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THEMA:   Kurzgeschichte - Nummero zwo

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Antonius Reyntjes begann die Diskussion am 29.12.02 (14:19) mit folgendem Beitrag:

Rainer Brambach: Besuch bei Franz

- zuerst erschienen 1972, in der Sammlung "Für sechs Tassen Kaffee"(detebe 161) -

Manchmal lösen sich Blätter aus dem Ahorngeäst; sie segeln auf den Kiesweg herab oder werden vorn Wind über die Gräber getrieben. An der Buchshecke bleiben sie hängen.
Ich lese die Namen und Zahlen auf den Steinen und Kreuzen; ein langes Leben, ein kurzes Leben; eines war vor siebzehn Jahren zu Ende, ein anderes vor fünf Jahren und ein drittes in diesem Frühjahr. Genau gesagt, im April.
Ich spucke im Bogen über den Kiesweg. Für Franz. Und weil es für ihn geschieht, gelingt es mir prächtig. Dort, wo die herrlich blauen Astern in der Blechbüchse stehen, liegt Franz.
Er spuckte oft in seine mörtelgrauen Hände. Das war seine Art. Und einmal spuckte er dem zitronengesichtigen Parlier vom Gerüst herunter präzise auf den Kopf. Was für ein Krawall! Der Parlier zappelte unten zwischen Sandhaufen und Bretter-stapeln herum: »Cretino!« schrie er herauf. »Kartoffelfresser!« schrie er.
»Tabaksaft, noch immer das beste Mittel gegen Läuse!« rief Franz nach unten. Ich hielt mich an einer Planke fest; die Welt ver-schwamm vor meinen Augen, nein, ich habe selten so gelacht.
Wenige Tage später fiel Franz vom Gerüst. Unbegreiflich. Franz fiel fünf Stockwerke tief.
Übrigens hat der Parlier dem Franz verziehen; er kam feierlich schwarz zur Bestattung und hat als einziger geweint.
Verstehe einer diese Südländer!


WANDA antwortete am 30.12.02 (08:44):

Möchtest Du, dass wir über diese Geschichte diskutieren? Im Moment bin ich etwas verunsichert, meine eben reingestellte KG hatte ich gestern schon rausgesucht, ohne zu wissen, dass Du und auch hl inzwischen tätig waren.