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THEMA: Literatursplitter
12 Antwort(en).
Eva Krill
begann die Diskussion am 08.01.01 (07:50) mit folgendem Beitrag:
Zum Vorschlag von FRIEDGARD, 7.1.:
Die schönen Gedichte könnten doch bleiben, wie sie sind, aber man könnte ein neues Fenster öffnen für Auszüge aus Briefen, interessante literarische Fakten, Gedanken und Aussprüche, über die es sich lohnt, nachzudenken. Beispiel:
...Wohin ich auch gehe - es gibt überall eine Sonne, einen Mond, Gestirne, Träume für den Schlaf, Vögel - und die Allgegenwart Gottes. ...
Epiktet, ca 100 n.Chr.
In diesem Sinne - EKr
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Friedgard
antwortete am 08.01.01 (19:40):
Aus: "Briefe an eine Nichtchristin" von Teilhard de Chardin:
Peking, 3. August 1938 Ich beginne einzusehen, daß es leichter ist zu brennen, denn den Funken immer lebendiger sprühen zu lassen, leichter, ein Leben zu beginnen, denn es sauber zu beenden. Mit anderen Worten, ich werde der Tatsache gewahr, daß ich zu dem schwierigen Teil meiner Existenz gelangt bin.
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Evelyn
antwortete am 13.01.01 (12:35):
In den "Weisheiten" fantasiert lesenswert Robert Walser- ein Beitrag,der vielleicht besser in diese Rubrik gepasst hätte ----
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Edith
antwortete am 13.01.01 (12:58):
Zwei kleine Anekdoten aus Beethovens Leben:
Fast gleichzeitig mit der ländlichen Idylle der "Pastorale" entstand das dramatische c-Moll-Ereignis der "Fünften". Beethoven schrieb beide Symphonien beinahe nebeneinander in Heiligenstadt. Den genialen Einfall des dämonischen Anfangsmotivs - bestehend aus nur vier Noten und zwei verschiedenen Tönen! - hat der Meister später seinem Famulus mit den berühmt gewordenen Worten erläutert: "So pocht das Schicksal an die Pforte!"
Im Gasthaus "Zum Schwan" setzte sich Beethoven einmal zum Essen nieder, und da sich der Kellner Zeit ließ, zog er sein Notenheft aus der Tasche und begann einstweilen zu komponieren. Der Kellner kam und fragte den bekannten Stammgast nach seinem Wunsch. Aber der war bereits völlig in seine Arbeit vertieft: Er sah und hörte nichts mehr. Also zog sich der Kellner wieder unbemerkt zurück. Nach geraumer Zeit erwachte Beethoven in die Wirklichkeit, sah sich um, klopfte ans Glas und rief: "Zahlen!"
aus: Ich schreibe Noten in Nöthen oder Beethoven in Geschichten und Anekdoten von Alexander Witeschnik
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Angelika Tams
antwortete am 17.01.01 (20:47):
Ich habe ein Gedicht gefunden von Eva Strittmatter, das mir sehr gut gefällt und ich finde, es spricht ganz viele Menschen über 40 - 50 - 60 usw. an.
Augenblick
Ich will mich für nichts mehr bewahren, Was noch kommen könnte, Und will an mir nicht mehr sparen. Was ich mir bisher nicht gönnte: Die lässige Hingabe an den Tag, Die gönne ich mir nun endlich. Und alles ändert sich mit einem Schlag. Ich leb nicht mehr überwndlich. ich freue mich, daß ich die Freiheit habe, In der Frühe durch diesen Schnee zu gehn, Und daß ich dem Schnee meine Spuren eingrabe, Und daß mich das Licht und die Kälte anwehn. Da ist das Geheimnis des Glückes entsiegelt: Der Augenblick kennt kein Ungemach. Und wie sich rötlich der Himmel spiegelt Im schwarz unterm Schnee verrinnenden Bach! Ich habe zuviel von Erwartung gelebt. Und Fäden zu fremden Menschen gesponnen. Und aus diesen Fäden Träume gewebt. Und immer von neuem die Hoffnung begonnen, Daß etwas in der Ferne geschieht, Das bis zu mir herüberreicht Und mich zu sich hinüberzieht, Etwas, das nichts auf Erden gleicht. Jetzt akzeptiere ich mein Geschick Und seine Ganzalltäglichkeit. Und ich begreife den Augenblick Als meinen Anteil an der Zeit.
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Friedgard
antwortete am 18.01.01 (11:09):
Zwei kleine Passagen aus dem Briefwechsel von Hugo von Hofmannsthal und Ottonie Gräfin Degenfeld. Sie war sehr jung verwitwet und Hofmannsthal versuchte, ihr neuen Lebensmut zu geben. Der ganze Briefwechsel ist sehr lesenswert. Hier zwei Passagen aus dem Anfang. Hofmannsthal schickte ihr ein Manuskript und schreibt zu ihrer Reaktion: "...das Eigentliche in dem Stück liegt nicht in den Figuren (...) sondern in dem, wie die Figuren zu einander stehen. Verhältnisse zwischen Menschen sind mir etwas besonders anziehendes. Das Verhältnis zwischen zwei Menschen ist etwas ganz bestimmtes, ist ein Individuum, ein zartes, aber wesenhaftes Gebilde...." und aus ihrer Antwort: "Ich danke Ihnen so für Ihren Brief. Wissen Sie eigentlich, was Sie mir damit tun, ich glaube, Sie können es nicht ahnen. Sie geben mir stets neuen Lebensmut. Es ist so schwer immer so allein weiterzuwandern, wenn alles zu zweit genießt und lebt und Ihr selbstverständliches Annehmen meiner Interessen an Allem gibt mir Kraft und feuert mich an,mich nicht gehen zu lassen in Trauer. -"
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Gerlinde
antwortete am 21.01.01 (21:29):
Anton an Olga: Ich danke Ihnen für die Glückwünsche zu meiner Heirat. Ich habe meiner jungen Braut Ihre Absicht erklärt, nach Jalta zu kommen, um sie ein bisschen zu betrügen, mitgeteilt. Sie antwortete darauf, wenn"diese schlechte Frau" nach Jalta kommt, wird sie mich nicht aus ihren Armen lassen. Ich bemerkte, sich bei heißem Wetter so lange in Umarmungen aufzuhalten - sei unhygienisch. Sie sagte, das Theater sei schlecht, fing an zu weinen und ging weg. Aus dem Briefwechsel A.Tschechows an seine Geliebte und spätere Ehefrau Olga Knipper.
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Friedgard
antwortete am 22.01.01 (09:20):
Aus "Ölberge, Weinberge" von Erhart Kästner:
"EPIDAUROS, TRAUMHALLE
Nicht weit vom Theater sieht man die Ruine des Abaton, der Halle des heiligen Schlafs. Eine Traumhalle: was für eine vergnügte Vorstellung das ist. Eine Halle zur Fabrikation so luftigbunter Gewebe; eine Traumschule. In der Kaserne und auf Almhütten hat man die Erfahrung gemacht, daß Zusammenschlafen mit Vielen das Träumen begünstigt. Vielleicht ist ein Traummeister unter den Schläfern; wie ein guter Konzertmeister am ersten Pult reißt er das ganze Orchester heraus. In Epidauros scheint dergleichen bekannt gewesen zu sein; da grünten die Gärten des Wissens und der Lebenskunst noch, die uns seit langem verwuchsen - merkwürdig, Hellas und Juda, unsere zwei Erblasser, sind doch so gläubige Träumer gewesen; man denke aus beiden die Offenbarungsträume hinweg. Ein Gasthaus zum Traumempfang also. Ein Bienenhaus, Traumhonig zu zeideln. Ein Topf, aus dem Nacht für Nacht ein Gedünst von Träumen auf- stieg; das hing dann wie Schillerwolken über dem Bau, mit Träumen geladen, die sich wie Blitze auf die Schläfer entluden. Bedingung war freilich, daß so ein Schläfer den Blitz wie eine Fichte und Pappel anzog; das Zweipolige muß ja doch sein. Einfälle, wie Träume es sind, setzen immer die Anziehungekraft des Beschenkten voraus. Es bedarf der Anstrengung."
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Eva
antwortete am 24.01.01 (10:42):
Marc Aurel (121 - 180) sagte in seinen "Selbstbetrachtungen" :
Ich schreite vorwärts mit meinem naturgemäßen Lauf, bis ich hinsinke und ausruhe und meinen Geist in dasselbe Element aushauche, aus dem ich ihn täglich einatme, und zur Erde zurückkehre, von der mein Vater dene Zeugungsstoff, meine Mutter das Blut und meine Amme die Milch erhielt, von der ich täglich so viele Jahre hindurch Speise und Trank empfange, die mich trägt, während ich sie mit Füßen trete und so vielfach mißbrauche. ...
Es scheint sich in diesen fast 2000 Jahren nicht viel geeändert zu haben ...
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Friedgard
antwortete am 26.01.01 (17:45):
Aus "Im Zauber der griechischen Landschaft" von Nikos Kazantzakis:
Vor Jahren schon war der zauberischen Kanarienvogel verendet, den mir mein Vater einst, als ich noch Kind war, zu Neujahr beschert hatte. Nein, nicht verendet, ich schäme mich, daß mir dieses Wort von den Lippen kam, er war gestorben, wollte ich sagen; oder besser, er hatte seinen Gesang in die Hände des Schöpfers zurückgegeben. Wir begruben ihn im Hofgärtchen; meine Schwester weinte, doch ich war ruhig, denn ich wußte, daß ich, solange ich lebe, ihn nicht werde sterben lassen. "Ich werde dich nicht sterben lassen", murmelte ich, während ich ihn mit Erde bedeckte, "wir werden zusammen leben und zusammen reisen."
Und als ich, größer geworden, Kreta verließ und über die Erdrinde wanderte, spürte ich immer den Kanarienvogel sich an meine Haare klammern, immer wieder dieselbe Strophe singend: "Mach dich auf, laß uns gehen, warum verweilen wir hier! Wir sind doch keine Austern, wir sind Vögel, mach dich auf, laß uns gehen."
Mein Kopf war ein Globus geworden, und obendrauf saß der Kanarienvogel, reckte seinen warmen Hals dem Himmel entgegen und sang.
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Friedgard
antwortete am 28.01.01 (19:19):
aus Antoine de Saint Exupéry "Wind, Sand und Sterne":
Wir können nur dann in Frieden leben und in Frieden sterben, wenn wir uns unserer Rolle ganz bewußt werden, und sei diese noch so unbedeutend und unausgesprochen. Das allein macht glücklich.
Was aber dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod Sinn. Es ist leicht zu sterben, wenn es in der Ordnung der Dinge liegt. Es ist nicht so schwer für den Bauern aus der Provence, wenn er am Ende seines Waltens seinen Besitz an Ziegen und Ölbäumen seinen Söhnen übergibt, damit diese ihn einst den Kindern ihrer Kinder weiterreichen. In einer Bauernsippe stirbt man niemals ganz. Jedes Leben zerspringt wie eine Schote, die ihre Körner abgibt.
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Sieghard
antwortete am 02.02.01 (15:44):
Verhinderter Selbstmord
Das maligne Melanom - der schwarze Hautkrebs - gehört zu den bösartigsten Tumorformen über- haupt. Mit konventioneller Chemotherapie ist ihm nicht beizukommen. Wissenschaftler fanden jetzt heraus, dass der Verlust eines genetischen Schal- ters den programmierten Zelltod der Krebszelle verhindert und damit die extreme Resistenz gegen- über Chemotherapie erklärt. . .
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Friedgard
antwortete am 07.02.01 (20:05):
Du weißt nicht, wie Du "mitten im tätigen Leben Entsagung üben" sollst. Aber Du gibst Dir selber Antwort: durch Tätigkeit! Das größte Opfer, das wir bringen können,der größte Sieg, den wir über uns selber erringen können, besteht darin, daß wir unsere Trägheit überwinden, unseren Hang, uns möglichst wenig anzustrengen. Das christliche Handeln macht an sich frei und verbindet uns dem Herrn. Denke nicht an theoretische Entsagung, sondern gib Dich zunächst einmal der Erfüllung Deiner oft widerwärtigen Aufgabe hin, die Dir von Gott zugewiesen ist. Er wird Dir helfen, er wird Dir (---) die für Dein Wirken notwendige Stütze liefern. Laß Dir nur von Gott alles geschehen. (---) - Die Ewigkeit tritt in unsere bewußte Existenz an dem Tage ein, von dem an wir "ausschließlich Gott im Sinne haben". Teilhard de Chardin: "Entwurf und Entfaltung", Briefe aus den Jahren 1914 - 1919 (Verlag Karl Alber, Freiburg i.Br. - München 1963)
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