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THEMA:   Was meinte Goethe mit.....

 3 Antwort(en).

Frieder begann die Diskussion am 02.01.03 (11:11) mit folgendem Beitrag:

da er in Faust schreibt:
"Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss"

Auch eine Erzählung aus dem Alltag, die diese Weisheit interpretiert, wären eine
geeignete Illustration.


tippy antwortete am 02.01.03 (11:32):

Für mich interpretiere ich es so, daß man sich täglich einer Verantwortung stellen soll, nicht nur in den Tag hineinleben....egal,. ob Beruf oder nicht.....

Und sicher ist es auch ein bißchen nach Goethe s Sinn, wenn man sagt, wie mir eine liebe Mailfreundin u.a. schrieb:

"Den Himmel müssen wir uns erst verdienen".....


Angelika antwortete am 02.01.03 (12:34):

Es sollte nicht vergessen werden, WANN Faust ausgerechnet diesen Satz sagt. Erinnern wir uns: Mit der moralischen Vervollkommnung ist Faust nicht sehr weit gekommen und da sitzt er nun, uralt und blind und immer noch voller (blindem) Aktionismus ("Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt"). Da hört er das das Spatengeklirr der Lemuren, die unter Mephistopheles' sarkastischer Anleitung sein Grab schaufeln, und hält dies für seine Vollendung: "Das ist der Weisheit letzter Schluss: Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss!...Solch ein Gewimmel möcht' ich sehen. Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen! Zum Augenblicke dürft' ich sagen: `Verweile doch, du bist so schön!'...Im Vorgefühl von solchem hohen Glück genieß ich jetzt den höchsten Augenblick." Damit ist der Wortlaut des im ersten Teil geschlossenen Paktes erfüllt. Faust sinkt tot nieder, und Mephistopheles glaubt sich seiner Seele sicher...


gerade dies Zitat scheiben sich katholische und evangelische Kirche genau so auf die Fahne wie FDP, CDU/CSU, Kommunisten und Sozialisten - man hat also die Freiheit, den Begriff Freiheit auch sehr grosszügig auszulegen -


Philanthrop antwortete am 07.01.03 (13:48):

"Als der Weisheit letzter Schluß" läßt Goethe seinen Faust erkennen, wenn er feststellt, daß "nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß."

Goethe hat hier den Freiheitsgedanken auf eine vollständige Absolutheit des ICH (Faust) hin radikalisiert. Aus diesem absoluten verstandenen ICH soll vermutlich die sittliche Verpflichtung des Menschen erwachsen, die sich bei Faust, kurz vor seinem Ableben, als dessen Stimme des Gewissens artikuliert. Insoweit erfährt der Begriff der Freiheit in diesem letzten Faust-Mephisto-Dialog eine geradezu theologische Bedeutung.

Wenn Angelika darauf verweist, daß dieser Freiheitbegriff auch von Kirchen und Parteien vereinnahmt wird, dann ist das völlig zutreffend. Aber man muß diesen Institutionen allerdings auch vorhalten, daß sie dabei die unterschiedlichen Konzeptionen von Willens- und Handlungsfreiheiten leider nicht ausreichend differenzieren.