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THEMA: Gedichte Kapitel 31
33 Antwort(en).
hl
begann die Diskussion am 12.10.03 (19:16) mit folgendem Beitrag:
Ein neues Kapitel für die Gedichte. Kapitel 30 ist archiviert und kann unter /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a565.html
nachgelesen werden. Die Mailliste wird, wie immer, übertragen.
Weiterhin viel Vergnügen mit den Gedichten.
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/565.html
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hl
antwortete am 13.10.03 (09:47):
Eingang
Wer du auch seist: am Abend tritt hinaus aus deiner Stube, drin du alles weißt; als letztes vor der Ferne liegt dein Haus: wer du auch seist Mit deinen Augen, welche müde kaum von der verbrauchten Schwelle sich befrein, hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum und stellt ihn vor den Himmel: schlank, allein. Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift. Und wie dein Wille ihren Sinn begreift, lassen sie deine Augen zärtlich los ...
Rainer Maria Rilke
Internet-Tipp: https://www.hl-gedichte.de/downloads/rilke_baum.jpg
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poetax
antwortete am 13.10.03 (13:45):
Herbstlied
Ich mag den Herbst - mehr als den Mai Weil er zur Höhe führt. Wenn jeder Baum jetzt Blatt um Blatt verliert Und goldenes Verglühen mich berührt, wenn alles stürmt: vorbei, vorbei, dann wird der Blick zum Himmel frei.
Der kahlen Äste edle Leere Entlässt die Farben leicht. Und wiegend, sanft, veratmend weicht Zur Erde, was der Erde gleicht, damit ihr alles ganz gehöre und nichts den Blick nach oben störe.
Ich mag der Bäume stilles Stehen Und schweig ihr Schweigen mit Darin versunken lockt das Lied Des Nichts, aus dem die Fülle tritt. In allem herbstlichen Vergehen Ruft mich das große Auferstehen !
[Wolfgang Schneller in Christ in der Gegenwart 42, 55. Jahrgang, 19.10. 03, Seite 360] .
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hl
antwortete am 19.10.03 (21:37):
Helle Nacht
Herbst hat den silbernen Schaum seiner Beeren Über die Klippen der Sträucher gegossen. Fürchte dich nicht - Kein Gischtregen sprüht mehr, Der uns das Schweigen im Spiegel zerbricht.
Eben noch meinst du, im Scheibenlicht wären Fische erschienen und rührten die Flossen. Fürchte dich nicht - kein Schuppenschwarm zieht mehr Über die Kissen bis vor dein Gesicht.
Vergiss auch die Beeren, sie schweben in schweren Bündeln zum Mond als des Mondes Genossen. Fürchte dich nicht - nichts Arges geschieht mehr, Überhand nehmen kann nur noch das Licht.
Georg von der Vring
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poetax
antwortete am 20.10.03 (13:16):
Herbst Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf. Felder gilben, Wälder ächzen überall. Wie Blätter fallen draußen alle Tage, Vom Zeitwind weggeweht.
Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen, Ob draußen tost Vergänglichkeit, Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen: Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.
[Gerrit Engelke 1890-1918] .
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hl
antwortete am 21.10.03 (15:21):
Herbstenschluß
Trübe Wolken, Herbstesluft, Einsam wandl' ich meine Straßen, Welkes Laub, kein Vogel ruft Ach, wie stille! wie verlassen!
Todeskühl der Winter naht; Wo sind, Wälder, eure Wonnen? Fluren, eurer vollen Saat Goldne Wellen sind verronnen!
Es ist worden kühl und spät, Nebel auf der Wiese weidet, Durch die öden Haine weht Heimweh; - alles flieht und scheidet.
Herz, vernimmst du diesen Klang Von den felsentstürzten Bächen? Zeit gewesen wär' es lang, Daß wir ernsthaft uns besprächen!
Herz, du hast dir selber oft Weh getan und hast es andern, Weil du hast geliebt, gehofft; Nun ist's aus, wir müssen wandern!
Auf die Reise will ich fest Ein dich schließen und verwahren, Draußen mag ein linder West Oder Sturm vorüberfahren;
Daß wir unsern letzten Gang Schweigsam wandeln und alleine, Daß auf unserm Grabeshang Niemand als der Regen weine!
Nikolaus Lenau
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poetax
antwortete am 21.10.03 (15:44):
Herbstmorgen in Holland (Erich Fried)
Die Nebelkuh im Nebelmeer muht nebel mei- nem Bahngleis her
nicht neben, denn wo Nebel fällt, wird auch das n zum l entstellt.
Herbstmorgel il Hollald Lul weiter il die Lebelwelt, so bil ich eldlich kolsequent uld sage licht mehr Nebel lur Lebel .
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hl
antwortete am 21.10.03 (16:04):
Lied der Jahre Wer bin ich und wie halte ich die Jahre, Die glühn, verflackern, sinken wie der Mohn? Wohin der Duft? Und wer bewahrt den Ton? Hoch flog der Ball im Aufwind junger Jahre. Nun fällt er schon...?
Ist dies verloren, ist es je geschehen? Schlaf unter Sternen; Küsten meerumbaut; Der ströme Wandern; Städte hochgebaut? - Ich könnte wieder alte Straßen gehen... Sie wären nicht vertraut.
Wer bin ich, da mir dies entsunken? Und wer vor dem, was die Zukunft mir gepaart? Und wer, vom Winde wach, vom Weine trunken, Inmitten eines Schwarms und dieser Fahrt Von Seelenvögeln und von Geisterfunken? Gibt Antwort, Gegenwart!
Ich bin, ich atme - eines: Mund und Flöte. Ich spiele mir ein Lied; ich bin das Lied. Ich bin der Hauch, der durch die Hoffnung zieht, Der Spieler und das Spiel, der Leib der Flöte, Der Flöte Lied.
Was frag ich nach dem Lied verschollener Jahre... Ich bin. Ich atme. Hör ich nicht den Ton? Hell schwebt die Wolke. Leuchtend brennt der Mohn. Die Flöte harrt. Lass singen deine Jahre. Ich hör sie schon.
Rudolf Hagelstange
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hl
antwortete am 21.10.03 (23:50):
Mein Stern
Oft in meinem Abendwandel hefte Ich auf einen schönen Stern den Blick, Zwar sein Zeichen hat besondre Kräfte, Doch bestimmt und zwingt er kein Geschick. Nicht geheime Winke will er geben, Er ist wahr und rein und ohne Trug, Er beseliget und stärkt das Leben Mit der tiefsten Sehnsucht stillem Zug.
Nicht versteht er Gottes dunkeln Willen, Noch der Dinge letzten ewgen Grund, Wunden heilt er, Schmerzen kann er stillen Wie das Wort aus eines Freundes Mund.
In die Bangnis, die Bedrängnis funkelt Er mit seinem hellsten Strahle gern, Und je mehr die Erde mählich dunkelt, Desto näher, stärker brennt mein Stern.
Holder! Einen Namen wirst du tragen, Aber diesen wissen will ich nicht, Keinen Weisen werd ich darum fragen, Du mein tröstliches, mein treues Licht!
C.F.Meyer
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tiramisusi
antwortete am 22.10.03 (23:42):
za Medea: :-)
Nad mòrzem, północa, bije wiéldzi zwón, zagrałë bazunë od nôdalszëch strón. Wëbiegają z chëczë maszopi: "Czë sã chtos na morzu topi? Koga dzysô zgón? Koga dzysô zgón?" Stanãłë na sztrądze, zdrzą w bezmiérną dôl, a tu jasnosc wiélgô bije westrzód fal. Spiéwã czëc je, że w stajence, przë Starëszku i Panience - "Dzecko - Bożi dôr! Dzecko - Bożi dôr!"
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iustitia
antwortete am 23.10.03 (00:31):
Nad.... (Nud? Äh - nu???)
Auf dem Meer um Mitternacht schellt eine grosse Glocke, Die Trompete wird in den entfernten Ländern gehört. Fischer laufen aus ihren Hütten heraus: "hat jemand, das ertrunken wird im Meer?", Wer Tag ist heute gekommen? Wer Tag ist heute gekommen? Sie stoppen auf dem Ufer und starren herüber, Und hier sehen sie ein schönes Licht unter die Wellen. Singend wird im Stall gehört, Der alte Mann und Mary haben Ein Kind - Geschenk des Gottes! Ein Kind - Geschenk des Gottes!
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Sofia204
antwortete am 23.10.03 (12:46):
Herbstwind schwedisch
Höstens Wind
Blaskig Trottoar gra°blankt lyser slaskigt Rännsten huttar ryser krokig Ryggrad böjer frama°t uppfälld Krage väjar dyva°t - i Höstens Wind. Sturrör frustar Tystnad skrämmer gra°vitt Hankatt hema°t ränner grenrik, spöklik väjar Linden rispar, raspar Husknudkinden - i Höstens Wind
Roland Ewertsson
***
Schweden - eisige Land mit seiner Mitternacht, der Eingang zum Reich der Larven und Gespenster. C.F.Meyer
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tiramisusi
antwortete am 23.10.03 (13:23):
oh schööön :-) Ich kliebe Schwedisch! Hier mein spanisches Lieblingsgedicht, es ist von Federico Garcia Lorca und stammt aus dem "Canto Jondo" Zyclus:
LA CASADA INFIEL (Die untreue Ehefrau) Y yo que me la lleve al río creyendo que era mozuela, pero tenía marido.
Fue la noche de Santiago y casi por compromiso. Se apagaron los faroles y se encendieron los grillos. En las últimas esquinas toque sus pechos dormidos, y se me abrieron de pronto como ramos de jacintos. El almidón de su enagua me sonaba en el oído como una pieza de seda rasgada por diez cuchillos.
Sin luz de plata en sus copas los árboles han crecido y un horizonte de perros ladra muy lejos del río.
*
Pasadas las zarzamoras, los juncos y los espinos, bajo su mata de pelo hice un hoyo sobre el limo. Yo me quité la corbata. Ella se quito el vestido. Yo, el cinturón con revólver. Ella, sus cuatro corpiños. Ni nardos ni caracolas tienen el cutis tan fino, ni los cristales con luna relumbran con ese brillo.
Sus muslos se me escapaban como peces sorprendidos, la mitad llenos de lumbre, la mitad llenos de frío. Aquella noche corrí el mejor de los caminos, montado en potra de nácar sin bridas y sin estribos.
No quiero decir, por hombre, las cosas que ella me dijo. La luz del entendimiento me hace ser muy comedido. Sucia de besos y arena, yo me la llevé del río. Con el aire se batían las espadas de los lirios.
*
Me porté como quien soy. Como un gitano legítimo. Le regalé un costurero grande, de raso pajizo, y no quise enamorarme porque teniendo marido me dijo que era mozuela cuando la llevaba al río.
Übersetzung auf Wunsch nächste Woche, wenn ich wieder da bin.Es ist eines der sinnlichsten Gedichte, die es in spanischer Sprache gibt. Es erzählt ein kleines Liebesabenteuer eines Zigeuners, dem eine junge Frau gesagt hat, dass sie ledig sei - später aber, als die beiden am Fluss sind, gesteht sie, dass sie verheiratet ist ..
Er beschreibt die sinnlichen Laute eben dieser untreuen Ehefrau, "als ob ein Stück Seide mit zehn Messern zerschnitten wird" und unvergleichlich, in wenigen Worten, beschreibt er den Duft, der sich unter einer langen Haarpracht im Nacken in der feuchten kleinen Mulde unter dem Haaransatz bildet...
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Sofia204
antwortete am 23.10.03 (16:18):
und gibt es bis dahin vielleicht eine Übersetzung zu dem Gedicht an Medea.?
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tiramisusi
antwortete am 23.10.03 (16:42):
die hat freund iustitia schon druntergesetzt :-) es ist ein kaschubisches weihnachtslied
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hl
antwortete am 23.10.03 (16:52):
Die pflichtvergessene Frau durch Federico Garcia Lorca
So nahm ich sie zum Fluß glaubend war sie ein Erst, aber sie hatte bereits einen Ehemann. Er war auf Nacht Str. James und fast, als ob ich zu verbunden wurde. Die Laternen erloschen und die Kricket beleuchteten oben. In den weitesten Straßenecken Ich berührte sie Schlafenbrüste und sie öffneten sich zu mir plötzlich wie Spitzen der Hyazinthe. Die Stärke ihres Petticoat geklungen in meinen Ohren wie ein Stück Seide Miete durch 10 Messer. Ohne silbernes Licht auf ihrem Laub die Bäume waren größer gewachsen und ein Horizont der Hunde sehr gebellt weit von den Fluß.
Hinter den Brombeeren die Schilfe und das hawthorne unter ihren Block des Haares Ich bildete eine Höhle in der Masse Ich entfernte meinen Riegel, sie auch weg von ihrem Kleid. I, mein Riemen mit dem Revolver, Sie, ihre vier Mieder. Noch nard noch Mutter-o'-Perle haben Sie Geldstrafe der Haut so, noch Glas mit Silber Shine mit solcher Helligkeit. Ihre Schenkel glitten weg von mir Gleiches startled Fische, beinahe voll vom Feuer, beinahe voll von der Kälte. Diese Nacht lief ich auf dem besten der Straßen angebracht an einer nacrestute ohne Zaumsteigbügel.
Als Mann wiederhole ich nicht die Sachen, die sie zu mir sagte. Das Licht des Verstehens hat mich diskreter gebildet. Geschmiert mit Sand und Küssen Ich nahm sie weg vom Fluß. Die Klingen der Lilies gekämpft mit der Luft.
Ich benahm mich wie was ich bin, wie ein korrekter Zigeuner. Ich gab ihr einen großen Nähenkorb, von Stroh-farbigem Satin aber ich verliebte nicht für, obgleich sie einen Ehemann hatte sie erklärte mir, daß sie ein Erst war als ich sie zum Fluß nahm.
google-Übersetzung *g*
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tiramisusi
antwortete am 23.10.03 (17:40):
*hintenüberkipp* oh HL... herrlich..ich brech zusammen :)) danke, selten so gelacht ...LOL vielleicht schaff ichs mit der übersetzung heute nacht noch, habe nur viel arbeit ab 20h und muss eine nachtschicht machen und eine datenbank beim kunden einrichten - ächz
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hl
antwortete am 23.10.03 (17:47):
würde mich freuen, denn selbst die vergoogelte Übersetzung verspricht ein gutes Gedicht
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aknediw
antwortete am 24.10.03 (22:44):
Kassenhass Ein Mann, der eine ganze Masse Gezahlt hat in die Krankenkasse, Schickt jetzt die nötigen Papiere, Damit auch sie nun tu das ihre. Jedoch er kriegt nach längrer Zeit statt baren Gelds nur den Bescheid, Nach Paragraphenziffer X Bekomme er vorerst noch nix, Weil, siehe Ziffer Y, Man dies und das gestrichen schon, So daß er nichts, laut Ziffer Z, Beanzuspruchen weiter hätt. Hingegen heißt's, nach Ziffer A, Daß er vermutlich übersah, Daß alle Kassen, selbst in Nöten, Den Beitrag leider stark erhöhten Und daß man sich, mit gleichem Schreiben, Gezwungen seh, ihn einzutreiben. Besagter Mann denkt, krankenkässlich, In Zukunft ausgesprochen häßlich.
Eugen Roth
Ist heute noch genau so. Adolf
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eika
antwortete am 25.10.03 (15:53):
Die große Fracht
Die große Fracht des Sommers ist verladen, das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit, wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit, die große Fracht des Sommers ist verladen.
Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit, und auf den Lippen der Galionsfiguren tritt unverhüllt das Lächeln der Lemuren, das Sonnerschiff im Hafen liegt bereit.
Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit, kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken; doch offnen Auges wirst du im Licht ertrinken, wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.
Ingeborg Bachmann
Für dieses Gedicht erhielt sie 1953 den Preis "Gruppe 47". Sie starb bei einem Brandunfall in Rom vor 30 Jahren.
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eika
antwortete am 01.11.03 (12:17):
Wer kommt?
Novemberschwärze vor verwaschnem Hell: die letzten Sonnenblumen stehen schwarz Modell. Seitab verglühen restlich Hagebutten. Weil oben, nässen Bäume ohne Kutten.
Gestaffelt und vereinzelt, auch der Nußbaum leer. Fern übt mit Waffenschein ein einsames Gewehr. Den häßlich kleinen Unterschied vertuscht der Nebel. Ach, wüßt ich dem Adventsgebrüll doch einen Knebel.
Wer kommt, ist da, multipliziert? Im Radio angekündigt, nur wie üblich, ein Orkan, der seine Wut gewöhnlich unterwegs verliert. Vor jähem Frost geschützt der blanke Wasserhahn, verschnürt die Päckchen, fertig zum Versand; demnächst droht Weihnacht dem Novemberland.
Günter Grass
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Medea.
antwortete am 01.11.03 (18:59):
Liebe tiramisusi liebe justitia -
gerade sehe ich in das Kapitel Gedichte und finde ein Gedicht in kaschubischer Sprache - ich bedanke mich sehr bei Euch beiden - einmal für das Einsetzen und zum anderen für das "Übersetzen" ... .-)
(hat da auch ein wenig Madame goggle mitgewirkt? ;-) )
Seit meiner Schwiegermutter und Günter Grass (Blechtrommel) habe ich es ja mit den Kaschuben - und häufig das Liedchen "Wo kommen denn all' die Kaschuben her, es sind so viele wie Sand am Meer..." im Ohr. Leider habe ich sie damals nie nach dem vollständigen Text gefragt und nun ist sie schon so viele Jahre unter der Erde .... Ihr habt mir beide eine Freude gemacht - und dafür bedanke ich mich.
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Medea.
antwortete am 01.11.03 (19:07):
Nähe des Geliebten
Ich denke Dein, wenn mir der Sonne Schimmer vom Meere strahlt, ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer in Quellen malt. Ich sehe Dich, wenn auf dem fernen Wege der Staub sich hebt; in tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen die Welle steigt. Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen, wenn alles schweigt. Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. - Oh, wärst du da!
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poetax
antwortete am 01.11.03 (21:35):
Allerseelen
Urnen füllen sich und Krüge mit der Jahre grünem Moose. Es verliert im Busch der Weg sich, es verwilderte die Rose.
Rost stürzt durch die Tür der Grüfte, wo die Gräser fröhlich sprießen, Schloss und Riegel bröckeln nieder. Was ist hier noch zu verschließen?
Nutzlos sind die Lebenslettern denen, die so tief hier schlafen. Namen lösen sich und Zahlen von den alten Epitaphen.
An den Steinen, die zerfallen, an den Kreuzen, die sich neigen, merkst du, dass die Totenklagen längst geheilt sind durch das Schweigen.
Denn es löst die Zeit die Schmerzen, die uns bleiben als Vermächtnis. Länger währt das Reich der Toten als der Lebenden Gedächtnis.
[Friedrich Georg Jünger 1898-1977] .
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Medea.
antwortete am 02.11.03 (07:54):
Leider ist "Nähe des Geliebten" nicht von mir. ;-) Habe vergessen, den ollen Goethe einzusetzen, also: von Johann Wolfgang von Goethe.
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poetax
antwortete am 07.11.03 (22:09):
Reklame Wohin aber gehen wir ohne sorge sei ohne sorge wenn es dunkel und wenn es kalt wird sei ohne sorge aber mit musik was sollen wir tun heiter und mit musik und denken heiter angesichts eines Endes mit musik und wohin tragen wir am besten unsre Fragen und den Schauer aller Jahre in die Traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge was aber geschieht am besten wenn Totenstille eintritt (Ingeborg Bachmann) .
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tiramisusi
antwortete am 08.11.03 (18:00):
ich hatte es ja versprochen .. hier eine eigene übersetzung des gedichts von garcia lorca "la casada infiel" - solltet ihr es mal anders übersetzt irgendwo finden - da hab ich nicht abgeschrieben :-))
Und ich, der sie mit sich nahm zum Fluss, glaubte, sie wäre ledig, aber sie hatte einen Ehemann.
Es war die Nacht auf St. jakob und fast als hätten sie sich mit mir verbündet, erloschen die Laternen und die Grillen begannen zu leuchten. Bis in die äussersten Winkel berührte ich ihre schlafenden Brüsten und sie öffneten sich mir wie Knospen von Hyazinten. Die Stärke ihres Petticoats raschelte an meinem Ohr wie ein Stück Seide das man mit zehn Messern zerschneidet.
Ohne Silberlicht in ihren Kronen schienen die Bäume noch höher und ein Horizont von Hunden bellte weit weg vom Fluss.
Hinter den Himbeersträuchen, dem Schilf und dem Weissdorn baute ich uns ein Lager, leicht feucht und duftend wie in der Mulde unter ihrem schweren Haar
Ich legte meinen Gürtel ab, sie ihr Kleid - Ich den Koppel mit dem Revolver. Sie ihre vier Mieder: Keine Narde und keine Perlmutt waren dieser zarten Haut gleich und kein Kristall im Mondlicht leuchtet mit diesem Glanz.
Ihre Schenkel entwischten mir wie erschrockene Fische halb voller Glut, halb voller Kälte. In dieser Nacht folgte ich dem besten aller Pfade! Rittlings reitend auf dieser Stute ohne Zügel und ohne Steigbügel...
Ich werde - bei meiner Ehre nicht widerholen, was sie mir flüsterte. Das Funkeln des Verstehens liessen mich zurückhalten. Besudelt von Küssen und von Sand führte ich sie wieder fort vom Fluss und die Schwertlilien kämpften mit dem Wind.
Ich schenkte ihr einen grossen Nähkorb aus strohfarbenem Satin aber ich verliebte mich nicht in sie, denn sie hatte schon einen Ehemann. Aber sie sagte mir, sie sei frei als ich sie mit mir nahm, zum Fluss.
Anmerkung: sehr schön finde ich seine kleine Anspielungen auf das Hohelied Salomos, wie zB: "Was dir entsprosst, ist ein Lustgarten von Granatapfelbäumen samt köstlichen Früchten, Hennasträuchern samt Narden"
Demnächst mehr von Spaniens grösstem Poeten
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lola
antwortete am 09.11.03 (09:58):
Herbstbeginn - Hermann Hesse (1877-1962)
Der Herbst streut weiße Nebel aus, Es kann nicht immer Sommer sein! Der Abend lockt im Lampenschein Mich aus der Kühle früh ins Haus.
Bald stehen Baum und Garten leer, Dann glüht nur noch der wilde Wein Ums Haus, und bald verglüht auch der, Es kann nicht immer Sommer sein.
Was mich zur Jugendzeit erfreut, Es hat den alten frohen Schein Nicht mehr und freut mich nimmer heut - Es kann nicht immer Sommer sein.
O Liebe, wundersame Glut, Die durch der Jahre Lust und Mühn Mir immer hat gebrannt im Blut - O Liebe, kannst auch du verglühn?
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poetax
antwortete am 12.11.03 (13:38):
Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind
Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind. Sankt Martin ritt mit leichtem Mut, sein Mantel deckt ihn warm und gut.
Im Schnee da saß ein armer Mann, hatt' Kleider nicht, hatt' Lumpen an. "O helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod!"
Sankt Martin zieht die Zügel an, das Ross steht still beim armen Mann. Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.
Sankt Martin gibt den halben still, der Bettler rasch ihm danken will. Sankt Martin aber ritt in Eil hinweg mit seinem Mantelteil.
Sankt Martin legt sich müd' zur Ruh, da tritt im Traum der Herr dazu. Er trägt des Mantels Stück als Kleid, sein Antlitz strahlet Lieblichkeit.
Sankt Martin sieht ihn staunend an, der Herr zeigt ihm die Wege an. Er führt in seine Kirch' ihn ein, und Martin will sein Jünger sein.
Sankt Martin wurde Priester gar und diente fromm an dem Altar, das ziert ihn wohl bis an das Grab, zuletzt trug er den Bischofsstab.
Sankt Martin, o du Gottesmann, nun höre unser Flehen an, o bitt für uns in dieser Zeit und führe uns zur Seligkeit.
Volkslied aus dem Rheinland, 20.Jh.
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hl
antwortete am 13.11.03 (15:45):
Louise Otto-Peters (1819-1895)
Nebel
Es lagert rings umher ein grauer Flor - Ich weiß es nicht: bricht noch die Sonn' hervor? Wird dieser Nebel heut sie ganz verhüllen? Und ob er steigt, und ob er niederfällt? So frag' ich wohl - doch schweigend ruht die Welt Und Flur und Thal mit Dunst sich füllen.
Es dampft der Wald, ein rauchender Altar, Einsam darüber kreist ein scheuer Aar, Er möchte gern empor zur Sonne steigen - Doch nur ein matter Punkt im Aethermeer Erscheint sie heut, sonst alles grau umher - Unheimlich bang ist dieses Schweigen!
Ein Bild der Zeit! Ein Nebel schließt uns ein - Kein Wetter tobt, es glänzt kein Sonnenschein - Die Welt gehüllt in eine weite Wolke! Kein Adlerblick erspäht der Sonne Glanz - Der Freiheit Sonne - sie verhüllt sich ganz - Ein dumpfes Schweigen rings im Volke.
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marie2
antwortete am 13.11.03 (16:38):
Es gibt noch Wunder Es gibt noch Wunder, liebes Herz, getröste dich! Erlöste dich noch nie ein Stern aus deinem Schmerz? Das Strahlenspiel vom hohen Zelt in deiner Qualen Tiefe fiel und sprach; "Sieh, wie ich zu dir kam vor allen andern ganz allein! Bin ich nicht dein? Getröste dich!" Erlöste dich noch nie ein Stern? Christian Morgenstern
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poetax
antwortete am 15.11.03 (21:08):
Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern find'st du nit. Die Trommel schlug zum Streite, er ging an meiner Seite in gleichem Schritt und Tritt, in gleichem Schritt und Tritt.
Eine Kugel kam geflogen, gilt's mir oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen, er liegt mir vor den Füßen, als wär's ein Stück von mir, als wär's ein Stück von mir.
Will mir die Hand noch reichen, derweil ich eben lad' "Kann dir die Hand nicht geben, bleib' du im ew'gen Leben, mein guter Kamerad, mein guter Kamerad."
[Ludwig Uhland] .
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poetax
antwortete am 22.11.03 (21:32):
ich liebe das Novembergelb den Morgentau auf Spinnenfäden, der kurzen Tage stummes Reden, das Blatt, das nichts am Baum mehr hält der Krähe Ruf, das Stoppelfeld - mehr als des Frühlings Drang und Hast ist es der Herbst, der zu mir passt .
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ianna
antwortete am 23.11.03 (00:22):
Herbst-Melancholie
Mir welkt kein Garten: Ich habe keinen. Kein Haus, durch das Novemberwinde weinen. Mir tut das schwärzeste Gewölk nicht weh, Weil ich so selten nur den Himmel seh.
Ich ziel nicht mehr auf goldne Himmelssterne, Mich tröstet eine kleine Gaslaterne. Mich täuscht kein Glück, enttäuscht kein Warten. Mich schmerzt kein Herbst, Mir welkt kein Garten...
Mascha Kaléko
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