab mit einem Stecken. -

Gebratne Ochsen weidet man
Auf bunt geblümten Wiesen,
Mit Messer, Gabel auf dem Rück
Damit man auch sogleich ein Stück
Von ihnen kann genießen. -

Mit Kegelspiel erheitern sie
Die rauschverschlaf'nen Köpfe.
Zur Kugel dient ein Kirschenkern;
Die wachsen in der Gegend gern
So dick, wie Kirchthurmknöpfe. -

Die Gegend überhaupt ist gut,
Dies dürft ihr wahrlich glauben;
Bedenket nur, daß dieses Land
Zuvor im Paradiese stand
Und hierher kam auf Schrauben.

Das Feld bedarf der Arbeit nicht,
Nicht Pflügen, Eggen, Säen.
Man wünscht nur in die Erd hinein,
Und wünscht, bald möcht es zeitig sein;
In acht Tag kann man's mähen.

Internet-Tipp: https://www.volksliederarchiv.de


pilli antwortete am 27.08.04 (08:25):

Drum hat es in Amerika
Der Bauer auch am besten.
Er discutiret Tag und Nacht;
Da sind Maschinen angebracht,
Die Ochs und Scheine mästen. -

Viel Bäume einer seltnen Art
In diesem Land gerathen,
Von denen immer Jedermann
Geback'ne Tauben schütteln kann
Und kalten Schweinebraten. -

Auch kommt man in Amerika
An sehr viel Zuckergruben.
Man bricht ihn nämlich so allhier,
Wie Mauerstein in Deutschland ihr;
Fein, streut man ihn in Stuben.

Die größten Klumpen bleiben hier;
Nach Deutschland kommt's Gekrümmel,
Kurz um, man lebt an diesem Ort,
Glaubt's Brüder auf mein Ehrenwort
Wie in Jupiters Himmel. -

Von Königen weiß man hier nichts,
Und Alles darf befehlen.
Gemeinderath ist jedermann,
Und wer nur das Blaudunsten kann,
Darf sich Diplome wählen. -

Für Damen ist das Klima gut,
Indem sie nie veraltern.
Von Weibern, oft von hundert Jahr
Sieht man kein einzig graues Haar;
Nie Runzeln oder Falten. -

Die Wissenschaften pflanzt man sich
Zum Zeitvertreib im Garten.
Da strotzt auf Sand die Poesie,
In Leimenerd Astronomie
Und gleich dabei Sternwarten.

Nur die Geschichte will allhier
Nicht tiefe Wurzeln schlagen.
Dagegen kommt an jedem Ort
Sehr gut das Ammenmährchen fort
Und Alteweibersagen. —

Und wer nicht recht bei Sinnen ist,
Kann zu Verstand hier kommen.
Wem's nun vielleicht daran gebricht,
Der scheue diese Reise nicht -
Hier wird der Wahn genommen.
sapienti sät!

Verfasser Lehr (Schullehrer in Pfaffen - Beerfurth).
Quelle: "Wochenblatt für den Kreis Großgerau", Nr. 41
vom13. Oktober 1834), S. 3f.;
abgedruckt in: Peter Assion, Von Hessen in die Neue Welt. Eine Sozial- und Kulturgeschichte der hessischen Amerikaauswanderungmit Text- und Bilddokumenten, Frankfurt am Main 1987, S. 61f.Überschrift: Schreiben aus Amerika. Etwas für Auswanderungslustige und Hypochonder.

...

:-)


iustitia antwortete am 27.08.04 (16:09):

Kennt jemand ein Gedicht über einen Eintopf - besonders, wenn möglich - über den norddeutschen "Schnüss" (?)
Diesen Namen, etwas verballhornt, brachte in der vorigen Woche der Tim Mälzer ("Schmeckt nicht, gibt's nicht!", bei VOX); der ist der erste Koch, dem ich mit Vergnügen zuschaue. Er ist prima einfach, unkompliziert, nicht so gelackt - und völlig natürlich.
Und zum Schluss dürfen dort die Mitmacher (die Kameraleute und alle hinter den Bildern Versteckte) mitessen! Das habe ich denen (egal in welcher Sendung) schon lange gewünscht.
*
Und wenn es mal so viele Literatursendungen wie Köcheleien auf dem Bildschirm gibt, meckere ich auch viel weniger...
Dann hätte ich genug Literaturanregungen - und zwischendurch zu essen und trinken!


eika antwortete am 27.08.04 (18:58):

Rezensent

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
er war mir eben nicht zur Last;
ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
über mein Essen zu räsonieren:
"Die Supp hätt können gewürzter sein,
der Braten brauner, firner der Wein."
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund!
Es ist ein Rezensent.

Johann Wolfgang Goethe


schorsch antwortete am 28.08.04 (09:57):

Wie geht doch der versoffnen Band`,
ein Fressgedicht leicht aus der Hand!

Verfasser unbekannt....


....jedenfalls getrau ich mich meinen Namen nicht darunter zu setzen! (;--))))


iustitia antwortete am 29.08.04 (11:59):

Zum "Stamm"-Prinzip weiß ich hier Edleres, Geselligeres, Schmackhafteres von Fontane zu berichten:

Theodor Fontane:
Bericht über ein „Picknick in Hampton Court“: der Stamm einer alten Rüster (Ulme) wird zum Lagerplatz für eine sich labende, sich unterhaltende Gesellschaft:

Fontane:
Dann erhob sich alles gesunder Appetit umschlang uns mit einem Eintrachtsbande , und dem Boote zueilend, glitten wir in der nächsten Minute schon quer über den Strom hin an das jenseitige Ufer, wo eine prächtige, nach allen Seiten hin von Weidengebüsch umgrenzte Wiese wie geschaffen war für ein lustig verschwiegenes Diner. Eine Koppel Pferde, die im ersten Augenblick halb stutzig, halb neugierig die ungeladenen Gäste empfing, machte bald den bescheidenen Wirt und überließ uns das Terrain.

Wir aber hatten bereits den Stamm einer mächtigen alten Rüster zu unserm Lagerplatze ausersehen, und eh eine Viertelstunde um war, breitete sich auf dem Rasen vor unsern bewundernden Augen eine wohlgedeckte Tafel aus. Reizend stach das weiße Linnen von dem saftigen Grün des Rasens ab, aber reizender noch schimmerte die gelbe Kruste einer kolossalen Hühnerpastete, die, von den kunstgeübten Händen der alten Mistress May gebacken, den gebührenden Platz in der Mitte der Tafel einnahm. An den vier Zipfeln des Tischtuchs schimmerten abwechselnd die Stanniolkuppen Mr. Taylors und die geschliffenen, portweingefüllten Karaffen, die Mr. Owen und ich selber als Picknick Kontingent gestellt hatten; am linken und rechten Flügel der Riesenpastete aber lagen in schlichter Brotgestalt die Gaben der Miss Harper; zwei Königskuchen, deren kleine Rosinen zahllos wie die Sterne am Himmel lachten. So war das Mahl; drum herum aber, auf den umgestürzten Kisten und Körben, saßen sieben lachende Menschen und dankten in kindlicher Fröhlichkeit dem Geber aller Dinge. Der Portwein war längst hin und die Hühnerpastete nur noch eine Ruine, da ergriff ich ein volles Glas Champagner, und mich hoch aufrichtend, schloß ich die Mahlzeit mit jenem Toaste, der, von Herzen kommend, in britischen Herzen noch immer sein Echo fand: Old England for ever!
(Ein Sommer in London. 1854)
*

Und als Zugabe ein Gedicht, Theodor Fontanes:
"Weisserübensuppe"

„Rindfleisch schlage, stampfe, klopfe,
Brüh es ab im irdnen Topfe,
Spargelschnitzel, Portulacke
Nimm aus sauberm Sommersacke,

Morcheln, eine ganze Sippe,
Ziehe von der Fensterstrippe,
Petersilie, Kohl vom Wirsich,
Sellerie (den ‚Bowlenpfirsich’),

Gelbe Möhren, große, runde,
Laß sie kochen eine Stunde,
Laß sie kochen, bis die Trübe
Klar sich schäumt, dann Rübe, Rübe,
Weiße Rübe schnell hinein,
Und so wird's gelungen sein.«
*
(Fontane gibt zu diesem Gedicht an: „Macbeth, Koch“. Es ist dem Rezept der Hexenszene in Macbeth (IV,1) nachgebildet, für eine Einladung, die Fontane zum 19. Januar 1867 veranstaltete. – Portulacke ist das Bügelkraut, eine Gewürzpflanze.)

Zum Bild: das schönste Fontane-Denkmal in Neu-Ruppin:

Internet-Tipp: https://www.pension-gestuet-lindenhof.de/reiterferien/ruppin/bilderneuruppin/fontane.jpg


iustitia antwortete am 02.09.04 (11:53):

Siegfried von Vegesack: Sauerkohl

Wohl dem, der seinen Kohl
im Garten angebaut:
denn ihm ist wohl,
betrachtet er sein Kraut!

Er holt sich Körbe voll
mit Köpfen, rund und schwer.
Er weiß, was werden soll:
die Tonne steht schon leer.

Er schneidet Kopf auf Kopf,
das Mädchen springt ins Faß.
Es hüpfen Fuß und Zopf –
die Tonne dröhnt im Baß.

Das Mädchen stampft und stampft,
ihm ist so seltsam wohl:
Zu Weihnacht schmort und dampft
das Schwein im Sauerkohl!
*
*
Und so wird der Weißkohl "getreten", handwerklich mit den "Füßen"; in den großen Fabriken mit den großen Namen und der häufigen Werbung läuft dieser Produktionsvorgang mechanisch-industriell.

Internet-Tipp: https://www.zukunftsradio.de/umwelt-gesundheit/sprechstunde/200302/img/0204/sauerkraut2.jpg


iustitia antwortete am 06.09.04 (22:17):

Noch zwei Gedichte - vom Trinken, genauer. vom trinkenden Schaf - besser als vom Schaf oder Lämmchen, das im Wirtshaus verspeist wird...
Und das erste Gedicht habe ich nur eingestellt, weil das zweite, die Antwort auf das vorherige, so schön ausgefallen ist:

Volker Kriegel:
Wie sich das nackte Schaf mal schwer gehenließ

Eins von den splitternackten Schafen,
das konnte nachts partout nicht schlafen.
Es lief zur Wirtschaft um halb zehn
und blieb direkt am Tresen stehn.

»Herr Ober!« schrie das nackte Tier,
»ein Fernet und ein Weizenbier!«
Es kippte rasch den Schnaps, den braunen,
die Herren konnten nur noch staunen.

Das Schaf betrank sich wie ein Schwein.
Acht Weizen waren es allein,
dazu elf Fernet und drei Gin –
macht vierzehn Schnäpse. Immerhin!

Viel später dann (es war schon vier)
begann das angesoffne Tier
SEHR laut zu singen, aber wie! –
Die Herren staunten wie noch nie.

Das Schaf sang schwer obszöne Lieder,
eins nach dem andern, immer wieder.
Die Herren dachten: Nicht zu fassen!
Wie kann man sich so gehenlassen?!

Trotzdem sind sie dann noch geblieben
bis ganz zum Schluß, so gegen sieben.
Der Wirt gab noch zwei Runden aus,
dann wankte man erschöpft nach Haus.

*
F. W. Bernstein
Postskript zum nackten Schaf von Volker Kriegel

Lieber Volker,
Das Schaf, von Dir stark abgefüllt,
hat schwer im Wirtshaus rumgebrüllt.
So hast Du es erschaffen,
das Schaf mit seinem Affen.

So säuft und singt es im Gedicht;
in Wirklichkeit tut es das nicht.
Der Schäfer hat's verboten,
den Suff und auch die Zoten.

Du zeigst vom Schaf so etwas wie
die immanente Utopie –
So könntest Du versöhnen
das Wahre mit dem Schönen.

Adorno hätt es Spaß gemacht,
vielleicht hätt er auch aufgelacht,
wär er nicht schon sturztrunken
Dir um den Hals gesunken.
*
Aus: Zum Wohl. Ein Durst-Brevier für Genuß-Trinker. Hrsg. von Ulla Specht und Werner Schmöll. Zürich 200. Haffmans Verlag.
*
Lallend: EinSchf in der Kneüpe - ode gar stuzbsoffen - hbe ichhh necht gefonden.

Internet-Tipp: https://www.kruschtelstall.de/png/schaf.jpg


iustitia antwortete am 14.09.04 (18:37):

Not und Hunger - für uns heute keine allgemeine Aktualität; aber eine Flugstunde weiter, dort, wo wir als Urlaubsziel nicht landen wollen; und wenn wir dort abstürzen und überleben, ist sofort die Rettung und die Weltpresse da - für die Satten, nicht für die Hungernden...:
*
Erich Mühsam
Hungersnot

Viel Hunderttausende liegen tot,
tief ins geschändete Ackerland
von Eisengeziefer niedergestreckt.
Aus ihren Gebeinen kriecht und droht
und aus den Wüsten von Schutt und Brand –
und nagt am Volksmark und saugt und leckt
des Krieges Schwester, die Hungersnot.

Sie nistet über Dächern und Tor,
sie senkt sich über Menschen und Vieh,
kreist über den Dörfern ohne Laut.
Kein Auge kann sie erspähn, kein Ohr;
doch alle Sinne wittern sie,
erschaudernd wirft sich jede Haut,
und jedes Haar strafft sich empor.

Die Blicke irren hohl und starr.
Ein Kind zerrt bang an der Mutter Schurz.
Zum Kirchhof fährt ein winziger Sarg.
Der Ortsschulz und der Gemeindepfarr
beraten bleich. Ihr Atem geht kurz.
Schon wird's in der eigenen Küche karg. –
»Wir haben gesiegt!« lallt blöd ein Narr.
Das Heer, das tot in der Fremde liegt,
das schafft der Heimat kein Brot herbei.
Doch viele zieht es sich nach in den Grund,
die niemands Feind sind, von niemand bekriegt. –
Millionen modern, von Jammer frei . . .
Irr tönt aus dorrendem, lallendem Mund
des Narren Ruf: »Wir haben gesiegt!«

Internet-Tipp: https://www.caroljphipps.com/hunger.jpg


Enigma antwortete am 19.09.04 (12:13):

Banalster Vampirismus
von Thomas A. Keck

Streich mir Deine Kehle fein
mit etwas Senf und Butter ein,
hüll` Dich in Dein Leichentuch,
sprich noch einen kleinen Fluch
und dann halte still,
weil ich trinken will.


Enigma antwortete am 20.09.04 (08:03):

Robert Gernhardt: Theke - Antitheke - Syntheke

Beim ersten Glas sprach Husserl:
"Nach diesem Glas ist schlusserl."

Ihm antwortete Hegel:
"Zwei Glas sind hier die Regel."

"Das kann nicht sein", rief Wittgenstein,
"bei mir geht noch ein drittes rein."

Worauf Herr Kant befand:
"Ich seh ab vier erst Land."

"Ach was", sprach da Marcuse,
"Trink ich nicht fünf, trinkst Du se."

"Trinkt zu", sprach Schopenhauer,
"Sonst wird das sechste sauer."

"Das nehm ich", sagte Bloch,
"Das siebte möpselt noch."

Am Tisch erscholl Gequietsche,
still trank das achte Nietzsche.

"Das neunte schmeckt erst lecker!"
"Du hast ja recht, Heidegger,"

rief nach Glas 10 Adorno:
"Prost auch, und nun von vorno!"


iustitia antwortete am 20.09.04 (11:01):

Und von dem bösen Anbrose Bierce weiß das "Wörterbuch des Teufels":
"Wein, Madame, ist Gottes zweitbeste Gabe an den Mann".

Na, ich denke mal:
Da ist es schöner zu verweilen,
und was man hat und bieten
und genießen kann,
miteinander zu teilen.
*
URL.: Was über Sünder/Sünderin aus des "Teufels Wörterbuch"

Internet-Tipp: https://www.nd.edu/~gtu/resource/evange_list/bierce.jpeg


Enigma antwortete am 21.09.04 (10:03):

Den "bösen" Ambrose Bierce lese ich aber sehr gerne. ;-)).

Matthias Claudius: Der verdammte Ochsenbraten

Die Römer, die vor vielen hundert Jahren
das erste Volk der Erde waren,
doch wenigstens sich dünkten es zu sein;
die große Schreiber ihrer Heldentaten
und Dichter auch und große Redner hatten
und Weise, groß und klein;
die stolz auf ihrer Helden Schaaren
auf ihre Regulos und Scipione waren
und Ursach hatten es zu sein;
die fingen endlich an und aßen Ochsenbraten,
frisierten sich und tranken fleißig Wein -.
Da war`s geschehn um ihre Heldentaten,
um ihrer Dichter edle Reihn,
um ihre Redner, ihre Schreiber;
da wurden`s große dicke Leiber
und Memoirs- und Zeitungsschreiber
und ihre Seelen wurden klein.
Da kamen Oper und Kastraten
und Ehebruch und Advokaten
und nisteten sich ein.
Oh, die verdammten Ochsenbraten!
Oh, der verdammte Wein!


Enigma antwortete am 28.09.04 (09:26):

Wolf Biermann:Winterlied

Ich hab die ganze Nacht vertan
mit den alten Weibern am Küchenherd.
Íhre schönen Geschichten bis in die Früh,
die waren nicht verkehrt.

Wir aßen schwarzes Brot mit Schmalz
und in die Nase ein Wein
und einen krebsrotfröhlichen Hals
beim Küchenfeuerschein.

So saß ich bis in den Morgen hin
und hörte so viel, so viel.
Zu Haus lag meine junge Frau
allein und winterkühl.


Enigma antwortete am 04.10.04 (07:20):

Friedrich Schiller
Punschlied

Vier Elemente,
innig gesellt,
bilden das Leben,
bauen die Welt.

Preßt der Zitrone
saftigen Stern,
herb ist des Lebens
innerster Kern.

Jetzt mit des Zuckers
linderndem Saft
zähmet die herbe
brennende Kraft.

Gießet des Wassers
sprudelnden Schwall,
Wasser umfänget
ruhig das All.

Tropfen des Geistes
gießet hinein,
Leben dem Leben
gibt er allein.

Es es verdüftet,
schöpfet es schnell.
Nur wenn er glühet,
labet der Quell.


Enigma antwortete am 10.10.04 (08:13):

Eines Tages geschah es Kant,
daß er keine Worte fand.
Stundenlang hielt er den Mund,
und er schwieg nicht ohne Grund;
ihm fiel absolut nichts ein,
drum ließ er das Sprechen sein.
Erst als man ihn zum Essen rief,
wurd`er wieder kreativ,
und sprach die schönen Worte:
"Gibt es hinterher noch Torte?"

Robert Gernhardt