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THEMA:   Frauen und Kunst

 2 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 23.02.04 (03:10) mit folgendem Beitrag:

Manchmal sag ich mir: Ich hätt das ins Leben alles anders machen müssen. Wie der Robert Schumann hätt ich das machen sollen. Aber denn denk ich auch manchmal genau umgekehrt: So hätt ich das graad nich machen dürfen, weil aus mir denn bloß ein armseligen Mopps geworden wär. Wer kann schon immer wissen, wie man das richtig macht?

Jedenfalls: Der Robert Schumann, der hat das schlau eingefädelt. Persönlich hab ich ihn nich mehr gekannt, weil der schon paar Jahre vor meine irdische Niederkunft die Kurve gekratzt hat. 1856 is er weg. Aber mein Vater, der hat ihn noch gut gekannt. Aber jetzt muss ich wull etwas mehr reihenweise erzählen, sonst begreift der Leser ja garnich, wo alles auf hinlaufen soll.
Robert Schumann is 1810 in Zwickau geboren. Nach die Geburt fing gleich sein Leben an und das is bis zun großen Knarsch ziemlich normaal verlaufen.
Jedenfalls hat er, das muss ins Jahr 1864 muss das gewesen sein, hat er als Leerling an die Universität in Leipzig angefangen. Jura.
Aber das war nichs für ihn. Kein vernünftigen Menschen kann sich über so ein langweiligen Mist auch noch groß Vorträge über anhören. Auf zwei oder drei solche Vorträge soll er gewesen sein, is aver ümmer bi inslapen. Als er denn einmal in Schlaf sogar noch vornüber auf die Reihe unter sich gekippt is, da haben sie ihn aus den Saal rausgefeuert. Die haben sich wull gesagt, wenn der schon während die Leerzeit dauernd einpennt, wie soll das denn später als Geselle in Gerichtssaal eerst werden?
Er is denn von da gleich rüber zu die Musikanten hin und hat Klavier studiert. (Ich versteh bis heut nich, was an so ein Klimperkasten jahrelang studiert werden kann. Aber so war das jedenfalls.)
Sein Leerer war der berühmte Friedrich Wieck, mit den meine Mutter gut bekannt war. Aber Beweise dafür, dass diese Bekanntschaft die Grenze des Zulässigen überschritten hätte, habe ich nich.
Mutter hatte ihn einmal viele Jahre später zun Essen bei uns zu Haus eingeladen. Und bei die Gelegenheit hat sie versucht zu erkunden, ob er mir vielleicht paar Privatstunden an‘n Klimperkasten geben könnte. Aber da hat er sich dermaßen verschluckt, dass um ein Haar Großteile der Musikgeschichte ganz anders hätten geschrieben werden müssen. Aber Vater, der von Haus aus ein sehr kräftigen Kerl war, hat ihn geistesgegenwärtig bei die Füße gepackt und so lange Kopf nach unten gehalten, bis der verquerte Knochen ausgekeucht war.
Mutter hat danach das Thema diskret fallen lassen und aus Taktgefühl gegenüber eine fremde Berühmtheit meine Ausbildung und Zukunft bitterböse vernachlässigt. Ich kann sie das heute noch nich richtig verzeihn, wenn ich bedenken tu, dass diese paar Sekunden in mein Leben vielleicht der Scheideweg zu gänzlich verschiednen Seinsformen gewesen sein könnten:
Wolfgang Amadeus Wachkopp anstatt Bierkutscher Emil Wachkopp. Kann man das wissen?


Aber Schumann war von den Tag an, wo er bei Wieck in die Klavierleere kam, ein gemachten Mann. Natürlich hat er sich gleich in Wiecks Haushalt eingeschlichen, weil man dort eine so vorzügliche Nahrungsmittelkultur pflegte. Aber vor allen Dingen war da eine bildschöne Tochter ins Haus. Die Clara.
Na, dämmert Di schon wat? Jaja, die Kniffe kenn wir alle noch. Von unsre Jugend her.

Schumann hatte das recht plietsch eingefädelt. 1830 hat er ein auf Nestor gemacht, d.h. hat sich in Wiecks Haushalt mehr und mehr eingenestert Aber da war Clara erst 11 Jahre alt. „Wart man ab“, hat sich der Schlawiner da wull gesagt, „vielleicht entwickelt die sich noch.“ Und denn ins Jahr 1835, als sie gut entwickelt 16 wurde, da hat er sich offiziell in ihr verknallt.

Ich kann mir das lebhaft vorstellen, wie der Schumann von da an Tag und Nacht ins Haus rumgelungert und immer hinter die Tochter hergeschnüffelt is.
Jaja, die Jugendzeit, vom Winde verweht, sie kehret nimmer wieder. Heut könnt ich mir wull graad eben zun Essen noch wo einnestern. Denn is aver ook Fieravend.


emilwachkopp antwortete am 23.02.04 (03:18):

Robert Schumann sah ja, bei günstige Belichtung, sehr gut aus. Das konnt ihn keiner nehmen. Wie soll ich ihn beschreiben? Er sah aus wie eine Mischung aus John Lennon, Molière und Tarzan. Haargenau so sah er aus.
Jedenfalls is der alte Wieck ihn bald auf die Schliche gekommen. Und denn ging ein Gerangel, Gezeter und Tauziehen um die Tochter los. Das kann sich nur einer vorstellen, der mal eine Stadtbelagerung miterlebt hat. In ein Tollhaus hat sich das Heim von die Wiecks verwandelt. Der alte Wieck hat Türen und Fenster mit Sandsäcke barrikadiert und alle schmeiß- und haufähigen Gegenstände zuhauf gesammelt. Über die Tochter hat er eine Ausgangs- und über Schumann eine Eingangssperre verhängt. Und der Robert Schumann hat jahrelang das Haus allein umzingelt, um die da drinnen mürbe zu machen. Sogar die Taschen des Zeitungsboten und Briefträgers hat er nach Waffen und essbare Gegenstände durchsucht.
Bis 1840 haben Belagerung und Widerstandskampf gedauert, denn is der alte Wieck endlich zusammengeklappt und Robert hat seine Clara vor den Altan führen dürfen.

Robert Schumann war also, wenn ich richtig nachgerechnet hab, an die neunzehn Jahre älter als wie seine Frau. Aber so war das damals noch in manche Kreise. Das war zu die Zeit ehrer normal: Der Mann war zu alt für die Frau, aber die Frau war nicht zu jung für den Mann.

Dass Robert Schumann die Clara Wieck ins Jahr 1840 geheiratet hat und dass die zwei zwar wahrscheinlich sehr gut, aber in etwas ungewöhnliche Art zueinander passten, das kann man schon daran ableiten, dass Robert in das Jahr über 100 Lieder kompromittiert hat.
Na, ik segg mi ümmer: Jeedeen soll auf seine Weise selig werden. Aber wenn ich an meine ersten posthochzeitlichen Betätigungen denken tu. Da war zun Liedersingen nich viel Zeit. Aber das geht ja in dies Forum kein was an und ich schweig mir über so was immer diskret aus.
Jedenfalls könn die zwei nichts anderes gemacht haben, als sich gegenseitig was vorzusingen. Und weil diese künstlerisch hervorragenden Lieder alle zwar sehr leidenschaftlicher, ansonsten aber ehrer sinnlich rätselhafter Natur sind, kann man die auch schon entnehmen, dass Roberts Umgang mit seine junge Frau viel mehr von seine Fantasie als von praktisches Zupacken geprägt war.
Naja, jeder macht das wie ihn das an Besten passt. Wenn man ins Bett macht, muss man auch in liegen.

Ich hoff sehr, dass ihre Ehe glücklich gewesen is. Ich gönn sie das nümlich von Herzen schon darum, weil das Glück, falls es sich jemals eingefunden haben sollte, nich lang gedauert haben kann. Schumann hett dat nümlich‘n poor Johren later bannig in‘n Kopp kregen. Wahrscheinlich is er 1856 an diese Geisteskrankheit, wie man das damals noch nannte, in die Klappsmöhle sogoor gestorben.
Als Robert tot war, da is der alte Brahms gleich hinter die Clara hergelungert. Aber nu zeigte Clara, dass sie die Schule des Lebens nich umsonst absolviert hatte: Nu wusste sie, dass wo Hände so und so nur auf die Klaviatur gelegt werden sollen, braucht man nich die Sanktion des Ehebundes. Das kannst auch ohne Ehe und all den Klimmbimm.


emilwachkopp antwortete am 23.02.04 (03:21):

Ganz sterben solche Menschen wie Robert und Clara Schumann ja nie. Die hinterlassen ein Geist in Form von ein für den Laien unbegreifliches Notengekritzel, das aber der Eingeweihte in die hübschesten Klänge umzuwandeln versteht. Und jedesmaal, wenn das geschieht, denn ist der Komponist wieder lebendig und gegenwärtig.
Aber wenn ich mir denn vorstell, dass die Clara für den Robert vielleicht nich viel konkreter war als sie heute für mir is, obschon ich sie nie gesehen hab und sie garnich mehr lebt, denn segg ik mi: Nee Emil, so ene Eh wullt du denn doch nich hebben. Büschen weniger sublimiert und büschen fleischlicher muss das doch sein. Irgendwo an muss man doch erkennen, dass man noch Mensch und nich schon ein himmlisches Wesen is. Wer eine Frau oder ein Mann braucht, soll sein Partner nich zun Engel machen. Wen ich verherrliche, den entmenschliche ich. Un so will ik dat goor nich hebben.