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THEMA:   Kurzgeschichten

 65 Antwort(en).

team seniorentreff begann die Diskussion am 24.10.02 (20:21) mit folgendem Beitrag:

Wie der Titel schon sagt, hier können Kurzgeschichten jeglicher Art eingesetzt werden, viel Vergnügen!


Schorsch antwortete am 24.10.02 (20:22):

Der Sesselsammler (I)

Die Stimmung ist angespannt, die vier Kinder sitzen im Wohnzimmer um den runden Tisch und spie-len seit etwa einer Stunde Monopoly. Hänschen, der Zweitjüngste ist am eifrigsten dabei. Er hat den anderen bereits die besten Objekte und das meiste Bargeld abgeknöpft. Nach einer weiteren Stunde gibt sein grosser Bruder auf weil er, trotzdem ihm Hänschen bereits zweimal eine Million Franken gepumpt hat, bereits wieder Pleite ist. Genau genommen sogar mehr als Pleite, denn was ihm Häns-chen gegen zehn Prozent Zinsen geliehen hat, bleibt für das nächste Spiel am nächsten Wochenende in Hänschens Gehirn notiert.
Aus Hänschen wurde Hans. Er machte eine Lehre als Bankfachmann. Dann ergab es der Zufall – dem man ja bekanntlich ein wenig nachhelfen kann – dass die Tochter des Generaldirektors sich in ihn verliebte. Warum sollte Hans die Gelegenheit nicht ergreifen? Schliesslich steht nirgends geschrieben, man könne nur eine schöne oder dann eine reiche Frau heiraten – sie war beides!
Das Monopoly-Spiel hat Hans seinen Kindern beigebracht. Sie spielen es mit dem gleichen Eifer wir er selber vor dreissig Jahren. Bereits zeigt sich, dass Hänschen Junior das Geschäftstalent vom Vater geerbt hat. Hans ist stolz auf ihn.
Mit Vierzig wird Hans sen. in den Geschäftsausschuss gewählt und kurz darauf in den Verwaltungsrat delegiert.

Mit Fünfzig verlässt er die Bank wo er gelernt und die ersten Sporen abverdient hat und gründet die Bank „Handel & Wandel“. Die Geschäftsverbindung mit seinem Schwiegervater bleibt natürlich – zu beider Freude und Gewinn – erhalten. Hans wird zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt, oder bes-ser gesagt: er setzt sich selber als solchen ein. Denn die Familienmitglieder, die er der Form halber als Mitaktionäre auf dem Papier hat, haben eigentlich keine andere Rolle zu spielen als auf dem Papier da zu sein. Hans spinnt Fäden zu weiteren Banken und Unternehmen. Bald sitzt er in über zwanzig Ver-waltungsräten, in den meisten als Präsident. Was immer er an die Hand nimmt, floriert und wirft riesi-ge Gewinne ab. Schon wenn sein Name im Zusammenhang mit einem Börsengang erwähnt wird, steigen die Kurse blitzartig an.

Fortsetzung folgt


Schorsch antwortete am 24.10.02 (20:23):

Ein Konkurrenzunternehmen, das viel Geld in spekulative Geschäfte investiert hatte, kränkelt, arbeitet mit Verlust. Insider wissen, dass diese Bank nur noch mit geschönten Büchern existiert. Hans sitzt auch hier im Verwaltungsrat. So weiss er als einer der ersten, dass man die Bank für ein Butterbrot übernehmen kann. Die Öffentlichkeit braucht aber nicht zu wissen, wie schlecht es steht. So ganz un-schuldig ist Hans nicht am Desaster. Denn er hat erstens durch Mittelsmänner riesige Mengen der Aktien verkaufen lassen, was zu grosser Unruhe führte und was dann den Wert der Papiere fast ins Bodenlose stürzen liess. Dann hat er sie durch andere Strohmänner wieder aufgekauft.
Die noch mit einem blauen Auge davon gekommenen Kollegen sind froh um das Angebot der „Han-del & Wandel“, das alteingesessene aber marode Unternehmen für einen Pappenstiel zu übernehmen.
Das Spiel war gut eingefädelt. Die Masche hatte funktioniert und rief nach Wiederholung. So kamen denn in den nächsten Jahren noch viele kleinere und grössere Banken, aber auch Handelsbetriebe und Fabriken bei Hans unter einen Hut.

Natürlich konnten durch all diese Zusammenschlüsse enorm viele Mitarbeiter eingespart werden. Zuerst ging es noch recht human mit vorzeitigen Pensionierungen und nicht mehr besetzen von Stellen. Aber weil dies fast keine Opposition brachte, wurde Hans kühner. Er kürzte die Löhne seiner Mitar-beiter, liess von ihnen neue Verträge unterschreiben, welche höhere Arbeitszeiten und weniger Rechte beinhalteten. Falls aus den Standortgemeinden Opposition kam, drohte Hans, den betreffenden Betrieb zu schliessen und die Produktion ins billigere Ausland zu verlegen. Die Masche zog fast immer.
Hans war inzwischen über Achzig geworden. Noch immer stand er jeden Morgen um Fünf auf und war um Sechs bereits in einem seiner Unternehmen, wo er für Zucht und Ordnung sorgte.
Die Rezession kam. Zweihunderttausend Arbeitslose waren es inzwischen geworden. Die AHV-Kasse drohte Pleite zu werden. Irgend so ein schlauer Kopf kam auf die originelle Idee, das Pensionsalter für Mann und Frau auf 67 anzuheben. Hans unterstützte diese Idee. Schliesslich hatte er selber vor, noch bis mindestens Neunzig zu arbeiten. Aber Gevatter Tod machte ihm einen Strich durch die Rechnung: Mitten in einer Verwaltungsratssitzung brach er tot zusammen. Dreitausend Menschen aus Wirtschaft, Politik, Sport und dem Klerus nahmen an seinem imposanten Begräbnis teil! Warum eigentlich?

Juli 2000 Schorsch


bello antwortete am 25.10.02 (10:07):

Haben Sie schon seine Geschichte vom Pilz-Denkmal vor dem Bahnhof gehört? Ach entschuldigen Sie -, das ist der ja gar nicht. Den mit dem Bericht über die Ursachen der Menschen-Ansammlung auf dem Bahnhofs-Vorplatz, der wurde ja getötet. Dann meldete sich ein anderer auf die Such-Anzeige nach einem Chaos-Reporter. Der hatte ein Froschmaul und eckige Augen, und dem saß eine riesige Spinne über der linken, oberen Gesichtshälfte. Manchmal erzeugte er selbst ein Chaos, zum Beispiel in der Straßenbahn, wenn die Leute alle gleichzeitig an einer Tür hinausdrängelten, sobald er durch die andere Tür hinein kam. Aber der Stadtrat stellte ihn doch ein, denn es hatte sich keiner sonst beworben.

In den Zeitungs-Archiven der Stadt las sich der neue Chaos-Reporter sorgfältig den Artikel seines getöteten Kollegen durch, in dem dieser die Vorgänge jenes Tages schilderte, an dem der Bürgermeister vor dem Bahnhof ein Pilz-Denkmal hatte aufstellen lassen. Er kicherte vor sich hin und freute sich, denn in einer Stadt, in der solche Dinge passierten, ließ es sich für einen wie ihn gut leben. Dann trieb er sich im Vorzimmer des Bürgermeisters herum, konnte aber nichts Neues in Erfahrung bringen, da die Sekretärin bei seinem Anblick sprachlos geworden war. Er fuhr zum Bahnhof, besah sich den vergoldeten Pilz und schüttelte den Kopf. Hoffentlich hatten sie jetzt einen anderen Bürgermeister.

In dieser Nacht kamen wieder die Spinnen. Sie krochen von allen Seiten über sein Gesicht und krabbelten so lange umher, bis er wach wurde. Aha, dachte er. Er kannte jede einzelne, auch wenn sie alle die gleichen grünen, bösartigen Augen hatten. In den Nächten, in denen sie auftauchten, spielte sich draußen in der Stadt etwas ab, über das er eine Reportage abzugeben hatte. Nacheinander las er die Spinnen von seinem Gesicht ab. Sie rollten dabei die Beine ein, und er warf die kleinen Kugeln überall im Zimmer herum, damit sie später ihren Weg zurück fänden. Seine Hände klebten von dem Zornes-Schleim, den sie zuletzt abgegeben hatten, und einzelne Netz-Fasern hingen an seinem Gesicht. Zeit, sich zu waschen, hatte er nicht mehr. Er hängte sich seine Kamera um den Hals, warf noch eine Spinne in den Raum, die sich in seiner Ohrmuschel verfangen hatte, und verließ das Haus.
Der Ort des Geschehens war nicht schwer zu finden. Neben einer alten Kirche, in der sich ein wertvoller Sarkophag befand, hockten schwarzgekleidete Frauen und sangen so eine Art Totenklage. Vor ihnen auf dem Boden lagen Hunderte von Puppen mit den Gesichtern alter Männer, bekleidet mit selbstgenähten, farblosen Uniformen. Etwas abseits stand ein Polizeiauto, dessen Lampen ausgeschaltet und die Fenster herunter gelassen waren. Der Chaos-Reporter fragte einen der Polizisten, was von dieser Versammlung zu halten sei, und bekam zur Antwort: „Die Puppen sollen ihre im Krieg erschossenen Männer sein und der, der in der Kirche im Sarkophag liegt, trage dafür die Verantwortung. Jedes Jahr einmal versammeln sie sich hier und wollen den Sarg aufbrechen und sich an den Leichen-Resten rächen. Dann aber kommt ein vermummter Mann und scheucht sie weg, und sie verschwinden jammernd zwischen den Häusern. Von Interesse ist uns der Mann. Aber bis jetzt haben wir ihn nie stellen können.“
Der Chaos-Reporter setzte sich auf eine kleine Treppe an der Kirche und fing an, seinen Bericht zu schreiben. Und so lange er dort wartete, erschien der Mann, für den sich die Polizei interessierte, nicht. Gegen Morgen rafften die Frauen ihre Puppen zusammen und verschwanden in den Gassen. Von Chaos hatte man eigentlich nichts bemerkt.

Als der Reporter nach Hause kam, steckte schon die Tageszeitung im Kasten. Darin stand, dass man gestern zwei Polizisten in ihrem Auto erstochen aufgefunden hatte. Der Sarkophag in der Kirche sei verwüstet worden.

(D.B. 2002)


schorsch antwortete am 25.10.02 (11:35):

Frei-Tag (I)

Freitag der 13. Juni 1997. Krütli, seines Zeichens Buchhalter in der altehrwürdigen Bandwe-berei Gysin in Bärlingen, schwante Böses. Aber das war an und für sich nichts Besonderes, denn Krütli schwante immer Böses, ob es nun Freitag der 13. war oder ein x-beliebiger ande-rer Tag. Heute aber war er schon mit dem falschen Fuss zuerst aus dem Bett gestiegen. Auch dies wäre weiter nicht schlimm gewesen, denn man hätte den Tag noch retten können, indem man einfach nochmals in die Federn kroch, auf zehn zählte, dann gähnte und so tat, als hätte man die Fussmatte vor dem Bett gar noch nicht berührt gehabt. Aber ausgerechnet heute hatte das Telephon geschrillt als Krütli diese Lösung des Problems in den Sinn kam, er also diese sogleich wieder vergass und zum Apparat eilte – wo ihn aber nur ein wütendes Schnauben erwartete – und dieses Schnauben den Hörer alsogleich wieder auflegte - was Krütli prompt zu einem Ausruf verleitete, den zu wiederholen der Anstand verbietet!
Weil Krütlis Magen nun absolut keine Lust hatte, sich mit dem wässerigen Kaffee füllen zu lassen, den Krütli mit seinem mageren Gehalt zu kaufen imstande war, ging sein Besitzer heute ungesättigt ins Büro. Hier gedachte Krütli, so gegen zehn Uhr sich in aller Ru-he einen Schwarzen zu genehmigen. Aber kurz bevor er diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, rief ihn sein Chef, Augustin Bleicher, mit den Unterlagen für das Objekt Hauser zu sich. Bleicher hatte heute seinen guten Freund und Geschäftskollegen zu Besuch. Als Krütli die Unterlagen mit einem freundlichen Gruss an die beiden auf des Chefs Tisch gelegt hatte, machte Bleicher mit dem Kopf eine Bewegung zur Tür, was soviel heissen sollte, als Krütli sich wieder verziehen solle. Bevor dieser aber die Tür hinter sich schloss, hörte er noch wie der Gast mit verhaltenem Kichern Bleicher fragte: „Hast du diesen komischen Kauz immer noch beschäftigt? Kommt der denn mit den heutigen Anforderungen noch zurecht?“
Ach weißt du“, antwortete Bleicher, „das ist doch mein Freitag, den muss ich wohl oder übel bis zu seiner Pensionierung – oder bis zu seinem vorzeitigen Ende! – durchfüttern!“
„Freitag?“, fragte etwas ratlos Hauser.


schorsch antwortete am 25.10.02 (11:37):

Frei-Tag (II)

„Naja, du kennst doch die Geschichte mit Robinson Crusoe, der auf der einsamen In-sel lebte, und der diesen Schwarzen aus den Händen der Menschenfresser rettete, und den er Freitag taufte, weil es nach seiner irrigen Zeitrechnung ein Freitag war, an dem diese Wilden ihre Fressorgie auf seiner Insel halten wollten? Nun, der Krütli spielt hier bei mir quasi die Rolle dieses Freitag. Würde ich ihn nicht aushalten, würde er wohl über kurz oder lang vor die Hunde gehen. Ob ich ihn allerdings noch lange durchfüttere, steht auf einem anderen Blatt. Langsam kommt mir nämlich der Gedanke, der Kerl wisse zuviel! Eines Tages muss ich ihn vielleicht gar über die Klinge springen lassen! Naja, schade um ihn wäre es wohl kaum. Da würde ja wohl kein Hahn nach dem Einsiedler krähen!“ Beide lachten laut.
So war das also, dachte Krütli konsterniert. Da opferte er sich auf, machte Überstun-den zuhauf ohne dafür einen Batzen zu bekommen, und das war dann der Dank dafür. Dabei konnte Bleicher froh sein, dass er, Krütli, die dunklen Machenschaften seines Brotgebers nicht schon lange aufgedeckt hatte. Keiner kannte diese kriminellen Seiten Bleichers besser als er. Wie oft hatte er doch schon die Buchhaltung frisieren müssen, nur damit Bleicher dem Fiskus ein paar Hunderttausender vorenthalten konnte! Anfänglich hatte der Buchhalter sich zwar geweigert, dem Chef in kriminellen Belangen zu Diensten zu stehen. Aber Bleicher hatte es verstanden, seinem Angestellten eine Notlage vorzujammern und ihm anzudrohen, bei ei-nem eventuellen Konkurs würde Krütli wieder auf der Strasse stehen, wo er, Bleicher ihn her-geholt habe und zudem stecke ja der Buchhalter mindestens ebenso tief im Dreck wie der Boss. Und Krütli, seiner Lebtag immer schon unter der Fuchtel von irgendwem gestanden, liess sich erweichen. Nächtelang sass er alleine in seinem Büro und frisierte die Buchungen so, dass nicht mal der beste Mitarbeiter ihm am nächsten Tag auf die Schliche kommen konn-te. Hin und wieder, wenn Bleicher so wieder zu ein paar Dutzend Tausendern gekommen war mit seines Buchhalters Hilfe, steckte er diesem einen Hunderter mehr in die Lohntüte.
Krütli konnte in der folgenden Nacht kein Auge zutun. Immer wieder hörte er seinen Chef die Geschichte mit Freitag, dem Sklaven von Robinson Crusoe, erzählen, und er hörte das ekelhafte Lachen seines Chefs. Was wollte denn Bleicher andeuten mit seiner Bemer-kung, er müsse seinen Untergebenen vielleicht gar über die Klinge springen lassen? Würde der Boss vielleicht so skrupellos sein, ihn notfalls umzubringen, nur um die eigene Haut retten zu können? Und langsam kam ihm der Gedanke, Bleicher zuvorzukommen.
Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Am Abend des gleichen Tages rutschte Krütli beim Du-schen in der Badewanne so ungeschickt aus, dass er mit der Nase auf den Rand der Wanne fiel. Sofort blutete es aus der Nase, dass man hätte meinen können, er sei am verbluten. Krütli stieg, mit einer Hand die Nase zuhaltend, aus der Wanne und behändigte sich eines Pakets Papiertaschentücher. Er fluchte, denn es wollte partout nicht hören zu bluten. Da kam ihm die grandiose Idee. Wenn er denn schon mal blutete, dachte er, könnte man doch daraus einen Mord inszenieren? dachte er sich. Flugs sammelte er die bereits in den Abfallkübel geworfe-nen Taschentücher wieder ein und versorgte sie in einer leeren Biskuitbüchse, die er am näch-sten Tag mit ins Büro nahm und im Schreibtisch versorgte.


schorsch antwortete am 25.10.02 (11:39):

Frei-Tag (III)

Allerdings war der unbändige Zorn vom Vortag bereits wieder seinem sprichwörtlichen Fatalismus gewichen. Er müsste doch, dachte er, seinem Chef immerhin noch eine Chance geben. Als es gegen Mittag zu ging, meldete er sich per Telephon bei Bleicher und bat um eine Unterredung. Er solle doch sofort kommen, wurde ihm beschieden. Als er die Türe zum Chefbüro öffnete, merkte er bereits an der Miene des Chefs, dass heute wieder gar nicht gut Kirschen essen war mit diesem. Aber heute nahm er all seinen Mut zusammen und sprach Bleicher auf die gestern aufgeschnappten Worte an. Bleicher schnappte nach Luft. Dann ging eine Kanonade von Schimpfwörtern auf Krütli nieder. Was er sich denn erlaube, fragte Bleicher. Noch so ein unbesonnenes Wort und er könne seine Siebensachen gleich heute noch packen. Dann ging Bleicher zum Fenster und gebot Krütli zu sich. „Schauen Sie mal da unten auf die Strasse“, kreischte er. „Da stehen mindestens ein Dutzend so gute Buchhalter wie Sie. Ich bräuchte nur mit den Fingern zu schnippen und schon würden sich die armen Würmer die Klinke aus den Händen reissen hier!“ Dabei deutete er auf die Türe zu seinem Büro. „Nun hauen Sie aber ab und lassen sich nie mehr zu solchen Frechheiten hinreissen!“
Das war genau das was Krütli noch gefehlt hatte. Statt seine für heute vorgenommene Arbeit zu verrichten nahm er die Liste hervor, die er sich jahrelang angelegt hatte mit all den Schurkereien, die er für seinen Boss hatte vornehmen müssen. Anhand dieser Liste frisierte er die Zahlen so, dass die dem Fiskus vorenthaltenen Millionen alle auf ein verborgenes Konto transferiert wurden, zu dem nur er und Bleicher Zugriff hatten. Am Abend, als der Chef ihm einen guten Abend wünschte, grüsste er freundlich zurück. Dann aber telephonierte er zu der Bank, wo die unrechtmässigen Gelder lagen und verlangte den Generaldirektor. Diesem stellte er sich als Bleicher vor und bat ihn, dem zuständigen Sachbearbeiter Auftrag zu geben, das betreffende Konto aufzulösen und den ganzen Betrag in bar für übermorgen bereit zu stellen. Dieses Geld benötige er dringend für ein lukratives Geschäft, das er übers Wochenende zu tätigen gedenke. Er, Bleicher, werde seinen Chefbuchhalter bitten, das Geld übermorgen abzuholen.


schorsch antwortete am 25.10.02 (11:41):

Frei-Tag (IV)

Am folgenden Tag meldete sich Krütli krank. Der ganze Tag war aber ausgefüllt mit dem Packen des Allernötigsten für eine lange Reise und dem Bestellen eines Flugbilletts nach Mauritius direkt in Mailand.
Wie mit dem Generaldirektor der Bank vereinbart meldete Krütli sich zum gemeldeten Zeitpunkt direkt beim zuständigen Sachbearbeiter der Bank und wies sich wie gewohnt mit seinem Personalausweis aus. Der Sachbearbeiter lachte und sagte, dies wäre denn nun wirklich bald nicht mehr nötig. Schliesslich würden sie sich ja nun schon so viele Jahre kennen, dass der Ausweis nur noch Formsache sei. Dann füllte er Krütlis Aktenkoffer mit den Notenpaketen. Krütli bedankte sich artig und verliess mit einem Händedruck das Büro. Den Koffer brachte er in einem Schliessfach auf dem Bahnhof unter. Dann ging er, als ob nichts geschehen wäre, in sein eigenes Büro und machte wie gewohnt seine Eintragungen und Berechnungen. Am Abend aber, als Chef und Mitarbeiter das Geschäft verlassen hatten, nahm Krütli seine Biskuitbüchse und verstaute die noch nassen Taschentücher in Bleichers Kleiderkasten. Dann ging er seelenruhig zum Bahnhof, löste eine Fahrkarte 2. Klasse nach Mailand und stieg ein paar Minute später in den Intercity.
Als Krütli weder am folgenden noch am übernächsten Tag zur Arbeit erschien und auch nicht auf Telephonanrufe reagierte, beauftragte Bleicher seinen Chauffeur, doch mal zu Krütlis Wohnung zu fahren und Nachschau zu halten. Etwas verdattert kam dieser nach einer halben Stunde zurück und rapportierte, Krütli melde sich auch auf das Klingeln an der Türglocke nicht. Bleicher runzelte seine Stirn. Dann griff er zum Telephon und meldete Krütli bei der Polizei als vermisst. Diese sandte einen Streifenwagen zu Krütlis Wohnung. Als auch diesmal nicht geöffnet wurde, verschafften sich die Beamten gewaltsam Zutritt zur Wohnung. Sie fanden zwar den Hausbewohner nicht, hingegen lag auf dem Küchentisch ein Zettel, auf die Krütli handschriftlich eine Notiz geschrieben hatte mit folgendem Wortlaut: „Sollte mir etwas zustossen: Mein Chef hat mir zu verstehen gegeben, dass er mich verschwinden lassen würde, wenn ich gewisse unsaubere Transaktionen publik mache. Vor ein paar Tagen hat er dies sogar in Gegenwart des Immobilienhändlers Hauser geäussert.“
Die Polizisten übergaben den Fall der Staatsanwaltschaft. Sowohl Bleicher wie auch seine Mitarbeiter wurden vernommen. Als die Befragungen kein Resultat ergaben wurde auch Hauser vernommen, welcher nach einigem sich winden schliesslich zugab, dass die Notiz Krütlis schon einen realen Hintergrund habe. So wurden denn sowohl in Bleichers Wohnung wie im Geschäft Hausdurchsuchungen angeordnet und durchgeführt. Bleicher fiel aus allen Wolken als die Fahnder in seinem Kleiderkasten die Taschentücher mit Blut fanden. Eine DNS-Analyse ergab zweifelsfrei eine Übereinstimmung mit diesem Blut und Haaren, die man in Krütlis Wohnung in grossen Mengen eingesammelt hatte.
Zwar wurde Bleicher vom Geschworenengericht mangels Beweisen vom Verdacht des Mordes freigesprochen. Aber die Sache machte ihm so zu schaffen, dass er sich frühzeitig pensionieren liess.

Ende (Gottlob?)

Schorsch


bello antwortete am 26.10.02 (13:28):

Aus meinen gelben Seiten (Teil I)

Großvater, der mich mit in die Innenstadt genommen hatte, fragte, was das für Menschen seien -, die mit der dunklen Kleidung und den gelben Sternen auf den Mänteln, sagte er: „Das sind ganz arme Menschen.“ Ich weiß nicht, ob ich ein übermäßig wissbegieriges Kind gewesen bin. Jedenfalls fragte ich nicht weiter, verband auch das „arm“ in seiner Antwort nicht mit mangelndem Geld. Ich dachte einfach, dass ich noch zu klein sei, um mehr erfahren zu dürfen. Jedenfalls wollte mein Großvater nicht weitersprechen ..., das fühlte ich ganz genau. Später sah ich diese Sterne auch an manchen Haustüren oder verhangenen Schaufenster-Scheiben. Irgend etwas hatte sich in unserer Stadt geändert. Die Hakenkreuz-Fahnen waren längst nichts Neues mehr, auch nicht die Bilder eines schnauzbärtigen Mannes mit erhobenem und nach vorn gestrecktem Arm. „Unser Führer“, sagten die Leute, und ich konnte ihn auch einmal aus der Ferne sehen, als er durch unsere Straße zu einer Kundgebung in der Nähe gefahren wurde, von woher man später viele Menschen schreien hörte. Das alles war also nichts Neues für mich -, auch nicht die weißen, an die Hauswände gemalten Pfeile, die auf den Luftschutzraum wiesen. „Damit man die Hausbewohner finden kann, wenn das Haus verschüttet ist.“ Aber neu war eben die Atmosphäre in der Stadt. Die Leute eilten mehr, liefen schneller und standen nicht mehr in Grüppchen beieinander. Kleine Plakate an den Hauswänden warnten ‚Pssst, der Feind hört mit’. Niemand wusste, wer ein Feind sein könnte, und so unterhielten die Leute sich lieber erst gar nicht. Man sprach jetzt nicht einmal mehr darüber, ob am Himmel Regenwolken zogen oder ob die Sonne schien. Aber viele sahen oft nach oben wegen der Bombengeschwader.
Mein Großvater wollte mir den „Schweidnitzer Keller“ – ein berühmtes Lokal im Rathaus – zeigen und mir ein großes Glas Himbeersaft bestellen. Doch soweit kam es nicht. Die Sirenen heulten ohne Vorwarnung mit Voll-Alarm, und das hieß höchste Eile, einen Luftschutzkeller aufzusuchen. Es gab deren eine Anzahl öffentliche Keller, die eigens gebaut worden waren. Doch konnte man auch in fast allen Häusern die dortigen benutzen -, Haustüren standen in dieser Zeit für jeden offen. Wir wollten eilig das Lokal verlassen, aber ein Kellner stellte sich uns in den Weg: eine Bombe sei in das gegenüberliegende Haus gefallen, man könne nun nicht mehr auf die Straße. Gut gut, hier sei man ja mindestens genauso sicher ... Von draußen war nichts zu hören. Ein paar Menschen kamen noch herunter gehastet, eingestaubt von Ziegelmehl und mit entsetzten Gesichtern. Sie sagten, dass es nur diese eine Bombe gewesen sei, vermutlich ein Zufall, denn die Geschwader seien in Richtung Berlin weitergezogen. Nach einiger Zeit gab es Entwarnung, die Sirenen wimmerten sich aus, und mein Großvater meinte, wir sollten versuchen, nach Hause zu kommen.


bello antwortete am 26.10.02 (13:33):

Aus meinen gelben Seiten (Teil II)

Bis dahin hatte ich Ruinen nur in Bilderbüchern gesehen und sie Neugier erregend und geheimnisvoll gefunden. Hier aber erregte die brennende Ruine nur Angst. Die obersten Stockwerke waren zerborsten und hatten sich als Ziegelschutt überall verbreitet. Weiter unten gab es noch Mauerreste mit leeren Fensterhöhlen, ebenso wie auch in den Nebenhäusern, die in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ein ekelhafter dicker Qualm brachte die umher irrenden Menschen zum Husten. Menschen schrieen hinter den Rauchschwaden und in den verschütteten Kellern. Kinder weinten. Ich weinte auch. „Komm’“, sagte mein Großvater, ich bin zu alt und du bist zu klein, um helfen zu können. Auch sind da ja schon Viele gekommen, um den Schutt wegzuräumen. Wir wollen versuchen, uns den Weg nach Hause zu bahnen.“ Und so begannen wir, zwischen den herabgefallenen Steinen hindurch zu gehen, im Hintergrund die Hitze der brennenden Ruine, in den Augen Tränen und im Hals dieses eklige Kratzen von den Rauchwolken. Der Weg war beschwerlich. Man musste aufpassen, nicht fehlzutreten. Straßenbahnen konnten hier nicht mehr fahren. Wir wohnten weit draußen gegenüber dem Zoo, der uns – besonders nachts gut zu hören - die Stimmen vieler Tiere in die Zimmer schickte.
Ja, der Weg war lang. Mein Großvater atmete schwer, und ich wurde immer mehr müde und weinerlich. In der Ferne ließ sich jetzt die Brücke erkennen, die vor unserem Haus über den Fluß führte. Wir gingen an unserem Milchladen vorbei, dann an dem Haus, in dem Immo wohnte, unser kleiner Freund. Dann ging es nicht mehr weiter. Männer in Uniformen liefen herum, Polizisten, Krankenfahrer und erschrockene Menschen, unter denen ich den Inhaber unseres Lebensmittel-Ladens (das hieß damals ‚Kolonialwaren’) erkannte. Mein Großvater fragte ihn, was hier los sei. Er antwortete: „Sie haben noch eine zweite Bombe verloren. Die hat das Eckhaus zertrümmert.“ Es ging irgendwie nicht in meinen Kopf hinein. Ich bekam wieder einen meiner Anfälle, wälzte mich auf dem Boden und schrie und schrie. Das Eckhaus! Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und das Baby, das kommen sollte. Vor meinen Augen drehten sich grelle Kreisel, meine Ohren vernahmen misstönende Musik. Meine Hände verkrampften sich. Aus meinem Mund floß Blut. Ich stöhnte, schrie weiter und trat gegen alle Hände, die mir helfen wollten. Meine Umgebung füllte sich mit grünen Nebeln, die die Trümmer verdeckten. Mein Großvater erlitt einen Zusammenbruch, und sie brachten ihn weg. ‚Mama, Mama, komm’ bitte zurück, ich kann doch noch nicht alleine leben!’ Ach, ich wollte auch sterben. Mama! Mama!
Sie kam mit einer Taschenlampe ins Zimmer. Im Krieg sollte man Strom sparen und alles dunkel halten.
Warum hast du so geschrien?
Mama?
Du hast ganz fürchterlich geschrien.
Ich sah mich um. Sah meinen Bruder im Nebenbettchen friedlich schlafen. Strich über den runden Bauch meiner Mutter, in dem das Baby schon strampelte. Mein Zittern hörte erst auf, als meine Mutter mich in den Arm nahm.
Und wo ist Papa?
Denn ich musste mich versichern, dass ich nur geträumt hatte und alle meine Lieben um mich haben konnte.
„Über der Innenstadt haben sie eine Bombe verloren,“ sagte meine Mutter. „Papa befand sich bei einem Freund in dem Haus, das getroffen wurde.“

Danach brachten sie mich in eine Kinderklinik, in der mein Geist geheilt werden sollte. Denn ich redete nur noch von gelben Kreuzen.

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Mit image veröffentlicht in "körpernetz"

Internet-Tipp: https://www.koerpernetz.de


Felix antwortete am 26.10.02 (17:55):

Also die kürzeste ... und äusserst dramatische Geschichte, die ich kenne:

Bei der Jagd trafen sich zwei Jäger ... beide waren sofort tot!
&:>)))


schorsch antwortete am 26.10.02 (18:19):

Ich kenne diese Geschichte etwas anders:

"Zwei Jäger trafen sich im Wald....."
"Na und......?"
"Morgen ist die Beerdigung!"


WANDA antwortete am 27.10.02 (11:03):

Es gab eine Zeit, da fuhr ich jede Ferien zu Bruno.
Bruno ist Hoferbe, Bauer, Junggeselle, Waldarbeiter, Melker, Geburtshelfer und Spiegelleser zugleich.


Bruno hat bei der Arbeit einen Hut auf, sommers wie winters.
Er arbeitet zu viel. Allerdings immer nur so viel, wie er möchte.
Wenn er keine Lust mehr hat, sagt er: „hüt nimmi“, was so viel heisst, wie heute nicht mehr.

Er sagt auch oft „anno 64 oder anno 56“, denn er hat ein fabelhaftes Gedächtnis, für die Dinge, die ihm wichtig sind.
Die „Öhmt“ (zweite Heuernte) war anno 79 schon im August drin.

Bruno ist liebenswert, obwohl er Katzen totschlagen kann.. Nur, wenn es sein muss, sonst tut er keiner Fliege etwas zu Leide. Er hat einen empfindlichen Magen und ihm bekommen manche Dinge nicht, eigentlich sind es ziemlich viele Dinge, die ihm nicht „guet tue“.


Bruno wollte mit mir nach Kanada fahren, um einen Freund, der anno 50 ausgewandert ist , zu besuchen.

Ich wusste, dass daraus niemals etwas werden würde. Bruno ist ein Träumer, der seinen Hof nie verlässt, nicht einmal zur Hochzeit seines Bruders anno 62.

Das Vieh ist seine Ausrede, sein Halt, seine Familie.

Bruno muss weiter träumen. Wenn er eines Tages aufwacht, ist die Wirklichkeit vorbei.


bello antwortete am 28.10.02 (07:49):


Aus dem Tagebuch eines Verwirrten
*** Eintrag vom 11. April 2002 ***

Morgens bekam er eine rosa Pille, von der er ziemlich betrunken wurde. Die grünen und gelben Farben im Vorbereitungsraum erschienen ihm unpassend. Ein paar Leute schlichen umher: ich bin der Sowieso und messe Ihren Blutdruck – oder: ich bin die Sowieso und werde Sie jetzt einschläfern. Dann kam der Operateur, die bereits gewaschenen Hände gefaltet, und zeigte seine Ungeduld. Haben Sie den nicht erkannt? Doch doch -, das ist ja nur eine Frage, um zu sehen, wie weit er noch wach lag. Sie gaben ihm eine Spritze, sagten ihm aber nicht, was es war, und als er krächzte, ich verabschiede mich wohl jetzt, konnten sie ihren Schrecken nicht verbergen. Dabei geschah doch nichts Makabres. Sie hatten wohl einfach einen Fehler gemacht. Die Helligkeit des Raumes, die durch seine geschlossenen Lider drang, war das letzte, was er erkennen konnte. Er nahm sie mit hinüber.

Sein Kopf wuchs auf riesengroße Ausmaße an. Laute, atonale Musik, entstanden durch die Pulsfrequenzen, dröhnte durch sein Gehirn. Es drehte ihn, es drehte ihn. Die Übelkeit kam nicht. Er wurde schwerelos, erhob sich von seiner Unterlage und verließ die Welt. Es war gar nicht schlimm zu sterben. Am Ende der Röhre, durch die es ihn hindurch wehte, erwartete ihn eine goldene Wolke. Er musste sie nur erst erreichen. Mit nur einem Auge erwies sich das als langwierig. Der blaue Basalt verschwamm hinter ihm. Er hatte nun keine Vergangenheit mehr, an die man sich erinnern sollte. Die Zukunft hätte Erwachen bedeuten müssen. Sie war zu weit entfernt. Er weinte ein bisschen. Niemand trocknete seine Tränen. Dann erloschen alle Sensibilitäten. Er war endgültig eingeschlafen. End-gültig?


bello antwortete am 29.10.02 (10:17):

Winterzeit

Morgens sagt mir mein fauler Körper, dass ich noch schlafen möchte. Es ist ja erst ... Die Katze aber meint, es sei ja schon .... Denn sie hat auch eine innere Uhr. Jetzt !!!, genau jetzt !!! will sie, dass ich aufstehe. Futter? Nein, nein, ist genug da. Aber es ist so öde allein da nebenan. Rauf aufs Bett – runter vom Bett. Nix. Dann über meinen faulen Körper getrampelt – und zurück. Nix. Einige Gewebsfasern aus dem Bettlaken gezogen. Nix. Krallen eingezogen und mit dem Pfötchen auf meine Nase getippt. Nix. Denn sie merkt ja, dass ich wach bin -, auch wenn ich mich tot stelle. Sie merkt es immer, wenn ich aufwache. Denn sie hört meine Augäpfel unter den Lidern rollen. Seitdem weiß ich, was wir alles bewegen, wenn wir meinen, ganz still zu liegen. Irgend etwas muß in der Aufwachphase allerdings anders sein als beim „rapid-eyes-movement“. Sonst würde sie mich auch nachts ein paar Mal wecken. Ich träume wild. Meiner Katze ist es völlig egal, weshalb ich nachts mit den Augen rolle. Sie wartet lediglich auf diese andere Art des Rollens, die ihr mitteilt, dass ich jetzt am Aufwachen bin (Göttinger Deutsch).

Die Winterzeit ist für mich die falsche Zeit. Meine Umstellung erfolgt tixotrop, ... zähflüssig. Eine tixotrope Substanz ist gel-artig und wird beim Umrühren flüssig. Da ich mich nicht flüssig, nicht einmal halb-dick machen
kann -, dauert der Umstellungsprozeß bei mir ungefähr bis Weihnachten. Irgendwie hängt das auch mit dem visuellen Gedächtnis zusammen: wenn die Gegenstände so und so farbig aussehen, muß es jetzt so und so viel Uhr sein. Und das klappt bei mir nur im Sommer.

Ich öffne jetzt die Augen, da die Katze ja doch keine Ruhe gibt und ein weiteres Bettlaken bald fällig für die Mülltonne sein wird. Ihr spitzer Schrei beim Einschalten der Lampe macht mich endgültig wach. Dann wird sie hinter den Ohren gekrault, was besser ist, als sich an irgendwelchen Ecken selbst zu bedienen. Ich rolle mich aus dem Bett. Von der embryonalen Schlaf-Lage sind die Gelenke steif und die Glieder verbogen, die Wirbelsäule krumm und die Füße verdreht. Beim Aufstehen falle ich erst einmal gegen einen Schrank. Das geht ja noch. Auf keinen Fall möchte ich auf ein Hüftgelenk fallen. Viele von denen sind bei so etwas schon gebrochen. Geht es vornüber, strecke ich lieber die Hand aus -, die könnte notfalls mal eine Zeitlang pausieren. Es muß natürlich die linke sein. Deswegen ist es nach dem Einkaufen ja auch so schwer, sich richtig auf einen Sturz vorzubereiten. Beim letzten Mal war nicht einmal die Jeans kaputt. Da hatte ich auch die Hand vorgestreckt. Ich glaube, erst wenn man alt ist, erst wenn alles weh tut, erst wenn vieles schneller kaputt geht ..., erst dann fängt man an zu wissen, was so einen Körper ausmacht. Eine bessere Möglichkeit zur Information - als ein Hörsaal der Anatomie.

Nehmen Sie das alles nicht so ernst.



bello antwortete am 30.10.02 (14:49):

*** KUNST IST DAS NICHT ***

Wenn Sie eines Tages den Eindruck haben, daß Ihr Tee nach Wurstbrühe schmeckt, dass es in der Küche riecht – als wenn es gebrannt hätte, dass die Bäume vor den Fenstern sich auf einem Laufband bewegen und dennoch stehen bleiben, dass Ihr Haustier Sie neuerdings ansieht wie die Verkörperung eines schlechten Gewissens, dass niemand je den Bildschirm des Fernsehers gereinigt hat, dass der Briefkasten jetzt höher hängt als sonst, dass Sie nicht mehr autofahren und nicht mehr ohne Kopfschmerzen leben können – und dass keiner Sie mag ..., wenn Sie also Solches erleben müssen, so kann das verschiedene Gründe haben.

Ehe Sie Ihren Hausarzt aufsuchen, um dem für alles die Verantwortung zu übertragen, sollten Sie sich prüfen, ob Sie Ihres Körpers kundig sind. Wissen Sie denn genau, weshalb Sie so häufig Erkältungen bekommen? Wissen Sie, weshalb ein Besuch bei Ihrem Anwalt den Rhythmus Ihres Pulses stört? Wissen Sie, wie Sie von hinten aussehen und ob sich unbemerkt eine kleine Glatze entwickelt hat? Wissen Sie, weshalb Sie zu Übergewicht neigen oder ob sich mittlerweile Ihre Magen-Wände überdehnt haben? ... Sehen Sie? Sie merken jetzt, dass Sie über Ihren Körper nichts wissen. Daraus folgt: dass Sie auch nicht einmal wissen, ob der ganz oben beschriebene Zustand überhaupt etwas Bedenkliches ist.
Vielleicht schmeckte Ihr Tee schon immer nach Wurstbrühe. Sie haben es nur nicht apperzipiert. Das könnte die zweite Erklärung für die oben geschilderten Eindrücke sein: Sie perzipieren nur, aber es speichert sich nichts ..., im Kopf kommt nichts an.
Drittens mag es sein, dass es in Ihrer Küche tatsächlich gebrannt hat. Während Sie unterwegs waren, hat jemand die Schweinerei beseitigt, nur der Geruch hält sich noch monatelang.
Viertens und so weiter ließe sich auch alles andere erklären. Ihr Haustier hat Brötchen vom Tisch gefressen. Vor dem Fernseher haben Sie vergessen, Ihre Brille zu benutzen. Der Briefkasten hängt nur scheinbar höher -, sie haben neue flache Schuhe. Autofahren können Sie nicht, weil Sie gar keins haben, und die Kopfschmerzen bilden Sie sich ein. Daß keiner Sie mag, ist eine andere Sache.

Aber ich sehe schon: mit diesen Erklärungen sind Sie nicht zufrieden. Also anders. Als nächstes müssen Sie darüber nachdenken, wo Sie gestern Abend waren und was Sie da gemacht haben. Möglicherweise ist alles eine Folge eines Alkohol-Exzesses. Oder Sie leiden an einer Erkrankung des Gehirns, die sich jetzt erstmalig bemerkbar macht. Da brauchen Sie nicht erst Ihren Hausarzt zu bemühen, da sollten Sie gleich zu einem anderen Arzt gehen.

Was? Diese Erklärungen wollen Sie auch nicht akzeptieren?

Dann wachen Sie doch endlich aus Ihrer Narkose auf!


Karl antwortete am 30.10.02 (16:48):

Ich verlinke das Forum "Kurzgeschichten" als neue Kategorie unter der entsprechenden Rubrik Autoren, einverstanden? Mein Kompliment an alle SchreiberInnen.

MfG Karl

Internet-Tipp: https://www.seniorenstadt.de/autoren/index.html#Kurzgeschichten


Gabi antwortete am 30.10.02 (19:03):

HIER ein paar Kurzgeschichten von meinem Lieblingsautor Wolfgang Borchert. Einfach auf den Link gehen!

Gabi

https://www.beepworld.de/members27/meine_musikseiten/borchert.htm

Internet-Tipp: https://www.beepworld.de/members27/meine_musikseiten/borchert.htm


Karl antwortete am 30.10.02 (20:31):

Hallo Gabi,

danke für den Link. Diese Geschichten von Borschert haben mich als Schüler sehr bewegt.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


bello antwortete am 31.10.02 (08:47):

Anno zweitausendzweiundsechzig entschloß ich mich – in Anlehnung an Franz Kafka – mich einer Verwandlung zu unterziehen. Ich gestattete es mir, ein Zehnfußkrebs aus der Ordnung Decapoda zu werden. Laut Tierlexikon können die langschwänzigen Formen rückwärts schwimmen. Und genau das hatte ich vor.

Haben Sie sich schon einmal gewünscht, Ihren Lebensweg zurück zu gehen? Ereignisse wieder zu treffen? Freunde noch einmal zu sehen? Nebenher zu überlegen, ob Sie dies oder jenes in der selben Weise erneut tun würden?
Ich jedenfalls stellte es mir wundervoll vor, irgendwann bei meiner Geburt anzukommen und mich wieder in die Höhle totaler Geborgenheit zu flüchten.
Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten, meinen breiten Ruder-Fächer, der eigentlich zum Schwimmen diente, so umzustellen, dass er auch zu Lande benutzbar war -, denn ich dachte, auf dem Wasserwege würde ich mich wahrscheinlich verschwimmen. Schließlich war ich ja einmal ein Homo sapiens gewesen.

Die ersten Jahrzehnte, die ich durchkrabbelte, boten wenig Wichtiges. Ich sah mich am Computer Texte schreiben und Kontakte über das Internet knüpfen – und wunderte mich jetzt noch einmal, dass ich mir diese Fähigkeiten hatte aneignen können.
Ein großes Ereignis war die Begegnung mit meinen Kindern im Jahre 1992. Sie hatten gerade Abitur gemacht und beabsichtigten, das Elterhaus zu verlassen, um für eine Berufsausbildung an eine Universität zu gehen. Da ich die Zeit, die danach folgte, gerade durchkrabbelt hatte, wusste ich jetzt, dass dieses Jahr 1992 auch für mein eigenes zukünftiges Dasein ein Stichjahr gewesen sein musste.

Lange danach erreichte ich 1973 und 1972, die Geburtsjahre meiner Kinder, und wunderte mich, wie gelassen ich in dieser Zeit noch gewesen war. Diese Jahre wären es wert, sich noch einmal länger darin aufzuhalten.

Aber ich musste weiter. An meine gestielten Komplexaugen hatte ich mich noch immer nicht gewöhnt. Da die Seh-Zentren, die sich vorn auf ihnen befanden, aus dem Gehirn ausgelagert waren, fühlte ich mich ein bisschen dement, denn in meinem menschlichen Gehirn hätte dann ja etwas gefehlt. Auch hatte ich keine Zähne, sondern „cuticuläre Elemente“, die im Darm einen „Kaumagen“ auskleideten. Da sich die Erinnerung an mein vorheriges Dasein nicht auslöschen ließ, hatte sicherlich noch kein Zehnfußkrebs so gelitten wie ich. Ich tröstete mich damit, dass ich zu den „höheren Krebsen“ gehörte -, auch wenn ich mir bei meiner Kleinheit nicht erklären konnte, was das zu bedeuten habe.

Mühselig fraß ich mich an einem Gewässer voll, ohne von dem Plankton satt zu werden, und überging mit kleinen Sprüngen meinen Hochschul-Abschluß, mein Abitur - und meine erste Liebe.
Jetzt war ich in den Jahren 1943 bis 1945 angekommen und musste noch einmal Entsetzliches durchleben: Bomben, Lichtkegel der Flak am Himmel, Flucht, der Untergang Dresdens, das Sterben-Wollen meines kleinen Bruders, die Armut danach. Ich sah die Mütter, die um Leben und Nahrung kämpften und nicht mehr schlafen konnten. Ich sah auch mich, am liebsten auf der Straße spielend.

Dann kam ich ins Jahr 1941. Ich überquerte achtlos eine Straße und wurde von einer Straßenbahn überfahren. Mir war klar, dass ich nun am Ende meiner Reise angekommen war. Das Jahr 1935 gab es nicht.
Ich war gar nicht geboren worden.

Was aber - in aller Welt - sollte ich jetzt mit mir anfangen?


bello antwortete am 01.11.02 (13:28):

Aus meinen wahren Geschichten

Zu einer Zeit, als die Großmutter ihren individuellen Starrsinn altersbedingt nicht mehr so recht verbergen konnte, erhitzten sich die Gemüter einer fünfköpfigen Familie in einer Diskussion. Diese war angeregt worden von der Enkelin, die eben ihr Physikum bestanden hatte, und deren ebenfalls vorhandener Eigensinn sicherlich ein geerbtes Gen von Seiten der Großmutter war. Die Mutter dagegen war nicht starrsinnig -, sie glaubte nur fest an die Notwendigkeit, sich überall pseudo-psychologisch einmischen zu müssen. Zwei schweigsame Enkelsöhne hatten es sich in dem Weiber-Clan schon längst abgewöhnt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das machte sie diskussions-unfähig.

Da die Großmutter unter einem Bluthochdruck litt, nahm die Enkelin diesen als Anlaß, mit ihren eben erworbenen medizinischen Kenntnissen ihr Ansehen innerhalb der Familie zu steigern. Das war, als die Großmutter wieder einmal aufstand und meinte, sie würde nun in die Badewanne steigen.
„Aber bade nicht immer so heiß und so lange – und schließ nicht wieder die Tür ab,“ machte sich die Enkelin wichtig.
Damit hatte die Diskussion begonnen. Man war zur Scham erzogen worden, und niemand durfte einen nackt sehen. Na ja, das kannte die Enkelin auch; sie hatte bei ihrem eigenen Vater nur dann im Badezimmer bleiben dürfen, wenn er eine Badehose anzog. Die Mutter meinte, jeder solle es halten wie er wolle -, schließlich schlössen alle anderen ja auch die Tür ab. Na eben, die dürfen das auch nicht machen. Wieso, was soll einem in der Badewanne schon passieren, man wird ja nicht darin ertrinken. Es könnte einem aber übel werden und überhaupt ... in so heißem Wasser. Die Großmutter quengelte, sie sei schließlich alte Kneippianerin und würde sich anschließend kalt abduschen: Das sei gesund, und das sollte ihr erst einmal jemand nachmachen Das ist aber bei zu hohem Blutdruck eine krasse Kreislauf-Belastung und sicherlich nicht im Sinne von Pfarrer Kneipp. Nun laß sie doch in Ruhe und sei nicht so frech -, jetzt wieder die Mutter zur Enkelin. Na ja, ich habe euch gewarnt. Wenn einmal etwas passiert, kann jedenfalls nicht so schnell jemand zu Hilfe kommen. Tod in der Badewanne. – Jetzt reagierten auch einmal die Söhne: sie verzogen ironisch die Gesichter.

Zornig über ihre doch recht aufdringliche Enkelin verschwand die Großmutter schließlich im Bad. Im Wohnzimmer wurde weiter „diskutiert“. Nach einer halben Stunde hörte man die Großmutter rufen.

„Seht ihr? D a s meinte ich. Jetzt i s t etwas passiert,“ so die Enkelin.
„Ach Quatsch! Hör jetzt endlich auf,“ so die Mutter.

Sie stand aber auf und entdeckte zu ihrer Erleichterung, dass die Badezimmer-Tür diesmal nicht verschlossen war.
Die Großmutter sagte: „Mir ist so schrecklich übel. Ich weiß gar nicht ...“
Es waren die letzten Worte, die sie sprach. Sie zogen sie aus dem Wasser und legten sie ins Bett. Der herbeigerufene Arzt übersah die Lähmungen des rechten Armes und Beines und diagnostizierte den Schlaganfall erst nach einem Hinweis der Enkelin.

Eine Woche später schlief die Großmutter friedlich in ihrem Bett für immer ein. Niemand mehr schloß hinter sich die Tür zum Badezimmer ab. Es wurde auch nicht mehr diskutiert, obwohl „Vor-Ahnungen“ doch ein interessantes Thema ist.


bello antwortete am 02.11.02 (07:41):

Ich beende jetzt das Schreiben.
Das Thema kann geschlossen werden.
Wo wohl die andern Dichter bleiben,
die es doch gibt in ganzen Herden?

Ich fühl mich hier zu einsam -, echt!
Und darin gibt mir jeder recht:
zum Lesen gibt es andre Quellen.
Ich jedenfalls hör auf zu bellen.

Internet-Tipp: https://www.koerpernetz.de


WANDA antwortete am 02.11.02 (22:12):

Das Thema soll bestehen bleiben,
auch wenn hier nicht sehr viele schreiben!

@bello, weisst Du denn nicht, dass man Künstler nie unter Druck setzen soll ?

Hier besteht doch kein Produktionszwang - jeder kann schreiben wann er lustig ist.


bello antwortete am 03.11.02 (07:03):

Na, dann hoffe ich doch,
daß Du bald mal wieder lustig bist,
damit ich auch mal etwas zu lesen habe.


schorsch antwortete am 03.11.02 (08:26):

Kürzestgeschichte:

Ging mal ein kleiner Luftballon am Waldrand spazieren und traf auf eine Dornenhecke - bumm!


WANDA antwortete am 03.11.02 (10:04):

Der Apotheker oder die Apotheker
Onkel Georg war in das Haus seiner Nichte Elvira eingezogen. Elvira war geschieden und bewohnte das Haus mit ihren vier Kindern. Während des Hausbaus ging die Firma, bei der Elvira sich verpflichtet hatte, Pleite,und das gerade als der Rohbau fertig war. Onkel Georg sprang mit 40.000.- DM ein, stellte aber Bedingungen.
Er wollte auch in dieses Haus ziehen, wenn er sich nicht mehr allein versorgen konnte. Elvira griff nach dem Strohhalm , man ging zum Notar und die Sache hatte ihre Ordnung..
Onkel Georg war Junggeselle und Apotheker, hatte aber nach dem Krieg beruflich nicht mehr Fuss fassen können. Er wirkte unselbständig, wollte aber immer nur das Beste für seine Nichte und deren Kinder.
Den Kindern bot er Hausaufgabenhilfe- besonders in Latein und Griechisch- an. Für die Nichte suchte er nach Männern, was der Nichte aber erst später klar wurde. An einem Sonnabend sagte er Elvira, dass er Besuch bekäme von einem ehemaligen, viel jüngeren Kollegen. Er bat Elvira Kuchen zu backen. Elvira war aber gerade damit beschäftigt ihr Sportabzeichen zu machen und musste auf den Sportplatz. Sie kam dem Wunsch des Onkels insofern nach, dass sie Prilken mitbrachte, mancherorts heissen die Berliner oder Pfannkuchen, wenn Sie immer noch nicht wissen was ich meine, es sind die in fettgebackenen Kugeln in Zucker gewälzt und mit Marmelade oder Pflaumenmus gefüllt.

Also diese Prilken brachte sie mit, deckte den Tisch so, wie es der Onkel gern hatte und kam mit dem Kaffee, als der Onkel und der eingeladene Apotheker schon im Gespräch vertieft waren. Beide Herren widmeten ihr ihre Aufmerksamkeit und die Konversation begann von Neuem. Elvira musterte den Apother, er schien ganz nett zu sein und auch vom Alter her irgendwie passend. Dann fing man an zu essen und da war es dann ganz klar, dass aus der Sache nichts werden konnte. Der Apotheker nahm den Pfannkuchen und biss zaghaft hinein, dann legte er ihn wieder artig auf den Teller. Und nun, 1 Sekunde später, hielt er die Hand ca. 30 cm über dem Teller und rieb mit dem Daumen die anderen Finger ab. Es war offensichtlich, dass der Zucker ihn störte. Das Ritual wiederholte sich nach jedem Abbiss. Da der Apotheker nicht kleckern wollte, biss er vorsichtig zu, um dann umso vehementer das Reiben seiner Finger zu betreiben. Auf diese Art ass er zwei Prilken.
Für Elvira war die Sache erledigt, für nichts in der Welt hätte sie mit diesem Menschen zusammen leben können.

Heute kennt Elvira wieder einen Apotheker, den sie sehr gern hat und den sie mag, aber der kommt auch nicht infrage, der ist verheiratet, und ausserdem hat sie ihn noch nie Prilken essen sehen.


team seniorentreff antwortete am 03.11.02 (14:39):

zur Information:

Das Thema "Kurzgeschichten" bleibt dauerhaft bestehen. Nach ca. 50 Einträgen wird archiviert und Kapitel II eröffnet usw.

Es können also zu jeder Zeit neue Geschichten eingesetzt werden.


bello antwortete am 03.11.02 (15:37):

Ach heute bin ich ausgelaugt,
kann keinen Text mehr finden,
hab alles aus dem Kopf gesaugt
und muß mich nur noch schinden.

Ach könnt ich doch ein Dichter sein,
dann würd ich wieder schreiben,
dann fiel bestimmt mir noch was ein,
dürft bei dem Thema bleiben.

Es ging mein Geist von hinnen,
hab nur noch einen Leib,
kann nur noch sinnlos spinnen
zum Zeitvertreib.

Gar seid bei Texen ihr nicht sicher,
ob sie abgeschrieben sind?
Doch meine Worte niemand find.
Sind original. Klar? - Kicher.
---------------------------------------
(Sommer 2001)


DorisW antwortete am 03.11.02 (20:21):

Wanda,
ich hätte den Apotheker genommen,
das ist offensichtlich ein Geistesverwandter von mir :-)))


WANDA antwortete am 04.11.02 (08:18):

@DorisW, Elvira ist nicht Wanda, aber sie hat auch ihren eigenen Kopf.
@bello, Du glaubst doch nicht etwa, dass ich irgendwo abschreibe ?


WANDA antwortete am 04.11.02 (13:52):







noch einmal DorisW. ich habe Dich jetzt erst richtig verstanden. Die Prilkenzeit steht vor der Tür mit Sylvester und Fasching - falls Du noch solange warten kannst-werde ich nach einem anderen Exemplar Ausschau halten. Gehe ich recht in der Annahme, dass es nicht zwingend ein Apotheker sein muss ?


DorisW antwortete am 04.11.02 (15:17):

Liebe Wanda,

danke für dein nettes Angebot, aber beachte den Konjunktiv (ich "hätte" ihn genommen) :-)

Glücklicherweise habe ich keinen Bedarf,
weder an Apothekern noch an Angehörigen anderer Berufsgruppen.

Aber daß ihn der Zucker an den Fingern störte, hat ihn mir sympathisch gemacht...


WANDA antwortete am 05.11.02 (13:28):

Liebe DorisW. ich weiss doch, dass Du gut versorgt bist, es sollte nur ein Scherz sein. In Zukunft muss ich diesen :-)hier setzen.


WANDA antwortete am 06.11.02 (14:08):

Das Fotoalbum oder die Fotoalben

Wer Elvira bereits kennt, ahnt sicher, dass diese nicht auf Rosen gebettet war. Es bot sich ihr ein Nebenjob jeden Mittwoch für drei Stunden.
Diesen nahm sie an, allerdings erst, nachdem sie mit ihrer Mutter Gundel gesprochen hatte. Gundel war eine Seele von Mensch. Nur Elviras Hunde hatten grossen Respekt vor ihr.
Jeden Mittwoch gegen 12 Uhr fuhr Gundel mit der Taxe vor und versorgte Kinder, Hund und Katze.
Wenn Elvira zwischen vier und fünf abgespannt nachhause kam, stand der Kaffee schon auf dem Tisch und Gundel war bereit zuzuhören und auch selbst zu erzählen. Elvira bekam zu hören, wer wieviel Taschengeldvorschuss genommen hatte, wessen Hausaufgaben noch nachgesehen werden mussten, und wer am nächsten Tag eine Arbeit schrieb.
Elvira selbst erzählte ihrer Mutter, dass sie in der kommenden Woche zum Geburtstag eingeladen sei und dass das Geburtstagskind sich ein Fotoalbum wünsche. Fotoalben erfuhren in den 60er Jahren eine Renaissance, was auch Gundels Äusserung zu entnehmen war. Sie sagte – hach – Fotoalben haben wir wie Sand am Meer, da kannst du dir eins aussuchen. Sie sprach immer noch im Plural, obwohl seit zwei Jahren Witwe war.

Gegen Abend fuhr Elvira ihre Mutter nachhause und fand ein grosses Fach voller Alben vor. Sie fragte nicht, wunderte sich aber und wusste, dass ihr Vater Nikolas, der ein brillanter Bridgespieler war, bei Turnieren manches abgeräumt hatte.
Leder mit Goldschnitt sortierte sie aus, da zu konservativ, nach einigem Überlegen entschloss sie sich für ein Querformat, das mit Stoff bezogen war. Der Stoff hatte längliche, also senkrechte graue Streifen, die an Stahlträger erinnerten. Auf diese Stahlträger hatte man Blümchen gestreut, wohl um die strenge Form zu lindern.
Das Album wurde liebevoll eingepackt mit Geschenkband versehen, also geschenkfertig gemacht.

Der Geburtstag kam und er verlief wie alle Geburtstage – es gab nichts besonderes. Man sprach über die Callas, und dass diese jetzt nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen sei. Einige der Gäste besassen bereits einen Fernseher und luden zu Opernabenden ein. Dort standen dann Salzstangen und Zigaretten, möglichst sortiert in extra dafür vorgesehenen Behältern für die Freunde bereit - aber zurück zum Geburtstag.
Hier war man inzwischen beim Thema Bridge angelangt, was auch eine Renaissance erlebte. Am Abend verabschiedete man sich fröhlich - man sah sich irgendwann ja wieder.

Drei Tage später bekam Elvira einen Anruf. Das Geburtstagskind war am Apparat und sagte, du wirst es nicht glauben, aber auf einer Seite sind drei Bilder eingeklebt – Elvira war wie vom Blitz getroffen und wünschte, dass sich die Erde auftun würde. Doch der Boden unter ihr blieb fest. Kurz entschlossen fuhr sie in den allerbesten Laden, guckte nicht nach dem Preis und erstand ein wunderschönes Exemplar.
Dem Geburtstagskind erzählte sie die Wahrheit, nicht zuletzt deshalb, weil sich keine Notlüge finden liess.

Bis zum Tod von Gundel nahm das Stahlträger-Blümchen-Album einen besonderen Platz unter den anderen Alben ein. Gundel glaubte nämlich, dass Nikolas noch kurz bevor er starb, dieses füllen wollte.
Elvira war anderer Ansicht, da sich die drei Fotos im letzten Drittel des Albums befanden. Sie liess aber ihre Mutter in diesem Glauben und so hatte dieses Album zeitlebens einen gewissen Mythos.


WANDA antwortete am 12.11.02 (08:01):

Bello, schorsch und all Ihr anderen, was ist los ? Nur noch mit Weihnachten beschäftigt?


schorsch antwortete am 12.11.02 (16:42):

WANDA antwortete am 12.11.02 (08:01):

Bello, schorsch und all Ihr anderen, was ist los ? Nur noch mit Weihnachten beschäftigt?

Antwort: Nein - aber beim grossen Absturz infolge Viren wurde auch die Liste eliminiert, auf der ich alle in den ST gestellten Gedichte und Kurzgeschichten aufgeschrieben hatte. Und zweimal die gleichen liefern möchte ich ja auch nicht.....


sofia204 antwortete am 12.11.02 (18:29):

dies ist eine ganz veraltete Geschichte, nicht von mir,
sondern von Peter Maiwald :
Der Liebebedürftige hält ein Stück Papier vor seiner Brust,
darauf steht: Inhaber ist der Liebe bedürftig. So steht er in unseren Geschäftsstraßen. Wir nehmen ihn nicht weiter zur Kenntnis.
Mein Gott, sagen wir, Bettler gibt es überall.
Unsere Historiker sagen: Zu allen Zeiten.
Dabei sieht der Liebebedürftige nicht abgerissen aus.
Er trägt einen ordentlichen Anzug. Seine Haare sind geschnitten und gepflegt. Er kann einen Wohnsitz nachweisen, Arbeit auch. Manche Liebebedürftige haben sogar Familie, Verwandtschaften und Bekannte, Kinder!
Was wollen diese Leute? Stehen herum und starren uns an.
Malen Plakate, darauf steht: Inhaber ist der Liebe bedürftig
Das wissen wir nun. Na und?
Der Liebebedürftige steht immer noch herum. Manche sagen:
Er läßt sich gehen. Andere sagen: Er nimmt sich nicht zusammen. Wieder andere: Ein Exhibitionist. Wir nehmen uns zusammen. Wir lassen uns nicht gehen. Wir stellen uns nicht zur Schau, jedenfalls nicht als Liebebedürftige. Unser Bedarf ist gedeckt.
Wir verstehen diesen Menschen nicht. Steht immer noch herum, der Liebebedürftige. Steht uns im Wege. Bleibt auf unserer Strecke. Ist mit Geld und guten Worten nicht wegzukriegen. Dabei tun wir doch schon alles, was wir können. Geben dem Liebebedürftigen die Adresse vom Sozialamt
Empfehlen ihm Ärzte und Therapeuten. Verraten ihm Börsentips und Sonderangebote. Einige von uns gehen so weit und stecken ihm todsichere Lotterielose zu. Es nützt nichts.
Der Liebebedürftige bleibt undankbar, jedenfalls in unserer Stadt, wo doch jeder sich soviel Liebe und Liebes erwerben kann, wie und wenn er nur will.


DorisW antwortete am 12.11.02 (21:27):

Ja, Sofia, die Bedürftigen... Manchmal möchte ich mir auch so ein Schild um den Hals hängen, z.B. mit der Aufschrift "Brauche Aufmunterung" oder "Habe Freude und möchte sie teilen"!


Nun möchte ich aber auch was "Fremdes" beisteuern, mangels eigener Kreativität ;-(


Flann O'Brien:

Der Mann mit der Uhr

Jemand bemerkt, seine Uhr, massiv Gold, 98 Steine, Kostenpunkt 50 Pfund, er trägt sie auch beim Schwimmen, habe nach nur fünfjährigem Dienst den Geist aufgegeben. Darüber lächelt unser Mann züchtig, zieht eine Zwiebel von Taschenuhr hervor und legt sie feierlich auf den Tisch. Das schroffe Ticken bringt weitere Gespräche zum Verstummen. Die Anwesenden nehmen wahr, daß das Ding einst vernickelt gewesen ist, jetzt aber an den Rändern nur noch eine stumpfe Messingfärbung aufweist.
"Wissen Sie, was mich die gekostet hat?" fragt mich unser Mann.
Jeder weiß, daß die Antwort darauf "so etwa fünf Shilling" lauten muß, daß sie vor achtzehn Jahren gekauft wurde, daß sie seitdem noch keine einzige Minute falschgegangen ist und noch nie auch nur gereinigt werden mußte. Aber niemand ist brutal genug, damit herauszukommen. Die Menschen sind schwach und neigen dazu, Langweilern schönzutun.
"Etwa zwei Pfund", sagt jemand unschuldig.
"Fünf Shilling", sagt unser Mann.
Unechtes Staunen ringsum.
"Wissen Sie, wie lange ich die schon habe?" fragt unser Mann.
"So seit fünf bis sechs Jahren vielleicht?"
"Ich habe diese Uhr in Leeds gekauft, und zwar im September 1925. Das ist fast zwanzig Jahre her. Seitdem ist sie noch nie stehengeblieben, keine Minute nachgegangen UND KEIN EINZIGES MAL GEREINIGT WORDEN!"
Gefälschte Überraschung auf jedem Gesicht.
"Eine großartige kleine Zeitansage", sagt unser Mann und versorgt die Zwiebel mit beträchtlicher Genugtuung in seine Tasche.
(Diese besondere Art von Schädling besitzt auch gern unglaubliche Autos, fünfzig Jahre alte Füllfederhalter, Handschuhe, 1915 gekauft und seitdem weder verloren noch abgewetzt, dreht seine eigenen Zigaretten mit in Heimarbeit hergestellten Filterbäuschen am einen Ende, meint, sie kosten ihn grob (immer dieses "grob") gerechnet einen Viertelpenny pro Stück, und ist überzeugt, "die Leute müssen verrückt sein", mehr zu zahlen. ...)

(übersetzt von Harry Rowohlt)


bello antwortete am 14.11.02 (16:35):

** Aus meinen Halluzinationen **

Zwei rosa Strohhalme trafen sich in einer Krankenhaus-Ambulanz.
Der eine hatte in der Mitte seines Körpers eine etwas aufgehellte, querverlaufende Kerbe. Dadurch sah es aus, als ob er leicht gebückt einherginge.
Der andere stand hochaufgerichtet, was einen Eindruck von Arroganz hinterließ.
Fragte der erste: bist du auch krank?
Sagte der zweite: Klar -, sonst wäre ich ja nicht hier.
Und zu welcher Abteilung musst du gehen?
Zur Urologie. Und du?
Zur Chirurgie.
Aha.

Fragte wieder der erste: Und weswegen musst du dorthin?
Ich kann kein Wasser halten. ... Und du?
Ich habe einen Leistenbruch. Siehst du hier?“ Und er zeigte auf die oben beschriebene Kerbe. „Der ist entstanden, als ich mich gebogen habe vor Lachen.“
Wieder der zweite: Ja ja, da fragt man sich, ob es besser wäre, einen Knick in der Linse zu haben.“
“Wem sagst du das ...“

Sie schwiegen eine Weile, bis ein erster grüner Strohhalm kam, der den einen rosafarbenen zum OP holte, wo sich mehrere blaue Strohhalme darüber unterhielten, wie die Operation des Bruchs anzugehen sei.- Ein zweiter grüner Strohhalm holte den anderen rosafarbenen zur urologischen Ambulanz, wo ihm ein blauer Strohhalm erklärte, dass es fast unmöglich sei, ihm zu einem Schließmuskel zu verhelfen.

Ich selber sitze nun hier in dem Vorraum der Klinik als ganz natürlicher Stall-Strohhalm, an den ich mich immer klammere, wenn die irren Bilder flimmern. Und so warte ich -, warte und warte, bis die Rosafarbenen wieder auftauchen, damit ich weiter (be-)schreiben kann.


Petermännchen (bello) antwortete am 17.11.02 (09:41):

*** DRACINUS DRACO ***

Guten Tag,
mein Name ist „Petermännchen“, und ich stamme aus Australien.

Sie und ich -, wir könnten verwandt sein.
Ich trage schönfarbene Kleidung, wobei ich blaugrüne und gelbe Farben bevorzuge. Mein liebstes Hobby ist Schwimmen. Da ich nicht sehr groß bin, stecke ich manchmal den Kopf in den Sand, bin eigentlich aber glatt und kann mit den Steinen auf meinem Weg zurecht kommen. Weitestgehend verhalte ich mich als Vegetarier, esse lediglich auch Fisch.

Als ich zufällig an einem – sie nennen das hier „Forum“ - vorbei kam, meinte ich, an manchen Stellen bekannte Typen („Typ von Mensch“) zu erkennen. Da bin ich ein bisschen stehen geblieben und habe sie beobachtet. Arten und Unterarten tummeln sich da: CEPHALOTEN, CHELICERATEN, SQUAMATEN und andere. Alle von unterschiedlichem Auftreten. Eine Eigenschaft allerdings, wegen der man sie als Störenfriede bezeichnen könnte, haben sie gemeinsam. Für diese Eigenschaft gibt es einen Orden – genannt GG - bei biwidus.ch. Sobald ich diejenigen, die diesen Orden verdienen, herausgefunden habe, werde ich einige Verleihungs-Anträge hinausschicken.

Das alles heißt natürlich nicht, dass ich mich nicht an eigene derartige Verhaltensweisen erinnere. Aber ‚alles zu seiner Zeit’ und nur ‚am rechten Ort’. Sprichwörter haben schon immer beinhaltet, was mancher nicht selbst formulieren kann. Für Analphabeten wie mich genau das Richtige.

Ich wünsche allen einen schönen „Tag des Lexikons“!
Euer
Nain du poison


bello antwortete am 19.11.02 (09:13):

*** Zwerg Zwei ***

In den bizarren Regenwäldern eines noch unentdeckten Kontinents entstehen die Farben durch spiralige Früchte, die lichtlos an den Stämmen der uralten Baumriesen wachsen. Eine urwüchsige Natur regt niemanden an, dieses Land zu entdecken.

Aber es lebt dort ein Völkchen Kleinwüchsiger, aus dem - wegen der Inzucht unvermeidlich – niemals ein hoher Mensch hervor gegangen war. Man spricht miteinander auf eine gutturale Art, da keine Vokale benutzt werden, und da sich die Kleinen bemühen, verständlich zu sein, wabert ein Simmen und Summen durch die Wälder. An deren bemoosten und verwilderten Böden befinden sich viele Höhlen, die den Bewohnern als Wohnstätten dienen. Die Tiere im Wald sehen zumeist auf sie herab: die Vögel aus den Bäumen, und die großen sowieso. Kleine Tiere teilen sich mit ihnen die mit vielen unterirdischen Gängen ausgestatteten Lebensbereiche.

Medizinisch gesehen sind sie Hyposomen. Sie selber wissen das nicht. Sie haben keine Zeitung -, nur das Sagen der Natur. Sie haben auch keinen Pfarrer -, aber ihren Pan. Hier gibt es keine Kriege, denn sie sind ein einig Volk. Gebärende Frauen oder sterbende Alte müssen niemals allein sein. Sie ernähren sich von den Früchten des Waldes und sind selten krank. Dafür haben sie dann ihre Tränklein, die sie selbst brauen. Die Erziehung ihrer Kinder läuft wie in einem Wolfsrudel ab -> Alphatiere lehren, was die Kleinen der Kleinen wissen müssen.
Sonnenstrahlen – gebündelt durch die wenigen Öffnungen im Blätterdach der Bäume - wirken wie Scheinwerfer und sind ihre einzigen Lichtquellen. Musik hören sie in den Winden oder im Regen. Und sie sind fähig, jegliche Temperaturen zu ertragen.

UTOPIA ?

Der erste Sohn des Stammesältesten empfand, seit er denken konnte, eine hartnäckige Sehnsucht nach etwas Unbestimmtem. Mit dem Vater konnte er darüber nicht sprechen. Überhaupt verstand ihn niemand. Da diese Leute keine Namensgebung kannten, bezeichneten sie sich gegenseitig mit Ziffern. Er also war der Zwerg „Zwei“. Ein Träumer. Ein Sehnsüchtiger. Ein Wartender. Einer, der der unbestimmten Hoffnung unterlag, es müsse noch etwas anderes geben ... als diese seine Welt. An irgendeinem Tag stieg er an die Wasseroberfläche und ging auf die Suche. Und er fand, was er gesucht hatte.

Es gefiel ihm nicht.


WANDA antwortete am 19.11.02 (21:42):

Frau Mathilde Flöter, die den Sternschnuppenfall aus den Leoniden nicht verpassen wollte stand vor fünf Uhr auf. In der Sedanallee befanden sich erstaunlich viel Gleichgesinnte, man wünschte sich einen guten Morgen und ging mit dem Kopf im Genick aneinander vorbei. Die Wolkendecke riss nicht auf, auf Frau Flöter wartete eine andere Überraschung. Mit der Zeitung und der Brötchentüte betrat sie die Küche. Sie setzte den Kaffee auf, zündete die Kerze an und stellte das Geschirr auf den Tisch. Noch während der Kaffee durchlief breitete sie die Zeitung aus, um zuerst zu dem Teil mit den Todesannoncen zu kommen. Da sprang ihr mitten aus der Zeitung ein winzig kleiner Kerl entgegen. Er stand mit seinen Füssen direkt neben der Kerze und schrie: mir gefällt es hier nicht, hier gefällt es mir nicht! Panikartig griff Frau Flöter nach dem Kaffeelöffel und hievte mit diesem das Männchen in den Eierbecher, wo er etwas zur Ruhe kam, und zu erzählen begann. Er erzählte von einer ganz fürchterlichen Nacht, die er in einem Krankenhaus zugebracht hatte Die Ärzte und überhaupt das ganze Personal hätte aus Strohhalmen bestanden, aus rosafarbenen, blauen und auch gestreiften. Die Bahren schienen Eisstiele zu sein, sterilisiert wurde in einer Froschblase und das OP-Besteck bestand aus extra dafür zugeschnittenen Fliegenbeinen, vor der Tür zur Anatomie hätte ein Salamanderschwanz gestanden – nun das hatte er überstanden. Frau Flöter, die eine gute Gastgeberin war, fragte den kleinen Mann, ob sie etwas für ihn tun könne, ja er habe Hunger, aber er ässe nur Spinnweben. Im Keller nahm die Liebe alle Spinnweben ab und versuchte sie in einem Din A& Umschlag nach oben zu bringen. Da kam ihr die Idee mit der Presse. Natürlich musste sie die Presse informieren. Zwischen Volkstrauertag und Totensonntag kam denen doch jede Story recht.
Oben angekommen dekorierte sie liebevoll den ganzen Rand des Eierbechers mit Spinnweben, was ganz entzückend aussah. Sie wollte noch sehen wo der kleine Kerl zu essen anfing, ob rechts oder links oder nördlich und dann ging sie ans Telefon. Der Herr von der Allgemeinen konnte nicht glauben, was sie erzählte. Erst als sie eine Forderung von 5000 Euro in den Raum stellte und über ein Angebot von der Konkurrenz sprach, sicherte man ihr zu, sofort vorbeizukommen.
Eilig ging sie ins Bad, um die Frisur zu richten und das Augen makeup zu überprüfen, für den Fall, dass man auch von ihr ein Foto haben wolle.
Zurück in der Küche sah sie den Zwerg auf dem Boden des Eierbechers liegen, er wand sich vor Schmerzen.
Die Spinnweben waren alle verspeist und mit geübtem Blick konstatierte sie Darmverschluss. An eine OP war nicht zu denken, da keine sterilisierten Fliegenbeine vorrätig waren und sich auf die Schnelle auch nicht beschaffen liessen.
Als der Herr von der Presse kam, hatte sie den Leichnam bereits in eine Streichholzschachtel auf Watte gebettet.
Auf ein Foto von ihr wurde verzichtet.

Offen blieb die Frage, wieviel Geld sie nun bekommen würde, angesichts des Todes wollte sie nicht feilschen.


bello antwortete am 20.11.02 (09:21):

*** Aus meinen Erinnerungen ***

Heute war so ein döseliger Tag, an dem ich – nach Überwindung eines PC-Crash und daraus resultierender körperlicher Insuffizienz – nicht so recht wusste, ob ich etwas erledigen, sortieren, aufräumen, schreiben oder gar Wäsche waschen solle ... Na ja, ich surfte ein bisschen -, dazu müssen die Hirnzellen nicht weiter aktiv sein Bei der Frage nach Wäschewaschen erinnerte ich mich an meine früheren Versuche, ein altes Waschbrett aufzustöbern. Nostalgie. Unser Schmied meinte, auf seinem Dachboden eins liegen zu haben -, aber ehe er es mir geben konnte, war ich aus einem schnellen Entschluß heraus aus der Stadt weggezogen. Ich vergaß die ganze Sache dann. Bis heute.

Wissen Sie-, vor einiger Zeit – als unsere Kinder noch klein waren – habe ich oft darüber nachgedacht, weshalb unsere Eltern so viel mehr Zeit für uns hatten als wir jetzt für unsere Kinder.
Es gab keine Kühlschränke ..., morgens kam der mit einer großen Glocke klingelnde „Eismann“ mit einem Pferdegespann vorbei und brachte große Blöcke Eis. Alle rannten mit Schüsseln hinunter und kauften zerkleinerte Brocken, die dann oben in einen dafür vorgesehenen Küchenschrank geschüttet wurden, wo sie knapp vierundzwanzig Stunden lang Kühle verbreiteten.
Es gab natürlich auch keine Waschmaschinen. Einmal in der Woche war Waschtag, damit jeder aus der Hausgemeinschaft zu seinem Recht kam. Die Wäsche tat man in einen großen Wasser-Zuber, der mit Kohle erhitzt werden konnte. Wenn das Wasser kochte, wurde mit dicken Holzstangen gerührt, gerührt, gerührt. Alle, die sich zum Helfen in dieser Waschküche befanden, hatten längst hochrote Gesichter und Schweißperlen auf der Stirn. Nach dem Kochen wurden die Wäschestücke einzeln in eine Holzwanne mit Seifenlauge gelegt und – Achtung, jetzt kommen wir endlich zum Thema! – auf einem „Waschbrett „ geschrubbt. Rauf – runter. Zu dieser Zeit waren die Wasch“bretter“ glücklicherweise schon aus Metall, dennoch hatten die Wäscherinnen jedes Mal wieder verletzte Fingerknöchel, auch vom Winden der Wäsche rauhe Handflächen und überdehnte Handgelenke. Dann spülen und wieder winden und spülen und wieder ... Zum Schluß hängten sie die Wäsche im Hinterhof auf. Hatte man Glück, war sie abends schon trocken. Große Teile strafften sie nun von den diagonalen Ecken her und legten sie dann zusammen. Jetzt war’s Abend. Und morgen musste gebügelt werden.

Heute wissen die meisten Menschen nicht mehr, was ein Waschbrett ist.
Trainierte Leiber, zumeist männliche, bezeichnen sie heute unbedachter Weise als „Waschbrettbäuche“. Einmal ganz abgesehen davon, dass diese Bäuche einem echten Waschbrett überhaupt nicht ähnlich sehen - das gibt die Muskulatur gar nicht her -, sind sie – hoffentlich – auch nicht annähernd so hart. Wie sonst könnten Frauen genüsslich ihre Köpfe darauf legen?

Wie auch immer: mich erinnert das Wort „Waschbrett“ an meine Mutter, die dann im Alter ähnliche „Runzeln“ auf der Stirn trug. Weil sie sich immer viel Zeit für uns genommen hatte.
Und stellen Sie sich vor ..., heute habe ich im Internet ein altes Waschbrett ersteigert. In echt!

Copyright: D.B. 11/2002


bello antwortete am 20.11.02 (09:27):

Kleine ZWISCHENBEMERKUNG:

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß ich das Copyright auf alle "bello-"geschichten und deren Ideen habe.

Ich bitte, mir dies nicht zu verübeln :-).
Aber es ist schon vorgekommen, daß ich per Zufall Geschichten von mir auf fremden Homepages vorfand, ohne daß dort der Name des Verfassers genannt ist.

Donata Bellmer


WANDA antwortete am 21.11.02 (07:51):

bitte keine Angst, das war nur ein Scherz und im übrigen bin ich weit davon entfernt home-pages herstellen zu können.


bello antwortete am 21.11.02 (08:12):

Zur Klarstellung:
Ich habe meine "Zwischenbemerkung" nicht auf Mitglieder des ST bezogen. Aber hier lesen (und ernten) sicherlich auch "Spione" ;-). Die bemängelten Erlebnisse liegen schon eine Weile zurück. In einem Fall wurde mir angeboten, meine Geschichte zu entfernen, was ich dann gnädig (lach) ablehnte.

Also, liebe Wanda, nichts für ungut und los geht's:
weiter :-)))


bello antwortete am 21.11.02 (09:28):

*** Bello’s unvollendeter Lebenslauf ***


Haben Sie je in Ihrem Leben gern einen Lebenslauf geschrieben? Nicht? Na, dann können Sie Bello verstehen, der in dieser Mühe einen Anfang gemacht hat, damit Sie etwas zum Lesen haben. Dies können Sie im weiteren Verlauf nun tun. Bitte aber beachten Sie, dass Bello ein bescheidener Hund ist, der niemals die Ich-Form benutzt.

Der Name „Bello“ ist zwar kein seltener, aber Kürze verhindert Verniedlichungen. „Bellchen“ oder „Bellilein“, „Bellöchen“ oder „Belli-Knüddelchen“ hat eigentlich noch niemand gesagt. Und im Internet wird der Name klein geschrieben, weil Bello sich dort so fühlt.

Man sollte Bello nicht so ernst nehmen -; er selber tut das auch nicht. Er ist ein „phantastischer“ Hund und beschäftigt sich mit elitärem Spielzeug (soweit sein Gehirn das zulässt), mag keine Elefantenhaut-Knochen, keine Mißstimmungen und keine Tagebücher sowie keine fremden Haare oder etwa Maden im Futter und keinen Liebeszwang.

Kürzlich überlegte er, ob er sich den Namen „Dieter Bohlen“ zulegen und seine Memoiren ghostwriten lassen solle. Doch wenn überhaupt, würde er sie selber schreiben und ihnen einen anderen Namen geben. Vielleicht „Das Hundeleben nach der Wahl“? Oder „Der Hund, der Präsident der Vereinigten Staaten werden wollte“? ... Na ja, Sie merken schon -, Bello kann ziemlich albern sein. Viele lachen da natürlich nicht mit. Manche gackern höhnisch. Andere finden nur: so ein blöder Hund.
Was niemand sieht, ist seine kleine Seele, in der große Gefühle leben. Er liebt alle Tiere – auch wenn er manche gerne fressen würde -, mit nur wenig genervtem Gesicht duldet er sogar Katzen -, er liebt alle Pflanzen, obschon ihm manche nicht schmecken -, und er liebt auch ein paar Menschen.
Ganz innig.
Als Zugabe hätte er sich von seinen Genen den aufrechten Gang und zarte Hände gewünscht. Wenigstens e i n e Hand, die man einem, der es möchte, reichen kann. Aber Bello hat ja einen Kopf, und er wünscht sich ständig viele Schultern, auf die er den legen kann. Er ist einfach ein kleiner Sentimentaler.

Mit der Zeit ist sein Fell weiß geworden, und er hat sich auf die Suche nach Weisheit begeben, weil man die im Alter haben soll. Sie blieb ihm versperrt -, äh ... erspart. Man hätte ihm die Weisheit sowieso nicht geglaubt. Ein Weiser spricht nicht über sich. Aber Bello bellt und bellt und bellt ... und wird nicht weise, nur heiser werden.


D.B. 21.11.2002


WANDA antwortete am 22.11.02 (08:47):

B i t t e s e t z e n !

In der vorigen Woche fuhr ich nach Berlin, um mit meinem Vater auf den Friedhof zu gehen. Er hat das gern wegen der emotionalen Wärme und auch, weil er alleine Angst hat. Es ist nicht so, dass er sich vor den vielen Gräbern fürchtet, nein eher vor den noch Lebenden, die, wie man gelegentlich liest, alte Menschen um ihr Portemonnaie erleichtern.
Wir nahmen wie gewohnt den Eingang Wasmuthstrasse, der meistens in der Sonne liegt und anheimelnder wirkt, als die anderen Eingänge. Hier gibt es auch kei nen Hauptweg, sondern eine Wiese über die jetzt die Eichhörnchen springen. Rechts und links befinden sich breite Pfade, wie immer nahmen wir den linken.
Nach etwa 100 m sah ich in der Ferne Stühle stehen, nein, es waren eher Sessel, alle hatten Lehnen, sie waren mehrmals zu zweit angeordnet, standen sich gegenüber, drehten einmal die Sitzfläche nach Norden und umgekehrt. Der Nebel hing noch zu tief. Vater sah noch gar nichts aber ich konnte den Blick von diesen vielen und andersartigen Stühlen nicht mehr abwenden und erhöhte das Schritttempo ganz automatisch, erst an Vaters Atem merkte ich, dass ich zu schnell geworden war.
Was sollte das bedeuten – es sah aus, als ob man eine Möbelmesse nach aussen verlegt hätte. Ich suchte die Bäume ab, dachte an“ versteckte Kamera“ oder wollte irgendein Marktforschungsinstitut hier eine Statistik erheben, wer setzt sich ? Mehr alte als junge? Mehr Frauen als Männer? Nein, das würde ja sowieso zu keiner klaren Aussage führen, denn bekanntlich gehen Frauen mehr auf Friedhöfe und zwangsläufig gehen alte mehr als junge.Alte Frauen sind doch meistens die, die überbleiben und die kämen ja als Käufer für diese modernen Stühle überhaupt nicht infrage. Eine Kunstausstellung – das ganze ein Objekt – eine Performance, wenn man die sich Setzenden dazuzählte ? Oh, dann wäre Vater jetzt ein Bestandteil, der hatte es sich nämlich schon längst gemütlich gemacht, er fand die ganze Sache komisch aber nicht befremdend, schliesslich sass er bestens.

Aus beruflichen Gründen musste ich am Abend wieder fahren – nachlesen im Tagesspiegel hatte nichts ergeben – aber Vater versprach, der Sache auf den Grund zu gehen. Bei jedem Anruf erwähnte ich die Ausstellung und erinnerte ihn – aber überall wo Vater sich erkundigte, erhielt er nur Gelächter. Gleichaltrige lachten nicht aber sie staunten ungläubig. Es schien ganz so, als ob diese wunderbaren Sitzgelegenheiten nur für uns existent gewesen wären.

Ich bin gespannt auf nächstes Jahr, vielleicht sehen wir dann Tische in allen Variationen.


bello antwortete am 24.11.02 (09:26):

*** Aus meinen losen Blättern ***

Viele der Schützlinge, die wir als Sanitäter transportierten, kannten wir schon über längere Zeit. Zum Beispiel die Dialyse-Patienten. Und wir machten die Beobachtung, dass manche ältere Menschen ihre Zimmer zu Schreibstuben umgewandelt hatten. Das waren meist Alleinstehende, Einsame. Sie vermieden es, wie andere alte Leutchen laut vor sich hin zu reden, nein nein, sie sprachen ihre Gedanken auf Papier.
Ein zierliches Ömchen mit schmalen Händen, auf deren Rücken die Adern prall hervortraten, und einem unzerstörbaren Lächeln, das allen ihren Mitmenschen galt -, fuhren wir einige Zeit zu Bestrahlungen, über deren Grund nicht geredet wurde. Die alte Dame brachte uns jedes Mal ein Blättchen Papier mit, auf dem sie ihre Gedanken des letzten Tages ewig gemacht hatte. Wir besaßen schon eine Menge dieser Herbst-Blätter, und aus einem davon will ich heute zitieren. Ich glaube, dass ich mich anschließend eines Kommentars enthalten kann.

-> Die Regentropfen an den Ästchen des blattlosen Baumes vor meinem Fenster sehen aus wie dicke Glasperlen. Im Baum sitzen magere, bunte Vögel, die darauf warten, von einem tierlieben Menschen gefüttert zu werden. Wenn mir noch ein bisschen Zeit zum Leben vergönnt ist, werde ich beobachten können, wie sich ihre Bäuchlein über den Winter hin runden. Sie werden dann im Frühjahr dickfreundlich ihre Artgenossen begrüßen, die - abgemagert durch ihre Rückreise aus dem Süden – sich ihnen wieder zugesellen.

Jetzt ist es Zeit, die Gardinen an den Fenstern zuzuziehen, um sich die Farben des Herbstes noch eine Zeitlang zu bewahren. Es ist Zeit, eine Kerze anzuzünden, um das sterbende Licht des Tages zu ersetzen. Hineintauchen in die Vergangenheit wie in eine Höhle mit vielfarbigen Wänden und buntem Spielzeug. Sich zurücklehnen und den Glauben wiedergewinnen an zerronnenes Geschehen. Ertragen, dass das Leben in deine Träume dringt, aus denen du beunruhigt erwachst. Wissen, dass alle Vergangenheit irgendwie einen Sinn gehabt haben muß. Wegsehen von den Bildern der Gegenwart. Und hoffen auf eine noch lange Zeit. Eine Zeit, in der sich das Jahr wie ein schräggestelltes Rad dreht, an dem man die Eiszeit und die Meisenzeit gleicherart ablesen kann. Neben dem man die dunklen Anteile zu ertragen vermag. An dem die hellen Bereiche immer an derselben Stelle stehen.

Zeit, die Hände um das Kerzenlicht zu halten, Gedanken sichtbar zu machen, Körpergefühle nicht zu ignorieren. Einfach dastehen und für die letzten Tage dankbar sein. Amen. <-


bello antwortete am 25.11.02 (13:58):

*** Aus den Bekenntnissen eines Hobbyschriftstellers ***

Ich gehe nicht gerne spazieren (dafür Trimmrad). Ich gehe nicht gerne zu Stammtischen (dafür Zwiegespräche). Ich lasse mich nicht gerne fotografieren (schicke lieber Karikaturen von mir). Ich trinke nicht gerne Tee (dafür Kaffee). Ich male nicht gerne Blumen (dafür Mysthisches). Ich schreibe nicht gerne Briefe (dafür Mails). Ich esse nicht gerne Saumagen (dafür afrikanische Gerichte).
Na ja -, und so könnte das weitergehen, aber das wäre öde.

Nur eins noch: ich gehe nicht gerne einkaufen.
Und dennoch bringe ich von diesen Wegen eine Menge an Schreib-Ideen mit.

Torticollis spasticus -, der Mann mit dem schiefstehenden Kopf, der mir freundlich meinen Einkaufswagen die drei Stufen zum Geschäft hoch trug, in dem ich – nur für mich – ein Mobile kaufte. ... Ein Kind, das weit entfernt von einem kleinen, weißen Hund vor Angst weinte und sich an den Häusermauern entlang drückte. ... Ein „Kerl“ in Leder-Klamotten, der mich ansah, als ob er mir gleich eine reinhauen wollte. ... Die Besitzerin des Fischgeschäftes, die es trotz aller auffordernden Augen-Blicke nicht schafft, mich zum Fisch-Essen zu bekehren. ... Der Stolz des Apothekers, nämlich ein riesiges digitales Thermometer, das nur an der falschen Häuserfront angebracht ist, wo es auch bei Minusgraden – wenn sich denn nur ein einziger Sonnenstrahl blicken läßt – südliche Temperaturen auf die Köpfe der Vorübergehenden herunter lügt. ... Dann noch die alten Damen, die sich jeden Tag wieder über die Krankheiten ihrer Ehemänner, die Zunahme der Zahl ihrer Enkel, einen unverschämten Nachbarn oder die Warteschlangen in allen städtischen Ämtern unterhalten. ... Daneben ein paar alte Männer, die das Gleiche tun. ... Der Mann im Kiosk hält jetzt wegen der Kälte sein Fensterchen geschlossen; im Sommer quetscht er seinen halben Körper durch die Öffnung, um zu beobachten, wer bei Rot der dort befindlichen Ampel über die Straße geht. ... Die Stühle vor dem Griechen-Restaurant haben sie inzwischen herein geholt; aber es gibt tatsächlich Leute, die „Schwein-elendchen in Benzindunst geräuchert“ essen. ... Mehr oder weniger aufgetackelte junge Dinger quälen ihre in Stöckelschuhen steckenden Füße über einen ungepflegten Untergrund, und mir kommt wieder der Gedanke in den Sinn, dass der Spruch „Wer schön sein will, muß leiden“ nicht stimmen kann -, denn denen hier bringt ihr Leiden rein gar nichts. ... Viele Hunde, von denen manche ganz artig unangebunden vor den Eingängen der wohlriechenden Läden warten, und die ich am liebsten alle mitnehmen möchte. ... Dann noch die Busse, die immer recht haben. Die eitlen Herren in den Porsches, die ich – sowohl als auch – nicht geschenkt haben möchte. Die Blumen vor dem Blumenladen; von denen allerdings bekäme ich gerne einmal welche geschenkt - man ist ja auch nur ein Mensch.

Ich bin nun zu Hause, wo die Eindrücke im Laufe der nächsten Stunden etwas an Wichtigkeit verlieren.

Dann aber hole ich mir Gedanken zum Niederschreiben von bunten Bildern.

D.B. 25.11.02


bello antwortete am 26.11.02 (07:55):

An diese Stelle werde ich heute eine "Geschichte" setzen mit dem Titel
"DER FÜNFZIGSTE TAG".

Ich wollte mir jetzt nur schnell den 50.Platz reservieren.


bello antwortete am 26.11.02 (16:17):

*** DER FÜNFZIGSTE TAG ***

Es gibt ihn nur einmal im Leben.
In der Suchmaschine findet man 31 700 Einträge für den 19. Januar 1936. Einer fehlt noch, nämlich meiner: an diesem Datum war mein fünfzigster Tag.

Eine neue Art der Beschäftigung und der Geschichtsforschung: was geschah an meinem fünfzigsten Tag in der Welt?

Was geschah,
außer dass ICH morgens die Augen öffnete,
mich noch immer ein bisschen nach dem Geborgensein in jener warmen Höhle sehnte,
den Geruch des Fruchtwassers über dem meiner Mutter langsam vergaß,
kleine Fäuste machte, die man später vielleicht gebrauchen könnte,
ein bisschen quengelte, bis ich satt war,
einige der Tages-Ereignisse verpasste durch stundenlanges Schlafen,
noch nicht genau s e h e n konnte,
aber spüren lernte
und lieben ...

Was sonst noch geschah am 19. Januar 1936 in der Welt?

Ein Internationales Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen im Sudan tritt in Kraft.

Der Beitrag Dietrich von Hildebrands in der österreichischen Wochenschrift „Der Christliche Ständestaat“ ‚Wahre und falsche Einfachheit’ erscheint.

Gegründet wird „KG Fidele Narrenzunft Liblar 1936 eV“.

Das Wasserwirtschaftsamt Bayreuth gibt eine Karte heraus über das Hochwasser 1845.

In Elberfeld wird ein Peter Abraham HOLD geboren.

In Ägypten eröffnet der englische Ausgräber Emery das Grab 3111.

In Dresden wird die Omnibuslinie H, die man am 9.1.1936 gerade erst eröffnet hatte, wieder eingestellt.

Irgendein Märtyrer bekommt die “Ewige Professur“.

Ein späteres Mitglied des Großrats Burgdorf wird geboren.

... ...Aber nicht einmal der spanische Bürgerkrieg beginnt - oder die Weltwirtschaftskrise endet an diesem Tag.
***
Lieber Leser, ich habe in den letzten beiden Stunden 120 von den 31 700 Einträgen in der Suchmaschine durchforstet. Fall Sie Lust haben, den Rest zu übernehmen -, erwarte ich dennoch kein anderes Ergebnis als dieses:

An meinem fünfzigsten Tag war in der Welt nichts Wichtiges los außer
strampeln,
lachen,
krähen,
satt sein,
gebadet werden,
Seifenschaum,
warme Milch,
die Hände der Mutter,
die Stimme des Vaters,
Babyglück,
gute Nacht.


bello antwortete am 28.11.02 (13:45):

*** Aus dem Leben in meinen Träumen ***


Ich ging auf einen Platz zu, der ein Marktplatz sein mußte. Die Stände waren überdacht, die Tische aber leer. Ein paar Leute liefen zwischen den Ständen hindurch -, wahrscheinlich, um Wege abzukürzen.

In etwa fünfzig Metern Entfernung sah ich C. auf mich zukommen -, schwarz gekleidet und mit einem Kind an seiner rechten Hand, das ebenfalls schwarz angezogen war. Er sah noch immer aus wie vor dreißig Jahren, und auch ich fühlte mich in dem Alter von damals.

Ich ging weiter -, sie kamen auf mich zu -, beide mit ernsten Gesichtern. Ohne an mir herunter zu sehen, wusste ich, dass auch ich schwarze Kleidung trug.
Ich verlor die Gewalt über mein linkes Bein und musste den Fuß nach innen setzen, um gehen zu können.

Fast drei Jahrzehnte hatte ich in nicht mehr gesehen. Wer das Kind war, wusste ich nicht.

Sie gingen an mir vorbei. Er sah mich an, sagte aber nichts. Ich blieb stehen und drehte mich um. Weshalb sprach er nicht mit mir nach unserer damals gemeinsamen Zeit, in der er mich – wie jetzt das Kind - an der Hand geführt hatte und in der es so viele Gefühle zwischen uns gab?

In einigem Abstand drehte auch er sich um. Sehr ernst, eigentlich ohne jegliche erkennbare Emotion, sagte er: „Sie wollen uns weg-haben. Sie wollen uns e i n f a c h weg-haben.“ Und ich fühlte, dass er auch mich damit meinte.

Das Kind hatte sich nicht umgedreht.

Wir gingen weiter -, jeder in eine andere Richtung
Am nächsten Tag wählte ich seine Telefonnummer. Aber ich sagte dem Anrufbeantworter nichts.
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© D.B. 1999, aus „Zwischen Verschrobenheit und Wahnsinn“


WANDA antwortete am 29.11.02 (08:49):

Die Fussbodenmatte

In der Viktoriastrasse 25 steht ein Mietshaus mit mehreren Etagen, heute geht es nur um die 1. Etage. Beide Wohnungstüren sind adventlich geschmückt.
An der linken steht seitwärts ein Reisigbesen, der mit einem Schneemann aus Filz bestückt ist.
Ums Guckloch herum hängt ein metallner Kranz, bunt und emailliert, oder falls das zu teuer war, dann bunt gestrichen und lackiert, auf jedenfall glänzend.
Unten befindet sich ein Fussabtreter, der aussieht wie ein Leibnizkeks, nur robuster und mit Haaren. Wie der Leser schon richtig vermutet, wohnt dahinter eine Familie mit dreijährigen Kind.
Auf der rechten Seite gibt es keinen Schneebesen, dafür seitwärts ein weisses emailliertes Schild in Wölkchenform, ganz zart steht in schwarzer Schrägschrift „Flöter“ darauf.
Der Türkranz ist aus Weide mit einer sogenannten Türschleife aus rotem Leinen. Mit dänischem Garn und Kreuzstich sind auf einem Schleifenende „Winterszeit“ und auf dem anderen „Weihnachtszeit“eingestickt.. Am Türkranz selbst befinden sich mehrere in Handarbeit hergestellte Anhängsel, z.B. eine Taube oder Ente, die in der Mitte hängt. Der Korpus aus weissem, ehemals weissem , Karton, das Köpfchen mit glitzerndem Gold besprüht, dafür hat man den Teil indem sich Magen, Zwöffingerdarm usw. befinden würden ,,herausgeschnitten und durch eine vergoldete Nuss ersetzt. Durch Zugluft im Treppenhaus bewegt sich das Taubchen fast immer leicht, was zum Meditieren einlädt.
Darunter befindet sich eine kleine persische Brücke. Also ein Fussabtreter, leicht, dünn und handgeknüpft aus dem Iran.
Trotz einem Hang zum Multi-Kulti empfindet Frau Flöter dies als groben Stilbruch. Manches ist ja so kontrovers, dass es schon wieder „hipp“ ist, aber hier wird ihrem Auge schlecht, der Anblick lässt sich nicht ertragen.
Es muss eine andere Fussmatte her, das ist klar. Die Kaufhäuser sind überfüllt, bieten Schmuck und Parfüm in Hülle und Fülle, aber diese ganz einfachen Abtreter scheinen aus dem Sortiment verschwunden. Aus der Haushaltswarenabteilung in die Gardinenabteilung geschickt und von dort bei der Bettwäsche landend, bemerkt eine sensible Verkäuferin die verzweifelte Kundin, in deren Gesicht sich bereits Enttäuschung und Ermüdung bemerkbar machen. Sie weist auf eine Boutique hin , in der sie vor kurzem sogar Fussabtreter mit weihnachtlichen Motiven, gesehen haben will.
Frau Flöter, wieder Hoffnung schöpfend, aber doch zu warm angezogen, fand die Boutique und starrte auf einen Ableger, auf dem sich ein Engelchen mit Pustebacken in Bauchlage auf seinen rundlichen Arm stütze. Bauchlage deswegen, damit die Flügel noch zur Geltung kamen. Zaghaft hielt sie einen Fuss über den Ableger. Für den Fall, dass man sich dort die Füsse abtreten sollte, müsste man diese auf die Pausbacken stellen und dem Engelchen beide Wangen kaputt oder rot rubbeln.
Nein, also das kam nun auch nicht infrage, das Auge hätte mitgemacht, aber dem Feingefühl drehte sich der Magen um.
Ausser diesem wunderbaren Exemplar gab es noch ein etwas neutraleres. Richtung Leibnizkeks, allerdings mit einer dicken goldenen Umrandung.
Frau Flöter kam ins Grübeln und versuchte sich in Gedanken ihre Wohnungstür vorzustellen. Nein, auch das hatte keinen Zweck, eine dicke Goldumrandung würde der zarten dänischen Kreuzstichstickerei den Garaus machen..
Verzweifelt und ratlos ging sie nachhause, saugte den Perser, rollte ihn, steckte ihn in eine Plastiktüte, die im Keller verbannt wurde.
Das erste Adventwochenende würde sie sich den Luxus leisten auf einen Fussabtreter zu verzichten, möglicherweise würde sie auch in der kommenden Nacht nicht mehr davon träumen.

Spätestens Montag wird sie einen neuen Versuch starten, denn , wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.


bello antwortete am 29.11.02 (10:41):

*** Aus meinen losen Blättern ***

BOMBASTUS
Eigentlich war ich schon ziemlich erwachsen. Ich hatte eine Berufsausbildung abgeschlossen und arbeitete in einem kleinen Ort nahe der Nordsee. Hier wohnten ein paar Fischer und manchmal Feriengäste. Auf den Weiden standen viele schwarzweiße Kühe; die einzige rote nannte sich „Mutter aller“. Auf einer weißen Araber-Stute konnten Kinder an der Longe reiten lernen; sie sagten „die Apparatische“ zu ihr; daraus kann man auf das Alter der Kleinen Rückschlüsse ziehen. Ich fühlte mich ihnen zugehörig.
Deshalb auch besuchte ich stets einen kleinen Familien-Zirkus, der regelmäßig zweimal im Jahr hier vorbei kam. Sechs Personen einer einzigen Familie brachten den Zuschauern in einem zugigen Zelt auf Rasen-Untergrund zwei Stunden lang Spaß. Vorrangig natürlich der nicht fehlende Clown. Er hieß „Bombastus“ und sah auch so aus. Nicht besonders groß -, aber stämmig, kraftvoll und gesund -, die Arme von weiten Puffärmeln bedeckt, die Beine von Pluderhosen. Im Gegensatz dazu ein schmales Gesicht, das auch unter der dicken Schminke als hübsch erkennbar war. Rot angemalte, nach oben gezogene Mundwinkel wiesen auf Frohsinn und Spaßvermögen hin, und er erhielt auch den größten Applaus.

Bei einem ihrer Besuche – es war der letzte, danach kamen sie nicht mehr – rief man mich zu Beginn der Vorstellung in einen der Wohnwagen. Sie wussten von meinen medizinischen Kenntnissen und sagten, BOMBASTUS sei erkrankt. Ich fand aber keinen Clown, sondern ein junges Mädchen vor -, blaß, verschwitzt, mit trockenem Husten und großer Schwäche eines zarten, abgemagerten Körpers. Nichts Bombastisches. Nur ein trauriger, hoffnungsloser Anblick. Sie sagte zu mir: „Ich kann jetzt nichts mehr vortäuschen. Zu sehr hat mich die Krankheit besetzt. Ich habe Tuberkulose.“ Es erstaunte mich. „Wo hast du dich angesteckt? Es gibt doch die Tuberkulose bei uns eigentlich nicht mehr.“ Sie hustete wieder, und ich sah die Blutflecken in ihrem Taschentuch: die Krankheit musste weit fortgeschritten sein. „Was meine Eltern nicht wissen,“ fuhr sie dann fort, „ich habe vor Jahren an der Elfenbeinküste einen Mann kennen gelernt - und muß mich dort angesteckt haben. Ich war noch sehr viel jünger und hatte von dem anstrengenden Zirkus-Leben wenig Abwehrkräfte. Ich bin mit allen Möglichkeiten für diese Krankheit behandelt worden, aber jetzt hat man mich aufgegeben. Ich bitte Sie nur um eine Spritze gegen das Fieber, ein schnellwirkendes Mittel –, um nur noch ein einziges Mal bei meinem Auftritt lachen zu können.“

Ich spritzte ihr etwas aus meinem Notfall-Koffer. ... BOMBASTINA. Ich sah sie lachen -, wusste aber schon da, dass der kleine Familien-Zirkus nicht würde wiederkommen.

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(c) D.B., 29.11.2002


Lümmel antwortete am 02.12.02 (09:09):


*** Aus meinen losen Blättern ***

FARB-VERLUST
Als Sani’s waren wir es gewohnt, Farben erst mit bewußtem Betrachten richtig zu sehen, wenn Blut floß. Rot. ROT. Ein aggressiver Spektralbereich. So wünscht man sich einen Kranz mit blauen Blüten auf seinen Sarg. Blau. KÜHL. Kein grelles Licht -, nur einen Regenbogen in grauem Gewölk.
Und man vergisst, wie viele es unter uns gibt, die ihr Seh-Vermögen mit starken Lupen und wattreichen Glühbirnen Unterstützen müssen.

Wir transportierten Menschen nach ambulanten Operationen des grauen Stars. Die meisten waren beglückt über das Geschenk einer künstlichen Augen-Linse. „Ich wusste gar nicht mehr, wie bunt die Welt ist.“ – „Die grauen Horizonte beeinflussten mein seelisches Befinden über Jahre hinweg.“ – „Weshalb habe ich mir nicht früher die Farben zurückgeholt.“ So sprachen sie ..., wußten aber, dass eine star-befallene Linse erst „reif“ sein muß, ehe man sie operieren kann. Ich weiß nicht so genau, was das bedeutet. Aber jeder der Betroffenen hat seine graue Zeit.

Eine einzige Patientin meinte nach der Operation - insbesondere nach einer zweiten Behandlung des linken Auges mit Laser -, dass s i e die Welt nicht grau gesehen habe, sondern gelb. Nach der Operation sah sie die Tapeten und die weißen Flecken im Fell ihres Hundes rosa. Im Laufe der Zeit verschwand dieses Phänomen. Niemand konnte genau sagen, ob durch Gewöhnung an das Rosa über das Wissen, dass die betrachteten Felder in Wirklichkeit weiß sind. Wenn das so wäre, sähe man mehr über die im Gehirn gespeicherten Erfahrungen als über die Rezeptoren am Augenhintergrund.- Weiter erzählte diese Patientin, dass die physiologischen Nachbilder nach Lichteinfall in die Augen bei ihr sehr lang anhalten würden und auf dem einen Auge stärker seien als auf dem anderen. Der Augenarzt schien ratlos. „Was sehen Sie denn da?“ Offensichtlich zweifelte er an ihrem Geisteszustand. Das tun viele Ärzte, wenn sie nicht eingestehen wollen, keine Antwort zu wissen. Wie einer auch zu einer schwer depressiven Frau sagte: „Wir finden nichts. Bleibt nur noch, den Kopf zu untersuchen.“

Über Farben hat schon Goethe, haben schon viele geschrieben. Nur die Star-Patienten wissen, was ein Leben ohne Farben ist. Menschen, die rot/grün-blind sind, können dennoch an Ampeln sehen, ob sie weiterfahren dürfen. Im Laufe der Zeit haben sie aus den Abschattierungen von Grau gelernt, was rot und was grün ist. Andere Menschen sehen auch dort Farben, wo für die meisten alles schwarz oder weiß aussieht. „Welche Farbe hat der Montag?“ Emrich und viele andere Wissenschaftler erforschen die Synaesthesie, eine Fähigkeit, Buchstaben und Musik farbig zu „sehen“. Vielleicht sind diese Menschen noch reicher als wir.

Ich wünsch’ mir einen blauen Rosenkranz
... und eine gelbe Sonne.
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(c) D.B. 1.12.2002


bello antwortete am 04.12.02 (16:37):

*** Aus meinen losen Blättern ***

Das Ömchen mit den leeren Brötchen.
Lange, lange habe ich es nicht mehr gesehen -, dieses Ömchen. Mein Hund ist tot, und ich gehe nicht mehr im Wald spazieren. Dort traf ich sie manchmal am Arm ihrer liebevollen Begleiterin, die sich auch im Wald nicht schämte, dem Ömchen Höschen und Windeln zu wechseln. Ja ja, manchen Vorübergehenden sah man es an, dass sie so etwas verpönt fanden; naserümpfend glotzten sie noch lange in die falsche Richtung. Die Betreuerin scherte sich nicht darum. Ein bisschen hatte sie sich den alten Menschen angeglichen, deren Selbstkontrolle nicht mehr so ganz funktionierte. Sie sang und summte und tänzelte einher, so wie die Kleinschrittigkeit des Ömchens es zuließ. Die Pflege hatte sie freiwillig übernommen und bekam auch kein Geld dafür. Zwischen den beiden bestand lediglich eine – wenn auch alte – Bekanntschaft, dennoch tauchte sie regelmäßig an sieben Tagen der Woche am frühen Nachmittag auf und begann ihren selbst auferlegten Dienst, der in Putzen, Waschen, Kochen, Einkaufen und Spazierengehen gleichermaßen bestand. Mit den zu entsorgenden Müllsäcken schwang sie sich abends wieder auf ihr Fahrrad und schlenkerte summend davon.

Ich hatte früher in einer Parallelstrasse gewohnt und konnte jeden Morgen Punkt acht Uhr das Ömchen Richtung Kiosk trippeln sehen. Und ebenso pünktlich kam es nach zehn Minuten wieder zurück. Eine alte Tasche baumelte an der rechten Hand und sah ziemlich unbeschwert aus. Ich habe nie eine Regung in ihrem Gesicht gesehen, sie erkannte auch niemanden wieder, den sie einmal oder viele Male getroffen hatte. Im Zusammenhang mit den kleinen Schritten ließ alles auf eine neuro-degenerative Erkrankung schließen.

Eines Tages begegnete ich ihr zu ihrer üblichen Zeit auf der Straße, als sie sich schon auf dem Rückweg befand.
“Guten Morgen. Haben Sie alles bekommen, was Sie einkaufen wollten?“
Sie musste sich erst auf eine Antwort konzentrieren. Dann sagte sie:
“Nein nein.“
Sie öffnete ihre Tasche, in der sich lediglich ein Portemonnaie befand.
“Sehen Sie -, alles nur leere Brötchen.“
Und sogleich schlurfte sie weiter.

Sie hat noch viele Male den Weg zum Kiosk gemacht. Aber jetzt habe ich sie lange, lange nicht mehr gesehen.

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(c) D.B. 4.12.2002


bello antwortete am 06.12.02 (13:50):

*** Gedanken von gestern ***

Feiern Sie noch Ihren Geburtstag?
Ich habe längst damit aufgehört. Als ich dachte: diesen Tag als eigenen Festtag zu feiern sei eine Dreistigkeit. Hast du gewollt, geboren zu werden? Ab wann hast du gedacht, besser nicht? Hast du bei deiner Geburt eine Leistung vollbracht außer dem Bemühen, deine Lunge zu entfalten und zu schreien? Wie oft musstest du danach in deinem Leben laut werden?

Solcherart Denken veranlasste mich im mittleren Erwachsenen-Alter, den Geburtstag meiner Mutter zu feiern. Nur sie hatte Leistungen erbracht, mich in die Welt zu setzen. Nur ihr stand es zu, die Geburtstage ihrer Kinder zu einer Feier zu gestalten. Heute habe ich mich erneut dem Ende allen Lebens genähert: ein Tag voller Gedanken, ein Tag der Entschlusskraft, ein Tag zum Schreiben. Ich werde mein Leben zu Papier bringen. Aber ich werde nicht die Art aller Arten wählen, ich werde das Schriftstück nicht als „Biografie“ bezeichnen. Mehr denn je möchte ich nicht als Plagiator gelten. Mehr denn je fühle ich mich an diesem Tage als ein Individuum mit Fehlern, Schwächen -, aber auch Talenten. So begann ich mit einer Sammlung von historischen und neuzeitlichen Texten, von Bildern und Photos. Ich werde in erzählerischen Abschnitten das Unwichtige herauslassen und einen prosaischen Lebensweg der ganz anderen Art erfinden. Nicht genug Zeit – werde ich denken - , alles war so voller Inhalte.
Und es wird einen Epilog geben, in dem ich philosophiere, ob ich meiner Mutter dankbar bin für mich.
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(c) D.B. 5.12.02


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:19):

Weihnachten in Afrika. Eine Weihnachtsgeschichte von Schorsch. 1997.

1.

Diese Geschichte ist so lang, dass man damit ein Buch füllen könnte. Aber wir haben ja heute schliesslich nicht fünf Stunden oder gar mehr Zeit, dass ich euch alles im Detail erzählen könnte. Darum muss ich mich darauf beschränken, ei-niges wegzulassen und den Rest in konzentrierter Form zu erzählen.

Angefangen hat eigentlich alles mit einem Lottogewinn. Die Mutter der vierjäh-rigen Zwillinge Fränzi und Sigi Zäch war Ärztin in einem Regionalspital, der Vater eigentlich gelernter Schlosser. Da aber Mutter Heidi eine Arbeitszeit von über 60 Stunden hatte, und weil die Eltern die Kinder nicht in einem Tagesheim aufwachsen lassen wollten, beschlossen Mutter und Vater Zäch, der Vater solle vorübergehend den Beruf an den Nagel hängen und Hausmann spielen. So kochte, putzte und flickte denn Vater Erwin, während die Mutter Heidi mit ih-rem Ärztelohn, der ja um einiges höher war als der des Vaters, für den Lebens-unterhalt der Familie sorgte. Die Kinder waren glücklich mit dieser Lösung, denn Vater hatte nebst seiner Hausarbeit jede Menge Zeit, mit ihnen zu spielen und zu basteln.

Eines Tages las Vater Erwin in der Zeitung, im Lotto-Jackpot habe sich eine Summe von gegen fünf Millionen Franken angesammelt. Er hatte zwar noch selten Lotto gespielt. Am Abend, als Mutter Heidi von der Arbeit kam, meinte er aber so spasseshalber: „Was meinst du, Heidi, wollen wir es nicht mal wieder probieren? Wäre doch schön, so mit ein paar Milliönchen im Rücken die Arbeit Arbeit sein zu lassen und sich ein paar Jährchen in der Welt rumzutreiben!“
Heidi lachte ihn aus. „Glaubst du wirklich, diese Millionen hätten gerade auf uns gewartet? Wir wollen doch glücklich und zufrieden sein mit dem, was wir haben!“
Aber Erwin liess nicht locker. „Nun ja“, lachte er, „nötig hätten wir das Geld ja nicht unbedingt. Aber stell dir mal vor, wir hatten doch früher, bevor unsere Kinder auf der Welt waren, immer die Idee, einmal die ganze Welt zu bereisen. Hast du denn keine Wünsche mehr an das Leben, als in Ehren alt und grau zu werden?“
„Doch, doch“, erwiderte Heidi. „Die Wünsche sind noch immer vorhan-den. Also, wenn du willst, dann mach halt wieder einmal Lotto. Dann bist du zwar nicht um einige Millionen aber um eine Erfahrung reicher geworden!“
Erwin holte zwei Lottoscheine im Kiosk. Nicht etwa, dass er im Sinn ge-habt hätte, beide komplett auszufüllen. Aber er wusste von früher her, dass man schnell einmal ein Kreuzchen zuviel in die kleinen Vierecke gemalt hatte. Dann rief er die Kinder und sagte: „So, jetzt kann mir jedes von euch sagen, in welche Vierecke ich die Kreuze schreiben soll. Jedes darf zweimal sechs Zahlen antip-pen. Und ich werde dann noch selber gleichviel Kolonnen ausfüllen.“
Die Kinder waren mit Begeisterung dabei. Und noch am gleichen Tag brachte der Vater den Zettel ausgefüllt zurück ins Kiosk.
Aber als die Ziehung der Lottozahlen am Samstag im Fernsehen kam, hatte er die Sache schon wieder vergessen und schaltete den TV nicht ein. Erst als er zwei Wochen später im Dorfladen einkaufen ging und eine Kundin zur Verkäuferin sagen hörte: „Haben Sie`s gelesen? Da hat doch einer den Jackpot abgeräumt und das Geld noch nicht mal abgeholt!“ erst dann kam ihm der Lot-tozettel wieder in den Sinn. Daheim angekommen suchte er in den Tageszeitun-gen nach den Zahlen der damaligen Ziehung und verglich sie mit seinem Lotto-zettel. Das Herz wollte ihm fast aussetzen, als er feststellte, dass er selber diesen noch nicht angemeldeten Sechser hatte! Als er sich wieder gefasst hatte, war sein erster Gedanke, der Mutter ins Spital zu telefonieren und ihr die freudige Nachricht schonend beizubringen. Er besann sich aber dann doch anders, denn er dachte sich, es wäre für die Patienten gar nicht gut, wenn die Ärztin plötzlich in ihren Gedanken abgelenkt würde. Also legte er den Lottoschein und den Zei-tungsausschnitt mit den gezogenen Zahlen, am Abend unter Mutters Teller, dass gerade noch ein Zipfelchen davon hervorgüxelte. Die Kinder hatte er schon vorher informiert und ihnen aufgetragen, ja nichts zu verraten, bis die Mutter die Zettel selber fand.


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:21):

2.

Am Abend setzten sich alle drei gespannt mit Mutter an den Tisch. Sigi platzte plötzlich heraus: „Mammi, ich sage dir nicht, dass unter deinem Teller fünf Millionen Franken sind!“ Alle lachten. Mutter nahm die beiden Zettel unter dem Teller hervor. Sie machte grosse Augen. Zuerst dachte sie, ihr Mann habe sich wieder mal einen Scherz mit ihr erlaubt, oder sie liege im Bett und träume. Aber wie sie auch wieder und wieder kontrollierte: Es war weder ein Scherz noch ein Traum.
Klar, dass an Schlaf in dieser Nacht bei den Eltern nicht zu denken war. Die ganze Nacht lagen sie wach und überlegten, was mit soviel Geld denn nun gemacht werden sollte. Und schliesslich kamen sie auf die Idee, falls sie die schon lange geträumte Weltreise mal machen wollten, wäre es jetzt noch die beste Zeit dafür. Denn wenn die Zwillinge später in die Schule mussten, wäre an eine solche lange Reise nicht mehr zu denken.
Am anderen Tag ging die Mutter mit schwerem Kopf ins Spital an ihre Arbeit und, nachdem sie einsah, dass ein konzentriertes Arbeiten heute nicht möglich war, ging sie zu ihrem Chef um bei ihm einen Jahresurlaub einzugeben. Der Verwalter war zwar gar nicht froh über diesen Bericht. Aber er musste schliesslich die Gründe der Ärztin Zäch als stichhaltig akzeptieren.
Vater Erwin fuhr mit den Zwillingen heute ausnahmsweise in die Stadt einkaufen, weil er sich Unterlagen bei Reisebüros und Prospekte für ein Wohnmobil holen wollte. Diese Unterlagen studierten dann die Eltern am Abend bis ihre Köpfe fast zu rauchen anfingen. Sie einigten sich schliesslich darauf, dass die Reise nach Afrika gehen und das Wohnmobil noch Solarzellen auf das Dach montiert bekommen sollte. Schliesslich sollte, wenn man schon in einen Erdteil reisen wollte, in dem die Sonne ihre volle Kraft entfaltete, diese Sonnenkraft auch genutzt werden.

Die folgenden Wochen waren hektisch. Das Wohnmobil musste umgebaut und mit den nötigen Utensilien für eine lange Reise versehen werden; die nötigen Schutzimpfungen mussten gespritzt werden; die Reisepässe mussten bestellt werden; die Bekannten mussten orientiert werden; jemand musste beauftragt werden, für das Haus, den Garten und die ankommende Post zu sorgen; die Schiffsreise musste für vier Personen und ein Wohnmobil gebucht werden, und schliesslich musste Vater Erwin sich und seine Familie bei den Behörden noch für ein Jahr abmelden.

Nach etwa einem Monat war es so weit. Verwandte und Bekannte standen eines Morgens vor dem Haus und winkten dem Wohnmobil nach, das Richtung Spa-nien startete. Sie fuhren bis an den äussersten Zipfel von Europa und nahmen dann in Gibraltar die Fähre nach Marokko.

Wir wollen die Reise mit dem Wohnmobil und auf dem Schiff weglassen. Dabei hatten die beiden Zwillinge sooo viel erlebt, dass sie manchmal die Eltern fast wahnsinnig machten mit Fragen und Erzählen. Wir wollen auch den Start in Af-rika weglassen, der nicht gerade so gut verlief, wie sie es ich vorgestellt hatten. Wir wollen auch weglassen, dass sie jeden Abend, wenn sie irgendwo parkier-ten, alles, was draussen nicht niet- und nagelfest war, in das Wohnmobil neh-men mussten, weil es sonst am Morgen einfach nicht mehr vorhanden gewesen wäre. Denn unterwegs hatte es tausende von armen Leuten, die auch vor einem Diebstahl nicht zurück schreckten, wenn sie damit ein paar Tage zu essen kau-fen konnten.
So ging es denn an der Küste Afrikas entlang mit kurzen Abstechern ins Landesinnere. Sie lernten die Länder entlang des Meeres kennen und machten Fotos und Videoaufnahmen der Märkte und der Handwerker in jedem Land. Sie besuchten aber auch die Sehenswürdigkeiten, wie sie sie aus den Prospekten der Reisebüros herausgepickt hatten. Mutter Heidi machte an jedem Abend, wenn die Kinder in ihren Kajüten lagen und schliefen, Aufzeichnungen darüber, was sie an diesem Tag wieder Neues erlebt hatten.

So kamen sie denn nach etwa drei Monaten im Lande Kamerun an. Hier kamen sie zur Einsicht, dass sie bis heute eigentlich nur immer rechts das Meer und links das Land mit seinen Städten und zivilisierten Dörfern gesehen und erlebt hatten. Und sie merkten auch, dass, wenn sie weiterhin dem Meer entlang woll-ten, gerade so knapp innert dem Jahr wieder zuhause sein würden. Also mach-ten sie in Douala einen neuen Plan, nämlich über das Land Tschad und einen Zipfel des Sudan nach Ägypten zu fahren. Denn schliesslich wollten sie ja auch die weltberühmten Pyramiden sich noch ansehen, von denen sie schon in der Schule so viel Abenteuerliches gelesen und gehört hatten. Im Sudan, kurz vor der Wüste trafen sie aber im kleinen Dorf Abu Bajal auf ein deutsches Missio-narsehepaar, bei dem sie sich sofort so wohfühlten, dass sie beschlossen, hier mal eine oder zwei Wochen Pause zu machen.


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:22):

3.

Aus den geplanten ein, zwei Wochen wurde ein Monat und sie hatten immer noch keine Lust, sich weiter auf die Reise durch die Wüste zu machen. Herr Braun, der Missionar beschränkte sich nicht darauf, den Menschen das Evangelium beizubringen. Da er eigentlich von daheim aus Bauer gewesen war, lehrte er die Einwohner des Dorfes, dass man sich nicht allein auf den Herrgott verlassen durfte, wenn man gute Ernten wollte. Das Hauptproblem war das we-nige Wasser, das die Eingeborenen in vier vor Jahrhunderten gegrabenen tiefen Brunnen von Hand holten. In heissen Jahren sank der Wasserspiegen jeweils so tief ab, dass es kaum mehr für die Menschen und die wenigen Ziegen reichte. Die meisten Pflanzen verdorrten. Und hätte der Missionar nicht in Europa gute Menschen gekannt, die immer wieder Nahrungsmittel und Medikamente schick-ten, die Menschen in Abu Bajal wären wohl längst ausgewandert oder an Seu-chen und Hunger gestorben.
Die Zächs staunten immer wieder, wie man mit primitiven Mitteln leben und froh sein konnte. Mutter Heidi und die Kinder Fränzi und Sigi beobachteten die Frauen, wie sie Hirse stampften, die Ziegen molken, aus Ziegenfellen Klei-dungsstücke nähten und aus ihren Hörnern allerlei Gerätschaften schnitzten. Die Männer schmiedeten auf primitiven Öfen Werkzeuge aus Eisen, die sie in den Feldern und zum Holzen benötigten. Sigi und Fränzi strolchten aber auch den ganzen Tag mit ihren schwarzen Spielgenossen rings ums Dorf auf Erkun-dungsausflügen und halfen beim Wasser holen. Vater Erwin aber, der ja von Beruf Schlosser war, sah in Gedanken, wie aus einem Wasserloch eine Pump-station werden könnte. Man müsste, so dachte er, doch das Loch tiefer graben, die Wände befestigen und zuunterst eine Wasserfassung installieren können, aus der das kostbare Nass mit einer mit Sonnenenergie gespiesenen Pumpe nach oben in ein Reservoir gefördert werden könnte. Von diesem Reservoir aus könnte man es in einen Wassertank pumpen, in den man auch ein Luftkissen pumpte, damit immer genug Druck vorhanden war um mittels Leitungen das Wasser ins Dorf und in die Felder zu leiten.
Herr Braun lachte zwar am Anfang herzlich über Erwins Pläne. Aber mit der Zeit liess auch er sich überzeugen, dass sie - rein theoretisch natürlich, wie er betonte - umzusetzen wären. Ja, wenn nur genügend Geld und Material vor-handen wäre, seufzte er.
An einem Abend, als die Kinder friedlich schliefen, überraschte Erwin seine Frau mit seinen Plänen. „Was nützen uns eigentlich unsere Millionen“? sagte er. „In ein paar Monaten sind wir wieder zuhause und lassen es uns wohl-ergehen, während hier in Abu Bajal weiterhin Not herrscht!“
Mutter Heidi hatte sich als Ärztin auch schon ihre Gedanken gemacht. „Wenn ich sehe, wie diese Menschen bei kleinen Verletzungen schon Kompli-kationen bekommen, krampft sich mir das Herz zusammen!“ sagte sie „Es sollte doch möglich sein, einige der Frauen zu einfachen Pflegerinnen auszubilden. Sie könnten dann ja ihre altüberlieferten Heilmethoden mit unserer westlichen Medizin verbinden. Und das wäre natürlich auch für mich eine wertvolle Berei-cherung in meinem Wissen, wenn ich da mitmachen könnte!“
Noch lange wurde in dieser Nacht diskutiert über das Wie und Was. Wie sollten zum Beispiel all die benötigten Sachen aus der Schweiz zu ihnen kom-men? Wer in der Heimat könnte als Helfer mitmachen? Schliesslich wurden sie sich einig, man könnte Erwins alten Schulkollegen Markus in der Schweiz an-fragen, ob er als Kontaktmann mitmachen wolle, und Erwin sollte am nächsten Tag die Funkstation des Missionars ein bisschen auf ihre Tauglichkeit prüfen. Denn jede andere Verbindung wäre zu kompliziert oder unmöglich gewesen.
Herr Braun rief also am anderen Tag im Verbindungsbüro der Mission in Kairo an und erklärte dort das vorgesehene Projekt dem Leiter. Dieser war zwar ziemlich skeptisch, versprach aber, die Verbindung zur Schweiz herzustellen. Sobald diese klappe, werde man in Kairo die beiden Orte miteinander verbin-den.
Es wurde allerdings recht spät in der Nacht bis es soweit war. Die Ver-bindung war erst noch so schlecht, dass sich die beiden Männer nur brüllend miteinander unterhalten konnten. Markus war sofort begeistert, mitzumachen. Und er sicherte Erwin zu, er werde noch weitere Personen für das Projekt inte-ressieren. Gewiss würde man auch noch ein paar Hersteller der benötigten Wa-ren und Geräte dazu bringen, diese entweder gratis oder doch massiv billiger zu liefern. Nun konnte Erwin seinem Kameraden die Liste der benötigten Teile durchgeben. So war eigentlich nur noch ein Problem, allerdings ein riesiges: Wie kam das Zeugs von der Schweiz nach Abu Bajal? Aber Markus versprach, er werde alles Nötige in die Wege leiten. Denn von der Schweiz aus sei dies be-stimmt viel einfacher als vom „Ende der Welt“ aus, wie er Abu Bajal scherzhaft nannte.


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:23):

4.

Die folgenden Wochen verliefen wie im Flug und waren voller Spannung. End-lich der erlösende Anruf über das Funkgerät: In einem Monat sei alle benötigte Ware - und dazu viele Einrichtungen und Medikamente für Mutter Heidis Sani-tätszimmer - auf dem Weg über Ägypten und den Sudan. Einen alten Lastwagen und einen Jeep der Armee habe man günstig kaufen können. Die beiden Fahr-zeuge würden mit weisser Farbe umgespritzt und mit der Aufschrift „Help for Abu Bajal“ beschriftet.

Alles klappte wie am Schnürchen. Fünf Wochen nach dem letzten Anruf kam wieder einer. Diesmal aus Kairo. Markus berichtete voller Freude, sie - das heisst er, seine Frau und zwei Arbeitskollegen von ihm - würden morgen von Kairo aus starten. Es wäre allerdings von Nutzen, sagte er, wenn Erwin sie in Faya, ein paar hundert Kilometer von der sudanesischen Grenze entfernt, abho-len würde, damit sie das Dorf Abu Bajal auch wirklich finden würden. Die Wüste würden sie allerdings meiden, denn sie wollten nicht riskieren, so kurz vor dem Ziel noch stecken zu bleiben. Und noch eine Überraschung kündeten sie an: Weil ja in einigen Wochen Weihnachten sei, habe man drei kleine Tan-nenbäume in Töpfe verpflanzt, und die nötige Dekoration sei auch gut verpackt dabei!
Natürlich wollten die Zwillinge auch mit auf die Reise. Aber die Eltern erklärten ihnen, es wäre besser, sie unter der Obhut von Frau Braun zu lassen. Denn die Fahrt durch die Steppen sei denn doch ein wenig zu beschwerlich für sie. Und sie liessen sich auch durch das Bitten und Betteln von Fränzi und Sigi nicht umstimmen.

Um ganz sicher zu sein, dass man sich nicht verfehle, starteten Erwin und Heidi mit ihrem Wohnmobil bereits drei Tage nach dem Anruf. Die Wartezeit in Faya wollten sie mit Einkäufen verbringen. Auch nahmen sie nur gerade das Not-wendigste mit auf die Reise. Jeden Tag gegen Abend bildeten sich in den letz-ten Tagen am Horizont einige Wolken. Jeden Tag ein paar mehr. Die Menschen schauten sehnsüchtig nach ihnen. Erwin und Heidi fragten den Missionar, ob wohl mit Regen auf der Reise zu rechnen sei. Herr Braun lachte etwas traurig. „Schön wärs“, sagte er. „Aber leider halten diese Wolken uns nur zum Narren. Das Land lechzt nach Wasser. Aber erfahrungsgemäss sind diese Wolken nichts anderes als die Bestätigung, dass es sie tatsächlich noch gibt!“

Die Kinder vertrieben sich die Zeit mit ihren neu gewonnenen Freunden mit dem Erstellen einer Hütte aus Ruten, Erde und Ästen. Zuerst steckten sie dicke Ruten in den Boden, flochten dann die dünneren Ruten dazwischen, rührten ei-nen dicken Brei aus lehmiger Erde, den sie zwischen das Geflecht strichen, und schliesslich deckten sie das „Haus“ mit einigen Ästen.
Als die Hütte stand, war es zwar ein paar Tage lang ganz lustig, sich als Familie aufzuspielen und dem trocknenden Lehm zuzuschauen, wie er langsam Risse bildete und hart wurde. Dann aber wurde es ihnen ohne die Eltern recht langweilig. Sie begannen, die aus dem Wohnmobil zurückgelassenen Gegens-tände nach ihrer Brauchbarkeit als Spielzeug zu durchsuchen. Dabei stiessen sie auf einen Bund Kerzen, den die Eltern als Sicherheit mitgenommen hatten, falls es einmal in der Nacht zu einem Stromausfall kommen würde. „Wir feiern Weihnachten!“ schrien die Kinder voller Tatendrang. Flugs rannten sie, eine ganze Schar Kamerädlein hinter sich herziehend, mit den Kerzen und einigen Feuerzeugen aus dem Dorf in die Steppe, wo auf einem Hügel ein verdorrtes Akazienbäumchen stand. Sie erinnerten sich, wie die Eltern jeweils etwas Wachs der brennenden Kerzen hatten in die Halter tropfen lassen, wenn sie zu wenig Halt hatten. Da aber überhaupt keine Halter vorhanden waren, probierten sie halt, die Kerzen direkt auf den Ästen zu befestigen. Nach einigen missglück-ten Versuchen gelang dies denn auch. Nun wollten die anderen Kinder aber auch probieren. Es kam wie es kommen musste: Eines war so unvorsichtig, die brennende Kerze ins dürre Gras fallen zu lassen. Wie Zunder entzündeten sich die umliegenden Gräser. Ein kleiner Windstoss tat das seinige dazu. Bald stand eine Fläche von einem Dutzend Quadratmeter in Flammen. „Schnell Wasser holen!“ schrien die schwarzen Kamerädlein. Sie rannten dem nächsten Wasser-loch zu, gar nicht daran denkend, dass sie ja nicht mal Eimer dabei hatten. Erst als sie am Wasserloch anlangten merkten sie es. Aber da war es bereits zu spät: Der Rückweg ins Dorf war durch eine breite Feuerwand versperrt, die immer näher kam. In panischer Angst liefen die Kinder schreiend aus der Gefahrenzo-ne hinaus ins Niemandsland.
Endlich, nach vielen Kilometern erreichten sie eine grosse Fläche, auf der kein Gräslein, kein Baum oder Strauch zu sehen war. Hier liessen sich die Kin-der ermattet auf den Boden sinken.


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:23):

5.

Erwin und seine Frau mussten nur zwei Tage in Faya auf die Freunde warten. Sie benutzten die Zeit, möglichst viel Esswaren, Seife, und Treibstoff für die Fahrzeuge, zu organisieren. Es gab ein grosses Freudengeschrei, als sie sich nach so vielen Monaten wieder trafen. Da man aber keine Zeit verlieren wollte, starteten sie noch am gleichen Tag in Richtung Abu Bajal, Erwin und Heidi mit ihrem Wohnmobil voraus, die anderen beiden Fahrzeuge in Einerkolonne hin-tendrein.
Als sie etwa dreissig Kilometer vor dem Dorf waren, sahen sie in seiner Richtung eine dunkle Wolkenwand. „Aha, also doch Regen!“ sagte Erwin zu Heidi. „Das können doch keine Regenwolken sein!“ erwiderte Heidi. „Herr Braun hat doch ausdrücklich gesagt, es werde keinen Regen geben in der nächs-ten Zeit.“ Trotzdem beschleunigten sie ihre Fahrt. Irgendetwas beunruhigte sie. Als sie noch etwa zehn Kilometer vom Dorf entfernt waren, schnupperte Heidi plötzlich Rauch. „Da brennt`s ja!“ rief sie erschrocken. Und nun rochen es auch die anderen. „Vollgas!“ schrie Erwin. Er winkte aufgeregt den hinter ihnen fah-renden Kameraden zu und diese begriffen sein Winken wohl richtig, denn auch sie drückten nun auf das Gaspedal, dass der Sandstaub hinter den Fahrzeugen zu einer undurchsichtigen Mauer wurde.

Die Kinder waren atemlos an einer Kilometer entfernten Wasserstelle ange-langt. „Hier hinunter!“ rief Enea, der älteste der Buben seinen Fluchtgefährten zu. Sie purzelten vor Aufregung fast die ausgetretenen Stufen hinab. Unten an-gekommen kauerten sie sich eng zusammen. Ihre Füsse steckten in zähem Brei aus Wasser und Erde. Denn das Wasserloch war seit vielen Jahren nicht mehr benutzt worden und daher ungepflegt. So warteten sie auf das Feuer und hoff-ten, der Rauch möge nicht bis zu ihnen herunter kommen. Die beiden Zwillinge begannen zu weinen. Aber Enea tröstete sie so gut es eben mit dem bescheide-nen Kauderwelsch ging, den die Kinder untereinander ausgetauscht hatten.
Plötzlich blitzte es, und ein paar Sekunden später folgte der Donner. Der Himmel über ihnen, der von den Rauchschwaden schon dunkel geworden war, wurde nun fast schwarz. Dann kamen die ersten Regentropfen, gross und schwer. Die Kinder schauten erschreckt nach oben. Dann plötzlich goss es wie aus Kübeln. Die Stufen des Wasserloches begannen sich aufzulösen und schwammen in gelben Bächen zu ihnen herunter. Die Kinder stellten sich in die Mitte des Loches, denn nun flossen solche breiigen Ströme von allen Wänden. Bald standen sie bis zu den Knien in diesem Brei. Sie hielten sich an den Hän-den, die Köpfe nach unten gerichtet, damit ihnen die schweren Tropfen nicht in die Nasen liefen.

So plötzlich wie es angefangen hatte, liess das Gewitter wieder nach. Noch ein paar Minuten floss der Regen herunter, dann wurden die Sturzbächlein zu klei-nen Rinnsalen und hörten ganz auf. Die Kinder lachten erleichtert. „Wasser gut, kein Feuer mehr!“ schrie Enea. Dann stampfte er im gelben Brei herum, dass es nur so spritzte. Die anderen schrien im Chor: „Wasser gut, Wasser gut“, und stapften hinter ihm her. Jedes der Kinder hatte seine Hände dem vorderen auf die Schultern gelegt. So tanzten sie ausgelassen im Kreise herum. „Jetzt nach Hause“, kommandierte Enea. Aber zu ihrem Schrecken mussten sie feststellen, dass überhaupt keine Stufen mehr vorhanden waren, auf denen sie hätten nach oben gelangen können. Wie gelähmt standen sie im Loch und hielten sich ängst-lich umarmt. „Rufen!“ sagte Enea plötzlich. Im Chor begannen sie um Hilfe zu schreien. Aber wer hätte sie denn hören sollen?

Als der Regen aufhörte, begannen Herr und Frau Braun die Kinder im Dorf zu suchen. Aber wo immer sie fragten, schaute sie nur jedermann erstaunt an. Alle meinten, die Kinder seien im Missionshaus. „Wir müssen sie suchen bevor es Nacht wird“, rief Frau Braun aufgeregt. Sie bat die Dorfbewohner, alles was Licht hergeben konnte, zu sammeln und dann in immer weiteren Kreisen um das Dorf nach den Kindern zu suchen. Sie bildeten nun Gruppen und schwärm-ten in alle Windrichtungen aus. Natürlich hatten auch sie das Feuer auf der Steppe gesehen. Da sich aber immer wieder solche durch Blitzschlag oder gar von selber durch die Sonne entzündeten, kam ihnen gar nicht die Idee, die Kin-der seien die Ursache der brennenden Steppe. Erst als sie die ganze unverbrann-te Umgebung ohne Erfolg abgesucht hatten, kam der Verdacht auf, die Kinder seien vor dem Feuer geflüchtet. Nun begannen sie auch die verkohlte Gegend abzusuchen. Es eilte, denn in wenigen Stunden würde die Nacht fast schlagartig hereinfallen.


schorsch antwortete am 06.12.02 (17:28):

6.

Als die Fahrzeugkolonne über die verbrannte Steppe zu fahren begann, verlangsamten die Fahrer das Tempo. Denn die Asche hatte mit dem Regen zusammen eine glitschige Unterlage gemacht. Fast im Schrittempo ging nun die Fahrt vor-wärts. Auf einigen an den Wurzeln angekohlten Bäumen sahen sie im Geäst einige Wildkatzen liegen, die sich offenbar nicht mehr herunter getrauten, weil die unteren Äste verbrannt waren. Erwin fuhr direkt auf die Bäume zu und hielt darunter an. Dann stieg er aus um sich die Sache näher zu besehen. Auch Heidi stieg aus. Die anderen hielten in einiger Entfernung ebenfalls an und stiegen aus. „Ich steige mal auf den Camper und schaue, was da zu machen ist“, sagte Erwin. „Vielleicht lassen sich die Katzen dazu bewegen, auf das Dach des Wohnmobils zu springen.“ Er kletterte die hinten angebrachte Leiter hoch. Als er oben ankam, fauchten ihn die Wildkatzen an. Erwin blieb in respektvoller Entfernung stehen und hoffte, wenn sich die Tiere erst mal an seine Gestalt gewöhnt hätten, würde es ihnen vielleicht doch noch einfallen, die Hilfe anzunehmen. Aber die Katzen kletterten noch höher statt tiefer. Erwin wollte schon aufgeben, als es ihm war, er höre in der Nähe leises Rufen. „Seid mal still“ rief er den anderen Wartenden zu. Da, wieder, ganz eindeutig das Rufen von Kindern. Aufgeregt kletterte er die Leiter wieder hinunter und deutete auf ein in der Nähe liegendes Wasserloch. „Da drüben, da sind Stimmen zu hören!“
Und nun hörten es auch die anderen. Schnell liefen sie zu der Wasserstelle. Sie erschraken mächtig, als sie in der Tiefe ihre eigenen Kinder in Begleitung einer Gruppe Kinder aus dem Dorf sahen. „Was macht denn ihr da drunten?“ fragte Erwin verdattert. Da riefen die Kinder von unten in einem solchen Durcheinander von Stimmen, dass man oben kein eiziges Wort verstand. „Den Wagen mit der Seilwinde her!“ rief Markus plötzlich und rannte zu seinem Lastwagen. Er startete und kam so schnell gefahren, dass er beim Bremsen beinahe auch noch in das Loch gestürzt wäre. Dann löste er den Splint der Seilwinde und zog am Seil. Das Ende band er zu einer Schleife. Dann liess er diese ins Loch gleiten. „Nun soll eins ums andere mit den Füssen in die Schlinge treten und sich am Seil festhalten!“ rief er ins Loch hinunter.
Nach ein paar Minuten waren alle Kinder gerettet. Fränzi und Sigi fielen, dreckig wie sie waren, den Eltern um den Hals. Die anderen Kinder standen verlegen im Halbkreis um sie herum. „Nun aber aufsitzen, aber alle hinten, ihr Schweinchen!“ befahl Erwin lachend. Die Kinder gehorchten. Auf der Fahrt ins Dorf wollte jedes am meisten Mut gezeigt und am wenigsten Angst gehabt ha-ben!

So kamen also die weissen und die schwarzen, die grossen und die kleinen Kinder doch noch zu ihrem Weihnachtsfest! Und während die Vorbereitungen dazu getroffen wurden, begannen das Gras und die Bäume in der Steppe neu grün zu spriessen. Und die Gärten und Pflanzungen der Dorfbewohner trugen in diesem Jahr eine ganz besonders reiche Ernte. Und als alle am Weihnachtsabend unter dem schönsten der drei mitgenommenen und geschmückten Tannenbäume sassen, sangen sie ganz besonders innig ihre Weihnachtslieder.

ENDE

Diese Geschichte war für eine Kinderweihnacht gedacht. Da aber auch die Grossen an dieser Weihnachtsfeier andächtig zuhörten, wagte ich es, sie hier zu publizieren.

Entschuldigt bitte die Trennungen!

Schorsch, alias Georg von Signau


mulde antwortete am 10.12.02 (18:39):

Aus der Kneipensammlung
I

Hildchen’s Ausflug in die neue Welt.
Es war so , die Zeit nach dem alle die neue Mark nun auch im Osten hatten
Hildegard, was dem Erwin sein Ehelich angetrautes Wesen ist. - wollte, musste unbedingt
einen größeren Einkauf in der Stadt tätigen
nur wie hinkommen Erwin war wegen seines Naturschutzes nicht zuhause.
Also Kalle, der Neffe musste mit dem Auto erscheinen.
Hildchen, ran an das Tel.
„Kalle – Du musst mich ma in de Stadt fahren! Der Ton macht bekanntlich die Musik.
Und Neffe Kalle - verstand die „Musik auch ohne Noten“
Saje jetze nich Du hast keene Zeit nich!
Kalle hatte Zeit!!!!!
Also Kalle, kam mit seiner japanischen Reisschüssel bei Hildchen vorgefahren.
Nach guten Tag und erstmal ausgiebig frühstücken, fuhr man in die Stadt.
Wo willst Du denn überhaupt hin Tante?
Na bei Karstadten!
Nu n wusste der Fahrer ja Bescheid Tante Hildchen will also zu „Karstadt“ da ist ja das parken kein Problem - Tiefgarage!
Nu Tante wo willst denn hier hin?
Nu Kalle da wo’s Töppe jibt !
Nach dem Kalle sich vergewissert hatte in welcher Etage sich die Abteilung für Haushaltswaren befindet “Tante da müssen wir aber ganz nach oben.“
Na denn los --- awer nich mit das Dings da ! Sie meinte die Rolltreppe.
Wir fahr’n mitn Uffzuch.
O’ Hildchens Gesichtsausdruck duldete keinen Widerspruch.
Rein in den „Uffzuch“ und hoch , dorthin wo Hildchen was kaufen wollte.
Kalle musste sogar den Etagenknopf drücken..
Oben angekommen , Hildchen’s Adleraugen kreisten einmal -- kreisten zweimal
„Kalle ---- Kalle da sind’se de Töppe!! Hilde besah sich erstmal die dort ausgestellten
Waren , aber ihr Gesicht verhieß nichts gutes - Kalle machte das einzig richtige er blieb im
Hintergrund.
Das Verhängnis in Gestalt einer jungen schmucken Verkäuferin nahte schon.
„Kann ich ihnen helfen“
Hildes Mantel noch aus dem Konsum drohte zu platzen, so tief holte sie Luft um zu antworten. ------ Määächen se solln mich nich helfen--------- sonnern was vorkoofen!
Das das man jlei wissen --- helfen tue ich mich alleene un loofen kann ich ooch, sojar
alleene.
Fortsetzung folgt


mulde antwortete am 10.12.02 (20:07):

Kneipesammlung
2
Hildchen ist im Kaufhaus Karstadt und will etwas kaufen, Kalle ihr Neffe ist in ihrer Nähe.

Fortsetzung

Die Verkäuferin hatte innerlich Hildchen, in jeder Beziehung als unbemittelt eingestuft.
Hildchen war als Kundin bereits abgeschrieben.
Je tiefer Hildchen Luft holte, desto mehr betrachtete die Junge Dame unsere Hilde von oben-
Mit betont spitzer Zunge erkundigte sie sich nach Hildchens wünsche
„sie möchten für Ihre Küche einen neuen Satz Kochtöpfe“
„Nun da hätten wir hier die Edelstahl Ausführung und dort das SYS in edler Blauer Email“.
Wieder der barmherzige Blick von noch mehr ganz oben.
„Das wird aber kaum ihren finanziellen Vorstellungen entsprechen!“
Kalle sah erstaunt seine Tante war die Ruhe selbst------- aber dann der Vulkan brach aus!
Mmääääächen !!!!!!
Hilde hatte die Verkäuferin schon gefrühstückt und spuckte sie gerade wieder aus!!!!!
Määächen ! – Ich will’n Kochtopp – eenen Kochtopp allene un nich ne ganze Kiche!!!
Den Schnickschnak da , kannste behalten - Ihr jungen Dinger schickt doch eure Kerle in de
Kneipe - awer iche , iche kann noch kochen.
Un - un was zu teuer ist ------- O’ Tante Hildegard sprach klares deutsch, dann war sie mehr als beleidigt!!!
Was was zu teuer ist, mein liebes Fräulein, das bestimme immer noch ich.
Solch Satz Kochtöpfe, die bezahle ich noch aus der Kittelschürze.
Hilde , drehte sich hoheitsvoll zu Kalle hin
„Komm wir gehen“ na Marcht bei de Chinesen, die verstehen richtjes deutsch un die ham
was ich will.
Das Ende ???
Hilde bekam das was sie suchte und noch einiges mehr
Kalles Tank im Auto war gut gefüllt.
Tante Hildchen ließ sich doch nicht Lumpen- Nee Hildchen nicht.