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THEMA: Christlich-jüdischer Religionsdisput - im Mittelalter
1 Antwort(en).
Antonius
begann die Diskussion am 27.02.03 (00:46) mit folgendem Beitrag:
Eine Geschichte, mehr als ein jüdischer Witz, ein Schwank; ein Freund hat ihn mir erzählt, weil ich immer so gern die Figur von "Nathan dem Weisen" mit dem Toleranzgebot zitiere. Es geht im Kerne um eine Religionsdisputation, wie sie bei GOOGLE für typisch im "Goldenen Zeitalter" in West-Galizien waren. Kennt jemand solche Beispiele in Sammlungen jüdischer Witze. (Bei S. Salzmann habe ich keins gefunden.)
In einer spanischen Stadt zur Zeit der maurischen Herrschaft. Der arabische Sultan wird von den Christen immer wieder gedrängt, die Juden der Stadt zu verweisen. Der Herrscher geht nicht gerne darauf ein und verlangt nach einer öffentlichen Disputation über den wahren Glauben. Der Tag des angesagten Disputs rückt immer näher, und keiner der jüdischen Rabbiner im Ghetto ist bereit, die Gemeinde zu vertreten. Da meldet sich Jankel, der Wasserträger, und sagt: "Wenn keiner Gelehrten will, dann will ich es wohl versuchen!" Alle sind entsetzt: Soll ein Arbeiter sich mit dem katholischen Bischof auf eine Diskussion einlassen? Aber da sich kein Gelehrter meldet, beschließt man, den Jankel zu schicken, ihn als Rabbiner zu kleiden und - zu beten, dass ein Wunder geschieht. Der Bischof hat mit dem Herrscher die Spielregeln schon abgemacht: Der Disput wird wortlos gehalten, nur die Gesten sollen "sprechen", und es soll sich um drei Probleme drehen. Wer verliert, soll die Stadt verlassen. Der Bischof beginnt, indem er einen Finger hebt. Sofort protestiert Jankel heftig mit zwei Fingern. Dann erhebt der Bischof seine offene Hand gegen Jankel; und der zeigt die geschlossene Faust. Schließlich hebt der Bischof ein Glas Rotwein, worauf Jankel ein Stückchen Ziegenkäse aus seinem Beutel nimmt. Da erklärt sich der Bischof geschlagen und sagt zerknirscht, der Jude habe alle drei Punkte treffend widerlegt und damit den Disput gewonnen. Große Bestürzung bei den Christen. Und er Herrscher fordert den Bischof auf, die Disputation zu erklären. Da nennt der Bischof den Juden als einen großen Theologen und gibt die theologische Argumentation wieder: Zuerst habe er einen Finger gehoben, um zu zeigen, daß die Christen an einen Gott glauben. Da habe der Jude zwei Finger gehoben und damit bewiesen, daß die Christen an Vater und Sohn glauben und das Christentum in Wirklichkeit keine monotheistische Religion sei. Dann habe er, der Bischof, seine gespreizte Hand gehoben, um zu zeigen, daß die Juden von Gott über das ganze Erdenrund zerstreut wurden, wie die fünf Finger seiner Hand die von Gott gewollte Diaspora darstellten, und es werde auch für immer so bleiben. Doch da habe der Jude die Faust gezeigt und demonstriert, dass Gott das Volk der Juden einst wieder vereinen werde - wie die geballte Faust! Schließlich habe er den roten Wein gezeigt - Rot als die Farbe der Sünde - und damit die Juden als Sünder bezeichnet, die Christi Blut vergossen hätten. Da hat der Jude weißen Käse gezeigt, denn es heißt bei den Propheten: »Sollten auch eure Sünden rot wie funkelnder Purpur sein, so werde ich sie in weiße Wolle verwandeln.« Großer Jubel bei den Juden. Und sie tragen Jankel ins Ghetto heim. Die Rabbiner wollen nun aber wissen, wie es der unwissende Jankel geschafft hatte, den weisen Bischof zu besiegen. Dieser erklärt stolz seine Beweise: »Der Bischof begann mich zu provozieren und hob einen Finger, um anzudeuten, daß er mir im Namen Gottes ein Auge ausstechen könne. Da habe ich zwei Finger gehoben und gedroht, daß ich ihm beide Augen ausstechen kann. Dann streckte er die Hand gegen mich und drohte mir mit einer Ohrfeige. Dagegen setzte ich meine große Faust, zum Beweis dass ich mit geballter Kraft zurückschlagen würde. Als er gesehen hat, daß ich keine Angst vor ihm habe, hat er sich mit mir versöhnen wollen und mich zum Rotwein eingeladen. Nun, da wollte ich mich nicht lumpen lassen und habe in die Tasche gegriffen und ein Stück Käse dazu hergegeben, denn zu rotem Wein schmeckt wohl ein hartes Stück Schafskäse.« Übrigens: Die Christen brauchten die Stadt nicht zu verlassen; später haben sie die Inquisition nach Spanien geholt.
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Medea.
antwortete am 27.02.03 (07:50):
Mich hat beeindruckt, wie aus Mißverständnissen auch Gutes entstehen kann, wenn die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz ist.
Medea.
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