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THEMA:   über das Flanieren

 17 Antwort(en).

wanda begann die Diskussion am 29.11.03 (17:35) mit folgendem Beitrag:

Über das Flanieren

Das Flanieren ist ein bedachtsames wie waches Gehen – und auch Verweilen. Der Flaneur ist nicht untätig, während er geht. Der Flaneur beobachtet die Welt als eine Bühne, auf der er der Regisseur zu sein scheint, in Wirklichkeit aber ist auch er nur Objekt einer höheren Regie.

Eigentlich ist die Flanerie ein Phänomen des 19. Jahrhunderts. Sein geistiger Vater ist Charles Baudelaire. Historisch tritt der Flaneur interessanterweise erst auf, als alles gegen ihn zu sprechen beginnt. Er entwickelt seine Leidenschaft in dem Moment, da der aufkommende Großstadtverkehr genüßliches Schlendern und versunkene Kontemplation gerade unmöglich zu machen beginnt. Schutz vor Großstadtverkehr bieten die Passagen, die zu eben jener Zeit in Mode kommen und in denen der Flaneur sich mit Vorliebe aufhält. Die neue – uns heute mehr als gewohnte – Großstadtrealität, vor allem das Tempo und die Menschenmassen, nimmt der Flaneur durchaus wahr. Aber er hält mit offen zur Schau gestellter Passion an den Kategorien des Einzelnen, Eigenen und Privaten fest. Walter Benjamin hat dem Thema Passagen ein großartiges Fragment gewidmet. Hier berichtet er : „1839 war es elegant, beim Promenieren eine Schildkröte mit sich zu führen. Das gibt einen Begriff vom Tempo des Flanierens in den Passagen.“ Kein zu schneller Schritt konnte die Lust zerstören, zu der, der _Flaneur das schauende Spazierengehen machte. Heute ist die exponierte Gestalt des Flaneurs nur verschwunden, weil wir alle Flaneure geworden sind ......


Medea. antwortete am 29.11.03 (18:01):

In den südlichen Ländern mit ihren südlichen Städten ist das Flanieren abends, wenn die größte Tageshitze vorbei ist, immer noch üblich. Ganze Heerscharen von Familien mit Kinderwagen und Großeltern, Nichten und Neffen :-)
flanieren die Hauptstraße herauf und herunter - es ist ein hübsches, wenn auch ungewohntes Bild für einen Nordländer.... :-))


schorsch antwortete am 29.11.03 (19:01):

Mal in Siena erlebt: Tagsüber keine Menschenseele auf der Strasse - nach 22.00 Uhr wälzen sich die Menschenmassen in Zwölferkolonne, alle in der gleichen Richtung. Wer es andersrum probieren will, der wird platt gewalzt!


jeanny antwortete am 29.11.03 (23:35):

ist flanieren nicht auch ein fremdwort das vor vielen jahren in die deutsche sprache übernommen wurde?
sind die menschen,bevor sie flaniert sind ,auf gut deutsch einfach nur gebummelt?


jeanny antwortete am 29.11.03 (23:45):

ps.
wollte schreiben:
nicht einfach nur gebummelt.


Tessy antwortete am 30.11.03 (00:21):

frz.: flaner - schlendern

promener - bummeln


jeanny antwortete am 30.11.03 (00:32):

@tessy
flaner - bummeln / schlendern
promener- spazieren


Tessy antwortete am 30.11.03 (02:03):

@jeanny

....oder so....:-)


wanda antwortete am 30.11.03 (07:53):

also bummeln wird ja bei uns auch gesagt, wenn einer sehr langsam ist.
deshalb finde ich für den Vorgang oben flanieren viel schöner.
flanieren hat so etwas von Luxus an sich :-))

wenn ich es noch mehr ausspinne, so ist der, der bummelt auf Schaufenster aus.
Der, der flaniert ist aber auch bereit zu flirten !


schorsch antwortete am 30.11.03 (09:22):

Flanieren bedeutet für mich genüsslich auf der Strasse, dem Quai, unter Alkaden spazierend die Schaufenster und die Leute begucken - also für mich Stress, wenns Frau mal will, weil Schaufenster mit Elektronik oder Werkzeugen tabu sind.....


Medea. antwortete am 30.11.03 (11:06):

Ich gehe flanieren, beinhaltet ja auch: ich will gesehen werden ....
und wenn ich gesehen werden will, werde ich auch einem kleinen Flanier-Flirt nicht abgeneigt sein .....

sollte ich aber eine Schildkröte als Begleiter haben, kommt es am Ende dann wohl eher auf "trotten" hinaus .....

allein das Wort "Flanieren" zergeht doch schon auf der Zunge ... ;-))


Rosmarie antwortete am 30.11.03 (11:52):

Genau! Allein schon das Lesen übers Flanieren ist ein Genuss. Wie sich dieses langsame Tempo, das genüssliche Schauen und Sich-Repräsentieren und ein bisschen Flirten überträgt!
Tatsächlich, hier geht es um ein Stück Kultur! :-)))

Nur dumm, dass ich scheinbar ein kulturloser Mensch bin und gar nicht gern flaniere... :-))) Aber hier und im Realleben ein wenig zuzuschauen, das ist köstlich! :-)))


Medea. antwortete am 30.11.03 (15:02):

Hallo Rosmarie -
bei uns gibt es eben zu wenig davon, von den Flaniermeilen meine ich ...:-))
Die schönsten Hüte könnten auf solchen "Straßen" ausgeführt werden, vom Florentiner zum Kalabreser, vom Mops am behandschuhten Händchen ganz zu schweigen .... ;-))


Johanna antwortete am 30.11.03 (16:57):

Hallo Medea,
aber es gibt ja auch Promenaden, da heisst es dann "promenieren"? ggg und da kann man dann die schönen Hüte auch spazierenderweise zeigen......


Medea. antwortete am 01.12.03 (00:05):

Hallo Johanna,

leider gibt es in meiner Stadt weder eine Promenade noch eine Flaniermeile - ich bedaure das sehr ....,
im Sommer allerdings kann man am Flußufer entlanggehen, doch da weht heftig der Wind und wieder ist's nichts mit den großen Hüten .... ;-))


Rosmarie antwortete am 01.12.03 (08:58):

Oja, die großen Hüte von einst!
Damals waren wir noch Damen. Ich lebte mit zwanzig einige Jahre in Aachen. Dort flanierte ich gelegentlich mit einem großen schwarzen Hut und langen hängenden Ohrringen durch die Geschäftsstraßen.
Als ich dann nach Worms umzog, war ich sehr enttäuscht. Wie unelegant die Menschen hier herumliefen! So etwas! Nun traute ich mich nicht mehr, mein elegantes Prachtstück aufzusetzen...
Zehn Jahre später zog ich in ein kleines Städtchen auf der anderen Rheinseite. Wenn ich dann nach Worms kam oder heute komme, fällt mir auf, wie chic dort die Leute angezogen sind. Geradezu elegant! :-))))

Und in meinem winzigen Waldörtchen, in dem ich nun fast das ganze Jahr lebe, laufe ich nur noch in Jeans herum. Nur die Ohrringe fehlen auch heute noch nicht (leider stehen mir hängende nicht mehr)... und der Lidstrich... Die Rehe freut´s... :-))))))


schorsch antwortete am 01.12.03 (10:31):

@ Rosmarie: "....Als ich dann nach Worms umzog, war ich sehr enttäuscht. Wie unelegant die Menschen hier herumliefen! So etwas! Nun traute ich mich nicht mehr, mein elegantes Prachtstück aufzusetzen..."

Dabei hätten die doch nur darauf gewartet, dass da eine käme und sie mitnähme......


Rosmarie antwortete am 01.12.03 (12:29):

Schorsch: > Dabei hätten die doch nur darauf gewartet, dass da eine käme und sie mitnähme......

:-)))) Frei nach dem Motto: Hab mein Wagen(rad) voll geladen, voll mit netten Männern... Oder hieß das irgendwie anders? :-)))