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THEMA:   Zufall und Wesen

 14 Antwort(en).

Frieder begann die Diskussion am 20.02.03 (11:07) mit folgendem Beitrag:

Was ist ein Wesen.
Hier in den Foren war zu lesen, daß amerik. Wissenschaftler ein Bakterium kreiert haben, bestehend aus 12 Aminosäuren. -- Ein neues Wesen?
Dabei fällt mir ein Gedicht von Angelus Silesius ein:

Zufall und Wesen
Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
So fällt der Zufall weg, das Wesen besteht.

Was meint der Dichter mit - "werde wesentlich"
Was meint er mit - "... fällt der Zufall weg, das Wesen besteht"


sofia204 antwortete am 20.02.03 (11:51):

Frieder,
in einem anderen Thread spricht Wolfgang am 15.1.03 15:48
von bisher 20 Aminosäuren - jetzt neu 21.

Das Wesen , von dem Angelus Silesius spricht,
vergeht vielleicht nicht am körperlichen Dasein ?


Marianne antwortete am 20.02.03 (14:27):

Das Wesen des Menschen besteht ! Du kannst Dir jetzt ausmalen, worin es besteht. Es stirbt ja nie die Menschheit auf einmal. Ich schränke ein: auch das scheint angesichts der neuen Vernichtungsmaschinerie nicht unmöglich.

Der Mensch vergeht - und zwar oft von den Hinterbliebenen
als Zufall interpretiert.

Stirb und werde !


Marianne antwortete am 20.02.03 (14:31):

Meiner Meinung nach meint Silesius mit dem Aufruf" Mensch, werde wesentlich!", dass sich jeder Einzelne auf das Menschliche in sich besinnen soll.

Wobei sich Katz dann wieder in Schwanz beißt, denn - siehe vorigen Beitrag von mir - die Frage, was das Wesen des Menschen ausmacht, ist dadurch nicht beantwortet.

Möchte ich auch erst gar nicht versuchen.


schorsch antwortete am 20.02.03 (17:39):

Ich denke, Wesen hat mit wesentlich herzlich wenig zu tun. Statt "wesentlich" könnte zum Beispiel auch "hauptsächlich" stehen. "Wesentlich" kann aber auch an einem Apparat, einem Auto, einem Menschen oder einem Baum das sein, das unabdingbar ist für sein Funktionieren.


Medea. antwortete am 20.02.03 (19:18):

Mir fallen dazu die Erdwesen, Feuerwesen, Luftwesen und Wasserwesen ein. Sie sind wohl Geistern gleichzusetzen. Ich glaube, in jedem von uns steckt solch ein Wesen.

Medea.


henner antwortete am 20.02.03 (19:18):

,,,sitzt ein mit Lendenschurz bekleidetes männliches Wesen mit Steinaxt auf einem umgestürzten Urwaldriesen neben einem kleineren Wesen gleicher Gattung und sagt.Genau hier,mein Sohn,soll vor vielen tausend Jahren eine große,große Stadt gestanden haben,,,Berlin soll sie geheißen haben,,,,,,, ©ªL

hab ich glaub ich,vor ca 30 Jahren in einer Satirezeitschrift als Bild gesehn.


Marianne antwortete am 20.02.03 (19:20):

Henner,
keck und selbstbewusst, so hast du einmal hier im Forum die Berliner völlig richtig charakterisiert.
Wir sagen zwar lieber, wir hätten Herz mit Schnauze, sind aber eben nicht so vornehm und zurückhaltend wie die Mecklenburg – Vorpommerer.
Und im Betrachten Deines wesentlichen Beitrages zum Wesen der Rückbesinnung des Menschen auf sein Handeln (Angelus Silesius) muss ich mich mit einem breiten Lächeln der Zustimmung mit Dir einverstanden erklären. Hauptsache ist, der Mann mit der Keule ist Berliner.
Denn Männer und Frauen mit Keulen haben in den Jahren des Kalten Krieges bewirkt, dass das Leben weiterging und so ganz nebenbei ihren „Ostschwestern und Brüdern“ Hoffnung gemacht.
Und das haben sie mit den Keulen des Humors erreicht.
„Der Insulaner verliert die Ruhe nicht“
Und das wenigstens scheinen Schnauzen mit Fischköppen gemein zu haben.


schorsch antwortete am 21.02.03 (10:41):

Ach wenns doch bei der Wort-Keule bliebe....

Da hat mal ein Affe gemerkt, dass man mit einem Holzstück Nüsse aufklopfen kann;

dann haben das die anderen Affen übernommen;

dann hat mal ein Affe dem anderen das Holzstück auf die Finger gehauen, weil Affe Alpha ihm eine Nuss klauen wollte;

dann hat Affe Alpha dem Affen Betha eins über den Schädel gehauen;

dann kamen Kain und Abel;

dann kam der Erste Weltkrieg;

dann kam der Zweite Weltkrieg;

dann kam der Dritte Weltkrieg;

dann kam.........das grosse Finale?

Nein, denn dann merkte ein Affe, dass man mit einem Holzstück Nüsse aufklopfen kann..........


Frieder antwortete am 21.02.03 (21:44):

Nun will ich auch mal versuchen, - wenn es mir auch nicht so heiter und locker wie oben gelingen wird - meinen Senf dazu zu geben.
Silesius sagte: "...wann die Welt vergeht,....das Wesen, das besteht".
Das heißt doch, wenn das Wesen bestehen bleibt, so muß es von anderer Art als Erde und Himmel sein.
Folglich müßte das °Wesen° zuerst vorhanden sein. Warum?
Zum Wesen -- ich nenne es einfach mal Substanz -- kommt etwas "zufällig" hinzu, und das ist die hier die Welt.
Silesius sagte ja: "...wenn die Welt vergeht, so fällt der °Zufall° weg".

Also, der Begriff °Wesen° wird hier in einem anderen Sinn benützt.
Es muß erst etwas "Sein" (hier, das Wesen), bevor etwas "Seiendes"
(hier, die Welt) entsteht, ich glaube, so sagte es der Philos. Heidegger.

Um das Ganze etwas greifbar zu machen - dazu ein etwas hinkendes Spiel.
Wenn ich mir selbst eine Schneeschaufel (das Seiende) bastle, dann muß ich zuvor die Vorstellung haben, daß ich nur schaufeln kann, wenn ich mit meinem Werkzeug unter den Schnee fahre und ihn hochheben kann, dies ist ganz °wesentlich°. -- Silesius: "..Mensch werde wesentlich"

Ich hoffe, die Philosophen unter den Lesern, verziehen jetzt nicht gar zu grimmig das Gesicht. Doch für jede Richtigstellung bin ich aufgeschlossen.

Grüße von Frieder


Marianne antwortete am 21.02.03 (23:02):

Na ja, Freund Frieder!

Dieser idealistische Denkansatz ist mir fremd. Ich bin philosophisch dem historischen Materialismus verpflichtet- und wissenschaftlich dem Empirismus.

Da kannst Du von mir nicht allzu viel Verständnis für Deinen Denkansatz finden.

Ganz als Spaß gemeint: Denk Du an das Wesen der Schaufel, ich denke daran, was ich mit ihr tun kann.


Frieder antwortete am 22.02.03 (12:13):

Liebe Marianne, du schreibst, daß Du an meinem Denkansatz nicht all zuviel Verständnis finden kannst. Dies macht mich neugierig, denn ich möchte gerne wissen, wo ich falsch denke. Denn ich stehe da allein in dem großen Labyrinth des philos. Denkens. Würdest Du mir dabei helfen?

Mit dem Beispiel der °Schneeschaufel° wollte ich aufzeigen, daß ich eine konkrete Sache erst gestalten kann, wenn mir die Form, die Idee, die Essenz, das Wesen zuvor bewußt ist.
Es muß das °Sein° dem °Seienden° voraus vorhanden sein.

Was ich unter dem Begriff °Wesen° verstehe noch ein Beispiel.
Gegenüber sehe ich ein blau gestrichenes Haus. Ein realer Gegenstand.
Eine sinnliche Wahrnehmung. In der Farbe °blau° sehe ich jedoch nicht nur "dieses" blau, sondern auch die Idee, die Wesenheit, die allem blau
zugrunde liegt.

Gruß Frieder


sofia204 antwortete am 22.02.03 (12:26):

lieber Frieder,
ich sehe eine Tasse und also wird das Tassenhafte nicht mehr vergehen.
Oder: Schorsch sagte einmal in einem anderen Thread:
wie sähen die Stühle aus, wenn wir die Kniescheiben hinten hätten :-)


Marianne antwortete am 22.02.03 (16:08):

Lieber Frieder, ich schrieb Dir, dass mir der idealistische Denkansatz fremd ist, nicht dass ich nicht verstehe, worum es Dir geht.

Das sind doch uralte Fragen der Philosophie: Was war zuerst da, das Ding oder die Vorstellung vom Ding.

Wenn es die Vorstellung vom Ding an sich gäbe ( Wesen), dann fände ich Deine Frage nachdenkenswert. Ich habe mich aber zu einer philosophischen Denkweise bekannt, die nicht nach den Wesenhaftigkeiten an sich fragt, sondern die (benannten) Dinge zunächst als vorhanden betrachtet, um sie dann in, in der Realität erfahrbare und überprüfbare Systeme einzuordnen.

Und so kann ich Dir nur ein wenig hilflos sagen, dass ich in meinem Leben immer mehr nach Ursachen und Wirkungen von Handlungen oder auch wissenschaftlichen Entdeckungen gefragt habe. Deine Probleme waren nie meine. Und das ist jetzt ganz lieb gesagt und gemeint.

Aber vor einigen Tagen lief hier eine Debatte über das hypothetische Konstrukt Wahrheit. Da haben sich zwei Herren - ich schätze es so ein - ganz im Sinne Deines theoretischen Ansatzes geäußert. Vielleicht findest Du dort Hilfe.


sienna antwortete am 28.02.03 (11:00):

Für mich bedeutet die Aussage Silesius', dass der Mensch, der die wesentlichen Dinge schätzt UND danach lebt, Hoffnung hat auf die Unsterblichkeit seiner Seele. Ich benutze bewusst das Wort Seele, denn ich finde das Wort Wesen ist zweideutig.
Wer gierig, geizig, rachsüchtig, machtsüchtig, lieblos ist, konsumgüter vergöttert, usf. der hat demnach keine Seele. Und da die genannten Eigenschaften als teuflisch gelten und der Teufel als seelenlos bezeichnet wird, macht das Sinn.Ein gutes Beispiel ist ein Mensch, der reich und adlig geboren, sich für wichtiger hält, als den Bettler auf der Straße. In seinem irdischen Dasein traf ihn das Glück oder der Zufall reich zu sein. Ist sein Leben jedoch zu Ende wird sein(e) Wesen (Seele) nicht weiter bestehen. Denn die wesentlichen Dinge blieben seinen Augen und seinem Herzen verschlossen.