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THEMA:   Lust auf eine Sonntagsgeschichte...?

 15 Antwort(en).

Antonius begann die Diskussion am 05.02.03 (22:03) mit folgendem Beitrag:

Wer diesen Anfang einer "Sonn(-en)tagsgeschichte" weiterschreiben möchte...?
Es würde mich freuen, unterschiedliche Beispiele zu bekommen:

Die Morgenandacht im Radio war orgeldröhnend zu Ende gegangen. Amen! Der liebe Gott war immer noch ein tüchtiger Mann. Halleluja! dachte Wladek Zimmermann......
....


MariaM. antwortete am 06.02.03 (03:19):


...Und ging in die Küche. Während er den Toast in Gang setzte, ließ ihn die Predigt nicht los. Nie wieder Krieg! Hatte er nicht schon einmal diesen leidenschaftlichen Aufruf gehört? Nie wieder Krieg! Der Toast schnellte knusperbraun nach oben.

Ja - jetzt fiel es ihm ein. Unterprima. Käthe Kollwitz. Mit leidenschaftlicher Geste läßt sie (1924) den Jungen nach Frieden schreien. Sie malt, modelliert, entwirft Flugblätter und zeichnet Plakate. Ihre Themen - die Angst aller Menschen, die Wunden des 1. Weltkrieges 1914-18. Zwei Millionen Menschen deutsche Soldaten fallen, über vier Millionen kehren - die meisten als Krüppel - verwundet zurück. "Sinnlose Opfer für einen hirnverbrannten Wahnsinn", sagt Käthe Kollwitz.

Sie haßt Krieg - auch ihr nahm er 1914 den eigenen, damals erst 22jährigen Sohn. Ihre tiefe Sehnsucht nach Frieden bleibt ungestillt. 1933 verliert die Bildhauerin und Grafikerin ihre Ämter in der Akademie für Künste in Berlin. Die Nazis entfernen ihre "entartete Kunst" aus allen deutschen Museen. 1943, ausgebombt, stirbt Käthe Kollwitz am 22.4.45 in Moritzburg bei Dresden.

Nie wieder Krieg! Wladek Zimmermann ertappt sich dabei, zu beten. Dieser verdammte Pfarrer. Er knallt seinen Toast in die Ecke. Wie tüchtig ist denn der liebe Gott? Sein Vater, niemand weiß, wo, wie und wann er starb...Einer von 1,4 Millionen Deutschen, die 63 Jahre nach Kriegsende noch immer als verschollen gelten.

Rund 30 Millionen Deutsche wurden bei Kriegsende von ihren Angehörigen als vermisst gemeldet. Über elf Millionen davon waren in Kriegsgefangenschaft (in rund 80 Ländern) geraten, konnten vom DRK-Suchdienst mit ihren Familien "zusammengeführt" werden.

Nie wieder Krieg?! Wladek Zimmermann nascht Leberwurst pur. Legt die "Gregorian"'s auf. Welche Möglichkeiten hat er denn jetzt und überhaupt? Er denkt plötzlich an die Live-Übertragung Bush/Blair (in n-tv): Ja, was macht er sich denn überhaupt Sorgen? Was appellierte der Pastor an alle Friedenswilligen? Völlig überflüssig. Nie wieder Krieg! Es gibt überhaupt keinen Krieg! Bush fordert die Welt auf: Was wir tun, tun müssen, ist - aktive Abrüstung!


Marianne antwortete am 06.02.03 (16:14):

Und er ging in das Zimmer seines Hip-Hop süchtigen Jungen und schlug alles kurz und klein.
"Ha", dachte er:.......


WANDA antwortete am 07.02.03 (08:55):

...in dem Moment tauchte der Junge auf, er sah erschrocken auf seinen Vater und rief über Handy den Notarzt. Es war Sonntag - und der Notarzt, der die Verantwortung nicht übernehmen wollte, schrieb eine Einweisung in das Krankenhaus. Hier endet die anfangs so schöne Geschichte, oder auch nicht ?


Marianne antwortete am 07.02.03 (09:44):

Nein, nein, die Geschichte endet mitnichten, denn Wladek Zimmermann, in der Psychiatrie von allen Kapazitäten wegen seines scheinbar unvernünftigen Tuns befragt und untersucht und befragt und untersucht und befragt und untersucht,schrie endlich ganz erbost- jetzt war er wirklich wütend-:"Ich habe nur nach meiner politischen Überzeugung gehandelt, ich hasse Krieg und HIP-Hop und wenn ich schon sonst keine Möglichkeit habe, will ich wenigstens aktiv abrüsten.
Wenn Sie wüßten, wie ordentlich und sauber jetzt das Zimmer meines Sohnes aussieht.

Da berieten die Fachärzte und beschlossen:


Medea. antwortete am 07.02.03 (10:53):

Offensichtlich haben wir es hier nicht mit einem Fall von Irrsinn, sondern von Leidenschaftlichkeit zu tun, die dieser Patient nicht anders kompensieren konnte, die sich Luft verschaffen mußte, dann noch die nerventötende Musik dazu - so kam es zu dieser Kurzschlußhandlung.
Wir sollten ihn jetzt entlassen mit der Auflage, sich ein Schild zu malen "Ich bin gegen jede Art von Krieg", dann kann er an der heutigen Demo in dieser Angelegenheit teilnehmen. Dort kommt er sich nicht so verlassen mit seinem Problem vor, weil er sieht, daß viele Tausende und Abertausende genauso wie er denken.


MariaM. antwortete am 07.02.03 (19:49):


Und sie liessen ihn laufen. Denn er war geheilt.
Dank exakter Diagnose! :-))) Sorry, schäme mich,
sonn(en)tägliches Thema total verfehlt. :-((


WANDA antwortete am 08.02.03 (07:14):

ja, so habe ich das auch empfunden, aber morgen ist wieder Sonntag, ein neuer Sonntag!


Medea. antwortete am 08.02.03 (11:19):

Ohje, es tut mir wirklich leid - da versuche ich mich erstmalig an einer Fortsetzungsgeschichte und bringe sie vorzeitig zum Abschluß, jedenfalls erscheint es mir so.
"Schuster bleib bei Deinen Leisten" :-)) muß ich für mich erkennen....
Sei's drum - wahrscheinlich kann ich besser lesen als schreiben :-)))
Asche über mein Haupt ...

Medea.


Marianne antwortete am 08.02.03 (16:26):

Medea

Mitnichten hast Du die Geschichte vorzeitig zu Ende gebracht.;)))

Alle wir Schreibenden haben ja eine ganz passabel zu interpretierende Geschichte zusammengebracht--- hihi, und das heißt schon was für welche, die eher lesen als schreiben können.Ich meine damit natürlich Dich und mich.
Vielleicht schließt sich Maria M auch noch der Riege der Leserinnen und nur Spaßschreiberinnen an.
Und ich denke, auch Spaßschreiberinnen können mitunter ganz was Ernstzunehmendes produzieren.

mit laienhaften Dichtergrüßen an Medea

Marianne


WANDA antwortete am 09.02.03 (08:28):

Spassschreiberinnen - ein schrecklicher Ausdruck - schreiben aus Spass, aber nicht, weil sie nichts Ernstes produzieren wollen. Man kann, weil man Spass am Schreiben hat, eine Tragödie schreiben.


pilli antwortete am 09.02.03 (09:27):

tja,
das sind sie die spätberufenen spaßschreiberinnen einer spaßgesellschaft...

und vor lauter spaß besteht keine chance "sonnentage" zu bemerken da wird fröhlich motiviert durch die orgeldröhnende morgenandacht zerschlagen und zerstört was "anders" ist; daß hip-hop spaß bereiten kann, das übersehen wir mal einfach...


Medea. antwortete am 09.02.03 (18:46):

Liebe Marianne,

danke für Deine aufmunternden Zeilen.
Spaßschreiberinnen müssen doch auch sein, und ganz ehrlich, eine "professionelle" will ich ja auch gar nicht werden.
Überall holt einen der alltägliche Ernst ein, wo kämen wir denn hin ganz ohne Spaß und Humor. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich meine nicht die "Spaßgesellschaft", die finde ich wirklich nicht erstrebenswert. Ich glaube, ich bleibe lieber bei meinen Versen aus dem Stegreif ... :-))

Medea.


Marianne antwortete am 09.02.03 (19:05):

@ Medea:

Und genau das habe ich mit Spaßschreiberinnen gemeint. Ich bin ebenso wie Du keine "Dichterin", sondern mache solche Sprachspielereien - so heißt nämlich der didaktische Ansatz- eben aus Spaß an der Freude.
Und die lasse ich mir nicht vermiesen - von niemandem.


henner antwortete am 09.02.03 (20:51):

,,,immer wieder sonntags...
hab ich schon mal irgendwo erwähnt,aber gefällt mir immer wieder.(aus einem alten Bauernkalender):

3 n hat jeder sonnentag
der sonntag hat nur 2
doch wie mans drehn und wenden mag
hier hat der sonnntag 3


Antonius antwortete am 16.02.03 (23:09):

Dank an alle, besonders für die herbe Geschichte von MariaM.
Ich muss noch folgendes nachtragen:
Ich hatte das Thema schnell gestellt - und selber eine Geschichte geschrieben. - Und stellte erst später fest, bei der Lektüre von Wolfgang Borchert - aktuell zu den Kriegshysterien von US-Bush-Feuer- & Kriegskameraden - dass die Einleitung eigentlich von W. Borchert stammte, die ich hier noch abdrucke (und vor Jahren auch bei Schülerarbeiten verwendet hatte):

Wolfgang Borchert: Ein Sonntagmorgen

Die Morgenandacht im Radio war orgeldröhnend zu Ende gegangen. Amen. Der liebe Gott war immer noch ein tüchtiger Mann. Halleluja. Wachtmeister Sobodas kurzfingrige, viereckige Hand drehte das Radio lauter. Man machte Marschmusik. Er liebte Marschmusik. Dann nahm er die schweißigledern stinkende Dienstmütze vom Tisch, blubberte noch mal ein Amen, und stülpte sie wieder auf seinen wie gebohnerten Kopf..." (Aus: W.B.: Die traurigen Geranien)
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Genau und aktuell eine Story zum Thema Gottesmissbrauch von Kommis- oder Gefängnisköppen.
Nochmals: Danke fürs Mitmachen!