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THEMA:   E.W.Heine: "Die viktorianische Panne"

 8 Antwort(en).

Medea. begann die Diskussion am 21.01.04 (13:40) mit folgendem Beitrag:

Bei den Wörtern "Kaiser" und "König" denken wir gern an bärtige Männer, die in längst vergangenen Zeiten regiert haben, wie etwa Karl der Große.
Diese Vorstellung ist falsch. Der mächtigste Kaiser und König der Welt hat noch in unserem Jahrhundert regiert, und er war kein bärtiger Mann, sondern eine kleine dicke Frau.

Königin Viktoria von England prägte ein ganzes Jahrhundert.
Sie beeinflußte es so sehr, daß man ihre Regierungszeit noch heute "die Viktorianische Ära" nennt. Weder zuvor noch danach war Großbritannien so mächtig und so reich. Die heutigen Großmächte, Amerika, Rußland, China, waren verschlafene Provinzen im Abseits der Geschichte. Queen Victoria war Kaiserin von Indien und gekrönte Herrscherin über Australien, Kanada, einen Teil Chinas und den größten Teil Afrikas. Als sie 1901 starb, waren ein Drittel aller Menschen auf dieser Erde ihre Untertanen.
Wer war diese Königin aller Könige?

Victoria Alexandrina wurde am 24. Mai 1819 als Enkelin König Georgs III. geboren. Achtzehnjährig wurde sie gekrönt. Warum gerade sie? Hatte König Georg nicht sieben Söhne und fünf Töchter? Das ist richtig, aber bis auf Victoria gab es unter diesen sieben Söhnen und fünf Töchtern nicht ein einziges legitimes Kind, das berechtigt gewesen wäre, den Thron zu besteigen.

Als erste Amtshandlung nach der glanzvollen Krönung wurde das Bett der jungen Königin aus dem Schlafzimmer ihrer Mutter in ein eigenes Gemach getragen. Mit ängstlicher Stimme fragte sie: Soll ich wirklich ganz alleine schlafen?
Man nannte sie "das Kind auf dem Thron". Wie viele Mädchen ihres Alters vertraute sie ihre geheimen Wünsche und Ängste einen Tagebuch an. Nach der Krönung schrieb sie: "Ich bin sehr jung und in vielen Dingen unerfahren. Ich bin aber sicher, daß nur wenige Menschen mehr guten Willens sind, das Richtige zu tun, als ich".

(Fortsetzung folgt)


Medea. antwortete am 21.01.04 (13:54):

Die Regierungsgeschäfte überließ sie ihrem liberalen Premierminister Lord Melbourne. Damit war sie die täglichen Sorgen los. Doch die Einsamkeit der 'schrecklich langen Nächte' blieb. Das änderte sich erst mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha. Es war Liebe auf den ersten Blick, Briefe wurden ausgetauscht. Endlich, 1840, wurde die ersehnte Hochzeit mit königlichem Pomp begangen. Es war eine Liebesheirat und wurde eine vorbildliche Ehe. Albert war von beiden die stärkere Persönlichkeit, Victoria unterwarf sich ihm, wie es die bürgerliche Moral von einer guten Ehefrau verlangte. Gemeinsam studierten sie Regierungsbeschlüsse und Gesetzesentwürfe, lasen die täglichen Protokolle, diskutierten Entscheidungen und fanden noch genügend Zeit, neun Kinder zu zeugen, vier Buben und fünf Mädchen. Bei einer Größe von einem Meter sechsundfünfzig wog die Königin jetzt zweihundertachtundvierzig Pfund. In den Londoner Herrenclubs fragte man sich, wie Albert es wohl fertigbringe, den majestätischen Berg zu besteigen. 1861 starb "Prince Consort", wie man Albert nannte, an einer Erkältun. Viktoria sollte ihn um vierzig Jahre überleben.

In tiefer Trauer verließ sie London und zog sich ins schottische Hochland zurück. Wenn wichtige Regierungsgeschäfte sie nach Schloß Windsor zurückriefen, so ließ sie jeden Abend die Kleidung ihres Gatten zurechtlegen. Warmes Waschwasser wurde eingelassen, Seife und Handtücher bereitgelegt. Bisweilen sprach sie mit Albert.

Sie besaß kein realistisches Verhältnis zu ihrer Umwelt. Erzogen als höhere Tochter hatte sie keine Ahnung von dem, was sich unterhalb der 'middle class' ereignete. Die Lebensbedingungen der Hausangestellten und Näherinnen, der Arbeiter auf dem Land und in den Fabriken interesierten sie nicht. Die Bemühungen ihrer Geschlechtsgenossinnen um Stimmrecht und Bildung bedachte sie mit verächtlichem Spott. 'Womens' Lib' zählte sie zu den anstößigen Ausdrücken, die man in ihrer Gegenwart nicht nennen durfte.
Ihr geistiger Horizont war eng, ihre Bildung bescheiden.
Sie verstand es aber geschickt, ihre Unsicherheit mit stolzer Schroffheit zu überspielen. Wenn ihr etwas nicht behagte oder wenn sie einer Angelegenheit nicht zu folgen vermochte, sagte sie: "We ar not amused" (Wir finden keinen Gefallen daran).
Mit dieser Redewendung war für sie das Thema erledigt.
Dennoch galt sie als Idol ihrer Zeit.

(Fortsetzung folgt)


Medea. antwortete am 21.01.04 (14:31):

Versuchen wird, die historische Situation nachzuvollziehen:
Wir schreiben den 25. August 1818, neun Monate vor der Geburt Viktorias. Die späten Augusttage sind die einzig wikrlich warmen Tage auf der englischen Insel. Der Herzog von Kent, soeben vom Ausritt über seine Ländereien zurückgekehrt, entledigt sich seiner Reithosen. Unbemerkt betritt die Herzogin den Ankleideraum. Ihre Blicke gleiten über sein dampfendes Gesäß. Auf nackten Sohlen schleicht sie sich hinter seinem Rücken heran. Ein rascher Griff. "Oh Auguste! Du hast aber kalte Hände. Oh!"
Nur ein Augenblick, aber die Weltgeschichte nimmt von nun an einen anderen Verlauf! Throne stürzen, deren Herrscher noch nicht geboren wurden. Revolutionäre ergreifen die Macht, deren Namen noch keiner kennt. Eine neue Ära beginnt.
Die Menschen haben stets nach den Sternen gegriffen, nach Kronen, nach Schwertern. Niemals aber hat ein Griff so weitreichende Folge gehabt, wie der Griff an den Hoden des Herzogs von Kent am 25. August 1818.


mart antwortete am 21.01.04 (19:58):

"Das Leid der Könige


23.2.1981,

"Putschversuch in Madrid. Aufständische Militärs haben das Parlament gestürmt und die Abgeordneten gefangen genommen. Juan Carlos, der junge König Spaniens, tritt vor die Kameras und befiehlt den Truppen, der Verfassung zu folgen und den Aufstand zu beenden.

Ein dramatischer Machtkampf – das Militär gehorcht und Spaniens junge Demokratie ist gerettet. Eigentlich hätte dort als König ein anderer stehen sollen:

Juan Carlos verdankt seinen Thron – und damit Spanien wohl seine Demokratie – einer Erbkrankheit.... "

Internet-Tipp: https://www.vcell.de/chromosomenpark/erbkrankheiten.html


Medea. antwortete am 22.01.04 (08:42):

Das jüngste Kind des letzten russischen Zaren war ja ebenfalls mit dieser Erbkrankheit geschlagen und die Zarin vertraute in ihrer Verzweiflung ihren Sohn dem dämonischen Mönch Rasputin an, von dem sie sich Hilfe versprach.
Über die Zarin gelangte dieser zu immer mehr Einfluß am Hofe. Und dem Volk wurden er und die Zarenfamilie immer verhaßter (Kurzfassung der Ereignisse).
Auch hier ist es vorstellbar, daß sich die Oktoberrevolution und die daraus resultierende neue Gesellschaftsordnung anders als geschehen entwickelt, die Zarenfamilie nicht durch Ermordung ihren Tod gefunden hätte,
wäre durch die Queen Victoria nicht dieses unselige Gen weitergegeben worden .......


mart antwortete am 22.01.04 (09:50):

Und an den unseligen Einfluß von Rasputin muß man auch denken!


Medea. antwortete am 23.01.04 (12:36):

Der guten Ordnung halber:
entnommen aus "Geschichten aus der Weltgeschichte", E.W.Heine, Diogenes-Verlag.


hl antwortete am 27.01.04 (15:35):

Jammerschade, dass die Geschichten aus der Weltgeschichte gelöscht werden müssen, aber Karl könnte wirklich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.

Die zwei obigen Auszüge habe ich stehen lassen, als Buchempfehlung. :-)


Medea. antwortete am 27.01.04 (19:44):

hl - wat mutt, dat mutt .... ;-)

Danke fürs Löschen - ich hatte das nicht genügend bedacht ....