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THEMA: Gedichte für die Kar- und Osterwoche
30 Antwort(en).
iustitia
begann die Diskussion am 06.04.04 (23:33) mit folgendem Beitrag:
CHRISTINE BUSTA: Späte Aufzeichnung über Simon von Cyrene
Zum andern Mal hat er sich bekannt, als sie schaudernd den Baum umstanden, an dem sich Judas selber gerichtet. Keiner wollte den Strick abschneiden. Simon löste sein Winzermesser vom Gürtel und einer der Jünger schrie: „Berühr ihn nicht, er ist der Verräter!“
Simon lud sich den Toten auf und trat aus dem Schatten. „Wo bist du gewesen, als sie Jesus nach Golgatha schleppten? Ich habe ihm sein Kreuz nachgetragen, ich trage ihm auch den Judas nach“, sagte er. Und sie wichen verstört. Keiner wagte, ihm nachzufolgen. * (Zu den Bibelstellen Matthäus 27,32; Markus 15,21; Lukas 23,26) (Aus: Wenn du das Wappen der Liebe malst. Salzburg 1995. Otto Müller Verlag)
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iustitia
antwortete am 07.04.04 (10:46):
KONRAD WEISS
„Vater verzeih“, und ich, ich kann es fassen - „verzeih den Unwissenden, was sie tun“, „Wahrlich ich sage dir, auch du wirst ruhn im Paradies“, - und ich muß nicht erblassen.
Von mir zu dir nicht Erdenpein der Massen, - doch „sieh die Mutter“, ja ich sah, ihr Lohn, wofür ward sie geschlagen in dem Sohn? „Mein Gott, warum hast du mich ganz verlassen?“
In diese Furche wie in stumme Nacht „Mich dürstet“, so geronnen meine Seele, in diesem Mangel, der sie tränkt und speist,
wie ringt die Frucht mit mir „es ist vollbracht“, die Mutter trägt mich immer, „ich empfehle Vater in deine Hände meinen Geist“.
* Zu den Bibelstellen: Matthäus 27,33-56; Markus 15,20-41; Lukas 23,32-49; Johannes 19,16-37.
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schorsch
antwortete am 07.04.04 (11:19):
Das schönste an Ostern, so meinte Herr Meiern, sind die Osterneste mit den bunten Ostereiern. Er nahm das eine und wollte damit tutschen; doch das Ei war noch roh, es tat heftig flutschen!
Sorry, etwas holprig. Aber schon mal passiert!
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DorisW
antwortete am 07.04.04 (13:03):
Rainer Maria Rilke: Auferstehung
Der Graf vernimmt die Töne, er sieht einen lichten Riß; er weckt seine dreizehn Söhne im Erb-Begräbnis.
Er grüßt seine beiden Frauen ehrerbietig von weit -; und alle, voll Vertrauen, stehn auf zur Ewigkeit
und warten nur noch auf Erich und Ulriken Dorotheen, die, sieben- und dreizehnjährig, (sechzehnhundertzehn) verstorben sind im Flandern, um heute vor den andern unbeirrt herzugehn.
Aus: Neue Gedichte (1907)
Internet-Tipp: https://www.rilke.de/gedichte/auferstehung.htm
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ricardo
antwortete am 07.04.04 (14:15):
T. S. Eliots Poem "Das wüste Land" hebt an mit:
"April is the cruellest month, breeding Lilacs out of the dead land, mixing Memory and desire . . ."April ist der grausamste Monat.
Möge T. S. Eliot damit für diesen April nicht Recht behalten!
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maedel
antwortete am 07.04.04 (15:11):
Osterfreuden
Mümmelnd lümmelt Osterhas nach vollbrachtem Werk im Gras. Hurtig geht sein Lamperl, freut sich auf sein Gschlamperl. Hastig schlägt sein Klopferl, freut sich auf sein Stopferl und ein Hupferl sowieso, will's nun treiben – subito! Sammelt sich kurz rasenlastig, rammelt alsdann hasenhastig, vierzehn, siebzehn, zwanzig mal - langsam wird's selbst ihm zur Qual Packt er's schließlich nimmermehr, sackt er friedlich – erdenschwer.
aus *junge Welt 82/96, Strohrum-Forum*
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iustitia
antwortete am 07.04.04 (16:47):
Na, danke fürs Mitmachen...! Heuer, for morgen:
Horst Bienek: Unerwartete Gäste
Gestern waren die Zwölf Apostel bei mir zu Gast ich tischte allen auf was der Kühlschrank hergab
Sie müssen von sehr weit gekommen sein sie waren hungrig und durstig und auf ihren Mänteln klebte dick der Staub Ich wollte wissen wer unter ihnen Johannes sei und wer Judas
Sie sagte sie übten noch die Rollen werden erst kurz vor Ostern festgelegt * Horst Bienek: Wer antwortet wem. München 1991: Carl Hanser Verlag. S. 37. (Bibelstelle? Na, selber suchen: Abendmahl: Na, da gab's doch..., äh... - Ja? Äh, Kaffee und Kuchen..?)
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ricardo
antwortete am 07.04.04 (18:11):
iustitia: Sie üben auch noch, daß sie Juden sind und nie ein Evangelium gelesen haben!
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marie2
antwortete am 07.04.04 (18:27):
Osterpredigt in Reimen
Verehrter Mitmensch, höre und vernimm Freundwillig mit Hulden und ohne Grimm: Dieweil es nun Ostern geworden ist, Sollst du, von welcher Art du auch bist, Ob Heide, Jude, Moslem, Christ, Durchaus vergnügt im Herzen sein, Osterwürdig und osterrein.
Mit einem Birkenreise kehre Aus deiner Seele den Geist der Schwere! Der Wenns und Abers und Achs und Os, Die hart und starr dein Herz umwindet, Dass der Geist, der Leichte, kaum Eingang findet, Mache dich hurtig und heiter los!
Du brauchst nichts weiter dazuzutun, Als dich im Grünen auszuruhn. Da atmet sich´s sehr wonnig ein, Was dir das Herz macht frei und rein: Der jungen Blumen frischer Hauch; Und die Augen haben der Wonne auch, Denn nichts ist lieblicher anzusehn, Als wie sie da hold beisammenstehn, Blau, weiß und rosa, klar und licht, Der Erde süßestes Ostergedicht.
An ihnen dir ein Beispiel zu nehmen, Sollst du, ach Mensch, dich keineswegs schämen!
Vergiss dein Gehirn eine Weile und sei Gedankenlos dem lieben Leben Blumeninnig hingegeben; Vergiss dein Begehren, vergiss dein Streben Und sei in seliger Einfalt frei Des Zwangs, der dich durchs Hirn regiert!
Er hat dich freilich hoch geführt Und vieles dir zu wissen gegeben, Aber das allertiefste Leben Wird nicht gewusst, wird nur gespürt. Der Blumen zarte Wurzeln fühlen Im keimlebendigen, frühlingskühlen Erdboden mehr von ihm als du. Und bist doch auch ein Kind der Erde. Dass sie nicht sinnenfremd dir werde, Wende ihr heut die Sinne zu!
Das ist der festlich tiefe Sinn Der Ostertage: Mit Entzücken Sollst du zum Mutterschoß dich bücken. Gib heut, o Mensch, dich innerst zu beglücken, Der Mutter Erde frühlingsfromm dich hin!
Otto Julius Bierbaum
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iustitia
antwortete am 07.04.04 (19:08):
Ja, ricardo - hatte erst Deinen Satz nicht verstanden. Ja, diese Juden sind Juden geblieben - und wollten nix mit Mord, Vaters "Sohn-Tötung" und Blut zu tun haben; ist den Jden absolut verboten. Mir hat noch keiner erklären können, was denn die Formel Hoch - ne, "hoc est enim corpus meum..." bedeuten könnte. Es ist atavistische Anthropophagie, alles unjüdisch. Was Johannes - mit seinem Evangelium (um 90/100 n.Chr.)- angerichtet hat, war die Trennung von allem Jüdischen; bis dahin gab es gemeinsame Gemeinden... - besonders in Antiochia, die sich nicht verzankten, sondern eine eigene jüdische Richtung verfolgten... Alles verloren - Joh. hat über 50x die absolute Verallgemeinerung "die Juden"! (Das steht in anderen Evangelien nur je 5 bis 6! (Bezogen auf Tempelpriester un dso..) Den antijudaistischen Rest - siehe Gibbon Gibsons "Pass-ssion", Blut- und Opfer-Orgie.
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iustitia
antwortete am 07.04.04 (19:09):
In Goethescher Tradition: Spaziergänge... * Heinz K a h l a u : Osterspaziergang
Vier Wochen vorher sah ich sie im Dorfkrug. Sie lehnte an der Tür, trug Holzpantinen, blies sich von Zeit zu Zeit die Locke aus der Stirne und sah mit leerem Blick auf die Papiergirlanden, die über dem Gestampf der Paare schwangen. Die Blasmusik war nur zum Schweigen gut. Sie stieß sich mit der Schulter ab vom Pfosten, zog ihre Jacke fester, ging hinaus. Ich fragte sie, ob wir uns sehen können. Sie sah mich an und sagte: Ostermontag. Ich bin um neun am ersten Luftschutzbunker. Dann gab sie mir die Hand und lief davon.
Wir gingen schweigend zwischen Kiefernstämmen. Der Wald war überschwemmt, an trocknen Stellen war alles aufgewühlt von wilden Schweinen. Die Wasserreiser an den grauen Weiden besetzt mit großen Kätzchen - kükengelb. Die Sonne fiel in hellen, warmen Rhomben auf gelbe Kätzchen und auf nasses Moos. Ich war schon neunzehn, sie war achtzehn Jahre. Ich mager, rotblond, sie war schwarz und rund. Ich trug zerfetzte nasse Leinenschuhe, gefärbte Khakihosen, Drillichjacke und einen wehrmachtsgrauen langen Schal. Sie schwarze Holzpantinen, wollne Strümpfe und einen weiten Rock aus einer Decke, ein weißes Turnhemd, eine enge Jacke, die nicht zu knöpfen ging, sie hielt sie oben zu. Wir küßten uns und sprangen über Pfützen, wir sprachen über Blasmusik und Essen, wir rissen Kätzchen ab und färbten uns die Nasen mit Blütenstaub und küßten sie uns sauber. Wir setzten uns auf einen Eichenstubben, wir sagten uns, daß wir uns wirklich liebten. Ihr war es ganz egal, daß wir nicht wußten, wie spät es war. Sie hatte keinen Hunger. Es gab zu Mittag nur Kartoffelsuppe, die hatte sie am Tag davor gekocht. Mein Zug fuhr erst um fünf. Wir gingen weiter und suchten einen trocknen Flecken Erde. Am Rande einer überschwemmten Wiese stand ein verbrannter Heereskübelwagen. Wir setzten uns auf eine Panzerplatte und legten meinen grauen Schal darunter. Da war die Sonne weg, und es begann zu gießen. Durchnäßt und traurig liefen wir zurück.
Ihr Vater wartete vor der Barackentür. Er durfte mich nicht sehn, wir trennten uns und fragten nicht, wann wir uns wieder sehn. Ich stand im Wald und sah den Vater schimpfen, sie ging an ihm vorbei durch ihre Tür. Ich weiß nicht, wie sie hieß. Ich sah sie nie mehr. Doch an den Wald, die Kätzchen und den Regen kann ich mich noch, so oft ich will, erinnern. (H. K.: Du. Liebesgedichte. S. 8ff.)
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iustitia
antwortete am 08.04.04 (00:53):
marie 2 - Dank Dir für den schönen Bierbaum-Text, ich kenne den Dichter noch immer nicht ganz. Das Gedicht passt wunderbar in meine Sammlung mit Texten zu "Nathan" und zur Toleranzidee gegenüber den Vertretern der drei abendländischen Buchreligionen.
Friedliche Tage wünscht Dir Antonius!
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iustitia
antwortete am 08.04.04 (10:17):
Von der großen Dichterin Kaléko auch was zu Ostern....
Mascha Kaléko: Osterspaziergang
Ganz unter uns: Noch ist es nicht so weit. Noch blüht kein Flieder hinterm Heckenzaune. Doch immerhin: Ich hab ein neues Kleid, Bürofrei und ein bisschen Frühlingslaune.
Was hilft uns schon das ganze Trübsalblasen – Da weiß ich mir ein bessres Instrument. Ich pfeife drauf... Mich freut selbst kahler Rasen Und auf das Frohsein gibt es kein Patent.
Mich fährt die Stadtbahn auch ins freie Feld, Mir weht der Märzwind gleich den Weitgereisten Ich hab mein’ Sach’ auf nichts gestellt. - Das kann man sich noch leisten.
Blau ist der Himmel wie im Bilderbuch. Die Vögel zwitschern wie in Frühlingsträumen. Herb mischt die Waldluft sich mit Erdgeruch Und frühem Duft von knospig reifen Bäumen.
Die Sonne blickt schon ziemlich interessiert. Und wärmt beinah. - Doch, während ich sie lobe, Verschwindet sie, von Wolken wegradiert. Es scheint, sie scheint nur Probe.
Ganz unter uns: Noch kam der Lenz nicht an, Obgleich schon Dichter Frühlingslieder schrieben. - Erst wenn man frei auf Bänken sitzen kann, Dann wird es Zeit, sich ernstlich zu verlieben...
(1933. Aus: Mascha Kaléko: Das lyrische Stenogrammheft. 11986. Rororo 1784. S. 35)
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ricardo
antwortete am 08.04.04 (17:11):
Hallo iustitia Ist dir bekannt, daß der Satz "Hoc est enim corpus meum" der Ursprung iist für das Wort "Hokuspokus" Das ist der geniale Volksmund der etwas erfasst, was ihm stets insgeheim unverständlich geblieben ist. Und den Juden zumal, diese kennen keine "Wandlung" Dir ein paar friedliche Tage wünscht Ric
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Medea.
antwortete am 08.04.04 (17:47):
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick; Im Tale grünet Hoffnungsglück. Der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück.
.......
Aus dem hohen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn; denn sie sind selber auferstanden, aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks und Gewerbebanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern. Aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht, sind sie alle ans Licht gebracht.
........................
Ich höre schon des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel. Zufrieden jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.
(Johann Wolfgang von Goethe)
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iustitia
antwortete am 08.04.04 (22:48):
Kurt Tucholsky: OSTERSPAZIERGANG (Aus einer aufgefundenen Faust-Handschrift)
Faust:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick; das deutsche Volk zahlt des Krieges Zeche, und keiner bringt das Verlorene zurück. Die alten Monarchen, in ihrer Schwäche, zogen sich in die Versenkung zurück. Von dorther senden sie, fliehend nur, ohnmächtige Schauer körniger Reden. Und sie beschuldigen jeder jeden, und schütten Memoiren auf die Flur. Überall regt sich Gärung und Streben. Aller, will sich mit Rot beleben. Doch an Blumen fehlt es im Revier. Nehmt kompromittierte Führer dafür! Kehre dich um, von diesen Höhen auf das Land zurückzusehen. Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern: die Kriegsgesellschaft, der Stahlkonzern, denn sie sind wieder auferstanden aus Reklamierungs- und andern Banden, aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus dem Druck Von mitunter beschossenen Dächern, aus der Straßen quietschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie wieder ans Licht gebracht. Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge durch die Dörfer zum Hamstern schlägt. Mancher bezieht manchmal etwas Senge, weil er zu wenig Geld hinlegt. Hier fühl ich wahrhaft mich erhoben: Was kümmert uns ein verlorener Krieg! Amerikanisches Mehl wird verschoben - nur der Schieber reitet den Sieg! Hätten wir nur genug zu essen, wär das Alte mit Gunst vergessen; Ludendorffen entbieten wir Huld ... Keiner ist schuld! Keiner ist schuld! Ich höre schon des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel. Zufrieden jauchzt die Reaktion: Keine Angst! sie vergessen schon!
Wagner:
Mit euch, Herr Doktor, zu spazieren ist ehrenvoll und ist Gewinn; Doch würd ich nicht allein mich her verlieren, weil ich ein Feind von allem Rohen bin. Das Schreien und Sozialisieren ist mir ein gar verhaßter Klang; das will ja nur das Volk verführen - uns Reichen wird ganz angst und bang. Wir wollen wieder die alten Zeiten, wir wollen wieder die Menge leiten - Zufrieden jauchzt dann Groß und Klein: Ich bin kein Mensch! Ich darfs nicht sein!
(1919; erschienen am 20.04.19;in der Berliner Volkszeitung; In: K.T.: G.W. Bd. 2. S. 78))
https://images.google.de/images?q=tbn:F9ltFYivfiQJ:www.dhm.de/lemo/objekte/pict/f63_1432/200.jpg
Internet-Tipp: https://images.google.de/images?q=tbn:F9ltFYivfiQJ:www.dhm.de/lemo/objekte/pict/f63_1432/200.jpg
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iustitia
antwortete am 09.04.04 (13:17):
Auch was Vor-Alterliches:
Otto Julis Bierbaum: Ostara Ostara, die gute Göttin, Die aus hellen Augen lacht, Daß von ihrem jungen Lichte Alles Schlafende erwacht,
Ostara, die frühlingsfrische Jungfrau Göttin, deren Mund Duftet wie die ersten Veilchen, Mildgewürzig, herbgesund,
Ostara, die Ungestüme, Liebevolle, die die Welt Wie ein Bund von Maienrosen An die vollen Brüste hält,
Ostara, die Magd und Fürstin, Königlich und bäuerlich -: Wie die Zeiten sich auch wandeln, Immer offenbart sie sich.
Ihre Opferherde sanken, Als das Kreuz sich steil erhob, Aber jedes Frühjahr rauschen Wald und Busch ihr Dank und Lob.
Die in Wäldern grün sich kränzten, Ach, die Deutschen wurden grau, Aber hell geht durch das Grüne Noch die frühlingslichte Frau,
Wenn die Urständ sich erneuern, Wenn das Leben auferwacht, Denn noch immer gibt es Herzen, Die der Frühling gläubig macht,
Gläubig zu den alten Göttern, Die der deutsche Wald gebar, Als er noch ein Reich von freien, Heiter kühnen Männern war,
Die in Kampf und Liebe lachten, Fest aufs Eigene gestellt, Drob in Einfalt und in Treue, Bildner einer eignen Welt
Voller Märchen und voll Taten, Rätselvoll und voller Licht. Diese Welt ist hingesunken, Aber ihre Schönheit nicht.
Was ein Volk aus seinem Herzen Sich zum Bild schuf und zur Lust, Feiert immer wieder Urständ Selbst in schwacher Enkel Brust.
Und so sei in diesen Tagen Voller Glanz uns Ostara, Die die Väter uns gedichtet, Huldreich voller Gnaden nah.
Ostara, die Ungestüme, Liebevolle, die die Welt Wie ein Bund von Maienrosen An die vollen Brüste hält.
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eika
antwortete am 09.04.04 (18:18):
Der einsame Christus
Wachet zund betet mit mir! Meine Seele ist traurig bis in den Tod.
Wachet und betet mit mir! Eure Augen sind voll Schlafes - könnt ihr nicht wachen? Ich gehe, euch mein Letztes zu geben - und ihr schlaft ... Einsam stehe ich unter Schlafenden, einsam vollbringe ich das Werk meiner schwersten Stunde.
Wachet und betet mit mir! Könnt ihr nicht wachen? Ihr alle seid in mir, aber in wem bin ich?
Was wisst ihr von meiner Liebe, was wisst ihr vom Schmerz meiner Seele! O einsam! Einsam! Ich sterbe für euch - und ihr schlaft! Ihr schlaft!
Christian Morgenstern
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iustitia
antwortete am 10.04.04 (08:18):
ricardo -
die "Hokuspokus"-Erklärung ist ein Witz, in einer simplen Etymologie ("Knaurs....") Als Vulgärmeinung ist sie natürlich hübsch; das ist dann satirische vox populi. Aber eine erfundene. Das Volk ist viel -tümlicher. Außer wenn die BILD zuschlägt. Abe die hat es auf mittelalterlichen Märkten nicht gegeben. Es war kontrolliert; die Märkte fanden im Schatten der Dome und Kirche statt, mit Bütteln und Verleumdern und Richtern. Also genauer: Das ist Latein-Ersatz: "Hax pax max Deus adimax". Das ist wie "Kribskrabs" und "Ox box, pox..." - ein onomatopoetischer Quatsch, eben eine Lautmalerei. In einer Taschenspielerlehre (1667 ins Deutsche übersetzt) steht: "Hocus Pocus Junior"... (Vgl. die einzig wirklich wiss. Etymologie von Kluge/Mitzka!)
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iustitia
antwortete am 10.04.04 (08:21):
Als Ersatz für einen Spaziergang...; obwohl Mörike gerne wanderte...)
Eduard Mörike: Auf ein Osterei geschrieben
Ostern ist zwar schon vorbei, Also dies kein Osterei; Doch wer sagt, es sei kein Segen, Wenn im Mai die Hasen legen? Aus der Pfanne, aus dem Schmalz Schmeckt ein Eilein jedenfalls, Und kurzum, mich tät's gaudieren, Dir dies Ei zu präsentieren, Und zugleich tät es mich kitzeln, Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln. Die Sophisten und die Pfaffen Stritten sich mit viel Geschrei: Was hat Gott zuerst erschaffen, Wohl die Henne? wohl das Ei? Wäre das so schwer zu lösen? Erstlich ward ein Ei erdacht: Doch weil noch kein Huhn gewesen, Schatz, so hat's der Has gebracht.
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iustitia
antwortete am 10.04.04 (08:23):
Heinz Kahlau: Osterspaziergang
Vier Wochen vorher sah ich sie im Dorfkrug. Sie lehnte an der Tür, trug Holzpantinen, blies sich von Zeit zu Zeit die Locke aus der Stirne und sah mit leerem Blick auf die Papiergirlanden, die über dem Gestampf der Paare schwangen. Die Blasmusik war nur zum Schweigen gut. Sie stieß sich mit der Schulter ab vom Pfosten, zog ihre Jacke fester, ging hinaus. Ich fragte sie, ob wir uns sehen können. Sie sah mich an und sagte: Ostermontag. Ich bin um neun am ersten Luftschutzbunker. Dann gab sie mir die Hand und lief davon.
Wir gingen schweigend zwischen Kiefernstämmen. Der Wald war überschwemmt, an trocknen Stellen war alles aufgewühlt von wilden Schweinen. Die Wasserreiser an den grauen Weiden besetzt mit großen Kätzchen - kükengelb. Die Sonne fiel in hellen, warmen Rhomben auf gelbe Kätzchen und auf nasses Moos. Ich war schon neunzehn, sie war achtzehn Jahre. Ich mager, rotblond, sie war schwarz und rund. Ich trug zerfetzte nasse Leinenschuhe, gefärbte Khakihosen, Drillichjacke und einen wehrmachtsgrauen langen Schal. Sie schwarze Holzpantinen, wollne Strümpfe und einen weiten Rock aus einer Decke, ein weißes Turnhemd, eine enge Jacke, die nicht zu knöpfen ging, sie hielt sie oben zu. Wir küßten uns und sprangen über Pfützen, wir sprachen über Blasmusik und Essen, wir rissen Kätzchen ab und färbten uns die Nasen mit Blütenstaub und küßten sie uns sauber. Wir setzten uns auf einen Eichenstubben, wir sagten uns, daß wir uns wirklich liebten. Ihr war es ganz egal, daß wir nicht wußten, wie spät es war. Sie hatte keinen Hunger. Es gab zu Mittag nur Kartoffelsuppe, die hatte sie am Tag davor gekocht. Mein Zug fuhr erst um fünf. Wir gingen weiter und suchten einen trocknen Flecken Erde. Am Rande einer überschwemmten Wiese stand ein verbrannter Heereskübelwagen. Wir setzten uns auf eine Panzerplatte und legten meinen grauen Schal darunter. Da war die Sonne weg, und es begann zu gießen. Durchnäßt und traurig liefen wir zurück.
Ihr Vater wartete vor der Barackentür. Er durfte mich nicht sehn, wir trennten uns und fragten nicht, wann wir uns wieder sehn. Ich stand im Wald und sah den Vater schimpfen, sie ging an ihm vorbei durch ihre Tür. Ich weiß nicht, wie sie hieß. Ich sah sie nie mehr. Doch an den Wald, die Kätzchen und den Regen kann ich mich noch, so oft ich will, erinnern. (H. K.: Du. Liebesgedichte. S. 8ff.)
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Mein Oster-Bildchen: Eine wachsend-lebendige Frühlings-Bildleiste aus der ZEIT: https://zeus.zeit.de/bilder/2003/09/buchspezial/spriessende_385.gif
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iustitia
antwortete am 12.04.04 (22:26):
VJACESLAV IVANOV: Der Weg nach Emmaus
Der dritte Tag hat die purpurnen Segel Zum abendlichen Sonnenhafen getragen. In ihrer Seele Golgotha und Grab und Zwist und Wirrsal und Frage. Und die unerbittliche Nacht lauert über all Während die Sonne strahlend sinkt, ohnmächtig sie zu überwinden. Und das Unausweichliche gähnt, und das Herz erstickt im engen Sarg; Und irgendwo schimmert etwas Weißes Hinter der Finsternis des Bösen Hinter dem Meer von Untaten. Und weißes Weibes Ausrufe verkünden in Wahn ... - was? Aber mit der Gebärde des Verneinens Kopfschüttelnd regt sich das düstere Nichts. Und jemand, ein Fremder, wunderlicher Wanderer, Gesellt sich zu uns auf dem Weg und spricht uns vom sich opferten, vom toten Gotte und das Herz atmet auf und brennt. (Zu: Lukas 24, 13-35) (Aus: Dichtung und Briefwechsel aus dem deutschsprachigen Nachlass. Liber Verlag. 1995) * (Noch Gruß an pilli. Über den Autor habe i c h keine Informationen.)
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iustitia
antwortete am 13.04.04 (05:02):
Einen "Osterspaziergang" von 2004 habe ich noch nicht gefunden; aber von einem Jahr zuvor...:
2003: Ostern: Rede von Prof. Dr. Wolfgang Methling Umweltminister und stellv. Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick....Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden...“
Sie, liebe Teilnehmer am diesjährigen Ostermarsch, sind aufgestanden und haben sich hier her aufgemacht, um das „Hoffnungsglück“ , dass Johann Wolfgang Goethe in seinem Osterspaziergang beschreibt, zu dokumentieren. Allerdings ist es wahrlich nicht nur ein Spaziergang, denn der Anlass ist bitter.
Ostermärsche haben in der internationalen Friedensbewegung eine lange Tradition. Viele Anlässe haben leider jedes Jahr wieder Menschen dazu bewogen, auf die Straße zu gehen und Politiker daran zu erinnern, dass es ihre Pflicht ist, den Menschen ein friedliches Leben zu sichern. Auch in diesem Jahr gibt es für die Teilnehmer an Ostermärschen viele Gründe, diese Mahnung zu erneuern und lautstark zu protestieren.
Viele von Ihnen werden in den vergangenen Wochen ebenso wie ich gegen den Angriffskrieg der USA und Großbritanniens im IRAK demonstriert haben. Gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der UNO-Staaten hat die Bush-Administration mit ihrem treuesten Vasallen diese Aggression begonnen. Ich habe es oft gesagt und wiederhole es heute: Dieser Krieg ist ein Verbrechen – gegen das Völkerrecht, gegen Menschenrecht, gegen das Leben von unschuldigen Menschen und hungernden Kindern, gegen Umwelt und Naturressourcen, gegen Kulturen und Kulturgüter. Wer einen verbrecherischen Krieg führt bzw. anführt, ist somit ein Kriegsverbrecher. Ja, Georg W. Bush ist in meinen Augen ein Kriegsverbrecher und gehört vor ein internationales Gericht gestellt – ebenso wie Saddam Hussein, ebenso wie Milosevic.
Inzwischen ist das diktatorische Regime von Saddam Hussein zusammengebrochen. Dennoch hüte ich mich davor, von absehbarem Frieden zu sprechen.
Noch niemand kennt jetzt schon die Konsequenzen dieses Krieges für den Irak, die ganze Region des Nahen und Mittleren Ostens, für die Welt und das System des Völkerrechts. (Forts....)
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eika
antwortete am 13.04.04 (18:53):
Herr, das ist die frohe Botschaft, die du uns allen gebracht hast, dass nach jedem Karfreitag ein Ostern kommt.
Romano Guardini
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iustitia
antwortete am 15.04.04 (07:19):
Achim von A r n i m :
Ostern
Vom Erdenstaub zu reinen, blauen Lüften Dringt weit der Blick in ersten Frühlingstagen, Und höher steig der mächt'ge Sonnenwagen, Die Erde sehnt nach Blättern sich und Düften, Und heilige Geschichten uns dann sagen Was sich geahnet in des Herzens Klüften. Er ist erstanden aus den Todesgrüften, Und wie vergebens war der Menschen Zagen, Ja so ersteht die Welt der Himmelsgaben Mit jedem Jahre neu, die Knospen brechen, Und nichts ist unsrer Liebe zu erhaben, Sie gibt uns alles in den Wonnebächen, Die nach dem Eisgang Flur und Aug' durchgraben, Das Unsichtbarste will zum Lichte sprechen.
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iustitia
antwortete am 15.04.04 (10:39):
Ferdinand von S a a r: Ostern
Ja, der Winter ging zur Neige, holder Frühling kommt herbei, lieblich schwanken Birkenzweige, und es glänzt das rote Ei.
Schimmernd wehn die Kirchenfahnen bei der Glocken Feierklang, und auf oft betretnen Bahnen nimmt der Umzug seinen Gang.
Nach dem dumpfen Grabchorale tönt das Auferstehungslied, und empor im Himmelsstrahle schwebt er, der am Kreuz verschied.
So zum schönsten der Symbole wird das frohe Osterfest, dass der Mensch sich Glauben hole, wenn ihn Mut und Kraft verläßt.
Jedes Herz, das Leid getroffen, fühlt von Anfang sich durchweht, dass sein Sehnen und sein Hoffen immer wieder aufersteht!
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iustitia
antwortete am 17.04.04 (08:29):
Theodor Storm: O s t e r n
Es war daheim auf unserm Meeresdeich; Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten, Zu mir herüber scholl verheißungsreich Mit vollem Klang das Osterglockenläuten.
Wie brennend Silber funkelte das Meer, Die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel, Die Möwen schossen blendend hin und her, Eintauchend in die Flut die weißen Flügel.
Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand War sammetgrün die Wiese aufgegangen; Der Frühling zog prophetisch über Land, Die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen. -
Entfesselt ist die urgewalt'ge Kraft, Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen, Und alles treibt, und alles webt und schafft, Des Lebens vollste Pulse hör ich klopfen.
Der Flut entsteigt der frische Meeresduft; Vom Himmel strömt die goldne Sonnenfülle; Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft Und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
O wehe fort, bis jede Knospe bricht, Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde; Entfalte dich, du gottgebornes Licht, Und wanke nicht, du feste Heimaterde! -
Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht Aufgor das Meer zu gischtbestäubten Hügeln, Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht, Die Deiche peitschend mit den Geierflügeln.
Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr Den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben; Denn machtlos, zischend schoß zurück das Meer - Das Land ist unser, unser soll es bleiben!
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iustitia
antwortete am 17.04.04 (15:41):
Lothar Z e n e t t i: D e r I m p u l s
Was dich verrät Du bist auch einer von denen, die zu Jesus gehören. Deine Sprache verrät dich, dein Lächeln, die Leichtigkeit, mit der du Undenkbares denkst, Unsagbares sagst und Ungewöhnliches tust.
Aber auch die seltsame Manie, dich einzusetzen, andern zu helfen. Deine Wahrheitsliebe, deine spürbare Unruhe, wenn einer in Not ist, dein Hunger und Durst nach Gerechtigkeit.
Dieses unerklärliche Vertrauen, das dich trägt, der Friede, der von dir ausgeht. Wie wenn du etwas siehst, was wir gewöhnlichen Sterblichen nicht sehen, ach, nicht einmal ahnen.
* Zur Bibelstelle: Johannes 13, 21-33;36-38. (Lothar Zenetti: Wege nach Golgatha. Bibeltexte verfremdet 10. Verlag Calwer/ Kösel, 1989) * Über den Dichter, den Geistlichen Lothar Z e n e t t i: https://images.google.de/images?q=tbn:aDV7SR6naRwJ:home.t-online.de/home/079142612-0001/Lothar_Zenetti.jpg
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iustitia
antwortete am 17.04.04 (18:48):
LOTHAR ZENETTI: „Was ist nach dem Tod?“ Oster-Umfrage unter Straßenpassanten
Mit dem Tod ist alles aus klarer Fall, da kommt nichts mehr endgültig Schluss vorbei Endstation, mein ich auch paar Erinnerungen noch, vielleicht doch bald vergessen. Früher glaubte man an Auferstehung Jesus und so. Aber woher will man das wissen das gibt's doch gar nicht Himmel und so was überhaupt das Ganze tot ist tot. Würmer höchstens paar Knochen noch oder so Verwesung, chemisch ganz klar Ich weiß nicht manchmal - Unsinn so was gibt's nicht aber es könnte doch sein — nein, machen Sie sich keine Hoffnung. Mit dem Tod ist alles aus können sich drauf verlassen denken Sie an mich wenn — Meine Damen und Herrn wir danken Ihnen für das Gespräch. Schöne Ostern! * In: L.Z.: Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht. Topos 327. S. 147.
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iustitia
antwortete am 21.04.04 (07:15):
Lothar Zenetti: O s t e r a b e n d
Warum diese Angst und diese verschlossenen Türen noch fester verschlossen und abermals Riegel und Gitter davor und abgesichert die Fenster nach draußen?
Drinnen Personenkontrolle: was denkst, was glaubst, was bekennst du? Es könnte ja immerhin sein, dass ein Thomas unter uns ist, der da zweifelt am Ostergeschehen und rüttelt, was weiß ich, dazu noch am heiligen Stuhl und der Stellung der Frau in der Kirche und wagt womöglich am Ende, die Vertikale des Glaubens aufzulösen in Mitmenschlichkeit.
Warum diese Angst, als wäre noch immer nicht Ostern? Beurlaubt endlich die Wächter am Grabe, tut auf die verschlossenen Türen, denn Jesus ist siegreich erstanden!
Was seid ihr so furchtsam, lacht er uns an (risus paschalis, das Ostergelächter): Seht doch, ich lebe, ihr zitternden Zeugen, singt halleluja! In: L.Z.: Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht. Topos 327. S. 150. *
Lothar Z e n e t t i : Oster-Erinnerung
Im Laufe der Zeit, und wie es so geht, hatte ich fast diesen Namen vergessen. Man hört ja nicht viel mehr von ihm, höchstens am Sonntag, mag sein, in der Kirche. Doch da, ich geb's zu, bin ich selten. Und sonst blieb wenig von ihm:
Ein gutes Gesicht, das langsam verblasst, und Wundergeschichten: die Hochzeit von Kana, der Sturm auf dem Meer, und wie der verlorene Sohn wieder nach Haus fand. Und hieß es nicht auch: Der Herr ist mein Hirt, all' unsere Sünden hat er getragen?
Der Glaube der Kindheit: spärliche Reste. In späteren Jahren war anderes wichtig: Geschäft und Familie, Sport und so weiter, da blieb, wie's so ist, kaum Zeit mehr zum Beten. Und langsam kam er abhanden, der kindliche Glaube, eigentlich schade ...
Vorbei ist vorbei. Und heute ist Ostern. Er ist auferstanden, so höre ich singen, es kann ihm kein Felsen, kein Grab widerstehn. Nur ich widersteh, ich kann's nicht mehr glauben. Und wenn ich's versuche? Ach was, heut' ist Ostern. Fahr'n wir ins Grüne! * In: L.Z.: Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht. Topos 327. S. 151.
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iustitia
antwortete am 05.05.04 (08:43):
Ein später Nachtrag zu Ostern (vielleicht schon ein Vortrag zum nächsten Jahr): Rainer Maria Rilke: Vor-Ostern - Neapel -
Morgen wird in diesen tiefgekerbten Gassen, die sich durch getürmtes Wohnen unten dunkel nach dem Hafen drängen, hell das Gold der Prozessionen rollen; statt der Fetzen werden die ererbten Bettbezüge, welche wehen wollen, von den immer höheren Balkonen (wie in Fließendem gespiegelt) hängen.
Aber heute hämmert an den Klopfern jeden Augenblick ein voll Bepackter, und sie schleppen immer neue Käufe; dennoch stehen strotzend noch die Stände. An der Ecke zeigt ein aufgehackter Ochse seine frischen Innenwände, und in Fähnchen enden alle Läufe. Und ein Vorrat wie von tausend Opfern
drängt auf Bänken, hängt sich rings um Pflöcke, zwängt sich, wölbt sich, wälzt sich aus dem Dämmer aller Türen, und vor dem Gegähne der Melonen strecken sich die Brote. Voller Gier und Handlung ist das Tote; doch viel stiller sind die jungen Hähne und die abgehängten Ziegenböcke und am allerleisesten die Lämmer,
die die Knaben um die Schultern nehmen und die willig von den Schritten nicken; wahrend in der Mauer der verglasten spanischen Madonna die Agraffe und das Silber in den Diademen von dem Lichter-Vorgefühl beglänzter schimmert. Aber drüber in dem Fenster zeigt sich blickverschwenderisch ein Affe und führt rasch in einer angemaßten Haltung Gesten aus, die sich nicht schicken. * Rainer Maria Rilke, Sommer 1908 (vor dem 15.7.), Paris
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