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THEMA: Gedichte, Gedichte ...
157 Antwort(en).
Edith v.Bomhard
begann die Diskussion am 22.06.00 (11:05) mit folgendem Beitrag:
von einem, der den Sommer unerträglich findet. Wer hat es geschrieben?
Der Sommer ist fürchterlich: siehst du ihn toben? Wie kann man ihn loben, der seine Lanzen wirft, uns zu erstechen - und dass sie aus Gold sind und nicht aus Eisen wie sonst die Messer, macht es nicht besser!
Wie kann man ihn preisen, den blauen Himmel mit seinen weissen Wolken im Freudentanz? Er tut den Augen weh, all dieser Glanz. Die wilden Blumen sind wie Feuerräder über dem Gras im Wind. Später, am Abend, glüht schrecklich der Mond.
Es blitzen die Schlangen durch Dorn und Gesträuche. Zwar die Kreuzotter im spiegelnden glatten Kleid kannst du erschlagen - grün starren die Fliegen dann über dem Aas! Hätt' er nicht den schwarzen Schatten, der Wald, und die Quelle froschkalt, wär' nicht zu ertragen die hitzige Zeit.
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Siegrun Graune
antwortete am 24.06.00 (18:00):
Warum nicht mal ein Eigengewächs, ein heiteres?
Die vielen Bohnen
Der krumme Rücken kommt vom Bücken beim Pflücken vieler Bohnen, die sich lohnen verzehrt zu werden hier auf Erden; nicht von Pferden. Eher von Leute die noch heute holen eine Meute die nicht scheute der es nicht reute alles zu essen was sie an Bohnen besessen
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Evelyn v. Wietersheim
antwortete am 27.06.00 (00:11):
Edith,war es Robert Gernhardt?
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Edith
antwortete am 27.06.00 (12:35):
Evelyn, nein. Es ist von Georg Britting
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Edith
antwortete am 27.06.00 (12:46):
Mondnacht Es war, als hätt' der Himmel die Erde still geküßt, daß sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst'.
Die Luft ging durch die Felder, die Ähren wogten sacht, es rauschten leis die Wälder, so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.
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Evelyn v. Wietersheim
antwortete am 29.06.00 (16:13):
Eichendorff,das war leichter.Herzlichen Gruss.In Eile,Evelyn
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Karin Häsing
antwortete am 01.07.00 (06:30):
Vorsprung
Ich hoh ihn ein, sagte der Tod, geriet in Atemnot und musste erst einmal ziemlich lang verschnaufen und kam dadurch ins Laufen. Hing so dann und wann ein Zigarettenpäuschen an. Und weil er Kettenraucher war, verging Jahr um Jahr. Und da er sich immer öfters nach einem Glimmstengel sehnte, vergingen Jahrzehnte. Und da er beim Rauchen ja immer stand, war der andere steinalt, als der Tod ihn fand.
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Karin Häsing
antwortete am 02.07.00 (06:06):
Da niemand gefragt hat, füge ich jetzt im Interesse des Urheberrechts die Verfasserin dieses netten Gedichtes an.
Regline Hölzl Broschüre "schreibende Frauen Düren" 1997
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Edith v.Bomhard
antwortete am 02.07.00 (13:58):
Jetzt ist Reisezeit. Joachim Ringelnatz brachte sein Mitleid mit einem Pflänzchen, das zurückbleiben muss, zu Papier:
Arm Kräutchen Ein Sauerampfer auf dem Damm stand zwischen Bahngeleisen, machte vor jedem D-Zug stramm, sah viele Menschen reisen.
Und stand verstaubt und schluckte Qualm schwindsüchtig und verloren, ein armes Kraut, ein schwacher Halm, mit Augen, Herz und Ohren.
Sah Züge schwinden, Züge nahn. Der arme Sauerampfer sah Eisenbahn um Eisenbahn, sah niemals einen Dampfer.
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Eva Wenzel
antwortete am 05.07.00 (14:41):
Wir wetteifern weiter: von Edith und mir: Einkehr
Bei einem Wirte wundermild, da war ich juengst zu Gaste ein goldner Apfel war sein Schild an einem langen Aste. Es war der gute Apfelbaum bei dem ich eingekehret, mit suesser Kost und frischem Schaum hat er mich wohlgenaehret. Es kamen in sein gruenes Haus viel leichtbeschwingte Gaeste, sie sprangen frei und hielten Schmaus und sangen auf das Beste. Ich fand ein Bett zu suesser Ruh" auf weichen , gruenen Matten, der Wirt, er deckte selbst mich zu mit seinem kuehlen Schatten. Nun fragt" ich nach der Schuldikeit, da schuettelt er die Wipfel, Gesegnet sei er allezeit von der Wurzel bis zum Gipfel!
Ratet mal, wer der Dichter ist.
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Evelyn v. Wietersheim
antwortete am 06.07.00 (21:09):
Ludwig Uhland--- bitte um Nachsicht-melde mich später.
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Friedgard Seiter
antwortete am 06.07.00 (21:52):
Der arme Sauerampfer - wie ich ihn liebe! Aber nun endlich der Juli von Kästner, ich bin schon gestupft worden. Aber wir sind gestern erst aus dem Urlaub zurückgekommen - bitte um Nachsicht!
Der Juli
Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen.
Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese.
Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort auch die künftigen Brötchen und Brezeln. Eidechsen zucken von Ort zu Ort. Und die Wolken führen Regen an Bord und den spitzen Blitz und das Donnerwort. Der Mensch treibt Berg- und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln.
Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. Sie weiß Bescheid. Sie weiß, die Zeit überdauert sogar die Ferien.
Sie weiß auch: einen Steinwurf schon von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, ruht ein zerzaustes Pärchen. Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. Hier steigen und sinken die Lerchen.
Das Mädchen schläft entzückten Gesichts. Die Bienen summen zufrieden. Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts. Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts in den Wald und zieht, durch den Schluß des Gedichts, wie in alten Zeiten gen Süden.
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Edith v.Bomhard
antwortete am 10.07.00 (19:33):
Bald gibt es Zeugnisse. Ich möchte ein Gedicht vorstellen, das mein Sohn in der Deutsch-Klausur geschrieben hat, als ihm zu dem Gedicht das er interpretieren sollte, nichts Gescheites einfiel.
13/2 Lyrik - Interpretation eines Gedichtes von Goes
Was will der Autor hiermit sagen, wovon will der Gesang uns klagen, wozu macht Goes sich hier die Mühe, zu ordnen der Gedanken Brühe, indem er sie in Verse zwängt und so den Inhalt arg beengt? Damit der fleiß'ge Schüler dann den Vers zum Aufsatz dehnen kann!
Da muß man doch zuerst sich fragen, kann solche Arbeit Früchte tragen? Besitzt es überhaupt denn Sinn, wenn ich hier schwer am Grübeln bin, wie ich, gemäß des Lehrers Meinung, erdichte unsres Autors Reimung, versuche Sinn im Vers zu finden um schreibend ihn ans Blatt zu binden?
Ich glaube nicht, daß solches Tun auf eig'nem Wollen kann beruh'n, wenn mir des Dichters Wort nichts sagt und mir sein Thema nicht behagt! So muß ich, um mich selbst zu wahren, den Kommentar mir leider sparen. Zwar wär's mir möglich, ohne Frage, daß ich zum Inhalt etwas sage. Auch auf die Form miteinzugeh'n würd ich als nicht zu schwer erseh'n. Doch muß ich Ihnen leider sagen, will solches heut' mir nicht behagen! Nur um den einen Punkt zu kriegen, muß hier Vernunft vor Unlust siegen und daher, wie sich folgend zeigt, bin punktbewußt ich doch geneigt, ein wenig hier und da zu deuten bis mich erlöst das bald'ge Läuten.
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Eva Wenzel
antwortete am 10.07.00 (22:41):
Liebe Edith, ein grosses Bravo an Deinen Sohn und herzlichen Glueckwunsch!!! Das ordne ich auch unter dem Thema "Haben Frauen mehr Mut" ein. Hoffentlich war es ein Lehrer, der auch Humor hatte??? Vor wieviel Jahren hat sich das abgespielt? Moechte in dieser Richtung von mir einen kleinen Beitrag anfuegen. Mein Lieblingsfach war Deutsch.Eines Tages Aufsatz schreiben, die Themen wurden dazu an die Tafel geschrieben. Das erste war absolut nicht nach meinem geschmack.Beim 2.Thema platzte ich heraus "Schon besser". Die Lehrerin drehte sich zu mir um,laechelte mir zu und sagte "Danke fuer das Kompliment,Eva. Sicher nichts besonderes heute, aber bedenkt bitte dabei, wir schrieben das Jahr 1937 !!!
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Edith
antwortete am 14.07.00 (16:09):
Tod und Geburt, untrennbare Brüder der Nacht; trügerisch gebettet in Angst und Phantasie, nebelgewandete menschliche Glorie.
Da - golden steigt wieder ein Tag gleich Sternenreflexen das Meer. und es leuchtet ein jedes nach seiner Art dem Giganten des Kommens zu.
Jubelt und leidet und verlischt ungesehen in den gleichförmigen Wogen der Masse.
Taumelt dann noch wenige Stunden, suchend nach Sinn. Dann steigt oder fällt es dem allmächtig Ruhenden der nächtelosen Ewigkeit zu.
Peter von Mohrin
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Gerlinde
antwortete am 15.07.00 (11:06):
Noch ne Erinnerung an Marie A.
Wir trafen uns in einem Regenbogen, der Regen war schon lange fortgezogen, nur noch des Bogens Bogen spannte sich uns übers Haupt und glänzte fürchterlich.
Du warst im Blau und ich im Rot gesessen, wir haben fast die Welt um uns vergessen, da drücktest du dir einen Pickel aus, der war weiß und sah sehr picklig aus.
Ich will dagegen allgemein nichts sagen, denn jeder kann mal einen Pickel haben. Jedoch zur Zeit der höchsten Weltentrückung verschafft derselbe kaum Verzückung.
Du pickeltest,nun gut, ich sah zu Boden, der Regenbogen hat sich schon verzogen, kaum war noch Blau, kaum war noch Rot zu sehen; Nur noch der Pickel war sehr weiß und blieb bestehn!
K.Weckers Antwort auf Bert Brechts Erinnerungen an Marie A.
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Edith v.Bomhard
antwortete am 16.07.00 (12:43):
Ja, liebe Gerlinde, die kleinen Ungerechtigkeiten im Leben! Der einen wird ihr Liebesglück durch einen Pickel verdorben, die andere kann ihrer "Gnädigen" nichts recht machen, wie Christian Morgenstern schildert:
Zäzilie soll die Fenster putzen, sich selbst zum Gram, jedoch dem Haus zum Nutzen.
"Durch meine Fenster muß man", spricht die Frau, "so durchschaun können, daß man nicht genau erkennen kann, ob dieses Fenster Glas, Glas oder bloße Luft ist. Merk dir das!" Zäzilie ringt mit allen Menschenwaffen .... Doch Ähnlichkeit mit Luft ist nicht zu schaffen. Zuletzt ermannt sie sich mit einem Schrei - und schläft die Fenster allesamt entzwei! Dann säubert sie die Rahmen von den Resten, und ohne Zweifel ist es so am besten. Sogar die Dame spricht verdutzt: "So hat Zäzilie ja noch nie geputzt."
Doch alsobald ersieht man, was geschehn und sagt einstimmig: "Diese Magd muß gehn!"
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Friedgard Seiter
antwortete am 18.07.00 (09:37):
Jaja, die Liebe kann durch ganz prosaische Ereignisse zerstört werden. Wilhelm Busch, der ja selbst nie "den Sprung wagte", schrieb mal - ich bin nicht ganz sicher, ob ich es vollständig auswendig kann, aber ich glaube, es ging so:
Ich wußte, sie ist in der Küchen und bin ihr leise nachgeschlichen. Ich wollt' ihr ewige Treue schwören und fragen: willst du mir gehören? Auf einmal aber stutzte ich: sie kramte im Gewürze und schneuzte sich und putzte sich die Nase mit der Schürze.
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Richard Dammann
antwortete am 25.07.00 (14:19):
Dieses Gedicht von Hilde Domin allen zur Beherzigung, im Forum und im Chat: Niemend verletzen bitte (gilt auch für mich)
Unaufhaltsam
Das eigene Wort, wer holt es zurück, das lebendige eben noch ungesprochene Wort?
Wo das Wort vorbeifliegt verdorren die Gräser, werden die Blätter gelb, fällt Schnee. Ein Vogel käme dir wieder. Nicht dein Wort, das eben noch ungesagte, in deinem Mund. Du schickst andere Worte hinterdrein, Worte mit bunten, weichen Federn. Das Wort ist schneller, das schwarze Wort. Es kommt immer an, es hört nicht auf, an- zukommen.
Lieber ein Messer als ein Wort. Ein Messer kann stumpf sein. Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei. Nicht so das Wort.
Am Ende ist das Wort, immer am Ende das Wort.
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Ursula Trautmann
antwortete am 26.07.00 (01:16):
oh, richard, am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott wAR DAS Wort
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Ursula Trautmann
antwortete am 26.07.00 (01:19):
Es war als hät die Nachtigall die ganze Nacht gesungen, da sind von Hall und widerhall die Rosen aufgesprungen
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Eva Wenzel
antwortete am 26.07.00 (07:45):
zum Absturz der Concorde
Rasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben, es stuerzt ihn mitten in der Bahn, es reisst ihn fort vom vollen Leben. Bereitet oder nicht,zu gehen, er muss vor seinen Richter stehen.
Schiller In Trauer Eva
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Ursula Trautmann
antwortete am 26.07.00 (23:45):
Wer liebt kann der vergessen? wer vergißt hat der geliebt? Lieben heißt ja nie vergessen und vergessen nie geliebt!
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Friedgard Seiter
antwortete am 29.07.00 (18:13):
Wißt Ihr, welches eines meiner liebsten Gedichte ist? "An den Mond" von Johann Wolfgang von Goethe. Ich nehme an, Ihr kennt es alle oder könnte es nachschlagen, sonst bin ich gerne bereit, es hier nochmal abzuschreiben. ......... "Selig, wer sich vor der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält Und mit dem genießt,
Was von Menschen nicht gewußt Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht."
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Gerlinde
antwortete am 30.07.00 (22:45):
Das Schreien
Einst ging ich meinem Mädchen nach tief in den Wald hinein und fiel ihr um den Hals, und "Ach!" droht sie,"ich werde schrein."
Da rief ich trotzig:"Ha! ich will den töten, der uns stört!" "Still", lispelt sie, "Geliebter,still! Dass ja dich niemand hört!"
J.W.v.Goethe
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Gerlinde
antwortete am 30.07.00 (22:47):
Entschuldigung, da hat sich bei Goethe ein Fehler eingeschlichen!!!
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Friedgard Seiter
antwortete am 01.08.00 (08:21):
Hallo liebe Freunde, hier kommt - diesmal pünktlich - Erich Kästners "August":
Nun hebt das Jahr die Sense hoch und mäht die Sommertage wie ein Bauer. Wer sät, muß mähen. Und wer mäht, muß säen. Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
Stockrosen stehen hinterm Zaun in ihren alten, brüchigseidnen Trachten. Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun, mit Schleiern vorm Gesicht, schaun aus wie Frau'n die eine Reise in die Hauptstadt machten.
Wann reisten sie? Bei Tage kaum. Stets leuchteten sie golden am Stakete. Wann reisten sie? Vielleicht im Traum? Nachts, als der Duft vom Lindenbaum an ihnen abschiedssüß vorüberwehte?
In Büchern liest man groß und breit, selbst das Unendliche sei nicht unendlich. Man dreht und wendet Raum und Zeit. Man ist gescheiter als gescheit, - das Unverständliche bleibt unverständlich.
Ein Erntewagen schwankt durchs Feld. Im Garten riecht's nach Minze und Kamille. Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille. Wie klein ist heut die ganze Welt! Wie groß und grenzenlos ist die Idylle...
Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht. Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht, ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer. Dann wünsche deinen Wunsch, doch gib gut acht! Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.
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Gerlinde
antwortete am 01.08.00 (14:51):
sehr schön Friedgard,hier noch ein August Gedicht von Th.Kramer!
Es stand ein alter Hollerbaum daheim vor unsrem Haus; sein Laubwerk füllte bis zum Saum das tote Fenster aus. Wir richteten oft schlecht ihn zu mit unsrem Kinderbeil und schnitten aus ihm Kapseln zu für manchen Fitschepfeil.
Wir brieten seinen weißen Blust, wir suchten seinen Tau und rebelten uns im August die Finger wund und blau. Wir wußten,daß der Herbst schon stark im Land war und es blank bald fegen würde,wenn das Mark in seinen Spitzen sank.
Wir merkten scheu, wie er verblich und schwächer stets genas, und sahn,wie seine Fäulnis sich bis ins Gemäuer fraß. Und als man aus dem Erdreich drum ihn hob samt Stumpf und Strunk, da warn wir viele Tage stumm und nachher nicht mehr jung.
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Sieghard Winter
antwortete am 02.08.00 (18:59):
Gerne habe ich Eure Gedichte gelesen. Jetzt möchte ich den Liliencron reinstellen, Ihr werdet Euch erinnern, hoffentlich gefällt er Euch
Detlev von Liliencron (1844-1909)
Einen Sommer lang
Zwischen Roggenfeld und Hecken Führt ein schmaler Gang; Süßes, seliges Verstecken einen Sommer lang.
Wenn wir uns von ferne sehen, Zögert sie den Schritt, Rupft ein Hälmchen sich im Gehen, Nimmt ein Blättchen mit.
Hat mit Ähren sich das Mieder Unschuldig geschmückt, Sich den Hut verlegen nieder In die Stirn gerückt.
Finster kommt sie langsam näher, Färbt sich rot wie Mohn; Doch ich bin ein feiner Späher, Kenn die Schelmin schon.
Noch ein Blick in Weg und Weite, Ruhig liegt die Welt, Und es hat an ihre Seite Mich der Sturm gesellt.
Zischen Roggenfeld und Hecken Führt ein schmaler Gang; Süßes, seliges Verstecken Einen Sommer lang.
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Friedgard Seiter
antwortete am 02.08.00 (20:47):
Ganz reizend ist das Gedicht von Liliencron - und es bringt mich auf eines von Matthias Claudius, an dem Ihr vielleicht auch Spaß haben werdet:
Phidile.
Ich war erst sechzehn Sommer alt, Unschuldig und nichts weiter, Und kannte nichts als unsern Wald, Als Blumen, Gras und Kräuter.
Da kam ein fremder Jüngling her; Ich hatt' ihn nicht verschrieben, Und wußte nicht wohin noch her; Der kam und sprach von Lieben.
Er hatte schönes langes Haar Um seinen Nacken wehen; Und einen Nacken, als das war, Hab' ich noch nie gesehen.
Sein Auge, himmelblau und klar! Schien freundlich was zu flehen; So blau und freundlich, als das war, Hab' ich noch keins gesehen.
Und sein Gesicht, wie Milch und Blut! Ich hab's nie so gesehen; Auch was er sagte, war sehr gut, Nur konnt' ich's nicht verstehen.
Er ging mir allenthalben nach, Und drückte mir die Hände, Und sagte immer O und Ach, Und küßte sie behende.
Ich sah ihn einmal freundlich an, Und fragte, was er meinte; Da fiel der junge schöne Mann mir um den Hals, und weinte.
Das hatte niemand noch getan; Doch war's mir nicht zuwider, Und meine beiden Augen sahn In meinen Busen nieder.
Ich sagt' ihm nicht ein einzig Wort, Als ob ich's übel nähme, Kein einzigs, und - er flohe fort; Wenn er doch wieder käme!
Ja, das ist ein sehr altes Gedicht - sowas würde heute keiner mehr schreiben - - -
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Gerlinde
antwortete am 02.08.00 (22:47):
Noch ein Gedicht von der Liebe
Schrieb die schöne Adelheid: "daß ich euer Liebesleid süß zu stillen mag geruhn, habt ihr folgendes zu tun:
Wenn die Abendwinde wehn müßt ihr heut um sieben stehn unter meinem Fensterlein, aber nur auf e i n e m Bein."
Das Unglaubliche geschah! Um punkt sieben stand er da! Ganz allein auf einem Bein stand er da im Mondenschein!-
-Lache keiner, der dies hört! Lieb`hat jeden schon betört, Jedem schlägt sein Stündlein fein, da er tanzt auf einem Bein.
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Edith
antwortete am 03.08.00 (10:15):
Und noch ein Gedicht zu diesem unerschöpflichen Thema
Das Stelldichein
Das ist die richtige Stelle: die Linde am Straßenrain und drüben die alte Kapelle; hier ist das Stelldichein.
Die Sterne am Himmel stehen, die Glocke im Dorf schlägt acht. Von Elsebeth nichts zu sehen. - Ich hab' mir's gleich gedacht.
Sie kann sich nicht trennen, ich wette, vom Spiegel daheim an der Wand und nestelt an Spange und Kette und zupft an Tüchlein und Band.
Am Ende läßt sie mich harren die liebe, lange Nacht. Gewiß, sie hält mich zum Narren. - Ich hab' mir's gleich gedacht.
Vielleicht - o, du falsche Schlange! Jetzt wird mir's auf einmal klar, warum der Frieder, der lange, heut morgen so lustig war.
Der Schrecken lähmt mir die Glieder, ich bin betrogen, verlacht, die Elsebeth hält's mit dem Frieder. - ich hab' mir's gleich gedacht.
Ich hebe zum Schwure die Hände zum Sternenhimmel - doch halt, was kommt durch das Wiesengelände vom Dorf herübergewallt?
Ich sehe zwei niedliche Füße, sie nahen sich zaghaft und sacht, sie kommt, die Treue, die Süße. - Ich hab' mir's gleich gedacht.
Rudolf Baumbach
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Gerlinde
antwortete am 03.08.00 (19:14):
Danke Edith, das ist ein ganz liebes Gedicht.Könnte am nächsten Tag Elsebeth dies zum Liebsten gesagt haben?
Was hast du, Liebster,heute nacht, in einer Nacht aus mir gemacht! Daß ich, dir fern, dich süß begehr, ist nun mein Stolz und meine Ehr.
Es ist nach dir wie nie mir bang, der Tag ist grell und sinnlos lang. Die Nacht, so dünkt es meinem Mund, ist länger kaum als eine Stund.
Ich möcht nur, daß ich dir gefall in allem,immer, überall; gern säng ich, ob`s auch nicht gefällt, es ins Gesicht der ganzen Welt.
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Edith v.Bomhard
antwortete am 04.08.00 (14:13):
Elsebeth und ihren Liebsten können wir nun ganz beruhigt ihrem jungen Glück überlassen. Vielleicht kommt es zu einer Fortsetzung dieser Liebesgeschichte. Vorher nochmal zu Adelheid und ihrer Schwester, dem Röschen:
Als Kind von angenehmen Zügen war Röschen ein gar lustig Ding. Gern zupfte sie das Bein der Fliegen, die sie geschickt mit Spucke fing.
Sie wuchs, und größere Objekte lockt' sie von nun an in ihr Garn, nicht nur die jungen, nein, sie neckte und rupft' auch manchen alten Narrn.
Inzwischen tat in stillem Walten die Zeit getreulich ihre Pflicht. Durch wundersame Bügelfalten verziert sie Röschens Angesicht.
Und locker wurden Röschens Zähne. Kein Freier stellte sich mehr ein. Und schließlich kriegt' sie gar Migräne, und die pflegt dauerhaft zu sein.
Dies führte sie zum Aberglauben, obwohl sie sonst nicht gläubig schien. Sie meinte fest, daß Turteltauben den Schmerz der Menschen an sich ziehn.
Zwei Stück davon hat sie im Bauer, ein Pärchen, welches zärtlich girrt. Jetzt liegt sie täglich auf der Lauer, ob ihnen noch nicht übel wird.
Wilhelm Busch
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Koloman Stumpfögger (kNs)
antwortete am 05.08.00 (02:47):
Wer weiß wer EBO ist? Wie kann ich Verbindung aufnehmen? Ginge es per e-Mail?
Dank im Voraus.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 05.08.00 (03:56):
Grueß Gott,
Nachricht an EBO mit einem herzlichen Dank für den Versuch einer Kontaktaufnahme, den zu erwidern mir gestern Freitag, dem blutigen Neuling mißlungen ist.
Ich heisse Koloman Stumpfoegger (kNs), bin Jahrgang 1926, lese gerne moderne Gedichte, schreibe gelegentlich selbst das eine oder andere (s.U.), sende (und empfange) gerne Briefe und bin unter der Faxnummer 0751-23452 stets Empfangsbereit. (Telefonisch bin ich n i c h t erreichbar.) Meinen elektronischen Briefkasten (kNs@addcom.de) leere ich einige Male in der Woche. Im Chat werde ich vorlaeufig nur selten sein.
Dort bin ich Neuling, habe gestern abend erstmals gute Wünsche und freundliche Gruesse in den Chat-Raum gestellt. EBO versuchte mir zu Antworten. Hier das Dankeschön:
SONNENBLUMEN
Wenn Sonnenblumen die güldenen Zeiger drehen, geht sommers die Sonnenuhr.
Am sonnigen Sommertag die Kornblume suchen, im Weizenruch blättern herzroten Mohn. Den Kern erspüren. In labender Mitte finden das eine, das Wort, das deinen Namen kennt.
Lesen am blauen Rittersporn, zählen samtrote Safranfaeden, wenden Blutahornblätter auch. Drei Haselnuesse pfluecken, die ersten am Strauch. Atmen blauen Lavendel, duftschweren Rosmarin, satte Apfelrosen riechen und brechen jungen Mais. Saftige Kolben: herausschälen Blatt um Blatt aus weichem Haar, aus grünseidenem Laub.
Inmitten der Schatten und Sonnenblumen steht sommers die Sonnenuhr.
k N s * * *
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Gerlinde
antwortete am 05.08.00 (18:17):
schön!Koloman, weißt Du dass der Hl. Koloman Schutzheiliger von Niederösterreich ist? Freundliche Grüße G.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 05.08.00 (21:33):
Gerlinde, danke für Deine Nachricht. Natürlich weiß ich es. In Melk begraben. Im Saslzbruger Land der Ort St.Koloman und einiges mehr. Schön, daß Du die Frage an mich gerichtet hast,
Herzlich, Koloman
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Gerlinde
antwortete am 06.08.00 (11:48):
Sag, welch ein Wunder ist geschehn?
Ich kann mit deinen Augen sehn, in meinenSchritten ist dein Gehn, was du verschweigst,kann ich verstehn, dein Wort ist in des Windes Wehn...
Daß du bist,ist mein Auferstehn- sag, ist ein Wunder mir geschehn?
Ist es ein Wunder,das geschah; durch dich komm ich mir selber nah. Mein Dasein ist: Du,bist da.
Johannes R.Becher
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 07.08.00 (12:07):
Tulpen blühen
Tulpen, die roten, öffnen sich dem Sonnenstrahl. Tulpen, die gelben, Kelche, alle die bunten, randvoll himmelblau gefüllt.
Eine Blüte nur, verheißungsvoll die Knospe, fest verschlossen bleibt. Wenn ein Windhauch wiegend weht, entdeckt er ihr Geheimnis.
Kurzgedicht in Form einer Tankakette von Koloman Stumpfögger verfaßt in Ravensburg, am 19. April 1997 Veröffentlicht in "Wasser alleine löscht nicht den brennenden Durst"
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Friedgard Seiter
antwortete am 08.08.00 (09:31):
Schön, der Wind in den Tulpen -
Heute schicke ich Euch ein modernes Liebesgedicht, das ich sehr mag. Es stammt von Peter Maiwald:
MAN HÖRT AUF MICH
Ich habe gesagt: Wolken: bedeckt die Geliebte wenn ihr die Sonne zu heiß wird. Fluß: teil dich, wenn sie ans Ufer kommt. Häuser: nehmt sie auf, wenn sie ermüdet und Tische: laßt sie zu. Wiesen: bindet ihr einen Strauß und Vögel: singt ihr ein Lied, wenn sie erwacht. Steine: geht aus dem Weg, den sie nimmt und Berge: versetzt euch, wenn nötig. Meere: tragt ihren Körper zu den Kontinenten. Städte: seid freundlich. Menschen: liebt, die ich liebe. Ich habe das gesagt. Nun geh. Hab keine Angst. Man hört auf mich.
Falls Ihr ein Liebesgedicht von mir lesen wollt: seht nach in der Rubrik: Leben, das ist...
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 08.08.00 (16:27):
Danke, Friedgard Seiter, für das Gedicht von Peter Maiwald. Habe auch den Rat befolgt und die Gedichte in der Rubrik „Leben, was ist das?“ gelesen. Trefflich die Gedichte, lesenswert und sympathisch!
Eben hat die Post den neusten Lyrikband der „Edition L“ gebracht. „Posthorn Lyrik“ (Untertitel: Lyrik lebt davon verstanden zu werden). Er riecht noch nach frischer Druckfarbe. Natürlich habe ich nach einem Text gesucht, in dem ich mich teilweise wiederfinden kann, nicht auf der g a n z e n Erde, gewißlich aber dort, wo Wege des kleinen (oder auch großen) Glücks gegangen werden können.
Das kleine Glück
Auf dieser wunderschönen Erde, die Gastgeber für alle ist, geschieht ein stetig Wachsen, Werde, doch kurz bemessen ist die Frist.
Was sind schon achtzig, neunzig Jahre im Spiel der Ewigkeit, nur so ein Hauch, drum bewahre die Achtung dir – in dieser Zeit.
Die Menschen kommen, gehen wieder und mancher läßt von sich zurück ein Buch voll Worte, zarte Lieder oder die Spur vom kleinen Glück.
von Gertrud Junta Track
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Ursula Trautmann
antwortete am 09.08.00 (02:08):
Aus einer Zeit, als wir auch nicht aufmerksam den Rechtsradikalismus bekämpft haben!!!!!!! Nichts ist schwerer, nichts erfordert mehr Charakter,als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen NEIN !
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 10.08.00 (20:08):
den Teilnehmern des Forums zum Theme Wind und dem ewig Neuen:
Neid
Wie beneide ich den Wind, der neckisch greift nach deinem Haar,
und die Nacht, die stumm und lind liebkost dein leuchtend Augenpaar,
und die Zeit, die jedes Wort, das du mir sagst, von hinnen trägt,
und erst die grüne Alpe dort, wo sich dein Schatten fortbewegt.
Ernst Hodschager
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Gerlinde
antwortete am 10.08.00 (22:40):
Ich und du
Wir träumten voneinander und sind davon erwacht, wir leben, um uns zu lieben, und sinken zurück in die Nacht.
Du tratst aus meinem Traume, aus deinem trat ich hervor, wir sterben, wenn sich eines im andern ganz verlor.
Auf einer Lilie zittern zwei Tropfen,rein und rund, zerfließen in eins und rollen hinab in des Kelches Grund.
F.Hebbel
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 15.08.00 (11:34):
Heute gefunden:
Tourismus
Einst nahmen wir Euch Elfenbein und Tropenholz Jetzt befallen wir Eure Strände wie Zikaden
Aus Fischern machen wir Kellner im Ferienparadies
Was schert uns Euer Gott Und Eure Kultur Wir begnügen uns Mit Souvenirs aus der Hotel-Boutique
Den Anblick Eurer Elendshütten Meiden wir Und vor Bettlern Schützen uns die Heckenzäune.
von Horst Oberheil
aus dem Gedichtband „Posthorn Lyrik“ Lyrik lebt davon verstanden zu werden EDITION L, 2000, Seite 137
übertragen am 15. August 2000 – Mariä Himmelfahrt
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Koloman Stumpföggfer
antwortete am 15.08.00 (11:47):
Edith, sehr geschätzte EBO, wie dankbar bin ich Dir für die Eröffnung dieser Rubrik im Forum!
Unter anderem mag ich das moderne Gedicht wegen der Möglichkeit die Zeit, u n s e r e Zeit von innen heraus zu begreifen.
Als Dank werde ich Dir etwas per gelber Post schicken. Nimm es bitte an, es würde mich ehren!
e – mail
mit dem internet ging ich shopping nach meinen freunden im netz habe ich sie eingepackt sergei aus moskau jim aus usa und barbara aus münchen das kleingeld bekam ich mit einem mausklik zurück ich packe die e–mails aus nachrichten über freud und leid in sekundenschnelle auf meinem computer durch einen knopfdruck kann ich mich verabschieden für heute – hat sich der einkauf gelohnt
von Erika Young aus dem Gedichtband „Posthorn Lyrik“ Lyrik lebt davon verstanden zu werden EDITION L, 2000, Seite 133
übertragen am 15. August 2000 – Mariä Himmelfahrt
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Gerlinde
antwortete am 16.08.00 (22:22):
Nachts fallen die Sterne, goldene Tränen, in den Zypressenhain.
Dann senkt sich sanfter Mond brüderlich zu den Hügeln hin und schläft in einem Busch von wilden Rosen ein.
Der dunkle Wind nimmt alle Klage mit, und auf erschauerndes Gras legt er behutsam den Duft ferner Narzissen nieder.
Wenn in den Weiden wieder der Morgen klingt, begleiten die Amseln schluchzend sein Lied. Aber die Blumen am Hügelweg singen noch Nacht und den Frieden jener Erlösten, aus deren Staub sie entsprossen sind.
Josef Weinheber
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Edith
antwortete am 17.08.00 (14:34):
Sehr schön das Gedicht von Josef Weinheber, liebe Gerlinde. Es erinnert mich ein wenig an Georg Trakl, der hier noch nicht vertreten ist
Sommer
Am Abend schweigt die Klage des Kuckucks im Wald. Tiefer neigt sich das Korn, der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht über dem Hügel. Das alte Lied der Grille erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub der Kastanie. Auf der Wendeltreppe rauscht dein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze im dunklen Zimmer; eine silberne Hand löschte sie aus; windstille, sternlose Nacht.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 17.08.00 (16:40):
Wunderschön, der Sommer, wer hat das Gedicht verfaßt?
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Gerlinde
antwortete am 17.08.00 (21:59):
Danke Edith, sehr schön!
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Gerlinde
antwortete am 17.08.00 (22:42):
Einmal ein Gedicht aus Wien von meinem lieben Freund Karl Hodina
Schau nie mit Tränen in den Augen in die Vergangenheit, denn du kommst nie mehr durch die Tür in deine eig`ne Kinderzeit. Stehst wie ein Bettler nur davor und hörst, wie Kinder lach`n tan und daß d`net lachen kannst wie sie, da san die Sorgen schuld daran. Verstell`di`net, es hat kan Sinn, denn dich verraten deine Aug`n, du kannst doch nie mehr wie ein Kind, so sorglos und so glücklich schau`n. Geh in die Zukunft, wenn das Glück dir auch entglitt, Nimm dir als Trost den Blick von Kinderaugen mit.
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Edith
antwortete am 18.08.00 (09:59):
Ein wehmütiges Gedicht Deines Freundes, liebe Gerlinde und sehr "wienerisch". Schön. Lieber Kolomann "Der Sommer" ist von Georg Trakl, auch Österreicher (Salzburger). Er lebte von 1887 bis 1914 und starb, möglicherweise durch Selbstmord, nach einer fürchterlichen Schlacht im ersten Weltkrieg, die er seelisch nicht verkraftet hat.
Noch ein Gedicht von diesem großen Dichter:
Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter wie schön sich Bild an Bildchen reiht - das geht in Ruh und Schweigen unter.
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Ilse
antwortete am 18.08.00 (13:31):
Lieber Richard,
ich bin kein Freund von Gedichten; aber dieses von Hilde Domin hat mich sehr berührt, ich werde es abschreiben. Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das es kürzer ausdrückt: Das ausgesprochene Wort ist wie ein Vogel, den du nie mehr zurückholen kannst (sinngemäß).
Grüße Ilse
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 18.08.00 (16:05):
Ilse und Richard, das angefügte Gedicht von Hilde Domin mag zu den Themen passen
Älter werden
Antwort an Christa Wolf
„Du weinst um das Nachlassen ... und, so unglaublich es sein mag, den unvermeintlichen Verfall der Sehnsucht.“ (‚Kindheitsmuster‘)
Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit nimmt nicht ab. Aber die Hoffnung.
Die Sehnsucht nach Frieden nicht. Aber die Hoffnung.
Die Sehnsucht nach Sonne nicht, täglich kann das Licht kommen, durchkommen.
Das Licht ist immer da; eine Flugzeugfahrt reicht zur Gewißheit.
Aber die Liebe, der Tode und Auferstehung fähig wie wir selbst.
Und wie wir der Schonung bedürftig
Quellnachweis: Hilde Domin aus dem Gedichtband „Der Baum blüht trotzdem „ S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main , 1999, Seite 42
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 20.08.00 (11:02):
Im heißen Sommer 1992 herschte eine langanhaltende Trockenheit, auf Feldern und in den Gärten war die Erde aufgerissn; Wie erging es Pflanzen, den Tieren, den Menschen?
verbrannte Wolken
Heiß sinkt der Himmel schlohweiß in dürre Wipfel farbloser Kronen Aus aschfahlem Gewölbe stechen glühende Nadeln
verbrennen Wolken Seit jenem Wetterleuchten welken die Blumen lassen die Blüten fallen in frühverdorrte Gräser
Ein letzter Tropfen schal in der Steinkuhle tränkt durstwilde Wespen In gleißender Sonnenglut schmachtet lechzend die Amsel
sucht Schattenkühle spreizt die flammenden Flügel unter dem Blattlaub träumt mit offenem Schnabel das Lied von frischen Quellen
von Koloman Stumpfögger
Quellennachweis: veröffentlicht im Gedichtband "Selbst die Schatten tragen ihre Glut" - EDITION L, Theo Czernik BDW, 1995, S. 257, 68766 Hockenheim, Alex-Möller-Straße 49 9. August 1992
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Gerlinde
antwortete am 21.08.00 (09:37):
Was es ist
Es ist Unsinn sagt die Vernunft Es ist was es ist sagt die Liebe.
Es ist Unglück sagt die Berechnung Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst Es ist aussichtslos sagt die Einsicht Es ist was es ist sagt die Liebe.
Es ist lächerlich sagt der Stolz Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht Es ist unmöglich sagt die Erfahrung Es ist was es ist sagt die Liebe
Erich Fried
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Ilse
antwortete am 21.08.00 (15:52):
Nur mal so zur Auflockerung:
Hüben Bäume, drüben Bäume und dazwischen Zwischenräume. In der Mitte fließt ein Bach - ach!
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Edith v.Bomhard
antwortete am 22.08.00 (21:55):
Für Joachim Specovius
Sterbegedicht
Zeuch aus, gefangne Seele! weil Stahl und Kerker bricht; des Leibes Jammerhöhle hemmt deine Freiheit nicht; das Grab, mein Ruhekissen, begräbt die Sklaverei; da nun der Strick zerrissen, so wird der Vogel frei.
Mein Ohr vernimmt das Zeichen, so mir zu Schiffe ruft, laßt nun die Segel streichen, der Hafen meiner Gruft macht, daß ich nicht mehr strande, der Himmel wird mein Haus; wohlan! wir sind am Lande, steig, müder Geist! steig aus.
Johann Christian Günther (1695-1723)
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Gisela E.L.Siebert
antwortete am 23.08.00 (00:34):
Worte haben auch mich zu einem Gedicht angeregt: WORTE Manches Wort-eine Waffe,die trifft Manches Wort-aus Liebe gesprochen,heilt Manches Wort-übermütig,erheitert Manches Wort keimt beim Darübernachdenken.
Jedes Wort-eine Saat Jedes Wort kann Dorn oder Distel sein.
Was säe ich mit meinen Worten? Bedenken will ich sie, damit sie keine Schatten werfen.
Meine Worte sollen Freude oder Trost bringen,Frieden stiften, Blumen am Wege mancher Menschen sein.
AM ANFANG WAR DAS WORT-und DAS war gut.
(Gisela E.L.Siebert,Villach)
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Evelyn von Wietersheim
antwortete am 24.08.00 (10:07):
Liebe unbekannte Gedicht- Freunde,wieder nur eine kurze Intervention möglich,mein Mann ist sehr krank.Folgendes Gedicht müsste in etwa zu den anderen passen :
Der Mund
Er ist mein Siegel sagt die Verschwiegenheit- Er ist meine Falle sagt die Vorsicht- Er ist mein Gefängnis sagt der Schmerz- Er ist mein Dolch sagt der Hass. - Meine Versuchung sagt der Bauch- Er ist das Wort sagt die Lüge- Schweigen ist Gold lügt der Mund.
https://www.federlesen.de
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Friedgard Seiter
antwortete am 24.08.00 (18:03):
Für Joachim Specovius, dessen unermüdliches Engagement uns allen so viel gegeben hat. Ich hoffe, daß einer aus dem Freundeskreis dies Gedicht seiner Frau zugänglich machen kann - es hat mir in derselben Lage sehr geholfen. Friedrich Hebbel: Letzte Worte
Geliebte, wenn mein Geist geschieden, So weint mir keine Träne nach; Denn wo ich weile, dort ist Frieden, Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden, Soll euer Bild mir nicht vergehn, Und Linderung für eure Wunden, Für euern Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel Der Friede übers Weltenreich, So denkt nicht mehr an meinen Hügel, Denn von den Sternen grüß ich euch!
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Eva Wenzel
antwortete am 25.08.00 (09:12):
Ein Gedicht von meinem Vater, das er mir 1954 widmete, ich schreibe es , weil weiter oben schon eins uber das Glueck stand.
Das Glueck
Zuzeiten schaut das Glueck herein zu mir ins Winterstuebchen und blaest auf einer Herzschalmei verlockend mir sein schoenstes Liedchen.
Erzaehlt von vom Leben auch hinweggefegt, hinabgesunken in den Bronnen, der dieser Erden lebend Kraefte traegt.
Das Lachen meiner Kinder hoer ich wieder, ihr himmlischreines Lallen in der Daemmerung, dazu der Mutter Koselieder - O goettliches geschend Du! o Erinnerung!
Zuzeiten schaut das Glueck zu mir herein, dass ich"s mit Haenden moechte fassen-- und mag"s doch nicht , geblendet von dem Schein - und kann doch nimmer davon lassn!
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Manfred
antwortete am 25.08.00 (18:08):
Freundlicher Hinweis
O reite nicht den Pegasus hinauf in Himmelsweiten, denn auch der beste Dichter muß die Wirklichkeit durchreiten.
So unecht klingt der Überschwang der Wirklichkeit in Ohren, das Echte wird aus echtem Klang zur Meisterschaft geboren.
Besteige deinen Pegasus die Wahrheit zu begeistern, denn jeder echte Dichter muß den Weg der Wahrheit meistern!
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Friedgard Seiter
antwortete am 25.08.00 (18:38):
Heute ist Friedrich Nietzsches Todestag, da habe ich mir sein "Trunkenes Lied" hervorgeholt:
O Mensch! Gib acht! Was spricht die tiefe Mitternacht? "Ich schlief, ich schlief -, Aus tiefem Traum bin ich erwacht: - Die Welt ist tief, Und tiefer als der Tag gedacht. Tief ist ihr Weh -, Lust - tiefer noch als Herzeleid: Weh spricht: Vergeh! Doch alle Lust will Ewigkeit -, Will tiefe, tiefe Ewigkeit!"
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Edith
antwortete am 28.08.00 (11:08):
Schön, Friedgard, daß Du drangedacht hast! Und noch einmal Nietzsche:
Dem unbekannten Gott
Noch einmal, eh' ich weiterziehe heb' ich vereinsamt meine Hände zu Dir empor, zu dem ich fliehe, dem ich in tiefster Herzenstiefe Altäre feierlich geweiht, daß allezeit mich deine Stimme wieder riefe.
Darauf erglüht tief eingeschrieben das Wort: Dem unbekannten Gotte. Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte auch bis zur Stunde bin geblieben: Sein bin ich - und ich fühl' die Schlingen, die mich im Kampf darniederziehn und, mag ich fliehn, mich doch zu seinem Dienste zwingen.
Ich will Dich kennen, Unbekannter, Du tief in meine Seele Greifender, mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender, du Unfaßbarer, mir Verwandter! Ich will Dich kennen, selbst Dir dienen.
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Gerlinde
antwortete am 28.08.00 (20:25):
Die zwei Parallelen
Es gingen zwei Parallelen ins Endlose hinaus, zwei kerzengerade Seelen und aus solidem Haus.
Sie wollten sich nicht schneiden bis an ihr seliges Grab; Das war nun einmal der beiden geheimer Stolz und Stab.
Doch als zehn Lichtjahre gewandert neben sich hin, da wards dem einsamen Paare nicht irdisch mehr zu Sinn.
War`n sie noch Parallelen? Sie wußtens selber nicht,- sie flossen nur wie zwei Seelen zusammen durch ewiges Licht.
Das ewige Licht durchdrang sie, da wurden sie eins in ihm; die Ewigkeit verschlang sie als wie zwei Seraphim.
Ch.Morgenstern
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 29.08.00 (00:40):
auf der Suche
Im Labyrinth von Gedichten suche ich den roten Faden, finde ihn und mich in manchen.
In anderen wieder forsche ich, geh unterwegs dabei verloren.
Worte ermuntern: „Such nur weiter!“
von Koloman Stumpfögger im Mai 2000
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Gerlinde
antwortete am 29.08.00 (21:23):
Man kann sie schon sehen die
Zyklamen
Langer Regen fällt auf die Buchen her. Von dem Moos auf riecht schwarze Erde schwer; und der Feuersalamander kriecht unterm Lattichgezelt.
Aus der Finster bricht ein geheimer Schein; was die Frucht ersann, will mir gnädig sein; und ein tiefstes Auge schaut mich an wie der Glaube ans Licht.
O du Todbewußt! Nur ein leiser Schritt, und uns reißt das Jahr in sein Dunkel mit - Hoch und fern der Stern geht unsichtbar durch den weiten August.
J.Weinheber
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Sieghard Winter, Freiburg
antwortete am 29.08.00 (21:45):
29. August 2000, Dienstag
Isola Bella im Schloss geknipst: Kardinalswappen, Bücherwand, eine Uhr, im Garten weißen Pfau und schwarzen Bambus. Nichts kannst du mitnehmen, lass es hier! Und nach Jahren ach ja, war ich da? Es wird vergessen! Im Moment viel mehr und Schönes gesehen, erlebt, gefühlt. Für den Moment ist's gut. Jetzt und nichts weiter!
Grüße an alle und an Edith, Friedgard, Gerlinde, Koloman, Vinko
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Friedgard Seiter
antwortete am 30.08.00 (20:14):
Spätsommerabend
Federwolken malt der Abendwind mit leichtem Pinselstrich über das müde gewordene Blau des Himmels. Die welkenden Blumen schicken mir strengen Duft und ferne Kinderstimmen vermengen sich mit dem Gezirp heimkehrender Vögel. Jetzt darf mich die Sonne - die mittags noch brannte - sanft liebkosen eh ich mit leichtem Frösteln die Nacht erahne.
Liebe Grüße allen Gedichtfreunden!
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Gerlinde
antwortete am 31.08.00 (22:53):
September
Ägyd bläst in des Herbstes Horn. Die Beere schwankt am Brombeerdorn. Der Apfel fällt mit leisem Laut, großauf am Bach die Distel blaut. Die Schwalbe zieht, der Wanderschuh treibt dunkel einer Heimat zu. Gekühlte Tage, klar und schön, mit braunem Laub und weißen Höhn; wie lange noch? der Abend fällt, Flufeuer glimmt, Rauchnebel schwelt. Nach Haus gehn, ist wohlgetan. Sankt Michael, zünd die Lampe an!
Allen meinen Gedichte-Freunden, einen schönen, gesunden, friedlichen September!
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Friedgard Seiter
antwortete am 01.09.00 (08:22):
Das ist auch ein schönes September-Gedicht, liebe Gerlinde! Von wem ist es? Von Dir selbst? Hier - wie versprochen - der September von Erich Kästner:
Das ist ein Abschied mit Standarten aus Pflaumenblau und Apfelgrün. Goldlack und Astern flaggt der Garten, und tausend Königskerzen glühn.
Das ist ein Abschied mit Posaunen, mit Erntedank und Bauernball. Kuhglockenläutend ziehn die braunen und bunten Herden in den Stall.
Das ist ein Abschied mit Gerüchen aus einer fast vergessnen Welt. Mus und Gelee kocht in den Küchen. Kartoffelfeuer qualmt im Feld.
Das ist ein Abschied mit Getümmel, mit Huhn am Spieß und Bier im Krug. Luftschaukeln möchten in den Himmel. Doch sind sie wohl nicht fromm genug.
Die Stare gehen auf die Reise. Altweibersommer weht im Wind. Das ist ein Abschied laut und leise. Die Karussells drehn sich im Kreise. Und was vorüber schien, beginnt.
Schön: es gibt nicht Anfang und Ende - es ist ein großer Kreis, der sich dreht und dreht - ein guter Gedanke, finde ich.
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Edith
antwortete am 01.09.00 (09:17):
Vielleicht beschert uns der Himmel viele von diesen zauberhaften Septembertagen, wie Eduard Mörike sie beschreibt:
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen: bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 01.09.00 (10:19):
Silbernetz
Silber, Silber, Silber weben. Weben, weben, Faden knüpfen, zart zum Netz verweben.
Zwischen Himmel und Erde spinnengeduldig am Silberfaden hangen: Harren, warten, harren, warten
vom ersten Sommertag bis an den Rand des letzten, ob Fäden sich straffen, das Netz sich füllt.
Am ersten güldenen Tag, in Silberfäden perlenbesetzt ist ein Herzblatt verhangen: Leuchtet und leuchtet und leuchtet
von Koloman Stumpfögger
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Gerlinde
antwortete am 01.09.00 (22:41):
Liebe Friedgard, mein Gedicht ist von Josef Weinheber. Der Gedanke mit Anfang und Ende tut gut :-) Liebe Grüße,Gerlinde
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Sieghard Winter, Freiburg
antwortete am 02.09.00 (09:29):
Die große Fracht von Ingeborg Bachmann
Die große Fracht des Sommers ist verladen, das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit, wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit. Die große Fracht des Sommers ist verladen.
Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit, und auf die Lippen der Galionsfiguren tritt unverhüllt das Lächeln der Limuren. Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit.
Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit, kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken; doch offnen Augs wirst du im Licht ertrinken, wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.
Schon immer habe ich eine Vorliebe für Herbstgedichte gehabt. Dies hier vorliegende von der Bachmann habe ich mit Erfolg in der 10. Klasse durchgenommen. Es ist mit den Zehntkläßlern nicht so leicht zu dechiffrieren, weil die Klasse geistig ziemlich träge ist, obwohl sie vom Äußeren her recht nette junge Menschen umfaßt. Nun aber zurück zu unserem Gedicht von der Bachmann. Wieso Herbstgedicht? Irgendwie klingt durch alle verwendeten Chiffren ein Ton von Abschiednehmen: Ohne Trauer, irgendwie herb und hart und mit vollem Bewußtsein des Unabänderlichen. Was für eine große Fracht des Sommers ist verladen? Die Lebensfracht. Ein Leben voller Sonne und Liebe, voll angenehmer, lieber Erinnerung ist verladen. Es kann nur noch das bald bevorstehende Ende folgen. Die Möwe stürzt und schreit, das ist die Chiffre dafür. Wofür? Für das baldige Abschiednehmen. Noch aber ist ein klein wenig Zeit für Erinnerung an das lichte Sonnenschiff, an schöne, edelsteinartige Glücks- und Liebesstunden, vielleicht in vertrauter Zweisamkeit auf einem Sofa ohne alles sonst. Aber die vierte Zeile mahnt unerbittlich, daß es bald vorbei ist. Die Wiederkehr der Realität des Endes in den wiederholten Zeilen ist unwiderruflich wie jeder Tod eines jeden Menschen, in dem endgültig jede Liebe und jede persönliche Freundschaft ihren Endpunkt findet.
In der zweiten Strophe erfahren wir wieder ein Anklingen von liebender Erinnerung in dem uns nun schon bekannten Sonnenschiff, das hier in der ersten und vierten Zeile erscheint. Aber die zweite und dritte Zeile bringen im Hinblick auf die erste Strophe eine Steigerung der Gewißheit des nahe gerückten Endes von allem, was einen im Innersten ausmacht. Unverhüllt und höhnisch lachen die fratzenhaften Lemurengeister aus dem Toten- und Geisterreich zu einem herüber. Sie freuen sich, sie schwelgen in Schadenfreude, daß nun auch für das im Gedicht angesprochene Du bald Todesatem und Todes-schatten wehen, entblößt aller Liebe und Wärme eines geliebten Menschen.
Die dritte Strophe beginnt und endet mit dem schon in der ersten Strophe angeklungenen stürzenden Schrei der Möwe, was wohl Zeichen für das endgültige Absterben von allem Lebendigen ist. Die zweite und dritte Zeile zeigen, daß diesem Herbstes-Abschied mit klarem Bewußtsein und offenen Auges entgegengesehen wird. Ohne alle Trauer und Sentimentalität, vielmehr mit einem Bewußtsein der herben Unabänderlichkeit des jedem bestimmten Endes. Ohne eigentlichen Schmerz ist dieses Untergehen. Das lyrische Ich freut sich im Ende noch am genossenen Licht einstiger Sonnenschifftage, freut sich der einstigen glückhaften Liebessofastunden auch noch im endenden Untergehen. Freut sich, daß es solche glühenden Glücksstunden, vielleicht nach längerer Trennung, einst, vor Jahren durchlieben und durchleben konnte. In der Gewißheit, daß allem einmal ein Ende beschieden ist, läßt sich fast freudig, melancholisch freudig, ein Herbst, schließlich d e r Herbst erleben, läßt sich das Ende vielleicht auch ertragen.
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Gerlinde
antwortete am 02.09.00 (10:34):
Lieber Sieghard, Schwermut und Hoffnung hast Du mir mit Deinem Gedicht gesendet. Ich wünsche uns einen schönen,poetischen Herbst. Das Forum bereichert sicher auch unseren Lebensherbst!
Immer hin und wider strebt der Blütenzweig im Winde, immer auf und nieder strebt mein Herz gleich einem Kinde zwischen hellen, dunklen Tagen, zwischen Wollen und Entsagen. Bis die Blüten sind verweht und der Zweig in Früchten steht, bis das Herz, der Kindheit satt, seine Ruhe hat und bekennt: voll Lust und nicht vergebens war das unruhvolle Spiel des Lebens.
H.Hesse
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Edith
antwortete am 02.09.00 (10:53):
Lieber Sieghard, danke für Deine Interpretation des Bachmann-Gedichtes. Ein guter Gedanke! Hier ist noch ein Gedicht mit diesem Thema von Karl Lappe und zugleich eines der schönsten Schubert-Lieder:
Im Abendrot
O wie schön ist Deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet! Wenn Dein Glanz herniederfällt Und den Staub mit Schimmer malet, Wenn das Rot, das in der Wolke blinkt, In mein stilles Fenster sinkt!
Könnt ich klagen, könnt ich zagen, Irre sein an Dir und mir? Nein, ich will im Busen tragen Deinen Himmel schon allhier. Und dies Herz, eh es zusammenbricht, Trinkt noch Glut und schlürft noch Licht.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 02.09.00 (21:07):
ehe sie fallen, blühen im Herbst die Blätter in allen Farben.
Haiku von Koloman Stumpfögger
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christl springer
antwortete am 03.09.00 (15:35):
Das Lesen der Gedichte hat mir große Freude bereitet, heute will ich auch einen Beitrag leisten:
Herbstbild - Friedrich Hebbel
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah. Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
Oh stört sie nicht, die Feier der Natur. Dies ist die Lese, die sie selber hält; denn heute löst sich von den Zweigen nur, was von dem milden Strahl der Sonne fällt.
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Friedgard Seiter
antwortete am 04.09.00 (18:06):
Ich habe gleich das Schubert-Lied im Ohr, liebe Edith - einst in jungen Jahren konnte ich es singen, da hatte ich eine gute Alt-Stimme. Und Kolomans Herbstblätter-Haiku finde ich auch sehr schön. Ich schicke Euch, angeregt dadurch, eine Herbstblätter-Gedicht, das ich für meine gelähmte Mutter geschrieben hatte.
Ein abgefallnes Blatt das zart gefiedert und weinrot-golden schimmernd mir im Vorübergehn durch seinen Anblick Schönheit schenkte wollt ich dir bringen damit es deinen müden Sinn von Angst und Trauer fort hin auf den Zauber von des Herbstes Schlafengehen lenkte - doch schien's mir zu gering. Nun läßt es meine wandernden Gedanken nicht los ich mach mich auf um dir ein solches welkendes Juwel zu suchen und leg es dir behutsam in den Schoß.
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Ilse Fahl - isel
antwortete am 05.09.00 (10:27):
Hatte Spaß am Lesen Eurer vorgestellten Gedichte! Hier noch eins von Hilde Domin:
Wie wenig nütze ich bin
Wie wenig nütze ich bin, ich hebe den Finger und hinterlasse nicht den kleinsten Strich in der Luft.
Die Zeit verwischt mein Gesicht, sie hat schon begonnen. Hinter meinen Schritten im Staub wäscht Regen die Straße blank wie eine Hausfrau.
Ich war hier. Ich gehe vorüber ohne Spur. Die Ulmen am Weg winken mir zu wie ich komme, grün blau goldener Gruß, und vergessen mich, eh ich vorbei bin.
Ich gehe vorüber - aber ich lasse vielleicht den kleinen Ton meiner Stimme, mein Lachen und meine Tränen und auch den Gruß der Bäume im Abend auf einem Stückchen Papier.
Und im Vorbeigehn, ganz nabsichtslos, zünde ich die ein oder andere Laterne an in den Herzen am Wegrand.
Aus:Nur eine Rose als Stütze
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Friedgard Seiter
antwortete am 05.09.00 (17:25):
Schön - die Laterne in den Herzen am Wegrand...
Gerne würde ich Euch zu meinen Gedichten die Fotos mitliefern, die ich dazugestellt habe, aber ich weiß nicht, wie ich das bewerkstelligen soll. Hier ein im Markgräflerland entstandenes, das bei der Edition L in der Anthologie "Hörst du wie die Brunnen rauschen" abgedruckt wurde:
Ich möchte die Sterne singen hören möchte lernen die Lieder der dörflichen Brunnen will wissen das Lachen des reifen Apfels eh er den Sprung wagt herunter vom Baum. Ich will die Linien sehn die die Schwingen der Schwalben zeichnen in den weiten Himmel. Und dann, Kind, mach ich ein Lied daraus ein Buch mit Bildern und mit Geschichten damit du siehst, Kind: die Welt ist nicht so wie man heut sie dir zeigt nicht nur so. Es gibt da noch eine andere Welt, Kind -
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Heidi Lachnitt
antwortete am 05.09.00 (18:42):
Beim Lesen Ihrer Gedichte fiel mir ein Gedicht aus alten Zeiten wieder ein - ich bin mir aber nicht mehr sicher ob es so vollständig - und tatsächlich von Verlaine ist - ein bißchen traurig wie auch der heutige Herbsttag hier bei uns.
Wie die Geigen des Herbstes mein Herz verwunden mit tiefem Seufzen, mit schwerem Sehnen bleich mit stockendem Atem hör' ich die Stunden schlagen gedenke vergangener Tage und weine
und wandern muß ich weiter im treibenden Wind hierhin und dorthin ein welkes Blatt
Verlaine?
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Antonia
antwortete am 07.09.00 (00:00):
Liebe Gedichtefreunde! Eigentlich sollte ich längst im Bett sein, aber ich konnte mich nicht losreissen bis ich am Ende angekommen war. Wie schön, geliebte Gedichte zu finden, die anderen auch gefallen! Wie schön, so viele neue Anregungen zu bekommen! Herzlichen Dank! Antonia
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christl springer
antwortete am 07.09.00 (14:42):
Heute regnet es in Wien, morgen soll es wieder Sonne geben und darum
Blumen nach einem Unwetter von Hermann Hesse
Geschwisterlich, und alle gleich gerichtet, stehen die gebückten, tropfenden im Wind bang und verschüchterd noch und regenblind, und manche schwache brach und liegt vernichtet.
Sie heben langsam, noch betäubt und zagend, die Köpfe wieder ins geliebte Licht, geschwisterlich, ein erstes Lächeln wagend: wir sind noch da, der Feind verschlang uns nicht.
Mich mahnt der Anblick an so viele Stunden, da ich betäubt, in dunklem Lebenstriebe, aus Nacht und Elend mich zurückgefunden zum holden Lichte, das ich dankbar liebe.
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Beate Sterzik
antwortete am 07.09.00 (17:53):
Liebe Friedgard, danke für deinen Hinweis auf die Gedichte. Heute habe ich mir deinen Gedichtband gekauft. Klasse. In Anlehnung an Seite 32 sende ich von Annemarie Bostroem folgende Terzine
O dass es Augen wie die Deinen gibt und Hände, die so viel zu schenken wissen! Mir ist, als hätte ich noch nie geliebt,
als öffnete sich unter Deinen Küssen die Aussicht in ein niegeschautes Land. Ich musste Dich ein Leben lang vermissen
und weiss es nicht mehr, was ich je empfand für andere, und wie ich lachen konnte und weinen, Liebster, eh ich Dich gekannt,
bevor ich mich in Deinem Feuer sonnte und sich der Strahl in meine Seele stahl, der ihren Grund bis heute noch verschonte . . .
Mir ist, als liebte ich zum ersten Mal.
Herzliche Grüße von Beate
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Friedgard Seiter
antwortete am 07.09.00 (20:13):
Danke, liebe Beate!
Als "Gegengabe" eines der neueren Liebesgedichte, das ich auch sehr gern mag. Es ist von Rudolf Borchardt und heißt:
Mit den Schuhen.
Was man will, kann man nicht geben, Und man gibt nur, was man muß, Also gibt man einen Kuß Und man gäbe gern das Leben.
Also gibt man einen Strauß Statt des Gartens um ein Haus, Gibt das Buch als den Entgelt Für die Weisheit aller Welt.
Drängt den Ring an einen Finger, Schlingt die Kette um denHals, - Alles nur ein wie geringer Abschlag auf die Schuld des Alls!
Jenes Alls, in dem man ist, Wenn man eine liebt, - Wer der Gabe Sinn vergißt, Was hat er, was er gibt?
Alle Gabe ist nur Sinn Und Bild in einer Hülle. Seit ich fühle alle Fülle, Weiß ich erst, wie arm ich bin!
Mach mich du, geliebtes Kind, Zum reichsten von den Leuten! Sieh nicht an, was Gaben sind, Nur an, was sie bedeuten!
Für das ganze Feld die Ähre, Für den Himmel nimm den Stern, Und mich selbst für was ich gern Um Deinetwillen wäre!
Diese Hände mit den Schuhn - Fühle, was sie nur vertreten, Sieh nicht, was sie eben tun, Nur, was sie lieber täten!
Nimm sie so, wie ich sie sende Denn sie meinen, Süße - Lieber legt ich beide Hände Unter deine Füße!
Zwar sie stehn für keine Gabe - Dennoch sei das Spiel verziehn! Alles ist ja nur geliehn, Solang ich dich nicht habe.
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Ilse Fahl
antwortete am 07.09.00 (20:59):
Noch ein Gedicht? Dieses von Leopold Sedar Senghor Dichter, Staatsmann und Philosoph , einer der bedeutendsten Vertreter der afrikanischen Gegenwartslyrik und von 1960-198o Präsident der Republik Senegal
Zu meiner Sehnsucht nach dem Garten der Kindheit. O Sehnsucht, vertagt auf den Oktober meines Alters,wo du wie weißer Rum in meiner Erinnerung brennst! Ich muß deine Schönheit besingen,um die Angst zu beänftigen, dem Hügel zugewandt Eintreten ins Reich der Kindheit,das Versprechen an Sira Badral zu erfüllen Gleichwie Mohammed El Habib, der Terrusianer, die Schönheit von Diombeut Mbodji pries, die schwarz wie Ebenholz war So pries Mose die nubische Nacht; und es zürnte gegen sie Miriam, bis Gottes Zorn sie mit Aussatz schlug. Ich, der dich besingt wie der blonde König Salomon, ich laß die zarten Saiten meiner Kora tanzen. Und im Orient bricht, diamantenhell, ein neues Zeitalter an. Denn du bist schwarz und du bist schön.
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Gerlinde
antwortete am 07.09.00 (23:37):
Noch schnell vorm Einschlafen.....
Komm zu mir in der Nacht
Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt. Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.
Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen im hohen Rohre hinter dieser Welt.
Else Lasker-Schüler
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Ilse Fahl
antwortete am 08.09.00 (06:23):
Zu Senghor: Er hat die erste Kunstschule für die Schwarzen aufgebaut und es verstanden, die Schüler zu einer selbstbewußten und eignenen Ausdrucksweise zu führen. Große Werke der Architektur und Malerei sowie Skuptur sind hier entstanden Ein Staatsmann, der mehr kulturell als politisch seine Zeichen gesetzt hat. Heute lebt er mit seiner französischen Ehefrau in Paris.
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Ilse Fahl
antwortete am 08.09.00 (06:28):
Zu Senghor: Er hat in Senegal die erste Kunstschule für Schwarze aufgebaut und es verstanden, die Schüler dort zu einer eigenen und selbstbewußten Kunst zu führen, die hervorragende Werke der Architektur,der Malerei und der Skulptur herstellten .Heute lebt er mit seiner französischen Ehefrau in Paris.
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Edith
antwortete am 08.09.00 (09:09):
Danke, liebe Ilse, für dieses schöne und anrührende Gedicht von Senghor. Dazu ein Goethe-Wort (hoffentlich richtig zitiert aus dem Gedächtnis):
Wer Hafis nicht kennt, weiß nicht, was Calderon gesungen.
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Friedgard Seiter
antwortete am 09.09.00 (10:26):
Allmählich kriegen wir hier eine ganz schöne Anthologie zusammen! Heute möchte ich Euch eines meiner liebsten Gedichte schreiben, ich habe es einmal, zusammen mit einem Foto, das mein Mann gemacht hatte, als Weihnachtsgruß an alle Freunde verschickt. Es ist von Hans Carossa und heißt: Der alte Brunnen
Lösch aus dein Licht und schlaf! Das immer wache Geplätscher nur vom alten Brunnen tönt. Wer aber Gast war unter meinem Dache, Hat sich stets bald an diesen Ton gewöhnt.
Zwar kann es einmal sein, wenn du schon mitten Im Traume bist, daß Unruh geht ums Haus, Der Kies beim Brunnen knirscht von harten Tritten, Das helle Plätschern setzt auf einmal aus,
Und du erwachst, dann mußt du nicht erschrecken! Die Sterne stehn vollzählig überm Land, Und nur ein Wandrer trat ans Marmorbecken, Der schöpft vom Brunnen mit der hohlen Hand.
Er geht gleich weiter, und es rauscht wie immer. O freue dich, du bleibst nicht einsam hier. Viel Wandrer gehen fern im Sternenschimmer, Und mancher noch ist auf dem Weg zu dir.
Ist das nicht schön? - Ich wünsche Euch allen ein schönes Wochenende.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 10.09.00 (09:43):
Starenflug
Stare kreisen versammelt zum Sehnsuchtsflug in dichten Scharen
rasten auf dem Leitungsdraht perlen aufgereiht ihr Reisegebet
Gestern schwärmten sie und sanken dort im Weiterflug in die blauen Berge
Heute blieb der Himmel leer und leer sirren die Saiten
von Koloman Stumpfögger
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 10.09.00 (10:00):
Herbst am Königsee
Am Edelsteinfels liegt, von Buchen goldgekrönt, festgemacht mein Boot.
Gold auf dem Kahngrund. Schon liegen die Ruder aus. Wer rudert mit?
Unter dem Himmel über tiefe Wasser gleiten, anderen Ufern zu
von Koloman Stumpfögger,
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Sieghard Winter
antwortete am 10.09.00 (12:21):
Liebe Gedicht- und Kunst-FreundInnen im Diskussionsforum
Es ist Sonntag, ein wahrhaftiger Sonnentag hier in Freiburg. So manches hat mich sehr angesprochen etwa die Einträge von Christl, Dörte, Ilse, Beate, Koloman, Friedgard und anderen.
Hatte auch schon den Gedanken, Eure schönen Herbstgedichte in einer Art Anthologie "Herbstgedichte im Seniorenforum 2000" zu sammeln und Blatt für Blatt auszudrucken. Friedgards Gedichtband "Jeder Augenblick ist ein Juwel", Kreuzverlag ist in den nächsten Tagen auch bei Herder in Freiburg greifbar.
Als Freiburger ist die Fondation Beyeler ein Begriff. Im nahen Basel ist das Kunstmuseum ebenfalls Besuche wert. In Köln übrigens eröffnet das neue Wallraf-Richartz-Museum am Gürzenich Anfang November seine Pforten. Im Mai 2001 macht es eine Sonderaus- stellung über den Bartholomäus-Meister. Wer erinnert sich an die überaus erfolgreiche Lochner-Ausstellung von 1994?
In Urlaub und dann PC-Veränderungen (momentan habe ich einen Leih-Rechner) habe ich wichtige Dinge im Freundeskreis nicht zur Kenntnis nehmen können:
Joachim Specovius RIP Rasch tritt der Tod den Menschen an, Es ist ihm keine Frist gegeben, Es stürzt ihn mitten in der Bahn, Es reißt ihn fort vom vollen Leben, Bereitet oder nicht, zu gehen, Er muss vor seinem Richter stehen!
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Friedgard Seiter
antwortete am 11.09.00 (08:15):
Welch ein Reichtum: diese späten Sommertage, die am Abend noch einmal zu glüh'n beginnen, wenn sich schon die Sonne neigte. Welch ein Reichtum: diese Rosen, die, wenn schon der Herbst sich zeigte, noch einmal zu blüh'n beginnen. Welch ein Reichtum: diese Wärme, die mein Herz nun Well' um Welle überzieht, wenn ich dich sehe. Welch ein Reichtum: wenn ich abends, Hand in Hand, so mit dir gehe...
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Sieghard Winter
antwortete am 11.09.00 (14:44):
zu Friedgards Text vom 11.09.00 (08:15):
Ein Gedicht? Der Form nach ja. Ein Prosatext wäre zeilenmäßig durchgeschrieben. Ein Gedicht? Ja, Endreime, zwei umarmende neigte, zeigte sehe, gehe. Es lebt von der Wiederholung. Viermal freudige Verwunderung, zweimal über Natur-Reichtum: der späte Sommertag, er glüht; die Rose im dritten Trieb, sie blüht; zweimal der Reichtum des Du, den das lyrische Ich mit Herz und Hand wärmend und gewärmt erfühlt. Der zweimalige umarmende Endreim ist formaler Ausdruck dieser inneren, freudigen Ich-Du-Gestimmtheit beim Gang durch späten Sommerabend.
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Koloman tumpfögger
antwortete am 11.09.00 (15:32):
alte Eiche
sie sind sommers über die Wiese zur alten Eiche gegangen sind im Schatten gestanden
haben ins Land geschaut die blauen Berge gesehen die Sonnenstrahlen gezählt bis in den Winter
Gar manchen Sommer sind sie nicht mehr gekommen So hat die uralte Eiche Schatten verschwendet
Wieder bin ich über die Wiese gegangen habe den Schatten alleine gesucht hab nur die Windsbraut gefunden
Den Baum hat ein Blitz gefällt den Schatten verbrannt die Asche in alle Winde zerstreut
von Koloman Stumpfögger
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 11.09.00 (16:54):
zu Sieghards selbstgestellter Frage "ein Gedicht?" und der darauf folgenden kenntnis- und lehrreichen Antwort.
Wahrscheinlich hätte meine Tochter, die Germanistik studiert hat und an einem Gymnasium in Hamburg Deutsch lehrt, ähnliches zu sagen gewußt. Ich aber? Meine Mutterprache "Deutsch" habe ich in Gymnasien im Ausland nur als Fremdsprache gelehrt bekommen. Daß es einen Goethe und einen Schiller gegeben hat, weiß ich seit damals immerhin. Ja und noch einen Eichendorff, Nikolaus Lenau natürlich auch. Aber nur der Spur nach habe ich etwas von Formen, Versmaß, Reim, Arten im Deutschen Gedicht beigebracht bekommen. (Und jetzt kann ich nicht einmal mehr meinen eigenen Namen richtig schreiben. O, o, o, ... In meinem hier im Forum vorausgegangenen Beitrag fehlt nämlich das große "S" im Anlaut!)
Ob ich nicht in die Stadtbücherei gehen sollte und nach einem einschlägigen Werk forschen? Oder ob ich nicht doch zuvor ein Gedicht über Gott und die Welt schreibe? Denn schließlich kann man im Forum über Lyrik ja einiges dazulernen. Ganz zu schweigen, daß es eine wahre Lust ist dort Sprachwerke zu genießen.
Im Augenblick genieße ich den wundervollen oberschwäbischen Spätsommertag und grüße die Freunde der Lyrik in der Runde herzlichst und dankbar.
Koloman alias kNs
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 11.09.00 (19:27):
Pojazzlmacher
Wenn ein Auge lacht und im andern Tränen glitzern, hebt sich der Vorhang.
Vergiß deine Sorgen, Narr, die Leute wollen lachen!
Tanka von Koloman Stumpfögger
Erläuterung: Pojazzlmacher (donauschwäbisch) = Bajazzo
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kNs
antwortete am 11.09.00 (19:39):
Alter Mann in Maroniá
Jeder ist gut für etwas auch wenn er unnütz erscheint,
gießt Hibiskus und Oleander, füttert die Katze, spricht mit dem Nachbarn,
kämpft mit den Schatten, betet um Brot, und hat seinen Tag zu bestehen.
von Catarina Carsten
Quellennachweis: Gedichtband von C.C. "Nicht zu den Siegern", S. 96 Edition Doppelpunkt, Wien, 1994
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Friedgard Seiter
antwortete am 11.09.00 (20:27):
Ich habe heute Abend mal wieder Lust auf einen Morgenstern - hatten wir den schon?????
Die unmögliche Tatsache
Palmström, etwas schon an Jahren wird an einer Straßenbeuge und von einem Kraftfahrzeuge überfahren.
"Wie war" (spricht er, sich erhebend und entschlossen weiterlebend) "möglich, wie dies Unglück, ja-: daß es überhaupt geschah?
Ist die Staatskunst anzuklagen in bezug auf Kraftfahrwagen? Gab die Polizeivorschrift hier dem Fahrer freie Trift?
Oder war vielmehr verboten, hier Lebendige zu Toten umzuwandeln, - kurz und schlicht: d u r f t e hier der Kutscher nicht- ?"
Eingehüllt in feuchte Tücher, prüft er die Gesetzesbücher und ist alsobald im klaren: Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis: "Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil", so schließt er messerscharf, "nicht sein k a n n , was nicht sein d a r f."
Einen schönen Montagabend Euch allen!
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Edith
antwortete am 12.09.00 (09:31):
Liebe Friedgard, Du kennst es sicher: Morgenstern philosophiert über die bestmöglichen Schlafgewohnheiten.
Nach Norden
Palmström ist nervös geworden; darum schläft er jetzt nach Norden.
Denn nach Osten, Westen, Süden schlafen heißt das Herz ermüden.
(Wenn man nämlich in Europen lebt, nicht südlich in den Tropen.)
Solches steht bei zwei Gelehrten, die auch Dickens schon bekehrten,
und erklärt sich aus dem steten Magnetismus des Planeten.
Palmström also heilt sich örtlich, nimmt sein Bett und stellt es nördlich.
Und im Traum, in einigen Fällen, hört er den Polarfuchs bellen.
West-Östlich
Als er dies v.Korf erzählt, fühlt sich dieser leicht gequält;
denn für ihn ist Selbstverstehung, daß man mit der Erdumdrehung
schlafen müsse, mit den Pfosten seines Körpers strikt nach Osten.
Und so scherzt er kaustisch-köstlich: "Nein, m e i n Diwan bleibt - west-östlich"!
In diesem Sinne allen Gedichtfreunden einen gesunden Schlaf!
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Gerlinde
antwortete am 12.09.00 (23:13):
Verklärter Herbst
Gewaltig endet so ein Jahr mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann:Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter wie schön sich Bild an Bildchen reiht- das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl
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Beate Sterzik
antwortete am 12.09.00 (23:40):
Ich bin so müde, dass des Tages Gaben wie überreife Früchte von mir gleiten. Ich möchte nur noch deine Lippen haben,
und deine Arme sollst du um mich breiten, wenn ich ins Nichts versinke. Lass mich schlafen und tastend in die ersten Träume schreiten.
Ich bin so müde, dass ich alle Waffen am Rand des Daseins kraftlos fallen lasse. Du wirst mich nicht für meine Schwäche strafen
und dulden, dass ich deine Hände fasse, da sie sich öffnen, all die dunklen Türen... Ich seh dein Lächeln, eh ich dir verblasse
und weiss, es wird mich wieder zu dir führen.
Gute Nacht wünscht Beate
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Heidi Lachnitt
antwortete am 13.09.00 (08:20):
Ein schönes Gedicht, Beate, dass nachstehende passt, glaube ich, inhaltlich dazu:
Nachtgedanken
Die schönste Zeit in meinem heute wenn die geballten Tagesfäuste sich verwandeln in warme, zärtliche Nachthände, streichelnd Deine Wärme fühlen, wenn unsere Zweisamkeit sich wie eine warme Kuppel über uns senkt und die Welt aussperrt hl/40
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Friedgard Seiter
antwortete am 13.09.00 (08:45):
Lauter wunderschöne Herbstgedichte, liebe Gerlinde, Beate und Heidi! - Aber ich möchte doch nochmal auf Morgenstern zurückkommen, nachdem Edith die Schlafgewohnheiten von Palmström und Korf mitgeteilt hat. Ich habe da noch eine "Bettgeschichte" von Palmström auf Lager:
Bildhauerisches
Palmström haut aus seinen Federbetten, sozusagen, Marmorimpressionen: Götter, Menschen, Bestien und Dämonen.
Aus dem Stegreif faßt er in die Daunen des Plumeaus und springt zurück, zu prüfen, leuchterschwingend, seine Schöpferlaunen.
Und im Spiel der Lichter und der Schatten schaut er Zeuse, Ritter und Mulatten, Tigerköpfe, Putten und Madonnen...
träumt: wenn Bilder all dies wirklich schüfen, würden sie den Ruhm des Alters retten, würden Rom und Hellas übersonnen!
Und ein zweites "Schlafgedicht":
Der vorgeschlafene Heilschlaf
Palmström schläft vor zwölf Experten den berühmten "Schlaf vor Mitternacht", seine Heilkraft zu erhärten.
Als er, da es zwölf, erwacht, sind die zwölf Experten sämtlich müde. Er allein ist frisch wie eine junge Rüde!
Verzeiht, wenn ich Eure Herbst-Romantik unterbrochen habe, aber ich komme darauf zurück!
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Gerlinde
antwortete am 13.09.00 (21:38):
Laß still bei dir mich liegen
Laß still bei dir mich liegen; es trägt mich weit zurück, am Bord mit seinen Fliegen vorbei und noch ein Stück. Das ist ein schweres Segeln durch nichts als leeren Schein; starr unter meinen Nägeln zieht sich das Leben ein.
Rühr nicht an meine Haare, mich krümmt`s doch bleib mir nah; das ist nun viele Jahre, dein Mund war noch nicht da: und doch war schon das eine gewaltig und in Fluß, mit dem ich mich vereinen und mich versöhnen muß.
Es hätte auch ins Leben sonst keinen Weg für mich mehr wohl zurückgegeben; vielleicht kann ich für dich einst sein, was mir verholfen zur Rückkehr hat: die Ruh. Und aus den schwarzen Golfen blinkst auch ein wenig du.
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Eve
antwortete am 13.09.00 (23:07):
Nach diesem Sommer
Schon wieder ein Sommer in Scherben Die bunten Blätter verwehn Wie Zärtlichkeiten und färben Die Tage im Untergehn
Und wieder ewinmal verzichten Auf Haltetrossen im Kahn Und trotzdem die Anker lichten Im Sog vom Klabautermann
Und wieder die Wärme streifen Von dünngewordener Haut Damit die Sinne begreifen Sie sind noch immer zu laut
Und wieder ein bisschen sterben Weil einer gegangen ist Der irgendwann aus den Scherben Zurückzukommen vergisst.
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Friedgard Seiter
antwortete am 14.09.00 (08:29):
Von wem sind diese beiden schönen Gedichte???
Ich möchte Euch hier was zum Raten geben, mal wieder. Von wem ist das folgende Gedicht:
Es ist Nacht, und mein Herz kommt zu dir, hält's nicht aus, hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust wie ein Stein, sinkt hinein, zum dem deinen hinein.
Dort erst, dort erst kommt es zur Ruh, liegt am Grund seines ewigen Du.
Von wem???
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Beate
antwortete am 14.09.00 (20:51):
Ein Kaleidoskop könnte nicht hübscher, bunter sein. Es freut mich, eure Herzensgedichte zu lesen, denn ohne besonderen Bezug hätte keiner seine Lieblingsverse preisgegeben.
Wieder aus Terzinen des Herzens von Annemarie Bostroem
Du bist in meinen Armen eingeschlafen, und deine wirren Haare lagen dicht an meiner Schulter. Meine Blicke trafen
fast scheu dein wehrlos offenes Gesicht, als würden sie ein Heiligtum entweihen, das sie zu hüten hätten, aber nicht
betreten durften. Kannst du mir verzeihen, dass ich dich küsste, dass ich deine Nacht nicht ganz von meiner Nähe zu befreien
vermochte? Und du bist nicht aufgewacht, als ich den Mund auf deine Schläfe legte und spürte, wie sich die geheime Macht
des Blutes darin auf und ab bewegte.
Gute Nacht Beate
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Gerlinde
antwortete am 14.09.00 (22:25):
Lass still bei dir mich liegen, ist von Theodor Kramer, liebe Friedgard!
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Gerlinde
antwortete am 14.09.00 (22:37):
Traum gibt, was Tag verschloß; Nachts, wenn der Wille erliegt, Streben befreite Kräfte empor, Göttlicher Ahnung folgend. Wald rauscht und Strom, und durch der regen Seele Nachtblauen Himmel Wetterleuchten weht. In mir und außer mir Ist ungeschieden, Welt und ich ist eins. Wolke weht durch mein Herz, Wald träumt meinen Traum, Haus und Birnbaum erzählt mir Die vergessene Sage gemeinsamer Kindheit. Ströme hallen und Schluchten schatten in mir, Mond ist und bleicher Stern mein vertrauter Gespiele. Aber die milde Nacht, Die sich über mich mit sanftem Gewölbe neigt, Hat meiner Mutter Gesicht, Küßt mich lächelnd in unerschöpflicher Liebe, Schüttelt träumerisch wie in alter Zeit Ihr geliebtes Haupt, und ihr Haar Wallt durch die Welt, und es zittern Blaß aufzuckend darin die tausend Sterne.
H.Hesse, Adagio
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Friedgard Seiter
antwortete am 15.09.00 (12:28):
Da bist Du leider in die falsche Zeile gerutscht, liebe Gerlinde. Das Gedicht fängt an "Es ist Nacht, und mein Herz kommt zu dir...." Ich will Euch auf die Sprünge helfen: es ist von Christian Morgenstern.
Morgenstern hat nämlich nicht nur die "Galgenlieder" geschrieben, obgleich diese so beachtet werden, daß man ihnen eine Neuauflage gewidmet hat im Hallmann(?)-Verlag in Zürich.
Aber hier noch ein anderes der sehr einfühlsamen Morgenstern-Gedichte - er war ja Anthroposoph und ich glaube, er war sehr glücklich verheiratet. Jedenfalls hat er auch eine Reihe sehr schöner Liebesgedichte geschrieben. Hier aber nun dieses, was mir in manchen Zeiten eine Art "Lebenshilfe" war:
Stilles Reifen
Alles fügt sich und erfüllt sich, mußt es nur erwarten können und dem Werden deines Glückes Jahr und Felder reichlich gönnen.
Bis du eines Tages jenen reifen Duft der Körner spürest und dich aufmachst und die Ernte in die tiefen Speicher führest.
Die Wahrheit dieses Gedichts habe ich oft erfahren -
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Sieghard Winter, Freiburg
antwortete am 15.09.00 (22:38):
Herbst und gelbe Birnen, Tod und Trauer, Dank für seine Güte... Wer kennt ihn nicht, den alten Ribbeck!
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland von Theodor Fontane
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand, und kam die goldene Herbsteszeit, und die Birnen leuchteten weit und breit, da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll, und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er: Junge, wiste 'ne Beer? Und kam ein Mädel, so rief er: Lütt Dirn, kumm man röwer, ik hebb 'ne Birn.
So ging es viel Jahre, bis lobesam der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. 's Herbsteszeit, wieder lachten die Birnen weit und breit; da sagte von Ribbeck: Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab. Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, trugen von Ribbeck sie hinaus, alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht sangen: Jesus, meine Zuversicht. Und die Kinder klagten, das Herze schwer, He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?
So klagten die Kinder. Das war nicht recht - ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht; der neue freilich, der knausert und spart, hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. Aber der alte, vorahnend schon und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn, der wußte genau, was damals er tat, als um eine Birn ins Grab er bat, und im dritten Jahr aus dem stillen Haus ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab, längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, und in der goldenen Herbsteszeit leuchtet's wieder weit und breit. Und kommt ein Jung übern Kirchhof her, so flüstert's im Baum: Wiste 'ne Beer? Und kommt ein Mädel, so flüsterts: Lütt Dirn, kumm man röwer, ik gew di 'ne Birn.
So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
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Gerlinde
antwortete am 16.09.00 (10:04):
Liebe Friedgard, wie meinst Du das, mit der falschen Zeile? Ich wollte mitteilen dass " Lass still bei dir mich liegen" von Theodor Kramer ist, Deines kannte ich leider noch nicht. Danke für Deine schönen Beiträge und liebe Grüße Gerlinde
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Edith
antwortete am 16.09.00 (10:36):
Ach ja, lieber Sieghard - der liebe alte Ribbeck! - Fontane möchte ich noch mal aufgreifen in seiner leisen Wehmut, seiner leisen Selbstironie:
Ja, das möcht' ich noch erleben
Eigentlich ist mir alles gleich, der eine wird arm, der andre wird reich, aber mit Bismarck - was wird das noch geben? Das mit dem Bismarck, das möcht' ich noch erleben. Eigentlich ist alles so so, heute traurig, morgen froh, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, ach, es ist nicht viel dahinter. Aber mein Enkel, soviel ist richtig, wird mit nächstem vorschulpflichtig, und in etwa vierzehn Tagen wird er eine Mappe tragen, Löschblätter will ich ins Heft ihm kleben - ja, das möcht' ich noch erleben. Eigentlich ist alles nichts, heute hält's und morgen bricht's, hin stirbt alles, ganz geringe wird der Wert der ird'schen Dinge; doch wie tief herabgestimmt auch das Wünschen Abschied nimmt, immer klingt es noch daneben: Ja, das möcht' ich noch erleben.
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Gerlinde
antwortete am 16.09.00 (14:09):
Da hab ich doch gleich noch ein schönes Herbstgedicht von Fontane!
Nicht fürder sei dein Nachtgesell der finstre Bursch-der Schmerz- raff dich empor, komm, löse schnell der Kette klirrend Erz. Ist, was ich bringe, was ich habe, auch keine zarte Frühlingsgabe ach, dennoch tröst ich dich und labe dein hartgeprüftes Herz.
Schon hab ich für das weite Land ein kostbar Kleid gewebt, geöffnet schon die milde Hand für alles, was da lebt. Der Landmann sammelt in die Scheuer, schon reift der Wein am Felsgemäuer, schon glüht in ihm vielleicht das Feuer, das deinen Mut erhebt.
Wenn kaum der Tag im Osten lacht, gehts fröhlich auf das Feld, man pflückt und erntet, bis in die Nacht in Dunkel hüllt die Welt. Dann, wenn die Garben aufgeladen, auf allen Wegen, allen Pfaden ertönen Lieder und Balladen von Freud und Lust geschwellt.
o komm, bevor auf Erden nur die Macht des Winters haust, bevor der Wind die Stoppelflur, den kahlen Wald durchbraust. Bald hörst du statt der Weste Kosen, nur noch des Nordens Stürme tosen, o komm! daß du die letzten Rosen der Abendwolke schaust.
Die Lerche schweigt, und nur das Lied der Drossel stört die Ruh, die Schwalbe flieht, der Kukuck zieht dem warmen Süden zu. O komm,bevor die Flocken stieben und von den Sängern, die vertrieben, Rotkehlchen nur daheim geblieben, verlassen - ach, wie du.
O komm, noch ist der Himmel blau, mattgrünend noch die Flur, bald schaust du Wolken, trüb und grau, und schnee`ge Felder nur. Die Stöme fluten in den Betten, als könnte schnelle Flucht sie retten, umsonst, umsonst! Bald schlägt in Ketten der Winter - die Natur.
Liebe Poesiefreunde, ich wünsche Euch ein schönes Herbstwochenende!!!
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Sieghard
antwortete am 16.09.00 (15:39):
Gedanken zu Fontanes Ribbeck: 1. Folge
Und auch sein Birnbaum steht wieder im Havelland. Herr Ribbeck kommt nach Ribbeck zurück und die Ribbecker sind säuerlich wie eine unreife Williamsbirne. Wo sie früher doch so stolz gewesen waren, Herrn von Ribbeck als Schlossherrn zu haben, der als Kinderfreund so spendabel mit den Früchten seiner Bäume war. Und über den der Brandenburger Wanderdichter Theodor Fontane die weithin berühmteste Birnen-Ballade gereimt hatte.
Das war vor 111 Jahren. Inzwischen gab es Weltkriege und eine Bodenreform, einige Jahrzehnte Sozialismus und schließlich die deutsche Einheit. Ereignisse, die auch in Ribbeck, dem 430-Seelen-Dorf 30 km nordwestlich von Berlin, Spuren hinterlassen haben: Die Leninstraße heißt wieder Theodor-Fontane-Straße, die LPG verwandelte sich in eine Agrar-GmbH, und im Schloss versorgt die Arbeiterwohlfahrt 72 Senioren in 23 Zimmern, in denen die SED schon einmal 135 Alte zusammengepfercht hatte.
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Sieghard Winter
antwortete am 17.09.00 (09:58):
Danke Gerlinde und danke Edith, dass Ihr expressis verbis den Fontane aufgegriffen habt. Am liebsten wäre mir, wir könnten gelegentlich hier im Forum ein Gedicht diskutieren. Das wäre schöner, dann würden wir über einen Gegenstand miteinander reden.
nun weiter zu: Gedanken über Fontanes Ribbeck: 2. Folge
Das Grundbuch trägt noch die Last des kommunistischen Erbes: Die Ribbecks wurden 1947 vom Hof gejagt, über den das Adelsgeschlecht 750 Jahre geherrscht hatte, ihre einst 1700 Hektar Wiesen, Wälder und Felder enteignet. Den Löwenanteil bekam die LPG. Auf 326 Hektar durften sich 170 Siedlungsbauern niederlassen. Ribbeck-Erbe Friedrich-Carl, 60-jähriger UrUrEnkel des Birnen-Barons, scheiterte beim ersten Versuch, die väterliche Scholle wieder in Besitz zu nehmen. 1993 lehnte das Bundesverfassungsgericht ab, die von den Sowjets zwischen 1945 und 1949 enteigneten Flächen an ihre Altbesitzer zurückzugeben.
Doch ein Ribbeck weiß, dass süße Birnen langsam reifen. Friedrich-Carl, heute erfolgreicher Büroausstatter, ließ von Zeitzeugen und mit einem historischen Gutachten erklären, nicht die Sozialisten, sondern bereits die Nationalsozialisten hätten die Familie noch vor Kriegsende enteignet. Sein Vater starb im KZ Sachsenhausen, wohin er 1944 verschleppt worden war.
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kNs
antwortete am 17.09.00 (11:23):
Danke für die vorzügleiche Information, Siegbert, über das Ribeck-Geschlecht. Tragisch. Unverständlich. Macht wütend, weil Unrecht gewissermaßen fortgesetzt, ja zementiert wird. Ich wünsche Dir weiterhin gute Einfälle und eine glückliche Hand beim Einstellen von Beiträgen.
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Friedgard Seiter
antwortete am 17.09.00 (12:53):
Das ist hochinteressant, lieber Sieghard, die Hintergrundgeschichte zu diesem Gedicht zu erfahren. Bei Balladen dürfte das auch leichter möglich sein, als bei lyrischen Gedichten. Ein "Zeitgedicht" von Fontane habe ich vor mir liegen, das an Aktualität nichts verloren hat:
Es kribbelt und wibbelt weiter
Die Flut steigt bis an den Ararat, Und es hilft keine Rettungsleiter, Da bringt die Taube Zweig und Blatt - Und es kribbelt und wibbelt weiter.
Es sicheln und mähen in Ost und West Die apokalyptischen Reiter, Aber ob Hunger, ob Krieg oder Pest, Es kribbelt und wibbelt weiter.
Ein Gott wird gekreuzigt auf Golgatha, Es brennen Millionen Scheiter, Märtyrer hier und Hexen da, Doch es kribbelt und wibbelt weiter.
Son banne dein Ich in dich zurück Und ergib dich und sei heiter; Was liegt an dir und deinem Glück? Es kribbelt und wibbelt weiter.
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Christl Springer
antwortete am 17.09.00 (18:34):
Vom Sommer müssen wir uns leider verabschieden
September von Hermann Hesse
Der Garten trauert, kühl sinkt in die Blumen der Regen, der Sommer schauert still seinem Ende entgegen.
Golden tropft Blatt um Blatt nieder vom hohen Akazienbaum. Sommer lächelt erstaunt und matt in den sterbenden Gartentraum.
Lange noch bei den Rosen bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh. Langsam tut er die großen, müdgewordenen Augen zu.
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Gerlinde
antwortete am 17.09.00 (22:44):
Noch schnell ein Nachtgedicht von Christine Busta!
Der Traum von den drei Engeln
Der letzte Engel war der schönste: Olivenlaub schien sein Gewand, und sein Gesicht glich einem Falter, auf dem der Trauer ewiges Alter als große, schwarze Flammen stand.
Den ersten Engel wollte ich nicht lassen, den zweiten wagte ich nicht anzufassen, da nahm der dritte sanft mich bei der Hand.
Seither kann ich die andern nicht beschreiben. Ich frag auch nicht:"Wird dieser letzte bleiben?" Ich gehe nur und weiß: ich bin erkannt.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 17.09.00 (23:09):
Vogelbeeren
vogelbeerenrot leuchtet im dichten Blattwerk Dolde an Dolde längst
Auch der Flieder gilbt In mildem Licht schwebt dir ein Herzblatt entgegen
von Koloman Stumpfögger
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Heidi
antwortete am 18.09.00 (09:21):
animiert - bitte nicht persönlich nehmen, lieber Koloman
Vogelbeeren, leuchtend rot verlockend glänzende Frucht will euch pflücken, schmecken - habt das Aroma der Gruft
Herbstblätter, Herzensblätter rotgoldleuchtendes Laub will euch pflücken, berühren - zerfallt zu Staub
Vogelbeeren, Herzensblätter so leuchtend grüngoldrot bringt mir Freude, Sehnsucht - kündet vom nahen Tod hl
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Friedgard Seiter
antwortete am 18.09.00 (14:32):
September von Agnes Miegel
Dies sind die liebsten Tage mir im Jahr: Die ersten Astern blühen in den Beeten, Die Luft ist kirchenstill und blau und klar Und ganz erfüllt vom Dufte der Reseden.
Kein Vogelschlag durchklingt den Sonnenschein, Doch unablässig zirpen die Zikaden - Bei ihrem Singen geh ich einmal ein Nach langen Jahren zu des Himmels Gnaden.
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Sieghard Winter
antwortete am 18.09.00 (14:36):
Gedanken zu Fontanes Ribbeck: 3. Folge Die Argumente überzeugten jetzt das Amt für offene Vermögensfragen - die Familie erhält ihr Land zurück. Das aber schreckt die Ribbecker. Manche Bauern befürchten, vertrieben zu werden. Das Landratsamt in der Kreisstadt Nauen hat schon vorsorglich gegen den Vermögensbescheid Beschwerde eingelegt. Der Ribbeck-Erbe aber ist bemüht, den Sturm in der havelländischen Streusandbüchse zu besänftigen. Er verspricht, sich vertraglich zu verpflichten, weder die Bauern noch 22 Eigenheimer und schon gar nicht die Schloss-Senioren zu verjagen.
Dennoch soll bald frischer Wind durch Ribbeck wehen. Schon sieht der neue Herr Scharen von Ausflüglern aus dem nahen Berlin anreisen. "Wir können das Dorf vergolden." Ein Reiterhof soll her, eine Käserei und natürlich eine Birnenschnaps-Brennerei. Fontanes Birnbau fiel zwar 1911 einem Sturm zum Opfer, doch ein neuer, nach der Wende gepflanzter, trug schon Früchte. Jedes Jahr einige mehr.
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Friedgard Seiter
antwortete am 19.09.00 (11:12):
Diese Hintergrundgeschichte des "Birnbaums" ist hochinteressant, lieber Sieghard. Kennst Du die Familie? Man kann ihnen nur wünschen, daß alles so gelingt, wie es geplant ist. Die Menschen drüben sind sehr mißtrauisch, das kann man ihnen nicht verübeln, aber wenn sie sehen werden, daß ihnen nichts genommen, sondern eine Chance eröffnet wird, werden sie schon mittun. Ich schicke Euch heute nochmal ein "positives" Herbstgedicht - auch wieder von Agnes Miegel:
Frühherbst
Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen Steht nun der Herbst am Stoppelfeld, In klarer Luft die weißen Fäden blitzen, In Gold und Purpur glüht die Welt.
Ich seh' hinaus und hör' den Herbstwind sausen, Vor meinem Fenster nickt der wilde Wein, Von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen Und singt die letzten Rosen ein.
Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde, Ein später Falter sich darüber wiegt - Ich fühle, wie ich still und ruhig werde, Und dieses Jahres Gram verfliegt.
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Sieghard
antwortete am 19.09.00 (18:22):
Danke Edith, Friedgard, Koloman, Beate für Eure zustimmenden Worte. Das macht Mut, hier im Forum möglicherweise interpretatorisch ins Gespräch zu kommen.
zunächst noch: Gedanken zu Fontanes Ribbeck: 4. Folge Ca. acht Jahre vor der Wende hat Sarah Kirsch ein Gedicht auf Ribbeck und dessen alten Schloss-Garten gemacht: Wir [Lehrer und Zehntklässler] haben mit ihr über das Gedicht zu sprechen versucht, aber wie eine richtige Dichterin gab sie keine direkten Antworten. Macht nichts, die können wir uns auch selber geben.
Es sieht ganz so aus, als wenn Frau Kirsch die neuen Zusammenhänge nicht berücksichtigt. Sie sieht das Umfeld, wie es vor 111 Jahren war, jedenfalls auf den ersten Blick. Oder doch nicht? Das müsste besprochen und untersucht werden.
Verschlossen von Sarah Kirsch
Wir sehen aus der Entfernung den Landsitz des Herrn von Ribbeck zu Ribbeck. Die Bäume werden noch immer Birnen tragen, aber das Schloss erscheint uns, wenn wir vorüberfahren, wie ein glitzerndes Trugbild.
Alles ist unerreichbar hinter den Hecken, rankenden Blumen, flatternden Blättern. Das große lockende, geschwungene Tor wird uns immer verschlossen bleiben, obwohl wir den freundlichen Namen klingen hörten vor langer Zeit.
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Gerlinde
antwortete am 20.09.00 (11:28):
Lieber Sieghard, ich bin begeistert von Deiner Erklärung.Danke sehr. Da es in Wien heute grau in grau und nebelig ist, möchte ich noch einmal auf den Sommer rückblicken
Sommerbild
Ich sah des Sommers letzte Rose stehn, sie war, als ob sie bluten könne, rot; da sprach ich schauernd im Vorübergehn: So weit im Leben ist zu nah am Tod!
Es regte sich kein Hauch am heißen Tag, nur leise strich ein weißer Schmetterling; doch ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag bewegte, sie empfand es und verging.
F.Hebbel
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Edith
antwortete am 20.09.00 (13:43):
Lieber Sieghard, es ist ein subjektiver Eindruck, den Sarah Kirsch in ihrem Ribbeck-Gedicht vermittelt. Sie nennt es "Verschlossen" und vielleicht waren ja die alten Menschen, die dort lebten mehr oder minder "weggeschlossen". Ich weiß es nicht. Auf mich wirkt das Gedicht so, als erzählte Sarah Kirsch von einem Dornröschenschloss, von einem ehemals freundlichen Ort, der ihr 8 Jahre vor der Wende als unwiederbringlich verloren erschien. Wie schön, daß es anders gekommen ist.
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Sieghard
antwortete am 21.09.00 (09:33):
Beate, Ursula, Heidi, Friedgard, Gerlinde, Edith, Koloman, und an alle im Forum
Seht Ihr das auch so? Wenn es um einen Gegenstand geht, können wir uns im Forum darüber austauschen. Die vielfältigen Aspekte lassen uns ein Gedicht tiefer und gründlicher sehen.
Habt Ihr daran gedacht, dass Fontane sich das aus möglicherweise pädagogischen oder sozialen Gründen ausgedacht hat? Was hat Sarah Kirsch bewogen?
Kein Aspekt erhebt Anspruch 100%igkeit. Mut und Dank im Namen aller für alle Beiträge liebe Grüße sieghard
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Edith
antwortete am 21.09.00 (14:00):
Lieber Sieghard, Fontane hat sich die Birnen-Geschichte nicht ausgedacht. Er hat, wie häufig, eine historische Begebenheit in Gedichtform seinen Lesern nahegebracht. Der alte Ribbeck starb 1759 und bat vor seinem Tod, daß man ihm eine Birne in sein Grab legen möge, weil er der Knausrigkeit seines Sohnes zuvorkommen wollte. Auf diese Weise setzte er die von den Kindern geliebte Tradition fort, daß sie mittags von ihm eine Birne geschenkt bekamen. Fontane, selbst einem alten Hugenotten-Haus entstammend, liebte Land und Leute und die vielen ethnischen Verschiedenheiten, die in Brandenburg Heimat fanden. Er wollte über alle Brandenburger berichten und ein vielgestaltiges Bild herstellen gegenüber dem damaligen Primat des Militärs.
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Friedgard Seiter
antwortete am 21.09.00 (17:56):
Dichterlesungen sind etwas Schönes. Beate erzählte mir, daß sie bei einer Lesung von Annemarie Bostroem gewesen ist - die Gedichte kommen einem dann noch näher, wenn der Autor sie selbst vorliest. Zwei Dichterlesungen habe ich gehört, eine von Albrecht Goes und eine von Rudolf Hagelstange. Beide haben mich sehr angerührt - auf sehr unter- schiedliche Weise, entsprechend dem unterschiedlichen Temperament der beiden Autoren. Ich schreibe Euch hier eines der Gedichte von Albrecht Goes:
ÜBER EINER TODESNACHRICHT
Fühlt es das Weltherz denn nicht, Wenn so viel Liebeskraft stirbt? Wiegt ihm ein Leben so leicht, Weiß es so eilig Ersatz? Wir, ach, wissen ihn nicht Und hießen wohl unersetzlich, Was unsrem Herzen entreißt Der großmächtige Tod. Wege, ihr oftmals begangnen, Wie endet Ihr plötzich im Dickicht! Stimme, du zwiesprachvertraute, Einsame, fürchtest du dich?
Sie freilich, die er uns nahm, Der geheime Verwandler, Schweigen sie dunkelen Schlaf, Lauschen sie fernem Gesang? Oder wärs, daß sie wirklich Leicht nur ans Gitter gelehnt, Nachbar noch hießen und Freund Jeglichem Lassen und Tun? Wärs, daß wir rufen, und sie Kommen, die selig Befreiten, Wärs - und sie blieben für immer Liebend auf unserer Bahn?
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Gerlinde
antwortete am 22.09.00 (22:39):
Wo noch Abendsonne liegt
Hinter jenen fernen Hügeln, wo noch Abendsonne liegt, steht vielleicht mein Glück und wartet, still an einem Baum geschmiegt.
Soll ich wandern, es zu holen, daß es endlich werde mein? - Sehnsucht breitet schon die Flügel, Wehmut spricht: O laß es sein!
Sehnsucht ruft: Nun will ich eilen, heute noch gehört es mir! Wehmut spricht mit trübem Lächeln: Ist es nicht schon längst in dir?
Glück ist - schaun nach fernen Hügeln, wo noch Abendsonne liegt und das U n e r f ü l l t e wartet, still an einem Baum geschmiegt!
F.K.Ginzkey
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Heidi
antwortete am 22.09.00 (22:45):
Danke, Gerlinde!
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Friedgard Seiter
antwortete am 23.09.00 (12:08):
Wunderschön, liebe Gerlinde! Danke! Hier paßt auch gut das Gedicht von Rudolf Hagelstange hin - ich erzählte Euch, daß ich eine Dichterlesung von ihm erlebt habe.
DER ENGEL
Wenn ich wie Jakob mit dem Engel ringe, der groß und schweigend an der Schwelle wacht, auf daß ich Einlaß in sein Reich erzwänge, geschieht es oft, so sehr ich ihn bedränge, daß eine fremde, unsichtbare Macht mir Hände lähmt und Arm und Klinge.
Und ob ich noch so stürmisch in ihn dränge, er steht und schweigt. Und ob ich unbedacht und immer wieder fordernd an ihn ginge, - ich bin gefangen wie in einem Ringe. Er sieht mich an, als ob aus tiefster Nacht ein Flammenstoß den Blick mir senge.
Doch wenn ich, wissend, daß ichs nicht erzwinge, mich beuge seinem Zauber, seiner Macht und hingerafft an seinem Munde hänge, dann lächelt er. Als ob die Sphäre klänge, so regt er, wie im Traum unendlich sacht ein Vogel atmet, seine helle Schwinge.
Und rührt mich leise an mit dieser Schwinge. Und sieh: Ich singe.
Es gibt in Berlin ein Bild von Rembrandt: Jakobs Kampf mit dem Engel. Mir kommt es vor, als ob Hagelstange dieses Bild vor sich sah, als er das Gedicht machte...
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Beate
antwortete am 23.09.00 (12:18):
F ü r G e r l i n d e
Ich wartete am Rande deiner Tage und machte mich auf deinen Ruf bereit. Vergib mir, wenn ich einer Bitte wage,
obwohl ich fühle, es ist vor der Zeit: Zieh dich aus meiner Liebe nicht zurück, nimm mich hinein in deine Einsamkeit,
wie dur ein Buch zur Hand nimmst, deinen Blick auf einem Bilde ruhen und vielleicht dich manchmal von den Wellen der Musik
versöhnt und still umspielen lässt. Erreicht dich auch mein Weg noch nicht in seiner Steile, so weiss ich doch, dass er dem deinen gleicht
und dass ich seine Qualen mit dir teile.
Annemarie Bostroem
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 23.09.00 (12:50):
neue Musik
Engelstrompeten vor dichtgrünem Gartenlaub lehren den Sommer.
Aus tausend Trichtern schmettern Bläser Duftnoten, satten Sommerduft
Tänzer geschmeidig tanzen den Schattentanz vor: Wer schreitet ihn aus?
Und Schatten wachsen. Der weiße Engel öffnet moordunkle Truhen,
entzündet den Stern, kündet mitten im Winter die neue Musik. Quellnachweis: Text von Koloman Stumpfögger verfaßt am 28. August 1991, eingesandt zur Teilnahme an der Ausschreibung des "Inge-Czernik-Förderpreises für Lyrik 1995"
veröffentlicht in der Anthologie "Der Himmel ist in dir" zum Thema "Die vergessene Sprache Gottes", Seite 210 EDITION L, 68766 Hockenheim, 1995.
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Friedgard Seiter
antwortete am 23.09.00 (16:45):
Aus "Ich und Du" von Christian Morgenstern:
Nimm an, es gäbe einen Himmelsherrn; so wollen wir von ihm für einst erflehn: er lasse uns auf irgendeinem Stern als einen Strauch voll Rosen auferstehn. Ich will die Wurzel sein, Du sei der Strauch, ich will die Zweige sein, Du sei das Blatt, ich sei die Rose, Du sei ihr Arom. So ineinander unaufhörlich satt, so eins in jeder Faser, jedem Hauch sei unser Leben dann ein Dankesstrom.
Ich wünsche Euch allen einen schönen Sonntag.
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 23.09.00 (20:43):
Mondsichel
Über den nachtblauen Himmel zieht abnehmend ein gekrümmter Haarpinselstrich dem moordunklen Untergang entgegen.
Ein sanfter Ton verklingt: Zu nachttiefem Schweigen verstummt das große Lied.
Da geht der rote Vorhang auf zum letzten Akt.
Zum Schluß wirft die Trauer ein nachtschwarzes Tuch über das Spiel.
Verschwunden ist der silbrige Sichelschwung,
in die Tiefe versenkt der haardünne Pinselstrich in den nachtschimmernden Spiegel im Moor.
Am nachtdunklen Himmel funkeln dahingesprenkelt die Sterne, Tränen des verlorenen Mondes.
Quellnachweis: Kurzgedicht von Koloman Stumpfögger Ravensburg, den 12. Juni 1997 veröffentlicht im Sammelband "Alle Dinge sind verkleidet" EDITION L, Hockenheim, 1997, S. 200
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Gerlinde
antwortete am 23.09.00 (22:39):
Ich danke Euch sehr, es geht mir zur Zeit nicht so gut und da helfen mir Eure Gedichte sehr viel. Euch allen einen schönen Herbstsonntag Gerlinde
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 24.09.00 (09:43):
Silberdisteln
Disteln auf der Alb und die Wachholderbeeren silbern herbstzeitlos.
von Koloman Stumpfögger
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 24.09.00 (09:52):
Äpfel
Von reifen Früchten ist im Vorgarten der Rückweg edenwärts versperrt. Frucht an Frucht auf Früchten liegt, hindert am Gehen den Schritt.
Unter den Bäumen spiegeln der Äpfel Wangen zahllos die Flamme. Das Tor bewacht der Engel, schwingt sein gebietendes Schwert.
Hinter einem Stamm liegt im Versteck verloren verkostete Frucht, unvergessen der Geschmack vom Apfel der Erkenntnis.
Das Wangenrot lockt in das Paradies zurück. Weite die Flügel! Dann senkt der Engel am Tor sein loderndes Flammenschwert.
Quellnachweis: von Koloman Stumpfögger veröffentlicht in der Anthologie "Und redete ich mit Engelszungen", Hockenheim, 1998, EDITION L, Seite 137
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Koloman Stumpfögger alias kNs
antwortete am 25.09.00 (12:39):
Gottseidank, da sind sie sie ja.
Im Frühling kehren die Schwalben zurück und am 25.September findet die freudige Begrüßung der zurückgekehrten Gedichte statt. Seid willkommen.
(Vielleicht ließe sich auch erfahren, wie und warum der Wegzug erfolgt war. Daß es jemand bewerkstelligt haben muß, ist schon aus technischen Gründen gewiß!)
Ich muß mir überlegen, ob ich mich nicht auch aus dieser Rubrik auf die Kiebitz-Bank zurückziehen werde. Ich habe nicht so viel Energie solche Duschen über mich ergehen zu lassen.
Den Goldfingern, die die Gedichte wieder eingestrellt haben, herzlichen Dank.
Koloman
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 25.09.00 (14:06):
Die Drachen steigen
an ihren Leinen zerren die Drachen im Wind vertreiben Schwalben
verschlingen die Wolken bohren noch ein Sommerloch vor dem Blättersturm
am Rebstock verschluckt der graue Reisevogel die weiße Traube
und die Katze jagt vor scheelen Drachenaugen jetzt den letzten Star
in Ketten legt bald ein Schauer den Drachentanz in Fessel aus Eis
Text von Koloman Stumpfögger
(Ich sende die Drachen, die Trauben, die Katze, den letzten Star auf den Weg in der Hoffnung, daß sie nicht der Geier holt.)
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Gerlinde
antwortete am 26.09.00 (11:05):
Nicht alle Schmerzen sind heilbar. Denn manche schleichen sich tiefer und tiefer ins Herz hinein und während Tage und Jahre verstreichen, werden sie Stein.
Du sprichst und lachst, als wenn nichts wär sie scheinen zeronnen wie Schaum, doch du spürst ihre lastende Schwere bis in den Traum.
Der Frühling kommt mit all seiner Helle, die Welt wird ein Blütenmeer, aber in deinem Herzen ist eine Stelle, da blüht nichts mehr.
R.Huch
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Heidi Lachnitt
antwortete am 28.09.00 (11:17):
Auf Wunsch auch in dieser Rubrik:
Eden
weißt Du wo das Paradies ist? weit dort oben in dem Blau und Gold
unsere Seelen treiben im unendlichen Raum gewärmt von der Sonne goldenen Glanz
leicht wie eine Feder schweben wir
ohne Gedanken nur voller Liebe und Dankbarkeit sein zu dürfen hl
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Koloman Stumpfögger
antwortete am 28.09.00 (11:21):
dankeschön, Heidi, für den Eintrag von Eden, kNs
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Sieghard
antwortete am 28.09.00 (16:05):
Heidi, Schon den ganzen Tag erfreuen mich Deine Verse "Eden". Kommt mir der FH in den Sinn:
Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden, selige Genien! Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht, Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen die Himmlischen; Keusch bewahrt In bescheidener Knospe, Blühet ewig Ihnen der Geist, Und die seligen Augen Blicken in stiller Ewiger Klarheit...
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Sieghard
antwortete am 28.09.00 (22:53):
Hallo Heidi, da passt gleich HL dritte Strophe.
Doch uns ist gegeben, Auf keiner Stätte zu ruhn, Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahrlang ins Ungewisse hinab.
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Friedgard Seiter
antwortete am 29.09.00 (09:17):
Auch das ist ein Erlebnis, durch das man hindurchmuß:
Bitteres
Ich suchte die Wahrheit und erstickte in der Umarmung der Lüge.
Ich suchte die Liebe und verdurstete in den Salzwüsten der Verachtung.
Ich suchte den Glauben und erfror auf den Gletschern des Verstandes.
Ich suchte die Freundschaft und verhungerte an den Straßenrändern des Erfolges.
Ich suche die Hoffnung -
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Karl
antwortete am 30.09.00 (13:29):
Liebe Teilnehmer/innen,
diese Gedichte werden nun ins Archiv gestellt.
Damit sind sie geschützt und können nicht mehr so leicht durch einen Datengau verloren gehen.
Die Archivadresse wird unten eingeblendet.
Neue Gedichte können unter /seniorentreff/de/diskussion/threads4/thread45.html eingestellt werden.
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/archiv.html)
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