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THEMA:   Die Goethe-Eiche

 6 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 06.02.04 (20:17) mit folgendem Beitrag:

Das Goethe-Thema brachte mich auf eine Frage, die ich schon fast vergessen hatte:
In Buchenwald, auf dem Ettersberg, gibt es eine Goethe-Eiche, aber heute nur noch ein Stumpf, eine Baumscheibe. Innerhalb des früheren KZ.s.
In einem Goethe-Lexikon habe ich dazu nichts gefunden.
Hat jemand einen Tipp? Eine Quelle?
Vielleicht in irgendeinem Goethe-Roman, weil er dort Wanderungen, auch mit Damen, auch mit Eckermann und anderen gemacht haben soll? Also in einem Roman über Goethe...
Im Internet habe ich nur ein Foto der derangierten Eiche, nach der KZ-Befreiung durch die Amerikaner, gefunden.


pilli antwortete am 06.02.04 (21:13):

Die "Goethe Eiche"

"In der östlichen Barackenreihe, zwischen Häftlingsküche und Wäscherei, stand eine alte Eiche. Dieser Baum, als Naturdenkmal "Dicke Eiche" in den Plänen des Ettersburger Forstes verzeichnet, wurde beim Kahlschlag für den Bau des Lagers verschont. Vermutlich spielte der Hang der SS zur Eichen- Symbolik eine größere Rolle als ihre sentimentale Reminiszenz an Goethe, der mit Frau von Stein unter diesem Baum gesessen haben soll. Die Häftlinge sahen in der "Goethe- Eiche" ein Stück unverletzte Natur, und der Baum repräsentierte für sie eine positive Welt außerhalb des Lagers. Eine Brandbombe traf während des Luftangriffes im August 1944 die Eiche und wenig später wurde sie gefällt."

https://makeashorterlink.com/?O10A25357
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ich vermute Antonius, du hast dieses bild gesehen?

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vielleicht interessiert dich der folgende hinweis:


"Bruno Apitz: Das letzte Gesicht

"Das letzte Gesicht" von Bruno Apitz soll an das Leiden der NS-Opfer erinnern. 1944 zerstörten amerikanische Bomber die Rüstungsanlagen in Buchenwald. Apitz notierte dazu später in einem Brief, daß damals die im Lager unter Naturschutz stehende Goethe-Eiche beschädigt worden sei und daß er davon ein Stück Holz habe an sich nehmen können. Apitz wußte, daß einst Goethe auf dem Ettersberg am Rande Weimars spazierengegangen war. Genau dort hatten die Nationalsozialisten 1938 das Konzentrationslager (KZ) Buchenwald errichtet. Diese Verbindung zwischen dem Weimar Goethes und dem Konzentrationslager Buchenwald wollte der Künstler herstellen. Er gab mit dem "letzten Gesicht" den Zehntausenden Opfern des KZ ihren individuellen Tod und ihre Würde zurück. Dem Antlitz ist der Schrecken des Konzentrationslagers nicht anzumerken. "

https://makeashorterlink.com/?F56A22357

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?F56A22357


iustitia antwortete am 07.02.04 (09:21):

Ja, danke, pilli!!
Und wer diese Holzplastik von Apitz laden will, kann das unter .... tun.

https://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/g0000129/200.jpg

Internet-Tipp: https://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/g0000129/200.jpg


iustitia antwortete am 08.02.04 (20:47):

Auf der Höhe des Ettersberges - mit Sekretär Eckermann; das Wort Eiche fehlt; sie wurde ja auch erst nach Goethes Tod zur Goethe-Eiche: J.W.v.Goethe (gegenüber Eckermann am 26.9.1827):

"Immer der alte Meeresboden! Wenn man von dieser Höhe [Ettersberg] auf Weimar hinabblickt und auf die mancherlei Dörfer umher, so kommt es einem vor wie ein Wunder, wenn man sich sagt, daß es eine Zeit gegeben, wo in dem weiten Tale dort unten die Walfische ihr Spiel getrieben. Und doch ist es so, wenigstens höchst wahrscheinlich. Die Möwe aber, die damals über dem Meere flog, das diesen Berg bedeckte, hat sicher nicht daran gedacht, daß wir beide heute hier fahren würden. Und wer weiß, ob nach vielen Jahrtausenden die Möwe nicht abermals über diesen Berg fliegt."
(Lexikon der Goethe-Zitate. Sp. 576; 32. - Artemis-Ausg. 24;645)


iustitia antwortete am 08.02.04 (20:51):

Ein Freund hat weiter geholfen:

Über Paul Le Goupil, fanzösisches Mitglied der Widerstandsbewegung "Front National de Lutte pour la Libération de la France": Er war ab 1944 in deutschen Kz.s: Auschwitz und Buchenwald. Er schreibt über den Bombenangriff vom 24. August 1944:

(...) "Nur einige Baracken im Küchenviertel, einige Meter von unserem Blick entfernt, waren zerstört. Ganz in der Nähe brannte die hohe Eiche, unter der Goethe gesessen und nachgedacht haben soll. Sie wurde einige Tage später zur allgemeinen Freude gefällt; sie symbolisierte die germanische Kraft, die der Legende gemäß mit ihr zusammenbrach."
*
(In: Stimmen aus Buchenwald. Ein Lesebuch. Mit einem Vorwort von Wulf Kirsten. Göttingen 2003: Wallstein Verlag. S. 189f.)


dirgni antwortete am 08.02.04 (21:44):

Hallo iustitia,

ich hatte von der Goethe-Eiche noch nichts gehört und mich daher im Netz umgesehen.

Vielleicht interessiert Dich auch folgender Beitrag:

"CHRISTOPH MARTIN WIELAND (1733-1813)
an Marie Sophie von La Roche (1731-1807)
Weimar, 21. September 1779

Eigenhändiger Brief

In dem Brief schildert Wieland die Vorgänge der sogenannten "Ettersburger Kreuzigung": Sie wollen von mir wissen, was an der Begebenheit mit Woldemars Briefen wahr ist oder nicht, nehmlich, daß unter einer Eiche zu Ettersberg etliche davon vorgelesen worden und dann Göthe auf den Baum gestiegen, eine geistvolle Standrede über das schlechte Buch gehalten, und es endlich zur wohlverdienten Strafe und andern zum abschreckenden Beyspiel an beyden Ecken der Decke an die Eiche genagelt, wo dann eine große Freude über die im Wind flatternde Blätter gewesen.

Ich will Ihnen hierauf die wahrhafteste Antwort geben, die ich geben kann: "Ich weiß nicht was hieran wahr ist; denn ich war nicht zu Ettersburg, war nicht gegenwärtig als diese Buberey vorgegangen sein soll."

Fritz Jacobi, der von der Parodie gehört hatte, hatte sich an Sophie von La Roche als Mittelsperson für eine Anfrage gewandt."

kopiert von der Seite https://www.goethe-museum.com/deutsch/0005-deutsch-das%20museum%20rundgang%20jacobikabinett-2.html


iustitia antwortete am 09.02.04 (23:01):

Ernst W i e c h e r t (Pädagoge, Dichter, Widerständler; 1887 - 1950)schrieb über seinen KZ-Aufenthalt:
(...) In dieser Stunde erkannte er [=Johannes; E.W. meint sich selber mit diesem Namen] mit einer unbeirrbaren Sicherheit, daß dieses Reich zerfallen würde, nicht in einem Jahr und vielleicht nicht in zehn Jahren, aber in einem menschlichen Zeitraum. So zerfallen und zerbrechen, daß keine Spur von ihm bleiben würde. Ausgebrannt wie ein Geschwür, und nur die grauenhafte Narbe würde zurück-bleiben. Es gab keine Kultur, die auf Menschenblut sich aufbauen ließ. Staaten konnte man auf Blut oder Gewalt bauen, aber Staaten waren nur Kartenhäuser vor dem Wind der Ewigkeit. Was blieb, das stifteten die anderen. Nicht die Henker und Mörder. Nicht einmal die Feldher-ren. Und diese anderen vergossen kein Blut, außer daß sie ihr eigenes in das unsterbliche Werk verströmten. Noch war der Geist nicht ausgestorben in der Welt, die Liebe, die Schönheit. Noch waren sie da, wenn auch geschändet und geschlagen. Und einmal würden sie sich wieder aufheben aus dem Staube mit ihrem schmerzlichen Kinderlächeln und ihr leuchtendes Banner wieder aufrichten über den Schädelstätten der Völker.
Am Abend sprach er mit Josef über diesen Tag - Josef hatte er nun schon gefunden. »Du mußt nichts sehen und nichts hören«, sagte dieser in seiner stillen Art. »Du mußt durchgehen durch alles wie ein Stein, und erst später ... Ja, erst später ... «
»Wer hier mitleidet«, sagte er nach einer Weile, »zerbricht!«
Es dämmerte schon, als Johannes noch einmal den Raum zwischen den Baracken verließ, wo sie ihre freie Abendstunde zubrachten. Er hatte nur eine Minute zu gehen, bis er unter der Eiche stand, von der man sagte, daß ihr Schatten schon auf Goethe und Charlotte von Stein gefallen sei. Sie stand neben einer der Lagerstraßen, und hier nun war die einzige Stelle, von der man weit in das Land hinuntersehen konnte. Der Mond hing über den waldigen Hügeln, und die letzten Töne des Lagerlebens erstarben.
Er sah noch eine Weile hinaus, so allein, als sei er der letzte Mensch auf dieser Erde, und er versuchte, sich aller der Verse zu erinnern, die er von dem wußte, der vor hun-dertfünfzig Jahren hier gestanden haben mochte. Es war nichts verlorengegangen von dem großen Leben, und auch wenn er mit fünfzig Jahren an eine Galeere geschmiedet worden wäre, würde nichts verlorengegangen sein. »Edel, hilfreich und gut ... « Nein, nicht einmal dies war untergegangen, solange ein einziger Mensch es vor sich hin sprach und es zu bewahren versuchte bis in seine letzte Stunde hinein. (...)
(Auszug aus Wiecherts Aufzeichungen über seinen zweimonatigen KZ-Aufenthalt im Jahre 1938: "Der Totenwald. Ein Bericht". München 2001. Ullstein-TB 24038. S. 86f.)