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THEMA:   Literatur der Russen (Forsts.): Gogol

 1 Antwort(en).

iustitia begann die Diskussion am 06.10.03 (10:46) mit folgendem Beitrag:

Gestern, zu spät entdeckt von mir: hr, um 22.40 h: "Russland lesen" (eine Wiederholung habe ich noch nicht gefunden); da habe ich mir später Nicolai Gogol vorgenommen:
Und hier die Einleitung aus Gogols "Die Nase":
(Übersetzung von Dorothea Trottenberg)

Am 25. März trug sich in Petersburg ein außerordentlich sonderbarer Vorfall zu. Der Barbier lwan Jakowlewitsch, wohnhaft am Wosnessenskij-Prospekt (sein Familienname ist verlorengegangen, und selbst auf seinem Aushängeschild, das einen Herrn mit eingeseifter Wange und der Aufschrift »Wir lassen auch zur Ader« zeigt, ist nichts weiter angegeben), der Barbier Iwan Jakowlewitsch also erwachte ziemlich früh und roch den Duft von warmem Brot. Als er sich ein wenig im Bett aufrichtete, sah er, daß seine Gemahlin, eine ziemlich respektable Dame, die überaus gerne Kaffee trank, gerade frisch gebackene Brote aus dem Ofen zog.
»Heute werde ich keinen Kaffee trinken, Praskowja Ossipowna«, sagte Iwan Jakowlewitsch, »aber statt dessen möchte ich warmes Brot mit Zwiebeln essen.« (Das heißt, Iwan Jakowlewitsch hätte gern das eine wie das andere gehabt, wußte jedoch, daß es völlig unmöglich war, zwei Dinge gleichzeitig zu verlangen, da Praskowja Ossipowna derartige Kapricen gar nicht schätzte.)
»Soll der Dummkopf nur Brot essen; um so besser für mich«, überlegte die Gemahlin im stillen, »so bleibt eine Portion Kaffee übrig.« Und sie warf ein Brot auf den Tisch.
Iwan Jakowlewitsch zog anstandshalber seinen Frack über das Hemd, setzte sich an den Tisch, streute ein Häufchen Salz auf, legte zwei Zwiebelknollen bereit, nahm ein Messer in die Hand und machte sich mit gewichtiger Mienen daran, das Brot zu schneiden. Nachdem der das Brot in zwei Hälften geteilt hatte, besah er sich das Innere und erblickte zu seinem Erstaunen etwas weiß Schimmerndes. Iwan Jakowlewitsch stocherte behutsam mit dem Messer daran herum und betastete es mit dem Finger. »Etwas Hartes?« sagte er vor sich hin. »Was könnte das nur sein?«
Er steckte seine Finger tiefer hinein und zog - eine Nase heraus! Iwan Jakowlewitsch ließ die Arme sinken, er rieb sich die Augen und fühlte erneut mit dem Finger: eine Nase, wahrhaftig eine Nase! Und obendrein kam sie ihm bekannt vor. Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht von Iwan Jakowlewitsch. Dieses Entsetzen jedoch war nichts gegen die Empörung, die seine Gemahlin ergriff.
»Wo hast du die Nase abgeschnitten, du Bestie?« schrie sie voller Zorn. »Spitzbube! Trunkenbold! Ich werde dich selbst bei der Polizei anzeigen. So ein Räuber! Schon von drei Leuten habe ich gehört, daß du während der Rasur so an der Nase zerrst, daß sie kaum dran bleibt.«
Iwan Jakowlewitsch aber war halb tot vor Schreck. Er hatte erkannt, daß diese Nase niemand anderem als dem Kollegienassessor Kowaljow gehörte, den er jeden Mittwoch und Sonntag rasierte.
»Halt ein, Praskowja Ossipowna! Ich wickle sie in einen Lappen und lege sie in die Ecke. Soll sie dort ein wenig lie-gen, und später trage ich sie hinaus.«
»Davon will ich nichts hören! Ich sollte erlauben, daß bei mir im Zimmer eine abgeschnittene Nase herumliegt? ... Herzloser Kerl! Kann nur in einem fort mit dem Rasiermesser über den Riemen fahren, aber seine Pflicht zu erfüllen ist er bald überhaupt nicht mehr imstande. Vagabund, Nichtsnutz! Soll ich vielleicht noch bei der Polizei für dich einstehen? ... Ach, du Schmutzfink, törichter Klotz! Fort damit! Fort! Bring sie, wohin du willst! Daß sie mir nur nicht mehr unter die Augen kommt!" (...)
(Aus: N. Gogol: Die Nase. Übersetzt von Dorothea Trottenberg. Stuttgart 1997: RUB 9628. S. 5) * Kennt jemand noch andere Übersetzungen?



Ebba antwortete am 06.10.03 (17:24):

Gogol habe ich erst kürzlich wieder mal gelesen, unter anderem *Die Nase" übersetzt von Sigismund von Radecki mit Zeichnungen von Alfred Kubin, Diogenes Verlag 1966

Es ist ganz interessant, die Unterschiede in der Übersetzung miteinander zu vergleichen. Natürlich kann ich nicht beurteilen, welche Übersetzung treffender ist.