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THEMA:   Ein Lieblingstext - wer schrieb ihn...?

 5 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 28.10.03 (17:33) mit folgendem Beitrag:

Den Waggerl mit "meinem Stein" habe ich zu meinen Lieblingstexten getan.
Ein Beispiel - bitte sehr:
Wer schrieb 1922 an Hugo von Hofmannsthal, seinen Freund:
*
Meiner Natur ist alles entgegen, was teilt, zerlegt, auseinanderstrebt, alles, was die Zahl an Stelle des ununterbrochen fließenden Lebens setzt, alles Errechnete. Daher seit meiner Kindheit eine ausgeprägte Abneigung gegen die Technik. Ich kann Ihnen das Gefühl schwer schildern, das mich überfiel, als ich in der Schulzeit zum ersten Mal ein Laboratorium betrat: Prothesen, Säuren und Laugen.
Und doch werden wir, gefangen in unserer Generation, von der Tech-nik und mit der Technik leben müssen. Wir werden gezwungen sein, eine gewaltige Anstrengung gegen uns selbst durchzuführen, um uns einer völlig dominierenden technischen Wirklichkeit anzupassen. Als Kind erschien es mir, die Hölle sei los, ihrer finstern Leidenschaft entsprächen alle diese ersonnenen, unaufhaltsam sich steigernden Verlängerungen und Projektionen der physischen Leistung des Menschen, die schließlich zur Zerstörung führen müssen. Vielleicht wird man eines Tages auf andere Sterne fliegen können und dann? Und wenn man dabei seine Seele verlieren sollte? Fortan wird es möglich sein, die Macht des bösen Begehrens, des verderblichen Herrschtrie-bes ins Grenzenlose zu steigern. Die Mittel, unsere Welt zu zerstö-ren, werden in den Händen von ganz wenigen liegen, und es gibt für mich keinen zwingenden Grund, der mich verhindern könnte anzu-nehmen, daß diese wenigen satanisch-kluge politische Erfolgsmenschen sein könnten, natürlich in Schafspelze gehüllt, triefend von zwingender Modeethik, begabt mit der Schaffung von Hypnoseformen, durch welche dann alle Erscheinungen für die "Peter Squentze" der mittleren Welt mundgerecht verzaubert werden. Noch ein Krieg und wir werden unter dem Druck der Angst, des Hasses, des Zorns Zerstörungsmittel ersinnen, die uns dann endlich die furchtbare Antwort der von uns so umworbenen Materie geben werden. Einmal über Nacht wird alles nur noch nackte Gewalt sein, nur noch entfesselte Kraft. Aber auch hier hineinbrechen wird man mit dem Optimismus irdischer Paradiese, man wird sie mit moralischen Argumenten be-schönigen, so lange bis es dann auch den selbstgerechten Schwindlern das Mundwerk verschlägt. Oder glauben Sie, daß mit dem Bewußtwerden der Gefahr der Urtrieb des Menschen, zu siegen und im Siege moralisch triumphieren zu dürfen, endlich einmal hinter den Selbsterhaltungstrieb zurücktreten wird?


mart antwortete am 28.10.03 (17:57):

War es diesmal ein St.Z.?


Medea. antwortete am 28.10.03 (19:14):

Tippe ebenfals wie Du, mart:

St.Z. war gewissermaßen ein Korrespondierer, traf auch öfter mit Hugo von Hoffmannsthal zusammen, schrieb sich mit allen interessanten Menschen seiner Zeit.


iustitia antwortete am 28.10.03 (21:34):

Ja, Stefan Zweig wäre mir auch "sympathisch" als Autor für diesen Text. Aber, no!
Und noch dies: Wie ist eure Meinung zu dem Bekenntnis dieses Mannes, der auch als Politiker ins "Weltgeschehen" kam, dass er auf Naturwissenschaften verzichten konnte....?


iustitia antwortete am 31.10.03 (21:46):

Carl Jakob Burckhardt( *10. 9. 1891 Basel, 4. 3. 1974 Genf)

Er entstammte einer alteingesessenen Baseler Gelehrtenfamilie, wuchs B. in der Tradition des Bildungsbürgertums auf. Studium der Geschichte, Philoso-phie und Literatur in Basel, München, Göttingen und Zürich, Promotion zum Dr. phil., Eintritt in den diplomatischen Dienst. 1918-21 Attaché an der Schweizer Gesandtschaft in Wien, dort Beginn der Freundschaft mit Hofmannsthal, die bis zu dessen Tod (1929), anhielt. 1927-32 Privatdozent und Prof. in Zürich, 1932-37 und 1939-45 Prof. für Neuere Geschichte in Genf, 1937-49 Völkerbundkommissar in Danzig, 1944-47 Präsident des Internationalen Roten Kreuzes, 1945-49 Schweizer Gesandter in Paris. 1950 Hamburger Goethe-Preis.


Medea. antwortete am 31.10.03 (22:15):

Es tut mir leid,
Carl Jakob Burghardt ist mir bedauerlicherweise unbekannt geblieben ...