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THEMA:   Die Grübchen-Verwechslung

 7 Antwort(en).

Zwecke begann die Diskussion am 15.10.01 (20:05) mit folgendem Beitrag:

Schuld daran, dass ich meiner Frau letztes Jahr zum Hochzeitstag ein sündhaft teures Armband schenken musste, waren diese Grübchen. Sie verrieten ihn sofort: Carl-Dieter Scholz, wir nannten ihn vorzeiten Kalli. Er wohnte damals in der Nachbarschaft, war groß und stark, ich eher schmächtig und klein und mit Abstand sein Lieblingsopfer. Brillenschlange rief er mich, Beißer wegen meiner Zahnspange und Pizzagesicht wegen meiner Pubertätsakne. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich zu drangsalieren, und ich habe mich damals nie gewehrt.
Nun also stand er vor mir. Nach mehr als vierzig Jahren. Ich gehöre noch immer nicht zu den Schwarzeneggers dieser Welt, Kalli aber auch nicht. Er hatte einen Bauch, sein Haupthaar war gelichtet, und eine Brille trug er auch. Ich hätte ihn nicht wiedererkannt, wären da nicht diese Kalli-typischen Grübchen gewesen. Immer wenn er damals boshaft grinste, starrte ich auf diese Grübchen.
"Zahltag, Kalli!", rauschte es durch mein Gehirn, nachdem ich mit meiner Frau jenen Möbelmarkt am Stadtrand betreten hatte, in dem Kalli als Verkäufer arbeitete. Wir wollten uns nach einem neuen Schlafsofa umsehen, und meine Frau sprach einen Verkäufer an. Sie sprach nicht irgendeinen an, nein, sie wandte sich an Kalli!
"Was kann ich für Sie tun?", lächelte er sein Profi-Lächeln, und seine Grübchen verrieten ihn sofort.
Kalli hatte mich nicht erkannt, was meine Rachelust noch schürte. Während ich für ihn anscheinend so unbedeutend gewesen war, dass er mich längst vergessen hatte, geisterte er noch immer durch meine Kindheitserinnerungen. Mir wurde sonnenklar: Hier war noch eine Rechnung offen, und Kalli würde sie bezahlen!
Nachdem Kalli uns etliche Schlafsofas vorgeführt hatte, mischte ich mich das erste Mal in das Verkaufsgespräch ein. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf. Es muss in etwa jenem Grinsen geglichen haben, das er damals immer zeigte, bevor er mich attackierte. Nachdem er uns auf ein besonders günstiges Angebot hingewiesen hatte, bemerkte ich: "Wir suchen keinen Plunder, wir suchen Qualität!"
Ich kostete seine Verblüffung aus, ließ nun anklingen, dass Geld für uns überhaupt keine Rolle spielte, bat ihn mit sadistischer Höflichkeit, noch einmal bitte alle Schlafsofas aufzuklappen, und legte mich der Reihe nach auf jedes Sofa. Meine Schuhe behielt ich selbstverständlich an. An jedem Sofa mäkelte ich genüsslich herum, nannte einige Exemplare Folterliegen für den Rücken, und sagte schließlich kühl zu meiner Frau: "Lass uns gehen! Es gibt noch andere Möbelläden mit besserer Beratung!"
Diese plötzliche Unverfrorenheit hatte meiner Frau die Sprache verschlagen. Sie schwieg verstört und machte mir erst auf dem Heimweg eine Szene. Vorher verabschiedete ich mich noch freundlich von einem völlig verschwitzten Kalli. Der überreichte mir seine Visitenkarte, falls ich noch Fragen hätte. Ich schüttelte den Kopf und versenkte seine Karte mit Siegerlächeln in der Jackentasche.
Im Auto brach es dann aus meiner Frau heraus. "Du hast dich aufgeführt wie ein Idiot!", stieß sie hervor und erwartete eine Erklärung. Ich schwieg. Es war mir im Moment unmöglich, ihr mein rüpelhaftes Verhalten Kalli gegenüber zu erklären. Erst zu Hause entschuldigte ich mich, sagte, ich wisse überhaupt nicht, was in mir vorgegangen sei, und versprach meiner Frau das sündhaft teure Armband, das sie sich so lang schon wünschte. Aber so einfach ließ sie sich nicht bestechen. Unser Ehesegen hing noch tagelang gewaltig schief.
Nachdem meine Frau an diesem Abend ins Bett gegangen war, zog ich Kallis Visitenkarte aus der Tasche, um meinen Triumph noch einmal in aller Ruhe auszukosten. Da geschah das Unfassbare: Der Blick auf die Visitenkarte offenbarte, dass der Verkäufer Dieter Mahlmann hieß. Dieter Mahlmann klingt nun wirklich nicht nach Kalli Scholz. Aber die verräterischen Grübchen, die hat er wirklich gehabt...


Elisabeth (ella) antwortete am 16.10.01 (10:46):

Hallo Zwecke!

Ich habs erst heute morgen gelesen!
Ich hab Tränen gelacht!

Danke!


Rainer antwortete am 16.10.01 (11:44):

Zwecke, ich schrei mich weg,
das erinnert mich aber haargenau an Selbsterlebtes :-))
Schmunzelnd grüßt Rainer


Rosmarie S antwortete am 16.10.01 (20:13):

Hallo Zwecke,
ein Unterhaltungsgenuss! Danke!
Rosmarie


Ursula Trautmann antwortete am 05.11.01 (01:01):

Hallo Zwecke, es war ein Genuß! Danke! Natürlich nur weil ich ähnliches auch erlebt habe! Ich bin Krankenschwester geworden und habe meine Widersacherin in erbärmlicher Position getroffen und ! Ich habe mich gerächt , indem ich sie so sehr getröstet habe, so sehr wie ich es nur konnte! Natürlich sehr überlegt! Immer Öl ins Feuer gegossen!Endlich war ich stark und überlegen! Aber damals war ich noch sehr jung, darum hoffe ich auf Vergebung!
Gruß Ursula


Adolf antwortete am 19.12.01 (00:35):


Hier noch ein Gedicht zum schmunzeln.

Die Geschichte mit dem Hammer

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er,
nicht aber den Hammer.
Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann hinüberzugehen und ihn auszuborgen.
Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will?
Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile.
Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich.
Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein.
Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort.
Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen?
Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen.
Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich.
Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet,
doch bevor er "Guten Tag" sagen kann,
schreit ihn unser Mann an; "Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!"

Aus: PAUL WATZLAWICK: Anleitung zum Unglücklichsein.

Viel Spaß beim lesen Adolf


Rosmarie Schmitt antwortete am 19.12.01 (18:29):

Lieber Adolf,

das ist sowieso ein ganz besonders witziges und vor allem weises Buch!

Herzliche Grüße
Rosmarie


schorsch antwortete am 20.12.01 (09:14):

Guckt ein Passant einem singenden Steinklopfer zu und merkt, dass dieser immer wieder auf den Daumen haut. Er frägt den Steinklopfer, ob er das Auf-den-Daumen-hauen denn nicht verhindern könne. Verhindern? fragt der Steinklopfer zurück. Klar tuts mir beim Draufhauen weh - aber wenns dann abgeklungen hat, dann singe ich vor Freude !

Schorsch