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THEMA:   Gedichtsuche "Atemholen"

 4 Antwort(en).

Marie2 begann die Diskussion am 15.01.03 (18:27) mit folgendem Beitrag:

Ich suche von Wilhelm Lehmann das Gedicht „Atemholen“. Ich bin bisher weder in meinen Gedichtbüchern, noch im Netz fündig geworden.
Vielleicht habe ich ja hier bei den Experten Glück.
Marie2


sofia204 antwortete am 16.01.03 (19:05):

hallo Marie2,
als ich heute im spazierengehen in die Stadtbibliothek kam, fand ich von Wilhelm Lehmann diesen tollen Satz:
"Nur mit Hilfe des Etwas können wir uns des Alls versichern. Das verlangt das Gesetz der Bewußtseinsenge als eine Spielregel der Existenz."
Vielleicht findest Du in seinen Gesammelten Werken, 8Bde. Klett-Cotta, Band 1.Gesammelte Gedichte,
das von Dir gesuchte ATEMHOLEN
Dir viel Gute Luft !
sofia204


Marie2 antwortete am 16.01.03 (23:21):

HedwigBo hat mir das Gedicht netterweise schon gemailt. Sie kam (kommt) aus unerfindlichen Gründen nicht in den Seniorentreff.
@sofia204
Hast Du wegen meiner Suche extra in der Stadtbibliothek nachgeschlagen? Das finde ich ja noch bemerkenswerter als diesen wirklich tollen Satz. Inzwischen habe ich auch zu Hause einige Gedichte von Wilhelm Lehmann gefunden. Ich muss gestehen, ich hatte bis zu dieser Suche nichts von ihm gehört oder gelesen.
Marie2


sofia204 antwortete am 17.01.03 (03:16):

@ Marie2
ich brachte ein Buch zurück und war neugierig auf diesen Dichter, den ich nicht kannte. Danke für den Tip !


Antonius Reyntjes antwortete am 18.01.03 (13:44):

* Ja, Lehmanns "Atemholen" ist der Höhepunkt seiner Naturlyrik; 1947 geschrieben *

Wilhelm Lehmann: A t e m h o l e n

Der Duft des zweiten Heus schwebt auf dem Wege,
Es ist August. Kein Wolkenzug.
Kein grober Wind ist auf den Gängen rege,
Nur Distelsame wiegt ihm leicht genug.

Der Krieg der Welt ist hier verklungene Geschichte,
Ein Spiel der Schmetterlinge, weilt die Zeit.
Mozart hat komponiert, und Shakespeare schrieb Gedichte,
So sei zu hören sie bereit.

Ein Apfel fällt. Die Kühe rupfen.
Im Heckenausschnitt blaut das Meer.
Die Zither hör ich Don Giovanni zupfen,
Bassanio rudert Portia von Belmont her.

Auch die Empörten lassen sich erbitten,
Auch Timon von Athen und König Lear.
Vor dem Vergessen schützt sie, was sie litten.
Sie sprechen schon. Sie setzen sich zu dir.

Die Zeit steht still. Die Zirkelschnecke bändert Ihr Haus.
Kordelias leises Lachen hallt
Durch die Jahrhunderte. Es hat sich nicht geändert.
Jung bin mit ihr ich, mit dem König alt.

(W. L.: Gesammelte Werke, Bd. 1. Gedichte. Stuttgart 1982. S. 180; mit "Kordelia" ist nicht nur King Lears Tochter gemeint, sondern auch Elisabeth Länggässers halbjüdische Tochter, die Lehmann kannte und die wie durch ein Wunder Auschwitz - in Mengeles mörderischer Versuchsstation - überlebte...)
Lehmanns letztes Gedicht "Letzte Tage" gebe ich in das nächste Forum...