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THEMA: Gedichte und Gedanken darüber
51 Antwort(en).
Sieghard Winter, Freiburg
begann die Diskussion am 24.09.00 (10:40) mit folgendem Beitrag:
- Mörike, Altes Lied - angeregt durch die PM einer Forums-Teilnehmerin, kam ich auf die Idee, das wörtlich zu übersetzen (1). Mörike hat wahrscheinlich den lateinischen Text (2) vorgefunden und dann frei übersetzt (3). Mörike übersetzt nicht nur, sondern er dichtet. Seine Lyrik ist unerreicht. Freilich muss man die wörtliche Übersetzung haben, damit man versteht, in welcher Weise er den lateinischen Text verarbeitet hat.
1) wörtliche Übersetzung:
Jesus gütiger von dessen Feuer ich wünsche zu brennen und dich zu lieben. Warum bin ich nicht entbrannt? Warum habe ich nicht geliebt Dich Jesus Christus? - O unheilvolle Kälte.
2) Lateinisch
Jesu benigne! A cujus igne Opto flagrare Et Te amare: Cur non flagravi? Cur non amavi Te, Jesu Christe? - O frigus triste!
3) Mörikes Dichtung
Dein Liebesfeuer, Ach Herr! wie teuer Wollt ich es hegen, Wollt ich es pflegen! Habs nicht geheget Und nicht gepfleget, Bin tot im Herzen - O Höllenschmerzen!
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 24.09.00 (11:20):
Lieber Sieghard, in bezug auf "Lyrik" ind der Sprachwissenschaft reicht mein Bildunsniveau nicht. Mir fehlt das Grundwissen. Die Ursache dafür ist Dir ja bekannt. Werde mich also - durchaus genüßlich - hauptsächlich als Leser beteiligen. Koloman
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Gedichte, Gedichte
antwortete am 24.09.00 (11:24):
Wo ist die Rubrik "Gedichte, Gedichte" wiederzufinden. Sie wird doch nicht mit den zahlreichen, wundervollen Einträgen abhanden gekommen zu sein?
Wer weiß was darüber?
Koloman Stumpfögger
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Edith v.Bomhard
antwortete am 24.09.00 (13:17):
Lieber Sieghard, sehr schön Dein neues Thema. Leider ergeht es mir wie Koloman: mit meinem Latein bin ich sehr schnell am Ende. Aber Du hast uns ja alles übersetzt und so kann ich nur sagen, es ist eben der große Dichter, der die Worte zum klingen bringt.
Darf ich ein Gedicht von Eduard Mörike anfügen, rätselhaft und schön, als wäre es einem Traum entstiegen:
Gesang Weylas
Du bist Orplid, mein Land! das ferne leuchtet; vom Meere dampfet dein besonnter Strand den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.
Uralte Wasser steigen verjüngt um deine Hüften, Kind! Vor deiner Gottheit beugen sich Könige, die deine Wärter sind.
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christl springer
antwortete am 24.09.00 (14:37):
Eben wollte ich ein Gedicht hinzufügen, weiß aber nicht, ob es vielleicht schon niedergeschrieben wurde, daher schließe ich mich der Frage von Koloman an, oder könnte man wenigstens eine kurze Übersicht zusammenstellen, danke im Voraus.
Und nun doch ein ganz kleines Gedicht von Eichendorff
Es geht wohl anders, als du meinst: derweil du frei und fröhlich scheinst, ist lenz und sonnenschein verflogen, die liebe gegend schwarz umzogen und kaum hast du dich ausgeweint, lacht alles wieder, die sonne scheint, es geht wohl anders als man meint.
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Gerlinde
antwortete am 24.09.00 (21:41):
Lieber Sieghard, wo sind denn unsere schönen Gedichte? Ich danke Dir für Deine interessanten Erklärungen, kann aber nur Zuhörerin sein, da ich nicht so gebildet bin. Gerlinde
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Sieghard
antwortete am 24.09.00 (22:37):
Liebe GedichtfreundInnen, danke für Eure Zusprüche. Aber ich glaube wirklich: Sagen kann jeder etwas, Mut und Zuversicht!
Ich hätte auch gerne gewusst, ob man noch einmal die vorige, jetzt geschlossene Gedichtseite Aug/ Sept. abrufen kann. Wer weiß denn, wer im "Seniorentreff" Listkeeper-Dienste o.ä. macht?
-------------------------------------------- Und nun gute Nacht.
"Seht ihr den Mond dort stehen? - Er ist nur halb zu sehen, Und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, Die wir getrost belachen, Weil unsre Augen sie nicht sehn."
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Ricardo
antwortete am 25.09.00 (09:40):
Zum Trost ein wunderschönes Gedicht von Walt Whitman
Aus dem wogenden Meer der Menge Aus dem wogenden Meer der Menge sprang ein Tropfen lieblich zu mir, Flüsternd: "Ich liebe dich, ich vergehe bald, Weither bin ich gereist, einzig um dich zu sehen und dich zu berühren, Denn ich konnte nicht sterben, ehe ich dich nicht einmal sah, Denn ich fürchtete dich hernach zu verlieren."
Nun haben wir uns getroffen und uns gesehen, nun sind wir geborgen, Kehre in Frieden zurück in das Meer, mein Geliebtes, Auch ich bin Teil dieses Meers, mein Geliebtes, wir sind nicht so sehr voneinander getrennt, Sieh das erhabene Rund, den Allzusammenhang, wie vollkommen! Dich und mich ist die unwiderstehliche See bestimmt zu trennen, Für eine Weile uns auseinander zu tragen, doch nicht für immer; Habe Geduld - eine kleine Spanne - wisse, ich grüße die Luft, das Meer und das Land Jeden Tag bei sinkender Sonne um deinetwillen, Geliebtes.
Aus: Walt Whitman: Grashalme. Deutsch von Hans Reisiger. Diogenes Verlag, Zürich 1985.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 25.09.00 (12:04):
an Prof. Dr. Karl Fischbach
Lieber Karl,
unter den Freunden der Lyrik (siehe dazu die neue Rubrik "Gedichte und Gedanken" und die aktuellen Einträge und dann dort die von niemandem angekündigte Entnahme von "Gedichte, Gedichte,") Ich vermisse die wundervollen Einträge (an die 150) sehr.
Ich weiß nicht, ob jemand einen Weg zur Abhilfe kennt. Ich gehe einfach davon aus, daß Du über genügend Verbindungen im Seniorentreff-Team verfügst, um das Anliegen vorzubrigen. Ich habe die letzten Einträge leider nicht kopiert, für mich also ab ca Seite 120 in herber Verlust. (Anderen scheint es ähnlich zu gehen.
Lieber Karl, ich wäre Dir sehr dankbar, wenn ich von Dir eine Nachricht über das Anliegen erhalten könnte, gegebenfalls bitte ich um Weiterleitung an den/die Zuständige(n)
Mit herzlichem Gruß, Koloman Stumpfögger
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Heidi Lachnitt
antwortete am 26.09.00 (22:17):
Wenn ich wörtliche und dichterische Übersetzung nebeneinander stelle, sehe ich doch einige interessante Unterschiede:
in Ersterem wünscht sich der Schreiber vom Feuer Jesu zu entbrennen und Jesu zu lieben. Es ist ihm nicht gelungen und er fragt Jesu (dieser steht in der Anrede) warum ihm das nicht gelungen ist- Die letzten Worte "o unheilvolle Kälte" könnten zweierlei Deutung haben: a) er fühlt sich verlassen von Jesus - unheilvoll, kalt b) da es ihm nicht möglich ist Jesu zu lieben, spricht er diesem Kälte zu- Ich tendiere zu a).
Mörike in seinem Gedicht, preist zunächst das "Liebesfeuer" seines Herrn, vorausgesetzt man geht davon aus, das zu seiner(Mörikes) Zeit 'teuer' mit 'wertvoll' oder 'erstrebenswert' gleich zu setzen ist. Dieses Liebesfeuer wähnt er bereits in seinem Besitz, denn er "wollt es hegen und pflegen" Wie dem ersten Schreiber ist dies auch ihm nicht gelungen. Er fragt aber nicht warum, sondern er beschreibt die Folgen und seine Gefühle (tot im Herzen, Höllenschmerzen). ------ Wortspielereien, lieber Sieghard?
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Sieghard
antwortete am 26.09.00 (22:58):
Hallo Heidi!
Gottesferne wird oft mit dem Bild Kälte sichtbar gemacht. Wir kennen es auch aus dem zwischenmenschlichen Umgang, wo es etwa die Ausdrücke gibt: die kalte Schulter zeigen oder gefühlskalt sein, was eben menschlicher Abstand bedeutet.
Warum es dem Beter nicht gelungen ist, von Jesu Liebesfeuer ergriffen zu werden, deutet Mörike in seinen Zeilen. Er hat es besessen aber nicht gepflegt, wie Du auch sagst. Die Gründe muss ich mir denken: Aus Gleichgültigkeit, aus Bosheit, aus ...? frigus heißt Kälte und tristis heißt unheilvoll. Mörike sagt dafür O Höllenschmerzen. Er geht also einen Schritt weiter und deutet diesen gottfernen Zustand mit Höllenschmerzen.
Ich denke, dass es dem mittelalterlichen Beter und auch Mörike nicht um Wortspielereien ging. Mörike war bekannt- lich Pfarrer. Beiden bedeutet das Beten eine ernste metaphy- sische Verbindung zur Gottheit.
Schön, dass wir ins Gespräch kommen. Gruß an Dich und an alle! sieghard
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Heidi Lachnitt
antwortete am 26.09.00 (23:12):
Da haben wir sie wieder, die unterschiedliche Brille, lieber Sieghard. Mit Wortspielereien meinte ich meinen eigenen Beitrag, da mir jegliches Hintergrundwissen zu obigen Thema fehlt.Es ist trotzdem interessant die Texte zu vergleichen und ein wenig auseinander zu pflücken.Zumal meine Wissenslücken durch Deine und hoffentlich auch durch andere Beiträge gefüllt werden. Herzlichen Gruß, Heidi
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Sieghard
antwortete am 27.09.00 (09:29):
Hallo Heidi, mit der individuellen Brille eines jeden kann ich leben. Mein Aspekt ist begrenzt, er war in Hinsicht auf "Wortspie- lereien" auf den Mörike-Text gerichtet. Mit Toleranz kann ich den Blickwinkel anderer Menschen akzeptieren, anders käme ich mit ihnen nicht ins Gespräch. Hinter- grundwissen ist nicht besonders notwendig. Es kommt auf Interesse und Einfühlungsvermögen an, das man den Gedichten entgegenbringt, und dann kann man das sagen, was man über den Text denkt und fühlt. Ja, es ist interessant, über die Gedichte zu sprechen, dadurch vertiefen sich die Einsichten, und der Kontakt im Forum wächst. liebe Grüße sieghard
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Ricardo
antwortete am 27.09.00 (22:59):
ein weiteres Gedicht von Walt Whitman, übersetzt von Georg Landauer, es ist bald Mitternacht und ich bin davon sehr berührt. Hier ist es:
Helle Mitternacht Dies ist dein Stunde, o Seele, die freie Flucht ins Wortlose, Weg von Büchern, weg von Kunst, der Tag gelöscht, der Unter- richt aus, Hebst du dich völlig empor, schweigend,schauend,deine liebsten Gegen- stände betrachtend, Nacht, Schlaf, Tod und die Sterne.
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Heidi Lachnitt
antwortete am 28.09.00 (09:16):
Danke, Ricardo! Nachfolgendes geht noch einen Schritt weiter:
Eden
weißt Du wo das Paradies ist? weit dort oben in dem Blau und Gold
unsere Seelen treiben im unendlichen Raum gewärmt von der Sonne goldenen Glanz
leicht wie eine Feder schweben wir
ohne Gedanken nur voller Liebe und Dankbarkeit sein zu dürfen hl
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Ilse Fahl
antwortete am 28.09.00 (20:45):
Lieber Sieghart, auf Deine Einladung hin habe ich mich eingefunden und versucht hier mich einzufühlen! Zur Zeit geht es mir wie Koloman, es scheint mir alles nur wie Vermutungen, d.h. so fehlverständlich? Ich glaube mir zur Zeit selber nicht! Gedichte sind in meinen Augen etwas sehr Intimes und Persönliches, Verzeih mir, wenn ich noch nicht soweit bin,daß ich hier etwas zu den von Dir vorgegebenen Gedichten sagen mag! Ich werde sie zunächst immer noch mal wieder lesen! Vielleicht fällt irgendwann auch "mein Groschen!" Ich bleibe am Ball! Finde es immer anregend, herausgefordert zu werden! Warten wir's ab! Versteh mich bitte, ja?
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Sieghard
antwortete am 28.09.00 (22:38):
Hallo Ilse, ist klar! Nur wer mag, wer nicht mag ist auch o.k. jetzt oder später o.k. lieben Gruß und gute Nacht sieghard
Abend wird es wieder: über Wald und Feld sinket Frieden nieder, und es ruht die Welt.
Nur der Bach ergießet sich am Felsen dort, und er braust und fließet immer, immer fort.
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Friedgard Seiter
antwortete am 29.09.00 (09:10):
Es geht mit mit den Gedichten wie mit der Musik: ich empfinde sie und möchte sie nicht zerpflücken. Und ich bin sicher, daß jeder sie anders empfindet. Ein Gedicht lesen, es eindringen lassen und darüber meditieren, das ist meine Methode, die ich niemandem aufreden möchte. Seid mir deshalb nicht böse, wenn ich in die alte Rubrik "Gedichte" zurückkehre und dort eintrage, was mich bewegt. Da habe ich auch was zu den Erfahrungen von Heidi zu sagen - - Trotzdem: ich wünsche Euch viel Spaß beim diskutieren über die Gedichte.
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Sieghard
antwortete am 29.09.00 (09:40):
Hallo Heidi! Wieder ein Beispiel, wo man anders verstanden wird, als gemeint. - Verständigung ist durch Austausch möglich. Entschuldigungen sind freundlich. Aber es ist menschlich und ziemlich normal, dass man sich erst nach längerer Zeit besser versteht. Und vielleicht sagt Friedgard Richtiges, man soll nicht zu sehr zerpflücken.
Also ich denke ein Herz. Und ich glaube, das ist Intuition. Zuerst Deine Verse "Eden". Sie gehen in mir um. Ich erinnere mich an FH und bringe die entspre- chenden Strophen ins Forum. Lasse die 3. weg, weil sie nicht passt. Abends sehe ich von Dir wieder Eigenverse im Forum, gerade das Gegenteil: "Sehnsucht nach Eden", so wie die dritte Strophe bei FH in dessen unvergänglichem "Hyperions Schicksalslied". Morgens wäre diese 3. Strophe unpassend gewesen, jetzt abends passt sie. Wenn in meinem Herzen Deine Verse nicht stark umgegangen wären, hätte ich nicht an FH gedacht. Und dass Du abends diesen Umschwung brachtest, konnte morgens keiner wissen. Das war Intuition.
Hier nochmal das Gedicht im Zusammenhang:
Hyperions Schicksalslied von Friedrich Hölderlin [1770 - 1843]
Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden, selige Genien! Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht, Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen die Himmlischen; Keusch bewahrt In bescheidener Knospe, Blühet ewig Ihnen der Geist, Und die seligen Augen Blicken in stiller Ewiger Klarheit... Doch uns ist gegeben, Auf keiner Stätte zu ruhn, Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahrlang ins Ungewisse hinab.
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Heidi Lachnitt
antwortete am 30.09.00 (18:11):
Auch von Hölderlin:
Abbitte
Heilig Wesen! gestört hab' ich die goldene Götterruhe dir oft, und der geheimeren, Tiefern Schmerzen des Lebens Hast du manche gelernt von mir.
O vergiß es, vergib! gleich dem Gewölke dort Vor dem friedlichen Mond, geh' ich dahin, und du Ruhst und glänzest in deiner Schöne wieder, du süßes Licht!
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Ilse Fahl
antwortete am 01.10.00 (09:33):
Hallo, Lieber Sieghard, jetzt habe ich mich etwas mehr damit befaßt und will Dir/Euch gleich mitteilen,wo es mich hingebracht hat: Zunächst habe ich offensichtlich mich stets zu wenig mit Möricke befaßt und dann nur mit dem Romantiker, dieses hier war mir ein ganz neuer Gedanke! Hab nie geahnt, daß er Theologie studiert hatte u.a. Dadurch war es mir nicht so einfach "meinen Möricke" wieder zu finden,es gab zuviele total unbekannte Punkte, die ich zunächst nicht kapieren konnte.Hab also durch Dich neue Aspekte entdeckt! Werde ihnen noch weiter nachgehen.Seitdem ich weiß,daß er auch Theologe ist, entdecke ich den mir bekannten Möricke schon wieder.Dank Dir, Sieghard! werde weiter "am Ball" bleiben.
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Ilse Fahl
antwortete am 01.10.00 (09:43):
Denk es, o Seele!
Ein Tännlein grünet wo, Wer weiß,im Walde; Ein Rosenstrauch,wer sagt, In welchem Garten? Sie sind erlesen schon, Denk es, o Seele, Auf einem Grab zu wurzeln Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden Auf der Wiese, Sie kehren heim zur Stadt In munteren Sprüngen. Sie werden schrittweis' gehen Mit Deiner Leiche; Vielleicht, vielleicht noch eh' An ihren Hufen Das Eisen los wird, Das ich blitzen sehe!
Auch:Eduard Möricke
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Sieghard
antwortete am 01.10.00 (11:34):
Hallo Ilse. Ich habe mich sehr gefreut über das Gedicht "Denk es o Seele". In den letzten 20 Jahren habe ich es immer wieder vorgeholt, wenn in meiner näheren Umgebung ein Trauerfall eintrat, mir zu Trost und Mahnung.
1856 hatte Mörike seine kleine Novelle "Mozart auf der Reise nach Prag" - Recl. 4741 - verfasst. Mozart und seine Frau fahren nach Prag, um dort der Erstaufführung des "Don Juan" beizuwohnen. Der Zufall lässt sie auf dem Schloss eines kunstliebenden Grafen einkehren, wo sie gastliche Stunden verleben, Verständnis und Verehrung finden. Mozart gibt aus vollem Überfluss. Sein herrliches Spiel lässt noch einmal seine geniale Kraft aufleuchten, und alle empfinden "dass dieser Mann sich schnell und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre, dass er nur eine flüchtige Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluss, den er verströmen würde, in Wahrheit nicht ertrüge". Diese Novelle endet mit diesem Gedicht. Die Gräfin bringt darin ihre Vorahnung auf Mozarts frühen Tod zum Ausdruck.
Betrachtet man nur einmal diese Verse äußerlich, so wird man gewahr: Es gibt keinen Endreim, keine gleiche Verslänge, kein eindeutiges Versmaß. Und doch versteht man sofort, das ist ein Gedicht in höchst künstlerischer Vollendung. Woran liegt das? Was bedeuten aber nur diese drei Form-Merkmale in Hinsicht auf plötzlichen Tod? Von allem anderen mal abgesehen. Je länger ich über dieses Gedicht nachdenke, desto mehr wird mir klar, was "geistige Freude" ist.
Liebe Grüße an Dich und an alle
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Ilse Fahl
antwortete am 01.10.00 (17:39):
Hallo, lieber Sieghard, Dank Dir für Deine weiterführenden Worte! Du, weißt Du, ich habe erst in diesem Chat erkennen können, daß es etwas ganz Anderes ist, ein Gedicht zu lesen oder es auch noch konzentriert abzuschreiben! Das geht soviel näher, nicht wahr? - Habe mir gerade noch eine Auswahl Gedichte von Möricke bestellt, in denen es um seine Beziehung zum Glauben geht! Er ist ja - fast - gleich alt mit Caspar David Friedrich und der religiösen Entwicklung in dieser Zeit mit G.Ludwig Kosegarten und D.E.Schleiermacher, sowie vielen anderen Romantikern möglicherweise sehr verbunden?Bin sehr gespannt und melde mich bestimmt wieder!
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Ilse Fahl
antwortete am 02.10.00 (16:23):
Hallo, Sieghard, Hab mich heute morgen 3x vergeblich bemüht, ein Gedicht von C.D.Friedrich einzubringen, jetzt muß ich wissen, ob es jetzt wieder geht! Hier nun aber leider nur das zweite, weil es mir zu viel Arbeit ist, noch einmal - und wohl wieder vergeblich, soviel abzuschreiben!
Dunkelheit decket die Erde, Ungewißheit ist aller Wissen doch nur, Es leuchtet im Abend der Himmel, Klarheit strahlt von oben. Sinnet und grübelt wie ihr auch wollt. Geheimnis bleibet euch ewig der Tod. Aber Glaube und Liebe sieht Freude und Licht jenseits im Grabe.
aus Caspar David Friedrich:Bekenntnisse im Wort
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Ilse Fahl
antwortete am 02.10.00 (16:42):
Es geht also wieder: somit hier das Gedicht, welches eigentlich zuerst hätte kommen sollen:
Aphorismen über Kunst und Leben
Ihr nennt mich Menschenfeind, Weil ich Gesellschaft meide, Ihr irret Euch, Ich liebe sie. Doch um die Menschen nicht zu hassen, Muß ich den Umgang unterlassen.
Kann dich denn Langeweile plagen ? So hör' ich öfters Leute fragen, Stets sieht man dich allein. Um nicht von Langeweil' geplagt zu sein, Halt ich mich fern von euch allein.
Warum - die Frag' ist oft zu mir ergangen, Wählst du zum Gegenstand der Malerei So oft den Tod - Vergänglichkeit und Grab ? Um ewig einst zu leben. Muß man sich oft dem Tod ergeben.
Ihr lobt mich oft mit lauten Zungen, Wie wunderschön ist dies gelungen, Wie tief und herrlich durchgedacht, Oft schwieg ich still.Oft hab' ich auch gelacht, Doch wenn ich das, was ich mit voller Seel' empfunden, Was frei, voll Geist, dem Pinsel mit entschwunden, gezeigt, und ihr seid kalt geblieben, Konnt's in der Seele mich betrüben.
Fürchtet nichts! Wer noch die Menschen liebt, Kann nicht die Menschen hassen!
aus: Briefe und Bekenntnisse von C.D.Friedrich Einem hoch sensibelen Maler der Romantik, der trotz großer Härte im Leben stets klar zu dem stand, was ihm der protestantische Glaube bot!Selbst, wenn sein Lebensweg durch seine Offenheit von der Umwelt bestraft wurde.
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Ilse Fahl
antwortete am 03.10.00 (15:47):
Hab nach gründlicherer Lektüre nun Möricke besser kennen gelernt! Pfarrer mehr widerwillen,aber voller Humor oft.
Selbstgeständnis
Ich bin meiner Mutter einzig Kind,, Und weil die andern ausblieben sind, Was weiß ich wie viel, die sechs oder sieben, Ist eben alles an mir hängen blieben; Ich hab müssen die Liebe,die Treue,die Güte Für ein ganz halb Dutzend allein aufessen, Ich wills mein Lebtag nicht vergessen. Es hätte mir aber noch wohl mögen frommen, Hätt ich nur auch Schläg für Sechse bekommen.
Pastoral-Erfahrung
Meine guten Bauern freuen mich sehr; Eine "scharfe Predigt" ist ihr Begehr. Und wenn man mir es nicht verdenkt, Sag ich, wie das zusammenhängt. Sonnabend, wohl nach elfe spat, Im Garten stehlen sie mir den Salat; In der Morgenkirch mit guter Ruh Erwarten sie den Essig dazu; Der Predigt Schluß fein linde sei: Sie wollen gern auch Öl dabei.
Dergleichen gibt's eine Menge! Hab Spaß gehabt!
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Sieghard
antwortete am 03.10.00 (21:58):
Danke, Ilse, für die schönen Mörike-Gedichte.
"Pastoral-Erfahrung" kannte ich nicht. Gibt's da noch mehr in dieser Art?
In welchem Buch hast Du das gelesen? Kannst Du verraten, wie es heißt und wer es wann bei welchem Verlag herausgebracht hat?
liebe Grüße Sieghard
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Ilse Fahl
antwortete am 04.10.00 (09:40):
Hallo, Sieghard, habe eben wieder merkwürdige Probleme gehabt, deshalb hier wieder nur schrittweise Beantwortung Deiner Fragen: Als erstes: Das Möricke-Buch ist ein enfaches Reclam-Heft. Ich liebe diese Dinger, weil sie kurz,knapp aber instruktiv sind: Auswahl und Nachwort von Bernhard Zeller Hoffe, daß Dir das weiterhilft!?
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Ilse Fahl
antwortete am 04.10.00 (09:54):
Nachdem dieses nun geklappt hat, hier noch ein paar Hinweise- auf Deine Frage hin- zu Caspar David Friedrich, von dem ich die beiden Gedichte einbrachte. C.D.Friedrich ist ein Maler der Romantik, 1774 geboren, aus "plebejischer Herkunft" wie er immer stolz betont,stark aus der Familie protestantisch erzogen. Dieses führte ihn zu einer Stärke, die ihn sagen ließ, was er für wichtig hielt, unabhängig ob er dafür akzeptiert wurde. Diese Kraft stand einer äußersten Sensibilität zur Seite, die ihn vor viele Probleme stellte!Aber in allem stand ihm sein fester Glaube zum Christentum zur Seite, und dieses empfand ich auch in seinen Gedichten so herrlich und für uns alle hilfreich! Auch seine Haltung gegenüber menschlichen Vorstellungen über das Wissen: ....Klarheit strahlt nur vom Himmel!" Ich finde diese einfache aber feste Überzeugung so herrlich auch für uns alle! Das wollte ich auch Euch mitteilen.Bin gespannt, ob dieses nun abgeht!?
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Sieghard
antwortete am 04.10.00 (10:20):
Hallo Ilse, Caspar David Friedrich ist mehr als Maler, denn als Dichter bekannt. Was Du über seine Christlichkeit sagst, hat mir besonders gut gefallen. Wilhelm Busch fällt mir da ein. Er war ja auch Maler und Dichter, das ist aber bekannter. Schicke doch nochmal ein Gedicht von Friedrich ins Forum. Lieben Gruß Sieghard
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Ilse Fahl
antwortete am 04.10.00 (13:00):
Hallo, Sieghart, war am Montag nur im Seminar, um für meine Quellennachweise noch ein paar Aufzeichnungen zusammenzustellen, die mir bei meiner Begeisterung für das Ihnhaltliche zum Thema entweder abhandengekommen waren oder gar nicht von mir wahrgenommen! Das Thema hat mich total mitgerissen! Aber nur beim Durchsehen der Bücher stolperte ich plötzlich über diese Gedichte, die mich dann wieder so ansprachen, daß ich sie Euch vorstellen wollte! Ich glaube, daß meine eigenen Bücher keine Gedichte bereithalten! Die waren eben in diesen beiden genannten Büchern! Wenn Du möchtest, fahre ich nochmal ins Seminar und schaue nach! Hab im Moment allerdings das Problem, meinen Probedruck für den Verlag fertigzustellen! Ist wieder - wenn auch ein schöner - Stress! Also: demnächst,ja?
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Ilse Fahl
antwortete am 05.10.00 (18:42):
Nach einem vollen und erfolgreichen Tag hier schnell noch ein liebes und wohl allen bekanntes Gedicht von Möricke:
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen; Bald siehst Du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen.
Nicht wahr, das haben wir alle früher in der Schule gelernt und es bis heute sehr, sehr gern!?
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Sieghard
antwortete am 05.10.00 (22:22):
Hallo Ilse, immer wieder aktuell dieser "Septembermorgen"! Danke! An dem Reimpaar Wiesen - fließen kann man sprachlich nachfühlen, dass Mörike Württemberger war. Gute Nacht sieghard
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Sieghard
antwortete am 11.10.00 (09:14):
Gerlinde () schrieb am 10.10.00 (20:12):
Ich träume wieder von der Unbekannten, die schon so oft im Traum vor mir gestanden.
Wir lieben uns, sie streicht das wirre Haar mir aus der Stirn mit Händen wunderbar.
Und sie versteht mein rätselhaftes Wesen und kann in meinem dunklen Herzen lesen.
Du fragst mich: ist sie blond? Ich weiß es nicht. Doch wie ein Märchen ist ihr Angesicht.
Und wie sie heißt? Ich weiß nicht. Doch es klingt ihr Name süß, wie wenn die Ferne singt -
Wie Eines Name, den du Liebling heißt und den du ferne und verloren weißt.
Und ihrer Stimme Ton ist dunkelfarben wie Stimmen von Geliebten, die uns starben.
H.Hesse
Liebe Gerlinde, danke für den Hessetext. Du hast es wohl gefühlt, dass er sehr gut in die Diskussion "Illusion/Realität" passt. Ich gehe in dieses "Gedichte- und Gedanken-Forum", weil in dem Forum "Gedichte 2" wohl überwiegend lyrische Texte ohne viel eigene Worte erwünscht sind.
Verlogene Plüschsofalyrik geht mit dem/r TraumpartnerIn Hand in Hand ohne Probleme durchs ganze Leben und sieht nicht, dass das an der Realität vorbeigeht. Liebe gibt es nur am Anfang geschenkt, hernach muss sie erbeten, erarbeitet, erkämpft werden [was wohl jeder im Senioren-Stadium des Lebens mit seiner eigenen Erfahrung bestätigen kann].
Das sagt auch der von dir ins Forum gestellte Text von Hermann Hesse (leider ohne Titel). Hier nur mal eine Wortliste, die zeigt, was Illusion und nicht Realität ist:
Unbekannte Traum Märchen Ferne verloren starben
Der verzweifelt Sehnende nach einer Partnerin, die es nicht auf Dauer gibt, erscheint im Text so: wirres Haar, rätselhaftes Wesen, dunkles Herz,
die ersehnte Geliebte erscheint unerreichbar weit und fern der Realität: die Unbekannte, nur im Traum gibt es sie, ihr Gesicht ist unbekannt wie im Märchen, ihr Name klingt verloren aus weiter Ferne, ihre Stimme dunkel und gestorben....
Auf Illusionslosigkeit darf keine Resignation folgen. Man mag über Dichtung verschiedener Auffassung sein, aber mit Illusion hat echte, wahre Dichtung nichts gemein.
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Sieghard
antwortete am 11.10.00 (15:21):
Iris Berghaus () schrieb am 11.10.00 (14:04):
Für Engel suchende
Du suchst einen Engel? Was stellst Du Dir vor? Ist er blond oder braun? Groß oder klein?
Ist er dick oder dünn? Schwach oder stark? Ist er herb oder Süß? Oder ist er aus Stein?
Zufällig begegnest Du ihm, er gleicht einem Traum. Sekunden verfliegen, Du merkst es kaum.
Er ist voller Freude und dreht richtig auf. Doch Du gehst vorüber, machst nicht mal die Augen auf.
Jetzt ist dieser Engel ein Pflänzchen am Wege. Unscheinbar und klein, wollt für Dich wachsen und Dein Engel der Liebe sein.
Du siehst ihn nicht... und trittst leise drauf. Der Engel ist`s müde und gibt sich ganz auf.
Du gehst weiter und träumst nebenbei..... "Ach könnt ich ihn finden...egal wie er sei!"
Hallo Iris, schön dein Engel. Ist es dein Engel? Hast du diesen Text gemacht? Glückwunsch! Engel, die uns begegnen, sind anders, als wir sie uns in unserer Illusion vorstellen. Da hast du Recht. Einen Engel erkennt man leider erst, wenn er vorbeigeflogen ist. Engel sind Boten Gottes aus der anderen Welt. Chagall hat u.a. überzeugend davon gesprochen und gemalt.
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Gerlinde
antwortete am 11.10.00 (17:35):
Liebe Iris, als Kind hatte ich ein Bild mit zwei Kindern die über die Brücke gehen.Hinter ihnen,ein Schutzengel. Du kennst es vielleicht, ein bisserl kitschig.So habe ich mir damals jeden Engel vorgestellt. Heute weiß ich, es gibt viele Schutzengel aber man sieht sie nicht. Sie kommen wirklich still und leise. Mit kleinen Gesten, lieben Worten. Ich wünsche Dir, dass Dich einer davon immer begleitet und danke für Deinen lieben Beitrag. Gerlinde
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Heidi Lachnitt
antwortete am 11.10.00 (18:00):
Illusion und/oder Realität, Sieghard?
Mein Bruder schrieb (vor sehr langer Zeit) im Rahmen einer Klassenarbeit "..erwachsen sein bedeutet - ohne Illusionen zu sein..". Ich habe mir das als damals zwölfjährige sehr zu Herzen genommen und mir geschworen niemals erwachsen zu werden. - Ich bin, in diesem Sinne, auch heute nicht erwachsen und möchte es immer noch nicht sein. Natürlich ist es tägliche Arbeit, Realität und Illusion auseinander zu halten. Aber was wären wir ohne Illusionen oder ohne unsere Träume.
Meine Gedichte sind aus beiden entstanden - Illusion und Realität, sie erheben allerdings auch nicht den Anspruch "echte,wahre Dichtung" zu sein.
Vielleicht könnten wir, nach Abhandlung dieses Themas einmal darüber sprechen, was der Einzelne unter "echter, wahrer Dichtung" versteht?
Herzlichen Gruß, Heidi
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Heidi Lachnitt
antwortete am 11.10.00 (18:03):
Traumtänzerin
ich balanciere auf meinem Lebensseil mit dem Blick nach oben den Abgrund unter mir die Arme weit offen bereit zum Sprung wird es Höhe oder Tiefe sein?
hl
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Ilse Fahl
antwortete am 12.10.00 (09:05):
Noch ein typisches Gedicht von dem Romantiker C.D.Friedrich:
Der Abend
Stille,horchet,stille, Nicht einmal die Grille Zirpt im hohen Gras.
Alles nickt und schweiget Selbst die Blume neiget Sanft ihr Haupt herab.
Auch ich will mich schlafen legen, Gottes Schutz und Gottes Segen Wird beschirmen mich.
Selig, wer mit frommen Herzen, Ohne all Gewissens Schmerzen Ohne Not und frei von Pein, Schlummert sanft und ruhig ein.
Dunkelheit decket die Erde, Ungewißheit ist aller Wissen doch nur, Es leuchtet im Abend der Himmel, Klarheit strahlt von oben.
Sinnet und grübelt, wie ihr auch wollt, Geheimnis bleibet euch ewig der Tod. Aber Glaube und Liebe sieht Freude und Licht jenseits dem Grabe.
Er ist der Herr der Erde, Er, der da sprach: Es werde, Und alles ward.
Wie ich schon schrieb,war C.D.Friedrich sehr stark und entschieden auch gegen den Feudalismus zur Zeit der franz.Revolution offen aufgetreten, wie er auch für den religiösen Fortschritt sich stark einsetzte, das führte natürlich dazu, daß mancheiner dieses nicht schätzte, somit wurde er überprüft und schließlich erhielt er nicht die Stelle des Professoren an der Hochschule nicht, wegen seiner Offenen und mutigen wie klaren Darstellung allen dessen, was ihm wichtig war! So zog er mehr und mehr seine Kraft aus dem von seinen Eltern erlernten Glauben.
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Heidi Lachnitt
antwortete am 12.10.00 (15:08):
Sieghard schrieb am 11.10.00 in Gedichte2:
welch ein Reichtum ach zu dumm Reichtum Siechtum Witwentum welch ein Reichtum dideldum Reichtum Deutschtum Dichtertum welch ein Reichtum rundherum Reichtum Konsum Künstlertum welch ein Reichtum wiederum Reichtum Psycho-Pharmakum welch ein Reichtum noch posthum
Nach dem 7. Lesen!!, Sieghard, "glaube ich" es verstanden zu haben. 'Psycho-Pharmakum' habe ich mir nach dem Ausdrucken rot angestrichen. Du hast schon manchmal eine schwer zu verstehende Sprache.
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Sieghard Winter, Freiburg
antwortete am 18.10.00 (08:14):
Heidi Lachnitt (hlsie@aol.com) schrieb am 17.10.00 (23:28):
Gedichte Gedichte - aneinandergereiht
Schläft ein Lied in allen Dingen - das Leid der Erde, es schweigt nie So sollst Du nun die Worte hören: Statt mit den Sternen im Traum zu versinken schneidet mein Lied Deine Träume entzwei
Ein neues Lied - von unbekanntem Leid nur Worte, aneinander gereiht Ihr hört an mir vorbei und in die Almosenschale - fällt Schweigen
O Trost der Welt, du stille Nacht das Schreiben hat mich müde gemacht Nehmt wahr - was Euch gebührt Das Leid - endlos in seinen Reih'n spiegelt sich in meinem Sein
Wer trägt die Schuld für Unzulänglichkeit Verliebt in Leid und Schmerz? Weil ich ein menschlich Antlitz hab'? Gott gebe uns allen jeden Tag Die Würde des Menschen und Liebe zu ihm
..seltsam im Nebel zu wandern! Leben ist einsam sein Kein Mensch kennt den andern Jeder ist allein
Ich mach' die Augen zu und lass' mich fallen.....
hl
Liebe Heidi! Schön gestern Abend (17.10.) dein Gedicht. An zwei Stellen habe ich meine Wortmeldungen im Forum wiedererkannt:
"Schläft ein Lied in allen Dingen"
"und in die Almosenschale - fällt Schweigen"
und es geht auch um (unser Thema) Realität/Illusion: "Statt mit den Sternen im Traum zu versinken schneidet mein Lied Deine Träume entzwei"
"Ein neues Lied - von unbekanntem Leid nur Worte, aneinander gereiht Ihr hört an mir vorbei" "Nehmt wahr - was Euch gebührt"
Leid und Schmerz und Einsamkeit. Aber es gibt auch Trost. Es gibt Menschen - auch hier im Forum - -- wahrhaftig -- die zumindest versuchen, einen zu verstehen. Die die Texte genauer lesen und sich ein wenig näher kommen. Die Einsamkeit, die Schmerzen sind gelindert.
Danke nochmals für dein Gedicht sieghard
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Wolfgang Maul
antwortete am 18.10.00 (10:52):
Lieber Sieghard... hier - bei den "Gedichten, Gedichten..." - öffnen sich die Menschen etwas mehr, als sie es in anderen Situationen tun. So jedenfalls mein Eindruck. Auch wenn jemand nur "sein" Gedicht ins Forum stellt, ohne jeglichen Kommentar, will er trotzdem etwas sagen: Dass er nämlich gerade dieses Gedicht für wichtig hält.
Sprachlosigkeit und - damit einhergehend - Verständnislosigkeit feiern heutzutage fröhliche Urständ. Viele Foren sind ein Beispiel dafür. Immer, wenn man sich nicht versteht, wird geholzt, dass die Brocken fliegen. Es ist ein generelles Problem - ich schliesse mich selbst nicht davon aus.
Gedichte können Fronten aufbrechen und - ich gebe Dir vollkommen recht - Einsamkeit vertreiben und Schmerzen lindern. Diejenigen allerdings, die ausschließlich mit der grossen Axt holzen und nie mit dem kleinen Messerchen schnitzen, die wird kein Mensch erreichen - auch nicht mit einem Gedicht.
Einen Gruss an Dich und die anderen "Einsamen"... Wolfgang.
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Sieghard
antwortete am 18.10.00 (17:31):
Neuer Eintrag im Diskussionsforum Kunst, Literatur & Kultur Thema: Gedichte, Gedichte 2.Teil Wolfgang Maul (creativepartners@t-online.de) schrieb am 18.10.00 (09:07):
Erich Fried
Zu den Steinen hat einer gesagt: seid menschlich Die Steine haben gesagt: wir sind nicht hart genug.
Ja, lieber Wolfgang, das ist ganz auch meine Meinung. Gedichte bringen zum Nachdenken und können Fronten öffnen, und Realität sehen, möglicherweise!
Steine, die nicht hart genug sind, um menschlich zu sein - das ist ein hartes Urteil über das "steinerne Herz" des Menschen. Ein Herz aus Stein kann nicht fühlen, wenn es böse ist, wenn es Leben zerstört. Es empfindet weder Liebe noch Mitgefühl noch Dankbarkeit.
Zu Ezechiel 36,23-28
...Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt...
für Wolfgang von Sieghard
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Evelyn
antwortete am 20.10.00 (00:17):
Zwischen Steinen.
Kein Mensch ist hier. In Mauern eingeschlossen ist jeder-festgegossen im ich statt wir.
Dass keiner schrei damit die Mauern sprängen. Er bliebe nirgends hängen Blieb vogelfrei.
Drum keiner wag die Hand auf mich zu legen wo sie mich zu bewegen nicht früher lag.
Keiner verlier mich Igel zwischen Steinen - Dies mit mir zu beweinen kein Mensch ist hier.
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Sieghard
antwortete am 02.11.00 (09:13):
zu Allerseelen kein Gedicht zwar, aber zum heutigen Tag ein aussagekräftiger Text:
In seinem Roman "Erklärt Pereira" schildert Antonio Tabucchi einen Mann, der sich jeden Abend vor dem Schlafengehen mit dem Foto seiner verstor- benen Frau "unterhält". Er erzählt ihr, was er tagsüber erlebt hat. Er richtet Fragen an sie, vor allem wenn es um wichtige Entscheidungen geht usw. Auf Reisen packt er das Foto in seinen Koffer. Diese "Gespräche" helfen ihm, mit seiner Einsamkeit zurechtzukommen. Man mag diese Kommunikation mit einer Toten ver- schroben finden oder den Mann einfach für verrückt erklären - aber zeigt seine "Zwiesprache" nicht vor al- lem, dass trotz des Todes die Liebe weitergeht?
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kNs - vom Hund angefallen
antwortete am 24.11.00 (20:07):
ein bein bockt ogger
ein bockbein neckt huther
keck steckt stumpf kolo
stein stockt frater perse
ich brech dich doch noch
Damit läßt sich die Spalte beleben, Sieghard, Inzwischen kennst Du mich so weit, daß mich hie und da einmische, grundsätzlich aber icht gerne fechte. Ist nicht mein Sport. Weder Florett, noch Säbel.
lieberovidbittebiegmichlieber
kNs kNs kNs kNs kNs kNs kNs = 7 x kNs
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Sieghard
antwortete am 13.12.00 (07:56):
Hier ist ja nun gar nichts mehr los. Macht wohl zu viel Arbeit?
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Elli
antwortete am 02.01.01 (11:44):
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehöre noch nicht zu ihrem Forum, suche aber dringend nach einer Gedichtzeile von Erich Kästner. Per suchmaschine wurde ich auf ihre Seiten verwiesen, kann sie aber dort leider auch nicht finden. Ich wäre ihnen für ihre Hilfe sehr, sehr dankbar. Ich arbeite an einem Aufsatz... Die Zeile lautet: "Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor." Wo steht das bei Erich Kästner??? Vielen Dank!
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Friedgard
antwortete am 02.01.01 (13:11):
Diese Zeile, liebe Elli, steht im Novembergedicht von Erich Kästner, entnommen dem Bändchen: "Die 13 Monate".
Das ganze Gedicht - das wir schon im Gedichtforum stehen hatten - lautet so:
Der November
Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor... Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben. Die Wälder weinten. Und die Farben starben. Nun sind die Tage grau wie nie zuvor. Und der November trägt den Trauerflor.
Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor. Die letzten Kränze werden feilgeboten. Die Lebenden besuchen ihre Toten. In der Kapelle klagt ein Männerchor. Und der November trägt den Trauerflor.
Was man besaß, weiß man, wenn man's verlor. Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen. Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen. Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor. Und der November trägt den Trauerflor...
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Sieghard
antwortete am 02.01.01 (17:59):
. In diesem Zusammenhang möchte ich Friedgard danken, dass sie immer pünktlich die Monatsge- dichte von Kästner veröffentlicht. Sicher kommt bald "der Januar" in Gedichte VI .
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Eva
antwortete am 21.01.01 (10:13):
Ich bin erst heute auf dieses interessante Forum gestossen und möchte die bemerkenswerte Wandlung eines Gedichtes zur Diskussion stellen :
Goethe hat ein sizilianisches Gedicht "L`Occhi" (Poesie siciliane des Abbate Meli, Palermo um 1787) wie folgt übersetzt:
Ihr schwarzen Äugelein, / Wenn ihr nur winket, Es fallen Häuser ein, / Es fallen Städte; Nur diese Leimenwand / Vor meinem Herzen - Bedenk doch nur einmal - / Die sollt nicht fallen !
Georg Friedrich DAUMER (1800 - 1875), ein seinerzeit sehr beliebter Schriftsteller, "verbesserte" die Übersetzung 1853 wie folgt:
Ihr schwarzen Augen, / Ihr dürft nur winken - Paläste fallen / Und Städte sinken. Wie sollte stehen / In solchem Strauß Mein Herz, von Karten / Das schwache Haus !
Karl SIMROCK (1802 - 1876) benutze diesen Gedanken in den letzten Versen seines Sonettes "Auf die starke Stimme einer Sängerin" :
Kirchtürme fallen um, des Himmels Kerzen Erlöschen, rings zergeht die Welt in Rauche, Da selbst die Toten aus den Gräbern hinken.
Und diese dürre Wand vor unserm Herzen, Die niederfällt vor jedem leisen Hauche, Aus holdem Munde, sollte die nicht sinken ?
Als Kommentar könnte man Wilhelm BUSCH zitieren :
...gebraucht sind die Gedankensachen, solange diese Welt besteht ...
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