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THEMA: Wieder einmal Gedichtsuche:
17 Antwort(en).
Friedgard
begann die Diskussion am 08.06.01 (12:38) mit folgendem Beitrag:
Ich wurde gebeten, nach folgendem Gedicht zu suchen: "Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eins......" Es soll gelegentlich bei Traueranzeigen gebraucht werden. Leider weiß ich nicht mehr. Kann uns jemand helfen aus dem reichen Schatz seiner Kenntnisse??
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Werner A. Sedelmaier
antwortete am 08.06.01 (14:04):
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines, das eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines. Doch dieses eine Blatt allein, war Teil von meinem Leben, darum wird das eine Blatt allein mir immer wieder fehlen.
https://www.janus-online.de/sorgen/trauerfall.htm
(Internet-Tipp: https://www.janus-online.de/sorgen/trauerfall.htm)
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Friedgard
antwortete am 08.06.01 (18:20):
Danke für den Hinweis! Meine Bekannte fragte auch nach dem Autor, aber der ist wohl unbekannt. Sie hat keinen Computer und hat mich deshalb gebeten, mich kundig zu machen. Es ist doch gut, daß es den Seniorentreff gibt, ich muß es immer wieder feststellen!
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Rosmarie S
antwortete am 11.06.01 (08:42):
Liebe Friedgard,
wenn ich mich recht erinnere, stand bei Traueranzeigen schon "Hesse" unter diesem Text. Aber so ganz überzeugt hat mich das damals schon nicht...
Meinst du, es bestünde hier auch Interesse an Trauersprüchen? Ich selbst beschäftige mich auch gern mal mit derlei Sprüchen und hätte auch Freude an solch einem Thread.
Herzliche Grüße
Rosmarie
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Wolfgang
antwortete am 11.06.01 (12:40):
Ich glaube auch nicht, dass das Gesuchte von Hermann HESSE stammt. Vielleicht geht es auf folgendes schönes Gedicht zurück:
Vergänglichkeit (von Hermann HESSE)
Vom Baum des Lebens fällt mir Blatt um Blatt. o taumelbunte Welt, wie machst du satt, wie machst du satt und müd, wie machst du trunken! Was heut noch glüht, ist bald versunken. Bald klirrt der Wind über mein braunes Grab, über das kleine Kind beugt sich die Mutter herab. Ihre Augen will ich wiedersehn, ihr Blick ist mein Stern. alles andre mag gehn und verwehn, alles stirbt, alles stirbt gern. Nur die ewige Mutter bleibt, von der wir kamen, ihr spielender Finger schreibt in die flüchtige Luft unsre Namen.
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Werner A. Sedelmaier
antwortete am 12.06.01 (22:18):
Das oben zitierte Trauergedicht hat mich bewogen, ein paar private Recherchen anzustellen. Nachweisbare Quellen kann ich nicht angeben, aber zumindest einen recht konkreten Hinweis. Die Spur führt nach Wolfsburg-Fallersleben. Eine Bürgerin dieser Stadt hat mir mitgeteilt, daß das Gedicht von einer gewissen "Manuela Hörmann" geschrieben wurde, die ebenfalls aus Fallersleben stammt bzw. dort wohnt.
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Friedgard
antwortete am 13.06.01 (11:00):
Die Trauerseite von Werner fand ich sehr gut und interessant - was es alles gibt! - Ich finde es schön, daß Du weiter der Spur des Gedichts nachgegangen bist. Erstaunlich, was dabei herausgekommen ist. Ich werde es meiner Bekannten, die eine große Gedichtfanatikerin ist, weitergeben. Sie wird sich freuen und ich danke in ihrem Namen. Das Gedicht von Hermann Hesse ist sehr schön, die fallenden Blätter haben schon viele Dichter angeregt - siehe Rilke: "...... und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält."
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Werner A. Sedelmaier
antwortete am 14.06.01 (13:00):
Hallo Friedgard,
jeder hat ja bekanntlich einen anderen Tick. Ich selbst sammle zwar keine Gedichte, aber ich sammle Grabinschriften aus allen Jahrhunderten.
Zur Feier des Tages möchte ich ein weiteres Trauergedicht zitieren, das ich auf meinen Streifzügen durch die WWW-Friedhöfe gefunden habe.
Je länger Du tot bist, um so mehr bist Du hier, je weiter Du fort bist, um so näher bei mir.
Du wirst mir notwendiger, als das tägliche Brot ist - Du wirst lebendiger, je länger Du tot bist!
Börries von Münchhausen
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sylvia
antwortete am 14.06.01 (13:29):
Für Werner
Der Schauspieler Ernst Ginsberg erkrankte an MS. Gelähmt und der Sprache beraubt, "schrieb" er Gedichte, diktierte sie mit Hilfe einer Buchstabentafel, Zeichen, die er mit den Augen gab. Er schrieb auch seine eigene Grabinschrift:
Hier ruht: Eine Liebe, die nur zu sterben vermocht Ein im scnmelzenden Wachs ertrunkener Docht Ein Herz das in wortlosem Übermass in die Sterne starrend zu schlagen vergass
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sieghard
antwortete am 14.06.01 (13:33):
Wer erinnert sich an Jüngers Marmorklippen?
"Reise zu den Schachtenden"
Niemals vermag je ein Schlächter solche Schweine zu schlachten wie du - Unnatur - in der Stunde Loges am Schlund der einsamen Höhle mit blitzendem Mordmesser aus KobaltStahl, Rubin und Perlmutt es löst sich ein erster Blutstropfen fällt auf die Schlachtbank aus Distelholz neue Blutstropfen mohnfarben dann der Blutstrom gerührt mit Gerstenfedern sternkugeligen Pusteblumen königskerzengoldner Widerschein unter blutunterlaufenem Dach des Schlächters tausendfältiger Reigen der Schlachtfestfeiernden aus Farben, Bewegung und Licht und darüber die Flöte der Schmausenden Nachtigall klagt stellvertretend
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Werner A. Sedelmaier
antwortete am 14.06.01 (15:55):
Für Sylvia:
Die Worte von Ernst Ginsberg sind sehr eindrucksvoll, besonders wenn man den Hintergrund seiner Lebensgeschichte kennt. Dankeschön, daß Du es mir aufgeschrieben hast. Ich möchte mich mit einem Gedicht, ebenfalls von Ernst Ginsberg, revanchieren:
Trauriger Abzählreim
Ich liebe dich Du liebst mich nicht Ich bin die Nacht Du bist das Licht Ich bin der Schmerz Du bist das Glück Drum schaue nie zu mir zurück Ich weiß und fühl es bitterlich Du liebst mich nicht Ich liebe dich
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Ich möchte Dir auch ein paar Beispiele von Grabinschriften anbieten, die ich so im Laufe meines Lebens gesammelt habe. Inzwischen habe ich mehr als 5.000 solcher Inschriften zusammengetragen.
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Am Tage ihres Todes habe ich Götter und Menschen gegenüber meine Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht.
- Römische Grabschrift -
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Der Weg in die Ewigkeit Ist doch gar nicht weit. Um 7 Uhr fuhr er fort, Um 8 Uhr war er dort.
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Hier ruhen meine Gebeine, Ich wollt, es wären Deine.
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Hier ruht in Gott F.K., 26 Jahre lebte er als Mensch Und 37 Jahre als Ehemann.
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Hier ruht mein Weib, Gott sei´s gedankt! So lang sie lebte, war nur Zank. Geh, Wandrer, gehe flugs von hier, Sonst steht sie auf und zankt mit Dir!
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Tränen können dich nicht mehr zum Leben zurückrufen, darum weine ich.
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Friedgard
antwortete am 14.06.01 (20:16):
Friedhöfe sind ein Fundgrube des "menschlich-allzumenschlichen." - Viele aber auch geschichtlich interessant. Ich erinnere mich an die Grabsteine auf Amrum, auf denen die Biografie der Seefahrer stand: soundsoviele Jahre im Mohrenland gefangen ... etc. Und: sie lebten in glücklicher Ehe - das steht auf den meisten dieser Grabsteine. Vielleicht, weil die Seeleute so selten zuhause waren? Das möchte man fast annehmen, wenn man einige der Grabinschriften von Werner liest. Das Gedicht von Münchhausen kenne und liebe ich auch. Schön ist auch von Annette von Droste-Hülshoff: "Letzte Worte
Geliebte, wenn mein Geist geschieden, So weint mir keine Träne nach; Denn, wo ich weile, dort ist Frieden, Dort leuchtet mir ein ew'ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden, Soll euer Bild mir nicht vergehn, Und Linderung für eure Wunden, Für euren Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel Der Friede übers Weltenreich, So denkt nicht mehr an meinen Hügel, Denn von den Sternen grüß ich euch!"
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Anni
antwortete am 15.06.01 (06:06):
Habe auch einige Gedichte aus Todesanzeigen gesammelt:
Denk Dir ein Bild, weites Meer, ein Segelschiff setzt seine weißen Segel und gleitet hinaus in die offene See. Du siehst wie es kleiner wird. Wo Wasser und Himmel sich treffen, verschwindet es. Da sagt jemand, nun ist er gegangen. Ein anderer sagt, er kommt.
.......
Zieh die Segel auf, das Ruder ein. Dort wo die Meere uferlos sind wirst Du endlich in Sicherheit sein.
.......
Vielleicht ist es kein Weggehen, sondern ein Zurückgehen? Sind wir nicht unterwegs mit ungenauem Ziel und unbekannter Ankunftszeit, mit Heimweh im Gepäck? Wohin denn sollten wir gehen wenn nicht zurück nach Hause? (Anne Steinwart)
.......
Das Leben ist so wie ein Fluß, den man allein durchqueren muß. Die Mündung ist die Ewigkeit, dazwischen liegen Raum und Zeit. Man muß ein guter Schwimmer sein, taucht man im Lebensstrudel ein. Mal schwimmt man oben auf den Wogen, mal wird man tief hinab gezogen. Wir sind wie Treibholz in den Wellen und nicht bewahrt vor tiefen Schwellen. Bei Wolkenbruch und Sturmgewalten gilt`s über Wasser sich zu halten. Doch fließt das Wasser ruhig und klar, vergessen wir dann die Gefahr. Der Lebensfluß der uns gegeben, bedeutet schwimmen, tauchen, leben.
.......
bereit zu meiner letzten Reise, die Zeit zum Spielen ist vorbei. ich weiß jetzt nur wenn ich verreise sind Nacht und Kälte einerlei. kein hoffen mehr und keine Fragen ganz sicher sein vor neuer Qual
.......
Menschen treten in unser Leben und begleiten uns eine Weile. Doch einige bleiben für immer denn sie hinterlassen Spuren in unserem Leben.
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Luzia
antwortete am 15.06.01 (22:46):
Habe heute durch Zufall nachfolgendes Gedicht gefunden:
Am Grabe des Vaters Friede sei um diesen Grabstein hier! Sanfter Friede Gottes!Ach,sie haben einen guten Mann begraben - und mir war er mehr.
Träufte mir von Segen,dieser Mann, wie ein milder Stern aus bessern Welten! Und ich kanns ihm nicht vergelten, was er mir getan?
Er entschlief.Sie gruben ihn hier ein. Leiser,süßer Trost,von Gott gegeben, und ein Ahnen von dem ewgen Leben sei um sein Gebein.
Bis ihn Jesus Christus,groß und hehr! Freundlich wird erwecken - ach,sie haben einen guten Mann begraben, und mir war er mehr.
Mathias Claudius
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Gisela
antwortete am 17.06.01 (07:45):
Auch etwas zum Nachdenken von Erich Kästner
Kleines Solo Einsam bist du sehr alleine von der Wanduhr tropft die Zeit. Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Träumst von Liebe. Glaubst an keine. Kennst das Leben. Weißt Bescheid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Wünsche gehen auf die Freite. Glück ist ein verhexter Ort. Kommt Dir nahe. Weicht zur Seite. Sucht vor Suchenden das Weite. Ist nie hier. Ist immer dort.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine. Sehnsucht krallt sich in dein Kleid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
Schenkst dich hin mit Haut und Haaren. Magst nicht bleiben, wer du bist. Liebe treibt die Welt zu Paaren. Wirst getrieben. Mußt erfahren daß es nicht die Liebe ist... Bist sogar im Kuß alleine.
Gehst ans Fenster. Starrst aus Steine. Brauchtest Liebe. Findest keine. Träumst vom Glück. Und lebst im Leid. Einsam bist du sehr alleine - und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.
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Friedgard
antwortete am 17.06.01 (18:14):
Nähe
Ich fühle dein Licht. Auch wenn im finsteren Raum ich geschlossenen Aug's dir begegne fühl ich dein Licht.
Ich trink deinen Atem. Auch wenn schon lang dieses Zimmer du leise verließest, trink ich darin deinen Atem.
Ich höre dein Schweigen. Auch wenn dein Mund mir verschlossen, die Stimme verklungen, spricht zu mir in der Stille dein Schweigen.
F.S.
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Werner A. Sedelmaier
antwortete am 18.06.01 (10:50):
Für Friedgard und alle Interessierten:
Komm, wir bauen Brücken in die Einsamkeit, tragen kleine Lichter in die Dunkelheit, sprechen wieder Worte, wo das Schweigen wohnt und erfahren staunend, daß sich Liebe lohnt.
Das ist ein weiteres Gedicht von Manuela Hörmann. Es wurde mir am Wochenende von privater Seite zugesandt.
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Friedgard
antwortete am 18.06.01 (16:29):
Danke, Werner, das ist ein schönes und wahres Gedicht. Ich habe es auch gleich weitergegeben.
Hier etwas für die Liebhaber der leisen Töne:
Leises Sonett
Morgens, zwischen Tag und Traum blättern wir in Bildern, leise, du vernimmst es kaum, will die Seele schildern
was sie von dem Flug bei Nacht, als sie dich verlassen, dir an Gaben mitgebracht - such sie zart zu fassen.
Geister senden Grüße dir, Lebende und Tote: eine Rose, eine Reise -
Seele ist bei Nacht dir Bote, tauscht mit andern Seelen leise Briefe zwischen Dort und Hier.
F.S.
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