Archivübersicht
| Impressum
THEMA: Gedichte Kapitel 12
128 Antwort(en).
webmaster
begann die Diskussion am 07.05.01 (22:05) mit folgendem Beitrag:
Liebe Dichterinnen und Dichter,
hier ist Kapitel 12. Kapitel 1-11 wie immer im Archiv.
Ganz in Prosa, Karl
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/archiv.html)
|
sieghard
antwortete am 07.05.01 (22:26):
Auch ich will wieder klettern, mich der Gefahr aussetzen, das Risiko eingehen, Neuland betreten, dabei das Staunen wieder lernen und das Leben in seiner Dichte spüren.
[U. Schaffer]
. .
|
Heidi
antwortete am 07.05.01 (23:28):
Ich liebe Liebesgedichte :-)) Mein Lieblingsthema, mein Lieblingsautor:
Dich Dich dich sein lassen ganz dich Sehen dass du nur du bist wenn du alles bist was du bist das Zarte und das Wilde das was sich losreisen und das was sich anschmiegen will Wer nur die Hälfte liebt der liebt dich nicht halb sondern gar nicht der will dich zurechtschneiden amputieren verstümmeln Dich dich sein lassen ob das schwer oder leicht ist? Es kommt nicht darauf an mit wieviel Vorbedacht und Verstand sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel offener Sehnsucht nach allem - nach allem was du bist Nach der Wärme und nach der Kälte nach der Güte und nach dem Starsinn nach deinem Willen und Unwillen nach jeder deiner Gebärden nach deiner Ungebärdigkeit Unstetigkeit Stetigkeit Dann ist dieses dich dich sein lassen vielleicht gar nicht so schwer (Erich Fried)
|
eva
antwortete am 08.05.01 (08:42):
Francois VILLON (1413 - nach 1463) dichtete auch für den Herzog Karl von Orleans, der eine Reihe von Poeten an seinem Hof beschäftigte und ihnen Themen zur dichterischen Bear- beitung vorgab. Das beste eines jeden Wettstreites liess er aufzeichnen und legte eine diesbezügliche "Sammlung unsterb- licher Verse" an. Das hier behandelte Thema hiess :
Ich sterbe vor Durst in der Nähe einer Quelle
und die Aufgabe war nun, These und Antithese poetisch zu gestalten. Die Erwartungshaltung war wohl, unerfüllte Liebe in der Nähe der Geliebten in höfischer Form darzustellen, Villon aber gelang es, die Zerrissenheit seiner Existenz auszudrücken (Nachdichtung aus dem Altfranzösischen von Paul Zech 1963):
Vor vollen Schüsseln muss ich Hungers sterben, am heissen Ofen frier ich mich zu Tod, wohin ich greife, fallen nichts als Scherben, bis zu den Zähnen geht mir schon der Kot. Und wenn ich lache, habe ich geweint, und wenn ich weine, bin ich froh, dass mir zuweilen auch die Sonne scheint, als könnte ich im Leben ebenso zerknirscht wie in der Kirche niederknien ... ich, überall verehrt und angespien.
Nichts scheint mir sichrer als das nie Gewisse, nichts sonnenklarer als die schwarze Nacht. Nur das ist mein, was ich betrübt vermisse, und was ich liebte, hab ich umgebracht. Selbst wenn ich denk´, dass ich schon gestern war, bin ich erst heute abend zugereist. Von meinem Schädel ist das letzte Haar zu einem blanken Mond vereist. Ich habe kaum ein Feigenblatt, es anzuziehn... ich, überall verehrt und angespien.
Ich habe dennoch soviel Mut zu hoffen, dass mir sehr bald die ganze Welt gehört, und stehn mir wirklich alle Türen offen, schlag´ich sie wieder zu, weil es mich stört, dass ich aus goldnen Schüsseln fressen soll. Die Würmer sind schon toll nach meinem Bauch, ich bin mit Unglück bis zum Halse voll und bleibe unter dem Holunderstrauch, auf den noch nie ein Stern herunterschien, Francois Villon, verehrt und angespien.
|
Iris
antwortete am 08.05.01 (10:06):
...und weil Erich Fried eine große Anzahl...schöner Liebesgedichte geschrieben hat...füge ich heute eines davon...hier hinzu...
ICH
Was andere Hunger nennen das ernährt mich Was andere Unglück nennen das ist mein Glück
Ich bin keine Blume kein Moos Ich bin eine Flechte Ich ätz mich tausend Jahre lang in einen Stein
Ich möchte ein Baum sein Ich möchte ein Leben lang deine Wurzeln berühren und trinken bei Tag und Nacht
Ich möchte ein Mensch sein und leben wie Menschen leben und sterben wie Menschen sterben Ich habe dich lieb
....nach ICH...nun auch noch
DU
Wo keine Freiheit ist bist du die Freiheit Wo keine Würde ist bist du die Würde Wo keine Wärme ist keine Nähe von Mensch zu Mensch bist du die Nähe und Wärme Herz der herzlosen Welt
Deine Lippen und deine Zunge sind Fragen und Antwort In deinen Armen und deinem Schoß ist etwas wie Ruhe Jedes Fortgehenmüssen von dir geht zu auf das Wiederkommen Du bist ein Anfang der Zukunft Herz der herzlosen Welt
Du bist kein Glaubensartikel und keine Philosophie keine Vorschrift und kein Besitz an den man sich klammert Du bist ein lebender Mensch du bist eine Frau und kannst irren und zweifeln und gutsein Herz der herzlosen Welt....
(Erich Fried)
|
sieghard
antwortete am 08.05.01 (14:39):
Wo ich gehe - Du ! Wo ich stehe - Du ! Nur Du, wieder Du, immer Du ! Du, Du, Du ! Ergeht's mir gut - Du Wenn's weht mir tut - Du Du, Du, Du Himmel - Du, Erde - Du Oben - Du, unten - Du Wohin ich mich wende, an jedem Ende Nur Du, wieder Du, immer Du Du, Du, Du
[Martin Buber 1878 - 1965]
.
|
;-) Heidi
antwortete am 08.05.01 (14:46):
Nur küssen
Drei Worte mit nur sind mehr Glück für mich als fast alles was wir im Leben sonst tun dürfen oder tun müssen Die drei Worte sind: "Dich nur küssen"
"Mich nur küssen sonst nichts? Ist das alles was du an Glück noch hast?"
Nicht ganz. Denk "im Falle des Falles" an meine Worte zurück: Ich sagte doch vorsichtig "fast"
Erich Fried
|
Iris
antwortete am 08.05.01 (16:55):
ja dann...weiter mit Erich Fried...
Gedankenfreiheit
Wenn ich an deinen Mund denke wie du mir etwas erzählst dann denke ich an deine Worte und an deine Gedanken und an den Ausdruck deiner Augen beim Sprechen
Aber wenn ich an deinen Mund denke wie er an meinem Mund liegt dann denke ich an deinen Mund und an deinen Mund und an deinen Mund und an deinen Schoß und an deine Augen ...................
;-))..aber auch Folgendes ist von Erich Fried...
Zwiefache poetische Sendung
Der Hauptberuf der Schnabelsau ist daß sie reimt auf Kabeljau Doch wenn sie ihren Zensch entschleimt bleibt selbst der Mensch nicht ungereimt
So halten Dichter Nabelschau in unserm Kain-und Abelgau Den Menschen wie den Kabeljäuen obliegts dann sich am Reim zu freuen... *gg*
|
Heidi
antwortete am 08.05.01 (17:31):
Erich Fried :-))
Freier Wettbewerb
Die Revolutionäre sitzen am Rand und angeln nach dem versunkenen Licht tief unten
Rechts und links von ihnen fischen Reaktionäre aus dem selben Wasser die Finsternis
Die Revolutionäre fischen viel tiefer die Reaktionäre haben die teureren Angeln
Die Reaktionäre ziehen wie alle Tage immer wieder ihre schwarzen Nachrichten hoch die Revolutionäre nur alle heiligen Zeiten einen einzigen kleinen glimmenden Funken * Manchmal fangen sie weder Dunkel noch Licht nur Fische
Die Reaktionäre fangen die großen Fische Die Revolutionäre fangen die kleinen Fische
Die Reaktionäre sind die besseren Fischer Sie fischen erbarmungsloser Sie fangen mehr
Also wird das Dunkel aussterben vor dem Licht
Dann werden die kleinen Fische die großen fressen
|
Heidi
antwortete am 08.05.01 (18:51):
Im Gegensinn des Uhrzeigers
Man müsste sich verständigen können darüber dass nicht alles auf einen Nenner zu bringen ist und dass es nicht erlaubt ist mit Menschen alles anzufangen was sich mit ihnen anfangen läßt
Aber komischerweise ist es in Wirklichkeit nicht alles eins ob man zu dieser Erkenntnis rechts herum kam oder links herum kommt
Erich Fried
***
zurück zu Liebesgedichten :-)
Das Unmögliche
Ich muß mein Kissen küssen auf dem du gelegen hast
Ich muß meine Finger küssen die dich liebkost haben
Ich muß meine Zunge küssen aber das kann ich nicht
Erich Fried
|
Siegrun Graune
antwortete am 08.05.01 (19:21):
Muttertag Die vielen Falten in deinem Gesicht, ich weiss woher sie kommen, du sorgtest immer dich um mich, nie hab ichs ernst genommen.
Dein Rücken ist auch krumm geworden. Du musstest soviel tragen, du nahmst so manche Last von mir in Kinder- und auch Jugendtagen.
Nun leg ich meinen Arm um dich, versprech ich werde dich beschützen. Bis in das hohe Alter will ich jetzt dich immer Unterstützen.
Du schaust mich an, du glaubt mir nicht, doch deine Augen strahlen. Du weisst, der Wille ist wohl da, wie in den Kindertagen.
www.literatursofa.de
|
Dietlinde
antwortete am 08.05.01 (21:25):
Ideales Zusammensein
Nähe ohne Beengung Geben ohne Erwartung Zärtlichkeit ohne Absicht Spiel ohne Kampf Vertrautheit ohne Ansprüche Liebe ohne Forderungen Zauber ohne Ende
Hans Kruppa
|
Iris
antwortete am 08.05.01 (22:10):
...und noch einmal Erich Fried...
Für ****
Nur nicht
Das Leben wäre vielleicht einfacher wenn ich dich gar nicht getroffen hätte
Weniger Trauer jedes Mal wenn wir uns trennen müssen weniger Angst vor der nächsten und übernächsten Trennung
Und auch nicht soviel von dieser machtlosen Sehnsucht wenn du nicht da bist die nur das Unmögliche will und das sofort im nächsten Augenblick und die dann weil es nicht sein kann betroffen ist und schwer atmet
Das Leben wäre vielleicht einfacher wenn ich dich nicht getroffen hätte Es wäre nur nicht mein Leben.
+++++++
Reden
Zu den Menschen vom Frieden sprechen und dabei an dich denken Von der Zukunft sprechen und dabei an dich denken Vom Recht auf Leben sprechen und dabei an dich denken Von der Angst um Mitmenschen und dabei an dich denken - ist das Heuchelei oder ist das endlich die Wahrheit?
|
sieghard
antwortete am 09.05.01 (12:31):
Sooft die Sonne aufersteht Erneuert sich mein Hoffen Und bleibet, bis sie untergeht Wie eine Blume offen; Dann schlummert es ermattet Im dunklen Schatten ein, Doch eilig wacht es wieder auf Mit ihrem ersten Schein
[Gottfried Keller 1819-1890]
.
|
Heidi
antwortete am 09.05.01 (17:51):
für MLB *g*
Wenn ich dich berühre, tun sich Welten in mir auf. Leuchtende Landschaften, die auf mich gewartet haben, Felder, die unter der Sonne reifen, Seen, die mit ihrem Blau den Himmel einladen, auf die Erde zu kommen. Ich sehe Wege, die meine Füße anlocken. Es liegt in der Berührung, in dem Vertrauen auf die Wahrheit des Moments. (Ulrich Schaffer)
|
Heidi
antwortete am 09.05.01 (18:16):
eigentlich sollte es dieses Gedicht sein ;-))
Die Linie von deinem Hals zu deiner Schulter reduziert einen Moment lang die ganze Welt auf diese einfache Kurve, die mich an die Krümmung des Universums erinnert. Alle Ideen, alle Worte, vergangene, gegenwärtige und zukünftige, fließen in den Teil des Kreises, den ich mit einem einzelnen Finger bereisen kann. Ich werde der Finger, dann die Kurve, danach das Universum in dem Schmerz und Glück der Ausdehnung. Einen Augenblick lang höre ich auf, ich zu sein, und ein größeres Leben als mein eigenes pulsiert zwischen meinen Fingern und der Haut deines Halses. (Ulrich Schaffer)
|
Iris
antwortete am 09.05.01 (19:29):
Heimweg
Dämmert mein Garten? Rauscht schon der Fluß? Noch glüht mein Leben Von deinem Kuß,
Noch trinkt mein Auge, Von dir erhellt, Nur dich, nur deinen Bann Im Bann der Welt.
Vom Himmel atmet Des Mondes Traum, Bleich webt eine Wolke, Grün schmilzt ihr Saum.
Das Wasser führt Schollen Herab aus der Nacht, Es trägt jede Scholle Von Licht schwere Fracht.
Eine Harfe von Drähten Summt in der Allee, Spuren von Rädern Glänzen im Schnee,
Glänzen und deuten Heilig zu dir zurück - Ich weiß, daß du noch wachst Tief tief im Glück.
Der Schirm deiner Lampe Färbt dich wie Wein, Du hauchst in das Eis Deines Fensters hinein,
Deine Augen träumen Herüber zum Fluß,- Du bist nur noch Leben von meinem Kuß.
Hans Carossa 1878-1956
|
Heidi
antwortete am 09.05.01 (19:41):
Vorsicht, jetzt wird's erotisch *g* (auch für MLB)
Kuss
deine lippen spüren vibrierend suchend durch halbgeschlossene lider deine augen sehen ernst konzentriert ein universum versinkt in diesem blick kuss lippen fühlen liebe dich
hl
|
:-)) Heidi
antwortete am 09.05.01 (19:53):
Hände erinnern sich
meine Hände streicheln, speichern jeden Zentimeter deiner Haut speichern Dich
fühlen deine Wärme machen sich vertraut mit deiner Haut mit Dir
meine Hände senden Signale über deine Haut in deinen Körper in deinen Kopf in Dich
meine Lippen schweigen wenn meine Hände dich lieben mein Körper dich liebt meine Haut dich liebt weil Worte nicht ausreichen
meine Hände erinnern sich danach, am nächsten Tag für immer, an Dich ich erinnere deine Haut, deinen Körper ich erinnere Dich
hl
Der Rest meiner "geheimen" Gedichte ist leider nicht jugendfrei *fg*
|
Iris
antwortete am 09.05.01 (20:42):
;-) Heidi...jetzt hast Du mir aber Mut gemacht... ich antworte mit Erich Fried...steht nicht auf der "Geheimliste"...nein ganz öffentlich...in einem seiner Gedichtbände...*ggg*
Nachtlied
Auf deine Brüste zwei Sterne auf deine Augen zwei Küsse in der Nacht unter dem gleichgültigen Himmel
Auf deine Augen zwei Sterne auf deine Brüste zwei Küsse in der Nacht unter den mundlosen Wolken
Unsere Küsse und unsere Sterne müssen wir selbst einander geben unter wetterwendischen Himmeln
oder in einem Zimmer eines Hauses das steht vielleicht in einem Land in dem wir uns wehren müssen
Doch in den Atempausen dieses Sichwehrens Brüste und Augen für uns Himmel und Sterne und Küsse.
|
Heidi
antwortete am 09.05.01 (22:48):
:-)) Damit es etwas ruhiger wieder ausklingt:
Nachtgedicht
Dich bedecken nicht mit Küssen nur einfach mit deiner Decke (die dir von der Schulter geglitten ist) daß du im Schlaf nicht frierst
Später wenn du erwacht bist das Fenster zumachen und dich umarmen und dich bedecken mit Küssen und dich entdecken
Erich Fried
|
Gerhard allias Fuchs
antwortete am 10.05.01 (00:44):
Meinem kleinen Floh und allen Müttern zum Muttertag am Sonntag
Was soll ich dir sagen, was soll ich dir geben? Ich hab so ein kleines, junges Leben. Ich hab ein Herzchen, das denkt und spricht: ich hab dich lieb,- mehr weiß ich nicht!
|
sieghard
antwortete am 10.05.01 (08:03):
Hier aber blühten große gefleckte rote Tigerlilien und große weiße, trompeten- ähnliche Lilien mit Purpurstreifen auf der Hinterseite der Blütenblätter; hier sprossen allenthalben lange zarte Far- ne empor, und unter Fichten und fede- rigen Bambusstauden war die Erde mit dichtem, farnähnlichem Moos bedeckt. Hier bildete auf einem Baum eine Schlingpflanze einen Wasserfall sternähnlicher Blumen, Blumen von üppigem Duft, und dann kam plötzlich durch die Stille ein tiefer, voller, wilder Klang, der Ruf eines Vogels, laut und deutlich in seiner Lieblichkeit.
Pearl S. Buck, Die Frau des Missionars
.
|
Brita
antwortete am 10.05.01 (12:15):
Helle
Graue Tage, wo die Sonne sich wie eine blasse Nonne hat gebärdet, sind nun hin. Blauer Tag steht blau da oben, eine Welt ist frei erhoben, Sonn' und Sterne blitzen drin.
Alles das vollzog sich stille, ohne Lärm, als großer Wille, der nicht Federlesens macht. Lächelnd öffnet sich das Wunder, nicht Raketen und nicht Zunder braucht's dazu, nur klare Nacht.
Robert Walser
|
eva
antwortete am 10.05.01 (12:59):
Frühling
Schwermut schauert durch die Schönheit des Frühlings : Überquellende Gärten, flammende Tulpen, Fliederdolden hängen üppig über den Zaun, Kastanien prunken mit blühenden Kerzen und jeder Apfelbaum ist ein rosiger Traum... Aber der Frühlingswind flüstert zwischen den Blättern : - vergänglich, vergänglich - nach der Blüte : Erfüllung, Reife, Ernte und Tod. Leben heisst Sterben, Tod ist Verwandlung, nichts bleibt wie es war ... Apfelblütenblätter treiben im Wind - nütze den Tag.
eKr
|
Heidi
antwortete am 10.05.01 (22:09):
Um auf den Muttertag zurück zu kommen, sollten wir nicht lieber die Kinder "feiern" an diesem Tag?
Kinder Sind so kleine Hände winz’ge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann. Sind so kleine Füße mit so kleinen Zeh’n. Darf man nie drauf treten, könn‘ sie sonst nicht geh’n. Sind so kleine Ohren, scharf, und ihr erlaubt. Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub. Sind so schöne Münder , sprechen alles aus. Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus. Sind so klare Augen, die noch alles sehn. Darf man nie verbinden, könn‘ sie nichts verstehn. Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei. Darf man niemals quälen, geh‘n kaputt dabei. Ist so’n kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht. Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht. Grade klare Menschen wärn ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat hab’n wir schon zuviel. (Bettina Wegner)
|
:-) Heidi
antwortete am 12.05.01 (10:05):
Erich Kästner zum Wochenende :-))
Zeitgenossen, Haufenweise Es ist nicht leicht, sie ohne Haß zu schildern, und ganz unmöglich geht es ohne Hohn. Sie haben Köpfe wie auf Abziehbildern und, wo das Herz sein müßte, Telephon.
Sie wissen ganz genau, daß Kreise rund sind und Invalidenbeine nur aus Holz. Sie sprechend fließend, und aus diesem Grund sind sie Tag und Nacht - auch sonntags - auf sich stolz.
In ihren Händen wird aus allem Ware. In ihrer Seele brennt elektrisch Licht. Sie messen auch das Unberechnenbare. Was sich nicht zählen läßt, das gibt es nicht!
Sie haben am Gehirn enorme Schwielen, fast als benutzten sie es als Gesäß. Sie werden rot, wenn sie mit Kindern spielen, die Liebe treiben sie programmgemäß.
Sie singen nie (nicht einmal im August) ein hübsches Weihnachtslied auf offner Straße. Sie sind nie froh und haben immer Lust. Und denken, wenn sie denken, durch die Nase.
Sie loben unermüdlich unsre Zeit, ganz als erhielten sie von ihr Tantiemen. Ihr Intellekt liegt meistens doppelt breit. Sie können sich nur noch zum Scheine schämen.
Sie haben Witz und können ihn nicht halten. Sie wissen viel, was sie nicht verstehen. Man muß sie sehen, wenn sie Haare spalten! Es ist, um an den Wänden hochzugehn.
Man sollte kleine Löcher in sie schießen! Ihr letzter Schrei wär noch ein dernier cri. Jedoch, sie haben viel zuviel Komplicen, als daß sie sich von uns erschießen ließen. Man trift sie nie.
Erich Kästner
|
Heidi
antwortete am 12.05.01 (10:12):
noch ein Kästnergedicht, weil es so schön zum heutigen Wetter passt
Im Auto über Land
An besonders schönen Tagen ist der Himmel sozusagen wie aus blauem Porzellan. Und die Federwolken gleichen weißen, zart getuschten Zeichen, wie wir sie auf Schalen sahn.
Alle Welt fühlt sich gehoben, blinzelt glücklich schräg nach oben und bewundert die Natur. Vater ruft, direkt verwegen: "'N Wetter, glatt zum Eierlegen!" (Na, er renommiert wohl nur.)
Und er steuert ohne Fehler über Hügel und durch Täler. Tante Paula wird es schlecht. Doch die übrige Verwandtschaft blickt begeistert in die Landschaft. Und der Landschaft ist es recht.
Um den Kopf weht eine Brise von besonnter Luft und Wiese, dividiert durch viel Benzin. Onkel Theobald berichtet, was er alles sieht und sichtet. Doch man sieht's auch ohne ihn.
Den Gesang nach Kräften pflegend und sich rhythmisch fortbewegend strömt die Menschheit durchs Revier. Immer rascher jagt der Wagen. Und wir hören Vatern sagen: "Dauernd Wald, und nirgends Bier."
Aber schließlich hilft sein Suchen. Er kriegt Bier. Wir kriegen Kuchen. Und das Auto ruht sich aus. Tante schimpft auf die Gehälter. Und allmählich wird es kälter. Und dann fahren wir nach Haus.
Erich Kästner
(Internet-Tipp: https://members.tripod.de/spangenberg/gedichte)
|
Herbertkarl Hüther
antwortete am 12.05.01 (10:24):
beginn
fledermaeuse im hirn abriss der spule
geierwallendes tuch aus samt seide um den finger
reben im lassen der ideen laerm ohne not
abseilen der buchstaben im geruch des verfalls
hkh
|
Iris
antwortete am 12.05.01 (13:14):
...und weil Erich Kästner auch sagte: "Es gibt nichts Gutes außer:Man tut es"...
tu ich es hiermit... ;-)...nun noch ein Gedicht von ihm...
Die Entwicklung der Menschheit
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit.Sie sehen fern. Sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne.Sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung.
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehn die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben.
Was ihre Verdauung übrigläßt, das verarbeiten sie zu Watte. Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest. Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest, daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen.
*Dieses Gedicht stammt ja zum Glück aus der Feder eines Mannes ....niemals würde eine Frau wagen... gleiche Worte zu denken...oder... dann Gedachtes sogar noch niederzuschreiben *svggg*... niemals...
|
Heidi
antwortete am 12.05.01 (13:23):
*gg* und weil Kästner so liebenswert "bösartig" ist zu seinen Geschlechtsgenossen noch eines:
Fantasie von Übermorgen
Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein! und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein. Dann zogen sie in jedem Land, wohl vor des Hauptmanns Haus und hielten Stöcke in der Hand und holten die Kerle heraus. Sie legten jeden übers Knie, der diesen Krieg befahl: die Herren der Bank und Industrie, den Minister und General. Da brach so mancher Stock entzwei. Und manches Großmaul schwieg. In allen Ländern gab's Geschrei, und nirgends gab es Krieg. Die Frauen gingen dann wieder nach Haus, zum Bruder und Sohn und Mann, und sagten ihnen, der Krieg sei aus! Die Männer starrten zum Fenster hinaus und sahen die Frauen nicht an...
Erich Kästner
|
Heidi
antwortete am 12.05.01 (13:42):
leider... hat er auch uns Frauen nicht verschont *fg*
Sogenannte Klassefrauen Sind sie nicht pfui teuflisch anzuschauen? Plötzlich färben sich die "Klassefrauen", weil es Mode ist, die Nägel rot! Wenn es Mode wird, sie abzukauen oder mit dem Hammer blau zu hauen, tun sie's auch. Und freuen sich halbtot.
Wenn es Mode wird, die Brust zu färben oder, falls man die nicht hat, den Bauch... Wenn es Mode wird, als Kind zu sterben oder sich die Hände gelb zu gerben, bis sie Handschuhn ähneln, tun sie's auch.
Wenn es Mode wird, sich schwarz zu schmieren... Wenn verrückte Gänse in Paris sich die Haut wie Chinakrepp plissieren... Wenn es Mode wird, auf allen vieren durch die Stadt zu kriechen, machen sie's.
Wenn es gälte, Volapük zu lernen und die Nasenlöcher zuzunähn und die Schädeldecke zu entfernen und das Bein zu heben an Laternen - morgen könnten wir's bei ihnen sehn.
Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln immer auf den ersten besten Mist. Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln! Und sie sind auf keine Art zu zügeln, wenn sie hören, daß was Mode ist.
Wenn's doch Mode würde, zu verblöden! Denn in dieser Hinsicht sind sie groß. Wenn's doch mode würde, diesen Kröten jede Öffnung einzeln zuzulöten! Denn dann wären wir sie endlich los.
Erich Kästner Aus: Ein Mann gibt Auskunft.
|
Georg Segessenmann,alias Georg von Signau
antwortete am 12.05.01 (18:25):
Männerkrieg? (Fortsetzung zu Kästner?)
Die Stöcke zerbrochen lagen in Stücken; Frauen nun zu müde, sich danach zu bücken, Männer an den Fenstern suchten neuen Krieg, hörten aus Kindheit noch: "Maikäfer flieg"! Sie schlichen hinaus, sie schrien wie Helden, wollten sich gern bei den Kriegsherren melden. Als die Frauen schliefen, vom Wachen ermattet, haben sie sich wieder einen Krieg gestattet. Es liegt ihnen im Blut, das Kämpfen um Ehren; und den Frauen, mit Blut sich für Frieden zu wehren!
Schorsch
|
Heidi
antwortete am 12.05.01 (23:43):
zur Nacht:
So schlafe
So schlafe, und mein Aug wird offen bleiben. Der Regen füllt' den Krug, wir leerten ihn. Es wird die Nacht ein Herz, das Herz ein Hälmlein treiben - Doch ists zu spät zum Mähen, Schnitterin.
So schneeig weiß sind, Nachtwind, deine Haare! Weiß, was mir bleibt, und weiß, was ich verlier! Sie zählt die Stunden, und ich zähl die Jahre. Wir tranken Regen. Regen tranken wir.
Paul Celan
|
Heidi
antwortete am 13.05.01 (00:50):
Mögliches Ende des Weges
Warum sich immer mühen? Ich werde dennoch gelebt haben Werde die Wolken betrachtet haben und die Leute Ich habe wenig teilgenommen und dennoch alles kennen gelernt Vor allem nachmittags, da hat es Momente gegeben.
Die Konfiguration der Gartenmöbel Die habe ich sehr gut gekannt, mangels Unschuld nämlich; Den Einkaufsmarkt und die Wege durch die Stadt, Und den reglosen Verdruss der Aufenthalte im Urlaub.
Ich werde hier gelebt haben, an diesem Fin de Siècle, Und mein Weg ist nicht immer nur schwer gewesen (Die Sonne auf der Haut und die Brandwunden des Seins); Ich möchte ausruhen auf dem unbeirrten Gras.
Ich bin so alt und meiner Zeit so nah wie das Gras, Der Frühling erfüllt mich mit Insekten und mit Illusionen Ich werde gelebt haben wie das Gras, gemartert und heiter, In den letzten Jahren einer Zivilisation.
Michel Houellebecq
|
hl
antwortete am 13.05.01 (01:18):
beginn?
anfang ende anfang
zuckerwatte im herz verbrennt schwarz verklumpt im hals
verklebt die stimme der rauch trübt den blick nebelgrau die welt
fieber glüht die zellen verdampfen leer die gedanken
warten auf schaumschläger der neue zuckerwatte formt vielleicht ...morgen?
hl
|
Brita
antwortete am 13.05.01 (09:14):
Hier ein Gedicht (ohne Überschrift)
Ich liege beschaulich An klingender Quelle Und senke vertraulich Den Blick in die Welle; Ich such in den Schäumen, Weiss selbst nicht, wonach? Verschollenes Träumen Wird in mir wach!
Da kommt es gefahren Mit lächelndem Munde Vorüber im klaren Kristallenen Grund Das alte, vertraute, Das Weltangesicht! Sein Aug auf mich schaute Mit tiefblauem Licht.
Wohin ist's geschwommen Im Wellengewimmel? Woher ist's gekommen? Vom blauenden Himmel! Denn als ich ins Weben Der Luft hab gesehn, Da sah ich noch eben Es dort vergehn!
Ich seh es fast immer, Wenn's windstill und heiter, Und stets macht sein Schimmer Die Brust mir dann weiter; Doch wenn sein Begegnen Die Seele bedarf, Wird selbst es im Regnen Mir deutlich und scharf!
Gottfried Keller
|
Heidi
antwortete am 13.05.01 (10:37):
Kleine Stadt am Sonntagmorgen
Kleine Stadt am Sonntagmorgen Das Wetter ist recht gut geraten. Der Kirchturm träumt vom lieben Gott. Die Stadt riecht ganz und gar nach Braten und auch ein bißchen nach Kompott.
Am Sonntag darf man lange schlafen. Die Gassen sind so gut wie leer. Zwei alte Tanten, die sich trafen, bestreiten rüstig den Verkehr.
Sie führen wieder mal die alten Gespräche, denn das hält gesund. Die Fenster gähnen sanft und halten sich die Gardinen vor den Mund.
Der neue Herr Provisor lauert auf sein gestärktes Oberhemd. Er flucht, weil es so lange dauert. Man merkt daran: er ist hier fremd.
Er will den Gottesdienst besuchen, denn das erheischt die Tradition. Die Stadt ist klein. Man soll nicht fluchen. Pauline bringt das Hemd ja schon!
Die Stunden haben kleine Schritte und heben ihre Füße kaum. Die Langeweile macht Visite. Die Tanten flüstern über Dritte. Und drüben, auf des Marktes Mitte, schnarcht leise der Kastanienbaum.
Erich Kästner
Schönen Sonntag an alle :-))
|
eva
antwortete am 13.05.01 (14:54):
Frühlingsseufzer...
Der liebe Mai schenkt nicht nur Flieder; Goldregen rieselt auf uns nieder. Ach, schenkte dieser doch realer mir statt der Blüten - goldne Taler !!
|
Heidi
antwortete am 13.05.01 (19:00):
Frühlingsdank :-))
Gold'ne Taler lieb' ich sehr doch den Flieder noch viel mehr schenkt mir Farb' und süßen Duft ach, ich lieb' die Maienluft!
Wenn der Winter wieder grollt sag, was nützt dann all Dein Gold?
hl
|
Brita
antwortete am 13.05.01 (22:31):
Eine Minute Weisheit
Reichtum
"Wie könnte Spiritualität einem Weltmann wie mir helfen?" fragte der Geschäftsmann. "Sie wird dir helfen, mehr zu haben", sagte der Meister. "Wie?" "Indem sie dich lehrt, weniger zu erstreben."
Liebe
Ein frisch verheiratetes Paar sagte: "Was sollen wir tun, damit unsere Liebe von Dauer ist?" Sagte der Meister: "Liebt gemeinsam andere Dinge."
Sein
Was muss ich tun, um Heiligkeit zu erlangen?" fragte ein Reisender. "Folge deinem Herzen", sagte der Meister. Das schien dem Reisenden zuzusagen. Ehe er jedoch fortging, flüsterte ihm der Meister zu: "Um deinem Herzen folgen zu können, wirst du eine kräftige Konstitution brauchen."
Anthony de Mello: Ein Minute Weisheit
|
Iris
antwortete am 14.05.01 (08:09):
Einen Sommer lang
Zwischen Roggenfeld und Hecken Führt ein schmaler Gang, Süßes,seliges Verstecken Einen Sommer lang.
Wenn wir uns von ferne sehen Zögert sie den Schritt, Rupft ein Hälmchen sich im Gehen, Nimmt ein Blättchen mit.
Hat mit Ähren sich das Mieder Unschuldig geschmückt, Sich den Hut verlegen nieder In die Stirn gedrückt.
Finster kommt sie langsam näher, Färbt sich rot wie Mohn, Doch ich bin ein feiner Späher, Kenn die Schelmin schon.
Noch ein Blick in Weg und Weite, Ruhig liegt die Welt, Und es hat an ihre Seite Mich der Sturm gesellt.
Zwischen Roggenfeld und Hecken Führt ein schmaler Gang, Süßes,seliges Verstecken Einen Sommer lang.
Detlev von Liliencron (1844 - 1909)
|
Heidi
antwortete am 14.05.01 (10:28):
:-)))
immer...
ach, wär's nur einen Sommer lang und fänd ich dort mein Glück ich schaute, glaub's mir lebenslang nur auf den Sommer zurück
hätt' einen Sommer ich voll Liebe ich wollt zufrieden sein auch in des Herbstes grauer Trübe... bin ich nicht gern allein
und in des Winters Frost und Kälte .. wenn das Dunkle ruft nur Liebe mir den Tag erhellte und mich erinnert an Frühlings Duft
im Frühling, ach und im Wonnemonat Mai da wird mein Herz so froh und frei ich liebe und lebe und lache dabei
hl ;-))
|
eva
antwortete am 14.05.01 (18:25):
Alle die schönen Mausegedichte - ich wollte so gerne mitmachen, aber mir fiel partout nichts ein ! So nehme ich eine Anleihe bei Christian MORGENSTERN :
Die Mausefalle.
I.
Palmström hat nicht Speck im Haus, dahingegen eine Maus.
Korf, bewegt von seinem Jammer, baut ihm eine Gitterkammer.
Und mit einer Geige fein setzt er seinen Freund hinein.
Nacht ist´s und die Sterne funkeln. Palmström musiziert im Dunkeln.
Und derweil er konzertiert, kommt die Maus hereinspaziert.
Hinter ihr, geheimerweise, fällt die Pforte leicht und leise.
Vor ihr sinkt in Schlaf alsbald Palmströms schweigende Gestalt.
II.
Morgend kommt v.Korf und lädt das so nützliche Gerät
in den nächsten, sozusagen, mittelgroßen Möbelwaren,
den ein starkes Roß beschwingt nach der fernen Waldung bringt,
wo in tiefster Einsamkeit er das seltne Paar befreit.
Erst spaziert die Maus heraus, und dann Palmström, nach der Maus.
Froh genießt das Tier der neuen Heimat, ohne sich zu scheuen.
Während Palmström,glückverklärt, mit v. Korf nach Hause fährt.
|
sylvia
antwortete am 14.05.01 (19:28):
Mein Herz ruht verträumt in der Sonne meine Seele flattert leicht im Wind meine Gedanken fliegen hoch mit den Vögeln mein Verstand liegt ausgehakt im Gras
Sturm kommt auf
Ich müsste mich beeilen einfangen aufsammeln
Aber mein Wille schläft mit offenem Mund unter dem Fliederstrauch
svr
|
sieghard
antwortete am 15.05.01 (08:47):
Die Zeit ist mein Freund mein Feind
Ich esse ihre Süßfrüchte trinke ihren Wermut
Jede Stunde ist meine Stunde Staunen
[Rose Ausländer 1901 - 1988]
.
|
born
antwortete am 15.05.01 (11:48):
etwas ganz Einfaches:
....daß mein Herz so lind und leicht wie ein Veilchenstrauß sich trägt. Plötzlich überkommt es mich - horch - die erste Amsel schlägt."
|
Heidi
antwortete am 16.05.01 (11:18):
als ich gestern mittag durch die Straßen unserer Kleinstadt zum Dienst ging, fiel mir nachstehendes Gedicht wieder ein:
frühlingserwachen die tage nehmen mit den abgasen zu, abfall häuft sich wieder in wald und flur. ein wunderbar warmer, leicht radioaktiver wind streicht durch unsere straßen, und am sonnabend mehrt sich der ausflugsverkehr. legt euch ins gras und träumt von violettem schnee. (Wolfgang Fienhold)
aus: www.seilnacht.tuttlingen.com/Gedichte/Fienhol2.htm
(Internet-Tipp: https://www.seilnacht.tuttlingen.com/Gedichte/Fienhol2.htm)
|
Iris
antwortete am 16.05.01 (12:42):
Heidi...zu deinem gedicht passt nun auch noch das folgende...
wegwerfgesellschaft
vom auto ein paar schritte träg im mund die zigarette schräg walkmann-popgedresch im ohr aus dem rock bleckt BILD hervor
zuhaus vorm fernsehkasten stier griffbereit die dose bier ohne antwort ohne frage spiesserdasein heutzutage
Gerhard Rühm *1930
|
sylvia
antwortete am 16.05.01 (13:18):
Noch was Passendes gefällig?
Im Rahmen der allgemeinen Rationalisierungsbestrebungen und eingedenk dessen dass Rohstoffe knapp werden haben der Präsident eines renomierten Oelkonzerns und der Inhaber einer Oelsardinenfabrik beschlossen zu fusionieren
Die Oeltanker werden in Zukunft ihre Havarien in die Sardinenfanggründe verlegen
svr
Des Menschen Seele gleicht dem Wasser vom Himmel kommt es zum Himmel stinkt es mancherorts
So gesehen schlechte Referenzen
svr
|
sylvia
antwortete am 16.05.01 (13:22):
Und dennoch:
Unter des Mondes milchweissem Licht finden traumverhangene Augen keinen Schlaf streichelt milde Luft die warme Haut und spröde Lippen werden weich wenn sie von schimmernden Blüten den Mondtau küssen liegen sanfte Hände auf rauher Rinde verströmen Zärtlichkeit
Und die Brust wird weit wenn sie herben Erdgeruch atmet
Verhaltene Sehnsucht wird laut
Es ist Mondnacht und Mai
svr
|
Georg Segessenmann
antwortete am 16.05.01 (16:18):
Zu Iris`s "Wegwerfgesellschaft" passt noch:
Modern times
Hurenstrich und Saufgelage, goldner Schuss am Rockkonzert, und am Schluss die stumme Frage: "War es dies nun wirklich wert?"
August 1993, Schorsch *1932
|
Heidi
antwortete am 17.05.01 (10:29):
Erinnerung an vergangene Urlaubszeiten, als das Mittelmeer noch blau war
blauweiße Stille
Sehnsucht nach dem Meer in den weichen blauen Wellen schaukeln rings um mich nur blaues Wasser und weisser Schaum über mir nur blauer Himmel und weiße Wolken das sanfte Plätschern und der Ruf der Möwen sonst nichts Stille
hl
|
Heidi
antwortete am 17.05.01 (10:38):
Umweltschutz Endlich ist einer großen Farbenfabrik der durchschlagende Erfolg im Kampf gegen die Umweltverschmutzung gelungen Ab Stromkilometer 475 ist der Fluss blau wie das Mittelmeer (Hermann Spix)
Was für ein Geschlecht sind wir Das Meer fanden wir vor unberührt Erst zu unserer Zeit Mussten wir fürchten, Fische zu essen. (Bertolt Brecht)
Beides aus www.seilnacht.tuttlingen.com/Gedichte/... s.o.
|
sieghard
antwortete am 17.05.01 (14:27):
An Amor
Amor, soll mich dein Besuch Einst erfreuen - - O so lege dein Gefieder Und die ganze Gottheit nieder. Diese möchte mich erschrecken, Jenes möchte Furcht erwecken, Furcht, nach flatterhaften Küssen, Meine Phyllis einzubüßen. Komm auch ohne Pfeil und Bogen, Ohne Fackel angezogen... Stelle dich, um mir lieb zu sein, Als ein junger Satyr ein.
[Gotthold Ephraim Lessing 1729 - 1781]
.
|
Iris
antwortete am 17.05.01 (20:52):
Drei Schlagworte
Wie heißt das Wort,das in der halben Welt Man gleichbedeutend mit dem Gelde hält, Doch mit dem Geld,das stets im Säckel bleibt, Und schon von selbst die besten Zinsen treibt? Es ist, es heißt die,die,die,die Die teure Bourgeoisie!
Wie heißt das Wort, das in der halben Welt Man gleichbedeutend mit dem Elend hält, Doch mit dem Elend,das mit wackrem Mut Die schwere,große Arbeit tut? Es ist,es heißt,der,der,der,der, Es heißet:Proletarier!
Wie heißt das Wort,das in der halben Welt Man gleichbedeutend mit Utopien hält, Doch mit Utopiein,ähnlich Morgenlicht, Das licht und warm zu jedem Herzen spricht? Es ist,es ist mein Ideal, Das große Wort,es heißt:sozial!
Friederike Kempner (1836 - 1904)
|
Brita
antwortete am 17.05.01 (21:36):
Wer versteht dieses Gedicht?
Die Visite
Als ich aufsah von meinem leeren Blatt, stand der Engel im Zimmer.
Ein ganz gemeiner Engell, vermutlich unterste Charge.
Sie können sich gar nicht vorstellen, sagte er, wie entbehrlich Sie sind.
Eine einzige unter fünfzehntausend Schattierungen der Farbe Blau, sagte er,
fällt mehr ins Gewicht der Welt als alles, was Sie tun oder lassen,
gar nicht zu reden vom Feldspat und von der Großen Magellanschen Wolke.
Sogar der gemeine Froschlöffel, unscheinbar wie er ist, hinterließe eine Lücke, Sie nicht.
Ich sah es an seinen hellen Augen, er hoffte auf Widerspruch, auf ein langes Ringen.
Ich rührte mich nicht. Ich wartete, bis er verschwunden war, schweigend.
Hans Magnus Enzensberger
|
Heidi
antwortete am 18.05.01 (08:45):
vermutlich versteht jeder dieses Gedicht anders :-)
hier 2 weitere Gedichte von Enzensberger und unter u.a. Adresse gibt es einen interessanten Text über ihn
Lebenslauf
später erfuhr ich, daß es ein freitag war, da ich herausfuhr, schreiend, aus meinem sarg, aus meiner mutter. zwischen meiner verräterischen geburt, besiegelt von öl und wasser und salz, und meinem eingeborenen tod, in dieser langen weile zwischen freitag und aberfreitag ward ich geimpft und gefirmt und gemustert. für glück galt das lakierte gesicht der gewalt. einmal im jahr hat der schnee gewechselt. mein totenhemd tauschte ich täglich. ich habe die vier striche des himmels bemerkt. meine worte sind davongefahren auf einem wind. kein ruhm, kein feuer hat mich verzehrt. abends ist meine leber schwer wie feldstein, und wenn es freitag wird, höre ich ein geschrei, als schrie ich in meinem weißen hemd, wie vor langer weile, zur stunde meiner geburt. dann schlafe ich mürrisch ein und denke: das geht mich nichts an. es wird ein anderer krieg sein, ein anderer toter hund, nicht ich, wird zum mond geschossen, verscharrt im entgeisterten, schreienden raum.
Text von Hans Magnus Enzensberger
A
Bevor du B sagst, verweile doch, horch, bedenk, was du gesagt hast. Ein Vokal,der wenig bedeutet, viel in Bewegung setzt. Einmal den Mund aufgemacht, und du treibst deine sterbliche Hülle zu Leistungen an von kosmischer Komplexität: ganze Kaskaden von Reizen, Berechnungen, Turbulenzen, hinter dem Rücken dessen, der Ich ist – vom Gehirn, das nicht redet und jeder Wissenschaft spottet, zu schweigen.
https://www.freitag.de/1999/46/99461301.htm
(Internet-Tipp: https://www.freitag.de/1999/46/99461301.htm)
|
sieghard
antwortete am 18.05.01 (09:22):
Im Kerker
Man brachte mich ins Verlies ich weiß nicht warum
Was sind Sie ein Dichter ist nichts was sind Sie in Wahrheit
In meiner Zelle erzählte ich der jungen Frau Märchen Gedichte sie lernte sie leicht
Aus lehmigem Brot machten wir Schachfiguren spielten bis das Auge im Guckloch erschien Spielen verboten Lesen und Schreiben verboten
Zehn Minuten im Hof der Himmel eine blaue Legende Weiß winkte eine Wolke: deine Mutter wartet
(Rose Ausländer 1901 - 1988)
Aus: Gesammelte Werke, Bd. 5, Fischer Verlag, derzeit vergriffen
Während des 2. Weltkriegs zwi- schen Nov 1940 und Feb 1941 wegen angeblicher Spionage war sie in sowjetischer Haft. Sie schwieg darüber, außer in die- sem Gedicht von 1979
.
|
Georg Segessenmann
antwortete am 18.05.01 (10:33):
Antwort für Brita
Merke: Einiges braucht nicht verstanden zu werden - es genügt wenn es von möglichst vielen gelesen wird!
Schau doch mal, was unter "moderner Literatur" so alles verstanden wird. Wenn Du von möglichst vielen gelesen werden möchtest, dass schreibe so, dass nicht jeder "Gemeine Leserling" es auf Anhieb versteht. Wenn ihm dann nach Stunden des Sinnierens der Kopf schwirrt, gibt er resigniert auf und denkt: "Was bin ich doch für ein unsäglich dummer Mensch - und was für ein Genie muss doch der Schreiber sein, dass ich seine Schreibe nach noch so vielen Versuchen nicht begriffen habe. Hebt ihn aufs Podest der Unsterblickeit!" Ja, so wird man unsterblich - aber nur auf dem Papier. Und vielleicht kommen dann nach Generationen Menschen, die endlich begreifen, dass der Unsterbliche nichts Unsterbliches an sich hatte - sondern nur Unverständliches!
Gruss
Schorsch
P.S. Das ist nicht nur in der Literatur so, sondern in jeder Form, die sich Kunst nennt.
|
Georg Segessenmann
antwortete am 18.05.01 (10:37):
Liebe Britta Da noch ein P.S. zum P.S.: Lies doch mal die Kurzgeschichte "Korsebejewska" auf meiner Hompage
/seniorentreff/de/fr-georg.html
Vielleicht wird Dir dann einiges klarer!
Schorsch
|
Brita
antwortete am 18.05.01 (11:05):
Lieber Schorsch, das Gedicht von Hans Magnus Enzensberger hat mich sehr beeindruckt und ich habe mir Gedanken gemacht, was mit dem Erscheinen des Engels ausgedrückt werden soll. Ich habe für mich eine Antwort gefunden, wollte aber hören - was Andere darüber denken. Ich bin übrigens sehr dankbar für zwei www.Seiten, in denen ich sehr viel über diesen mutigen Künstler(Zeitzeuge)nachlesen konnte. Deine Kurzgeschichte werde ich auch noch studieren. Schönen Gruß an alle, Brita
|
Brita
antwortete am 19.05.01 (21:25):
Hörst du wie die Brunnen rauschen, Hörst du wie die Grille zirpt? Stille, stille, lass uns lauschen, Selig, wer in Träumen stirbt. Selig, wen die Wolken wiegen, Wem der Mond ein Schlaflied singt, O wie selig kann der fliegen, Dem der Traum den Flügel schwingt, Dass an blauer Himmelsdecke Sterne er wie Blumen pflückt: Schlafe, träume, flieg', ich wecke Bald Dich auf und bin beglückt.
Clemens von Brentano
|
Heidi
antwortete am 19.05.01 (23:27):
hörst du?
hörst du wie die stille schreit? nur das rauschen deines blutes das müde klopfen deines herzens übertönt noch die stille deines zimmers und das gelächter des schlafes mischt sich mit dem wehklagen des traumes und du fieberst dem morgen entgegen und dem licht
hl
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (00:42):
Abendlied
Warum, ach sag, warum geht nun die Sonne fort? Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht, das kommt wohl von der dunklen Nacht, da geht die Sonne fort.
Warum, ach sag, warum wird unsere Stadt so still? Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht, das kommt wohl von der dunklen Nacht, weil sie dann schlafen will.
Warum, ach sag, warum brennt die Laterne so? Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht, das kommt wohl von der dunklen Nacht, da brennt sie lichterloh!
Warum, ach sag, warum gehn manche Hand in Hand? Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht, das kommt wohl von der dunklen Nacht, da geht man Hand in Hand.
Warum, ach sag, warum ist unser Herz so klein? Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht, das kommt wohl von der dunklen Nacht, da sind wir ganz allein.
Wolfgang Borchert
|
Brita
antwortete am 20.05.01 (09:00):
Der stille Punkt
Hätten wir den stillen Punkt in uns gefunden, wären die Armeen nicht nötig, Worte würden ausreichen, Hände würden Hände berühren, weil es nichts zu verteidigen gäbe.
Der erhobene Zeigefinger würde seine Drohung verlieren, und ebenso still würden wir begreifen, dass er nach oben zeigt, auf den stillen Punkt über uns.
Ulrich Schaffer
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (09:30):
Mal relaxen können wie eine Maus in der Falle
In den meisten Fällen enden wir als senile gutmütige Narren, hin und her geschoben von einer rosigen Kranken- schwester, die uns an- blafft, weil die Bettpfanne wieder rand- voll ist. Es sei denn, es nimmt ein gewaltsames Ende - ein Finish, in dem noch einmal alles an uns vorüberzuckt: Mahagoni- farbene Sonnenstrahlen, Girls am Strand, Platt- füße, Haarschnitte, rasselnde Wecker, ein rasender Puls. Egal wie, es kommt nie richtig zusammen. Ich gehe in Bars, durch leere schmale Seiten- straßen, ins Wettbüro, frage mich, was ich eigentlich will, und denke wehmütig an Urwälder voll Kletter- pflanzen und ähnliche Dinge, z.B. an Mäuse, die sich mit den Vorder- pfoten die Nase putzen. Ich sehe mir die Leute an, aber sie sind alle beschäftigt mit Dingen, die ein Spinner wie ich für Unfug hält: Ein Haus abstottern, von da nach dort kommen, Geld verdienen und darüber reden. Das einzige wovon man etwas hat, ist wahrscheinlich rücksichtslos zu schlafen, aber auch das geht nicht lange genug gut - überall werfen sie Preßlufthämmer an, die Kirchenglocken juckt der Schweiß der Beter, die Bienen stechen, die Fenster gleißen, Boote kentern und verfüttern ihren Inhalt an die Haie, nur Kanonen schlafen ungestört in Museen. Ich gehe weg von allem, habe nichts gelernt, weiß jeden Tag weniger, meine Hände werden magnetisch ange- zogen von meiner Kehle, meine Füße tragen mich voran wie bewußtlose tierische Extremitäten, in Gegenden hinein, wo es schimmelt und gärt, in eine behagliche Hölle, voll von Grünzeug, Ranken und Lianen, und dafür danke ich ihnen auf den Knien.
Charles Bukowski
|
Rosmarie S
antwortete am 20.05.01 (17:38):
Ein herzliches Hallo und Dankeschön an alle, die die stillen Mitleser (wie mich) hier so bereichern und erfreuen!
Mir fällt auf, dass eine große Anzahl der geposteten Gedichte einen (mit-)leidenden Blickwinkel auf die Welt zeigt. Versteht mich bitte nicht so, dass dies kritisierend gemeint ist. Ich sehe dies völlig wertneutral. Aber für mich sind Gedichte der Spiegel der Welt oder der Menschen. Meint ihr, dass wir Älteren uns dem Schmerz stärker stellen als Jüngere? Leiden wir mehr unter der Welt, vielleicht, weil wir mehr unter uns selbst und unserem Abbau, unserer Endlichkeit oder Beschränktheit leiden? Hat uns das Leben kritischer gemacht? Sind wir illusionsloser geworden? Lässt die Lebensbegeisterung nach? Gibt es nicht mehr soviel, worüber wir erfreut und beglückt sind?
Oder hatten Gedichte schon immer mehrheitlich eine Aussage, die nicht auf glücklichen Empfindungen beruhte? Was meint ihr?
Herzlichen Gruß Rosmarie
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (21:06):
Rede vom Gedicht
Das Gedicht ist nicht der Ort, wo die Schönheit gepflegt wird. Hier ist die Rede vom Salz, das brennt in den Wunden. Hier ist die Rede vom Tod, von vergifteten Sprachen. Von Vaterländern, die eisernen Schuhen gleichen.
Das Gedicht ist nicht der Ort,wo die Wahrheit verziert wird. Hier ist die Rede vom Blut, das fliesst aus den Wunden. Vom Elend, vom Elend, vom Elend des Traums. Von Verwüstung und Auswurf, von klapprigen Utopien.
Das Gedicht ist nicht der Ort, wo der Schmerz verheilt wird. Hier ist die Rede von Zorn und Täuschung und Hunger (die Stadien der Sättigung werden hier nicht besungen). Hier ist die Rede von Fressen, Gefressenwerden von Mühsal und Zweifel, hier ist die Chronik der Leiden.
Das Gedicht ist nicht der Ort, wo das Sterben begütigt wo der Hunger gestillt, wo die Hoffnung verklärt wird. Das Gedicht ist der Ort der zu Tode verwundeten Wahrheit. Flügel! Flügel! Der Engel stürzt, die Federn fliegen einzeln und blutig im Sturm der Geschichte!
Das Gedicht ist nicht der Ort, wo der Engel geschont wird.
Christoph Meckel
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (21:25):
Hallo, Rosmarie :-)
vorhergehendes Gedicht nur als Beispiel für das was ich zu Gedichten zu sagen habe. Gedichte sind ein Spiegel von Empfindungen, Gefühlen, Momentaufnahmen, allerdings: der Spiegel ist verzerrt oder besser ausgedrückt, Gedichte sind Karrikaturen: jedes Gefühl wird verstärkt ausgedrückt, ob Liebe oder Leid, die Vernunft kommt in Gedichten nicht zum Ausdruck (wäre ja auch langweilig). Gedichte sind die Essenz von Gefühlen denen dann noch, um der Form willen oder des Ausdrucks oder des Reimes, Worte hinzu gefügt werden. Ich habe schon einige Male versucht, auch dies in meinen Gedichten auszudrücken " das bin nicht ich, ist nur ein Gedicht". Aber Leserin oder Leser neigt dazu, den Dichter mit seinen Gedichten zu identifizieren. :-).
Abschließend: über Liebe oder Leid schreibt es sich natürlich am besten. Gedichte über den Alltag will kaum einer lesen.
Herzlichen Gruß, Heidi
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (21:57):
Noch ein Nachsatz: Oben gesagtes trifft nicht auf zeit- sozial- oder gesellschaftskritische Gedichte zu.
Natürlich alles nur meine eigene Meinung und nicht allgemein gültig. :-)
|
Brita
antwortete am 20.05.01 (22:01):
Sehr bereichernd finde ich Eure Fragen und Antworten
Erinnerung an Angelika
Ich denk an Bamberg im September der Sommer drehte sich im Fluss nur in Dir war schon Dezember
Dein Atem lag auf Steinen Du konntest nicht mehr weinen Die Speere stachst Du gegen Dich bis Du daran verblutet bist
Deine Sprache war das Schweigen Nie hast Du was von Dir erzählt ein stummer Vogel in den Zweigen
Dein Schmerz fiel keinem auf Du legtest Stille drauf Die Speere stachst Du gegen Dich bis Du daran verblutet bist
Wie fremdes Land so war Dein Leben zu wenige Blumen auf dem Weg Zuviel Liebe hast Du vergeben
Versprechen wurden viele gemacht nur an Dich hatte niemand gedacht Die Speere stachst Du gegen Dich bis Du daran verblutet bist
Gabrielle Gisela Traut
|
Rosmarie S
antwortete am 20.05.01 (22:10):
Hallo Heidi,
was du antwortest, leuchtet mir ein. Ich finde es auch gut, dass es so ist, z.B. "...jedes Gefühl wird verstärkt ausgedrückt, ob Liebe oder Leid, die Vernunft kommt in Gedichten nicht zum Ausdruck (wäre ja auch langweilig). Gedichte sind die Essenz von Gefühlen..." Nein, dass die Dichterin oder der Dichter so sind wie ihr Gedicht, das habe ich nicht angenommen. Höchstens, dass der Dichtende in diesem Moment für diesen Ausschnitt von Gefühlen besonders offen ist... Da du, liebe Heidi, hier besonders viel beiträgst und ich immer Gewinn daraus ziehe, möchte ich mich bei dir noch einmal extra bedanken! Ich selbst habe nur wenige Gedichte gemacht, liebe aber alles Poetische, sozusagen als Verdeutlichung oder Hervorhebung dessen, was Leben ist. Was mir aber an mir auffällt, ist, dass ich mich, wenn es aus eigenem Antrieb geschieht, nur noch ausschließlich mit Gedichten mit positivem Lebensgefühl beschäftige. Durch die vielen nachdenklichen und negative Zustände anprangernden Gedichte hier, kam ich ins Grübeln, ob ich vielleicht nur noch oberflächlich bin. Aber bei mir könnte dies daran liegen, dass meine Leidensfähigkeit erschöpft ist, meine freiwillige natürlich. Aber seht dies bitte, bitte nicht als Wink mit dem Zaunpfahl an, mehr Heile-Welt-Gedichte zu schicken! So ist es nicht gemeint. Denn ich profitiere sehr von allen, von dieser ganzen Bandbreite! Mein Posting sollte nur die Rückmeldung einer ja eher schweigsamen Mit-Genießerin darüber sein, was diese vielen bewegenden Gedichte an Nachdenken in mir in Gang setzen.
Herzlichen Gruß Rosmarie
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (22:43):
Liebe Rosmarie, ich glaube, neben mir, freut sich auch jeder andere Schreiber hier in diesem Thema über Dein Feedback... Dankeschön!
|
Heidi
antwortete am 20.05.01 (22:48):
Sprich aus der Ferne Heimliche Welt, Die sich so gerne Zu mir gesellt!
Wenn das Abendrot niedergesunken, Keine freudige Farbe mehr spricht, Und die Kränze still leuchtender Funken Die Nacht um die schattichte Stirne flicht: Wehet der Sterne Heiliger Sinn Leis durch die Ferne Bis zu mir hin.
Wenn des Mondes still lindernde Tränen Lösen die Nächte verborgenes Weh; Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen Schiffen die Geister im himmlischen See. Glänzende Lieder Klingender Lauf Ringelt sich nieder, Wallet hinauf.
Wenn der Mitternacht heiliges Grauen Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht Und die Büsche gar wundersam schauen, Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt: Wandelt im Dunkeln Freundliches Spiel, Still Lichter funkeln, Schimmerndes Ziel,
Alles ist freundlich wohlwollend verbunden, Bietet sich tröstend und trauernd die Hand, Sind durch die Nächte die Lichter gewunden, Alles ist ewig im Innern verwandt. Sprich aus der Ferne, Heimliche Welt, Die sich so gerne Zu mir gesellt.
Clemens Brentano
|
sylvia
antwortete am 21.05.01 (00:02):
Liebe Rosmarie
ich denke, dass jedes Thema, jedes Gefühl, jede Empfindung durch lyrische – eben verdichtete Form – ausgedrückt werden kann, soll und darf. Würden wir Schreibenden uns nur über den Unrat dieser Welt auslassen, würde das auch niemand mehr lesen wollen. Ich gehe nicht ganz einig mit Heidi, wenn sie sagt, Vernunft komme nicht zum Ausdruck in Gedichten und Gedichte wären allesamt Karikaturen. Vernunft kann sehr wohl zum Ausdruck kommen, und manche finden das nicht langweilig... Ob Gedichte immer Spiegel der eigenen Empfindungen, Gedanken sind, ist eine andere Frage. Manchmal sind sie’s, manchmal nicht. Die besten Texte habe ich immer in Zeiten des Umbruchs, der Trauer oder andrer innerer Not geschrieben. Dabei sind Texte der düsteren, wie auch der heiteren Art entstanden. So wie das Leben - die Welt - Düsteres, Schlimmes, Schreckliches, aber auch Gutes, Heiteres, Befreiendes bietet, so sollen und dürfen auch unsre Gedichte sein. Du sollst Dich getrost auch mit „Heile-Welt-Gedichten“ auseinandersetzen. Auch Freude im Leben darf sein, selbst wenn uns bewusst ist, dass wir nicht in einer wirklich heilen Welt leben. Aber deswegen sich nur auf Trübsal und Grübelei zu verlegen – was bringt's der Welt und Dir? Lass Dich auf alle Arten von Gedichten ein. In unserm Forum - vor allem in eigene Lyrik - wird ja in letzter Zeit auch ganz schön geblödelt. Und keiner, oder keine dies tut, will darin wirklich ernst genommen werden. Sie wollen erheitern. Das ist auch legitim. Herzlich Sylvia
|
Iris
antwortete am 21.05.01 (01:00):
...gesucht...und gefunden...eine Antwort für Rosmarie...
Drei Arten Gedichte aufzuschreiben
1. Ein trockenes Flußbett ein weißes Band von Kieselsteinen von weitem gesehen hierauf wünsche ich zu schreiben in klaren Lettern oder eine Schutthalde Geröll gleitend unter meine Zeilen wegrutschend damit das heikle Leben meiner Worte ihr Dennoch ein Dennoch jedes Buchstabens sei
2. Kleine Buchstaben genaue damit die Worte leise kommen damit die Worte sich einschleichen damit man hingehen muß zu den Worten sie suchen in dem weißen Papier leise man merkt nicht wie sie eintreten durch die Poren Schweiß der nach innen rinnt Angst meine unsere und das Dennoch jedes Buchstabens
3. Ich will einen Streifen Papier so groß wie ich ein Metrer sechzig darauf ein Gedicht das schreit sowie einer vorübergeht schreit in schwarzen Buchstaben das etwas Unmögliches verlangt Zivilcourage zum Beispiel diesen Mut den kein Tier hat Mit-Schmerz zum Beispiel Solidarität statt Herde Fremd-Worte heimisch zu machen im Tun
Mensch Tier das Zivilcourage hat Mensch Tier das den Mit-Schmerz kennt Mensch Fremdwort-Tier Wort-Tier Tier das Gedichte schreibt Gedicht das Unmögliches verlangt von jedem der vorbeigeht dringend unabweisbar als rufe es "Trink Coca-Cola"
Hilde Domin (*1912)
|
Heidi
antwortete am 21.05.01 (01:43):
Danke, Iris, das war auch für mich eine Antwort..
|
Georg Segessenmann
antwortete am 21.05.01 (08:28):
Ja, liebe MitmacherInnen, da werden sich wohl auch unsere Nachkommen noch darüber streiten, was ein gutes Gedicht sei.
Betreffs Blödeln: Da kommt mir der Clown schlechthin in den Sinn, der immer dann am lustigsten ist, wenn er traurig ist!
Gruss
Schorsch
|
sieghard
antwortete am 21.05.01 (08:55):
Holde Gattin, dir zur Seite fließen sanft die Stunden hin. Jeder Augen- blick ist Wonne, keine Sorge trübet sie. Teurer Gatte, dir zur Seite, schwimmt in Freuden mir das Herz. Dir gewidmet ist mein Leben, deine Liebe sei mein Lohn.
Der tauende Morgen, o wie ermun- tert er! Die Kühle des Abends, o wie er- quicket sie! Wie labend ist der runden Früchte Saft! Wie reizend ist der Blumen süßer Duft! Doch ohne dich, was wäre mir -
Der Morgentau, Der Abendhauch, Der Früchte Saft, Der Blumen Duft.
Mit dir erhöht sich jede Freude, mit dir genieß' ich doppelt sie, mit dir ist Seligkeit das Leben, dir sei es ganz geweiht!
[Aus Haydns Schöpfung]
.
|
:-) Heidi
antwortete am 21.05.01 (14:59):
Ereignisse Welle sein schäumend im sanften Murmeln deines Blutes Dämmern am Rand deines Seins kauern, das Haar zerfließend an deiner Schulter gehalten vom Streicheln deiner Hand Sprachlos flüstern längstgesagter Worte altbekannt seit der ersten Paarung eines Mannes und einer Frau die einer im anderen die Welt entdecken. Sanftes Tier sein das dich sucht mit offenen Augen und denkt das Leben ist schön und stark und unerwartet neu. (Gioconda Belli)
|
waltraud
antwortete am 21.05.01 (15:06):
Hallo, die Diskussion über Inhalt und Form usw. eines Gedichtes möchte ich ergänzen. Ich fand von Kevin Stützel, einem jungen Lyriker aus Thüringen folgendes:
Relation eines Gedichtes
In jenem Moment, in dem du diesen Stift in der noch so jungen Hand hältst Stirbt etwas
In dieser Minute in der du diese Zeile beendest, leidet etwas
Es könnten die 30.000 Kinder sein, die eben verhungerten, während du über die Schönheit des Herbstes schreibst, es kann der erfrorene Bettler sein, oder auch du, oder ein Teil, ein Teil des Films, des Films im Kopf, der Ewigkeit
aus:Spiegelwelt, im Eigenverlag Kontakt:Postfach 1223, 36453 Barchfeld
|
Heidi
antwortete am 21.05.01 (15:20):
.. und im gleichen Moment lieben sich Menschen, werden Kinder geboren, erblüht eine Rose..... auch, damit diese kleinen Schönheiten des Lebens nicht verloren gehen, werden Gedichte geschrieben, wie z.B. dieses hier:
Weil du ein Mensch bist weil ein Mensch eine Muschel ist die manchmal tönt weil du in mir tönst als wär ich eine Muschel weil wir uns kennen ohne Namen und Samen weil das Wort Welle ist weil du Wort und Welle bist weil wir strömen weil wir manchmal zusammenströmen Wort Welle Muschel Mensch (Rose Ausländer)
Quelle: https://www.seilnacht.tuttlingen.com/Gedichte/Ausl7.htm
(Internet-Tipp: https://www.seilnacht.tuttlingen.com/Gedichte/Aus17.htm)
|
sylvia
antwortete am 21.05.01 (16:51):
Lieber Hans-Jürgen, wenn Du denkst, die reimlose Lyrik wäre eine Eirfindung der modernen Zeit, irrst Du. Der vielgepriesene Herr von Goethe hat eine ganze Menge "Ungereimtes" geschrieben (Prometheus, Ganymed, Das Göttliche (Edel sei der Mensch, hilfreich und gut....), Grenzen der Menschheit, etc... Auch Hölderlin, Klopstock schrieben reimlose Lyrik. Ich denke, nicht der Reim ist ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist, ob ein Text einen Sinn macht, ob die Aphorismen stimmen, ob ein Dichter oder eine Dichterin die Sprache beherrscht, das heisst, auch über einen grossen Wortschatz verfügt, ob Lesende sich eine Vorstellung vom Inhalt machen können, wobei diese Vorstellungen sehr unterschiedlich sein können und dürfen. Fluss und Rhythmus der Sprache sind für mich auch wichtig. Dann dürfen Wortfolgen, Wortstellungen, Worformen auch einmal unkonventionell und gegen alle grammatikalischen Regeln sein. Bei gereimten Gedichten wird und wurde schon in alten Zeiten die Sprache hin und wieder bis an die Grenze des Erträglichen verbogen, nur um des lieben Reimes willen. Und auch in gereimter Form wurde und wird so manches Ungereimte geschrieben. Ich denke, ein Gedicht darf auch schlicht ein Wort- und Gedankenspiel sein. Hans-Jürgen, wenn Du gereimte Lyrik lieber magst, sei Dir das unbenommen. Lies sie, geniesse sie. Ich denke, wer Gedichte gerne liest, mag sie, ich auch, sogar sehr! Ich mag es aber nicht, wenn Du alles, was sich nicht reimt, in die Ecke stellst und auszählst: Die haben weder Rhythmus, noch Reim, noch irgendeine Form, schon gar keinen verständlichen Inhalt. Das mag ich nicht, weil ich auch "Ungereimtes" schreibe, mich somit auch betroffen fühle. Und ich finde, ich habe schon ein paar gute, verständliche, rhythmisch wohlgeformte Sachen geschrieben. Oh, nicht nur ich! Wenn Du Dich weiter umsiehst und auch in den Archiven blätterst, wirst Du Gedichte finden von Forum-Leuten, die ungereimt und "schön", verständlich, ernst zu nehmend, interessant, zu Herzen gehend, düster, heiter, lustig, verspielt sind. Auch Stuss ist dabei, zugegeben. Aber es gibt auch jede Menge gereimten Stuss!
Herzlich grüsst Dich
Sylvia
|
Heidi
antwortete am 21.05.01 (17:14):
*g* hier ein "gedicht" speziell für Hans-Jürgen
Wortbrei
gries und milch ergibt griesbrei
grosse geister formen kleinliche weisheit
nebel verdeckt wahrheit zucker süßt nur den brei
über den bergen ist die luft klarer
abschied vom dunstigen tal
die füchsin wechselt das revier während der frühling die fanfare putzt um mit hochglanz die natur zu preisen
hl
Copyright(c) Heidi Lachnitt
(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/hp/lachnitt/wortbrei.html)
|
Heidi :-)))
antwortete am 21.05.01 (17:36):
Sorry, Hans-Jürgen *gg* es sollte doch dieses sein:
Freude
Ich sing dir ein Lied von Liebe und Freud' und werde beides nimmermehr leid
Das Leben ist Liebe und Lieben ist Freud' wenn sich's dann auch noch reimt hat's mich gefreut!
hl
Copyright(c) Heidi Lachnitt
|
Heidi
antwortete am 21.05.01 (17:40):
Falls jemand den Eintrag sucht: die letzten drei Beiträge beziehen sich auf den Eintrag von Hans-Jürgen in 'Eigene Lyrik' :-)
|
Rosmarie S
antwortete am 21.05.01 (20:08):
Hallo miteinander,
leider kann ich mich heute nur noch ganz kurz für die anregenden Antworten bedanken. Ich muss - Ironie des Schicksals? :-))) - nämlich noch an meinem langen Gedicht zum 80. Geburtstag meiner Tante feilen (leider ohne jeden künstlerischen Anspruch, aber der Versuch einer Anerkennung und Liebesbezeugung... :-))). Aber ich habe jeden Gedanken von euch aufgenommen und dadurch auch neue Anregungen zum Nachdenken erhalten. Auch die Diskussion um Gereimtes oder Ungereimtes finde ich interessant! Ich selbst liebe zwar mehr das Gereimte, bin aber überzeugt, dass Ungereimtes durchaus aussageintensiver und künstlerischer sein kann. Ich freue mich schon auf weitere Gedichte und auch Kommentare!
Herzliche Grüße in die dichtende und denkende Runde!
|
eva
antwortete am 22.05.01 (19:22):
Kritik des Herzens
Es wohnen die hohen Gedanken In einem hohen Haus. Ich klopfte, doch immer hieß es : Die Herrschaft fuhr eben aus !
Nun klopf ich ganz bescheiden Bei kleineren Leuten an. Ein Stückel Brot, ein Groschen Ernähren auch ihren Mann.
Wilhelm Busch
|
eva
antwortete am 24.05.01 (16:08):
Ungelöste Fragen
Abends, wenn die Gassen dunkel werden, oder Mondschein liegt auf den Dächern der Stadt, mag sein, der Regen klopft an die Fenster - dann flackert in den Fenstern der Häuser das blaue Licht der TV-Apparate.
Auch ich folge betulich dem täglichen Ritual : ein bequemer Sessel, ein Polster im Kreuz, auf dem Tisch ein Glas Rotwein.
Aus dem Fernsehprogramm der täglichen Zeitung suche ich mir einen schönen blutigen Krimi.
Ich sehe so gerne subtile Dramatik mit gewissen brutalen Aspekten; dazu den sensiblen Kommissar, neuerdings auch Kommissarin.
Während die Handlung sich aufbaut, die Fäden sich knüpfen, der plot sich entwickelt (die Blondine schaut so verdächtig !) - - Schweißausbrüche vor Spannung, es sträubt sich das Haar, man kaut an den Fingernägeln - senkt sich Schlummer auf meine Lider, ich träume von Wolken und Wiesen. -
Pünktlich zum Abspann wache ich auf : ein Geretteter drückt dankbar dem Retter die Hände; jemand wird abgeführt, (ich sehe nur den Rücken) und der Kommissar blickt versonnen in die Linse der Kamera.
Warum ??? Wer war der Mörder ? Wer hat wen, wann, wo und warum erschossen, erschlagen, erwürgt , ertränkt ?? WER WAR DER MÖRDER ?!
Ich werde es nie erfahren. Morgen kann ich nicht mitreden. (Wer war die Blondine ??)
Es muss sich bei mir um eine genetische Abnormität oder einen Defekt in der Hirnrinde handeln.
eKr
|
Wolfgang
antwortete am 24.05.01 (16:49):
An den Richter (von Georg von der Vring)
Noch denk ich, mein Richter, Du wirst mich nicht fragen; Doch wenn du mich fragtest, Was könnt ich Dir sagen?
...Ich war wie ein Laub, und der Sturmwind verblies mich - Das wäre nur Ausflucht, Ich werd es nicht sagen. ...Kein kluger, kein redlicher Freund unterwies mich - Das wär nicht die Wahrheit, Ich werd es nicht sagen. ...Was feind war, verblieb; was lieb war, verliess mich - Das wäre mir Schmach, Und ich werd es nicht sagen. ...Ich war wie ein Kind, und die Welt verstiess mich - Das wäre wohl war; Doch ich werd es nicht sagen.
|
Heidi
antwortete am 24.05.01 (17:03):
ich sah in die sterne ihre schönheit und ewige wahrheit erschreckte mich
ich sah die wolken ihr leichtes schweben ließ mich träumen
ich sehe mein gesicht im spiegel wer bin ich?
hl
|
evelyn
antwortete am 24.05.01 (17:44):
Liebe Schreiber ,Dichter und Reimer !Jetzt wird es interessant!Weil auf andere eingegangen wird und unterschiedliche Meinungen diskutiert werden . Der Kreis wird so kreativer.Nur,ich bin halt heut erstmalig im "12."Kapitel und muss mich für 4 Wochen zum TÜV in die Weserbergland Klinik verabschieden.Ohne PC - nur per Schreibmaschine oder SMS ist Beteiligung schwierig.Alle guten Wünsche Euch allen bis bald.Evelyn
Anstatt ---------(Reim) Du bist in Stimmung,schreibst `nen Brief Verschwendest manches schöne Wort Gedanken anspruchsvoll und tief und schickst ihn hochbefriedigt fort.
Doch kaum ist er im Kasten drin beginnt auch schon die Quälerei: Was hat denn bloss für einen Sinn die ganze Sentimenterei --
Was denkt der bloss,wenn der ihn liest womöglich nicht bei Laune ist und über was du dich ergiesst nur müde murmelt:Welch ein Mist!
Das wär verdammt nicht angenehm - Jedoch die Sache ist passiert. Hättst du "anstatt" telefoniert gäbs kein Problem.--------
|
Wolfgang
antwortete am 24.05.01 (18:52):
Der Lyriker Georg VON DER VRING ist recht unbekannt... Das liegt wohl daran, dass er ein Zeitgenosse war (1889-1968), aber, anders als die modernen Lyriker, die Fahne der Romantik hochhielt, lange nachdem die Romantik ihren verzweifelten Kampf verloren hatte. Technik, Fortschritt, Umtriebigkeit, Geschwindigkeit, Getöse... die Sachen, die die Welt heute ausmachen, waren ihm ein Greuel. - Auf besonderen Wunsch hier also noch ein kleines Gedicht des letzten deutschen Romantikers:
Die Zeit, die mich betrog, Die wolkengleich entflog Übers Gebirg von dannen zog. Die Stunde jahrefern, Im West versunkner Stern, Auf ihrem Grunde ruht ich gern. Die Seele, welche fragt, Von Herz zu Herz sich wagt, Hat solcher Ruhe abgesagt. Die Seele und das Wort, Sie haben keinen Ort, Sie tönen ohn Besinnen fort.
Georg von der Vring: Die Gedichte Gesamtausgabe... Hrsg. von Christiane Peter und Kristian Wachinger Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1989 ISBN 3-7846-0142-1
|
Iris
antwortete am 24.05.01 (20:08):
Nur zwei Dinge
Durch so viele Formen geschritten, durch Ich und Wir und Du, doch alles blieb erlitten durch die ewige Frage:wozu?
Das ist eine Kinderfrage. Dir wurde erst spät bewußt, es gibt nur eins:ertrage -ob Sinn, ob Sucht, ob Sage- dein fernbestimmtes:Du mußt!
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, was alles erblühte, verblich, es gibt nur zwei Dinge:die Leere und das gezeichnete Ich.
Gottfried Benn
|
Heidi
antwortete am 24.05.01 (20:29):
Drei Dinge gibt es (für manche ein viertes noch dazu) Geburt - Leben - Tod unauflöslich miteinander verbunden wir wurden nicht gefragt als wir zur Welt kamen wir werden nicht gefragt wenn wir gehen doch das Leben das können wir gestalten so... oder so...
hl
|
Brita
antwortete am 24.05.01 (21:28):
Kleiner Faden Blau
Kleiner Faden Blau, Aus der Pfeife steigend, Freut mich, wenn ich schweigend Sitz und Zeilen bau.
Beides nicht von Übel Und zugleich nichts wert. Wer hat mich's gelehrt? Und aus welcher Fibel?
Und wo will's hinaus? Eh ich das begreife, Klopf ich mancher Pfeife Noch die Asche aus.
Georg von der Vring
|
sieghard
antwortete am 25.05.01 (08:25):
Nacht und Gewölk und Finsternis, verworr'nes Chaos dieser Welt, entweicht und flieht! Das Licht erscheint der Tag erhebt sich: Helle naht.
Jäh reißt der Erde Dunkel auf, durchstoßen von der Sonne Strahl, der Farben Fülle kehrt zurück im hellen Glanz des Taggestirns.
So soll, was in uns dunkel ist, was schwer uns auf dem Herzen liegt, aufbrechen unter diesem Licht und ihm sich öffnen, da es ist.
Blick tief in unser Herz hinein, sieh unser ganzes Leben an: Noch manches Arge liegt in uns, was nur dein Licht erhellen kann.
[Prudentius + nach 404]
.
|
Brita
antwortete am 25.05.01 (12:51):
Ja damals - ich erinnere mich an meinen einjährigen Aufenthalt in England...
Memories
If you find in these pages the smell of Englisch meadows, if they bring back to you the smooth movement of English rivers, the stately somnolence of cathedral cities, and the sound of bells among elm trees on cool, summer mornings, I am happy because - well, the pain will not really hurt you. You may even enjoy it.
H. V. MORTON
|
Heidi
antwortete am 25.05.01 (19:46):
Ich habe eine schöne Gedichteseite gefunden :-)
Faunsflötenlied
Ich glaube an den großen Pan, Den heiter heiligen Werdegeist; Sein Herzschlag ist der Weltentakt, In dem die Sonnenfülle kreist. Es wird und stirbt und stirbt und wird; Kein Ende und kein Anbeginn. Sing, Flöte, dein Gebet der Lust! Das ist des Lebens heiliger Sinn.
Otto Julius Bierbaum
***
Sterne und Träume
Weißt Du noch, wie ich Dir die Sterne vom Himmel holen wollte, um uns einen Traum zu erfüllen? Aber Du meintest, sie hingen viel zu hoch ...! Gestern streckte ich mich zufällig dem Himmel entgegen, und ein Stern fiel in meine Hand hinein. Er war noch warm und zeigte mir, daß Träume vielleicht nicht sofort in Erfüllung gehen; aber irgendwann ...?!-
Markus Bomhard -
***
An sich
Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren! Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid, Vergnüge dich an dir, und acht es für kein Leid, Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen. Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren, Nimm dein Verhängnis an, lass alles unbereut. Tu, was getan sein muss, und eh man dirs gebeut. Was du noch hoffen kannst das wird noch stets geboren. Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an: Dies alles ist in dir. Lass deinen eitlen Wahn, Und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke. Wer sein selbst Meister ist, und sich beherrschen kann, Dem ist die weite Welt und alles untertan.
Paul Fleming https://free.freespeech.org/gedichte/index.html
(Internet-Tipp: https://free.freespeech.org/gedichte/index.html)
|
Heidi
antwortete am 25.05.01 (20:01):
:-) eines noch aus obiger Seite:
Noch einmal dem Nichts entstiegen, Noch einmal aus Flammen neu, Seh ich dich im Morgen liegen, Schöne Welt, dem Treuen treu. Komm, begegne meinem Hoffen, Gib an Lust und Schmerz mein Teil, Gläubig steht mein Busen offen Deinem Blitz und Todespfeil.
Ricarda Huch
|
Brita
antwortete am 25.05.01 (21:05):
Entstanden 1907 unter dem Titel "Neue Gedichte"
Es bebten Berg und Täler von Gewittern, Das Licht erlosch am Himmel in der Nacht. Noch überläuft die fernen Hügel Zittern, Doch löst sich linde schon der Stürme Schlacht. Im frisch entwölkten Blau strahlt durchs Gewimmel Der Sterne stolz ein Schwert mit Schneid und Knauf. O Erde, rolle jauchzend durch die Himmel: Das Sternbild unsrer Liebe ging dir auf!
Ricarda Huch
|
Iris
antwortete am 26.05.01 (07:08):
;-)) ...ohne kommentar... wünsche allen...ein heiteres...sonniges wochenende...
Da sie ihren Busen feste vermachte
Mein Kind, sei doch so blöde nicht, Laß deinen Busen offen, So sieht man, daß dir nichts gebricht, Daß alles eingetroffen: Sonst denket man gewiß von dir, Du hättest nicht der Brüste Zier.
Ein Griff entweiht nicht deine Brust Und macht ihr keine Flecken. Was nützt ein Schatz, der unbewußt, Den Sand und Steine decken? Die Perl, so stets verborgen liegt, Mit ihrem Glanze nicht vergnügt.
Was die Natur uns Menschen gibt, Das darf man allen zeígen, Am meisten diesem, der uns liebt, Dem wir die Sinne beugen. Was ist es, das zum Sklaven macht, Wohl anders denn der Brüste Pracht?
Was nun die Liebe heilig heißt, Das lasse auch verehren, Und wenn denn seine Pflicht erweist, So mußt du den nicht stören, Dem deine Brust der Altar ist, Auf dem er deine Gottheit küßt.
Celander (1675-1771)
|
Heidi
antwortete am 26.05.01 (08:11):
Heinrich Heine hat es geschrieben:
Sommernachtständchen
Güldne Sternlein schauen nieder Mit der Liebe Sehnsuchtwehn. Bunte Blümlein nicken wieder, Schauen schmachtend in die Höhn.
Zärtlich blickt der Mond herunter, Spiegelt sich in Bächleins Fluten, Und vor Liebe taucht er unter, Kühlt im Wasser seine Gluten.
Wollustatmend, in der Schwüle, Schnäbeln weiße Turteltäubchen; Flimmernd, wie zum Liebesspiele, Fliegt der Glühwurm nach dem Weibchen.
Lüftlein schauern wundersüße, Ziehen feiernd durch die Bäume, Werfen Kuß und Liebesgrüße Nach den Schatten weicher Träume.
Blümlein hüpfet, Bächlein springet, Sternlein kommt herabgeschossen; - Alles wacht und lacht und singet, - Liebe hat ihr Reich erschlossen.
Ochse, deutscher Jüngling, endlich, Reite deine Schwänze nach; Einst bereust du, daß du schändlich Hast vertrödelt manchen Tag!
:-))) Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich
|
Heidi
antwortete am 26.05.01 (21:54):
kein Gedicht zum Sonntag, eigentlich auch kein Gedicht - nur etwas zum Nachdenken
Zwischen Raubvögeln. Wer hier hinabwill, wie schnell schluckt den die Tiefe! - Aber du, Zarathustra, liebst den Abgrund noch, tust der Tanne es gleich? - Die schlägt Wurzeln, wo der Fels selbst schaudernd zur Tiefe blickt -, die zögert an Abgründen, wo Alles rings hinunter will: zwischen der Ungeduld wilden Gerölls, stürzenden Bachs geduldig duldend, hart, schweigsam, einsam ...
Einsam! Wer wagte es auch, hier Gast zu sein, dir Gast zu sein?... Ein Raubvogel vielleicht: der hängt sich wohl dem standhaften Dulder schadenfroh ins Haar, mit irrem Gelächter, einem Raubvogel-Gelächter ... Wozu so standhaft? - höhnt er grausam: man muss Flügel haben, wenn man den Abgrund liebt ... man muss nicht hängen bleiben, wie du, Gehängter! -
Oh Zarathustra, grausamster Nimrod! jüngst Jäger noch Gottes, das Fangnetz aller Tugend, der Pfeil des Bösen! Jetzt - von dir selber erjagt, deine eigene Beute, in dich selber eingebohrt ... Jetzt - einsam mit dir, zwiesam im eignen Wissen, zwischen hundert Spiegeln vor dir selber falsch, zwischen hundert Erinnerungen ungewiss, an jeder Wunde müd, an jedem Froste kalt, in eignen Stricken gewürgt, Selbstkenner! Selbsthenker!
Was bandest du dich mit dem Strick deiner Weisheit? Was locktest du dich ins, Paradies der alten Schlange? Was schlichst du dich ein in dich - in dich? ... Ein Kranker nun, der an Schlangengift krank ist; ein Gefangner nun, der das härteste Los zog: im eignen Schachte gebückt arbeitend, in dich selber eingehöhlt, dich selber angrabend, unbehülflich, steif, ein Leichnam -, von hundert Lasten übertürmt, von dir überlastet, ein Wissender!ein Selbsterkenner! der weise Zarathustra! ... Du suchtest die schwerste Last: da fandest du dich -, du wirfst dich nicht ab von dir ...
Lauernd, kauernd, Einer, der schon nicht mehr aufrecht steht! Du verwächst mir noch mit deinem Grabe, verwachsener Geist!
Und jüngst noch so stolz, auf allen Stelzen deines Stolzes! Jüngst noch der Einsiedler ohne Gott, der Zweisiedler mit dem Teufel, der scharlachne Prinz jedes Übermuts! ...
Jetzt - zwischen zwei Nichtse eingekrümmt, ein Fragezeichen, ein müdes Rätsel - ein Rätsel für Raubvögel ... sie werden dich schon "lösen", sie hungern schon nach deiner "Lösung", sie flattern schon um dich, ihr Rätsel, um dich, Gehenkter! ... Oh Zarathustra! ... Selbstkenner! ... Selbsthenker! ...
Friedrich Nietzsche
|
Heidi
antwortete am 27.05.01 (09:23):
Shakespeare am Morgen ... ;-)
Good morrow, masters, put your torches out; The wolves have prey'd, and look, the gentle day, Before the wheels of Phoebus, round about Dapples the drowsy east with spots of grey.
Much ado about nothing, V, 3
Übersetzung: Ihr Herren, guten Morgen, löscht die Fackeln aus! Der Wölfe Raubzug ist gewesen; seht den milden Tag. Vor Phöbus Wagen schreitet er einher, Den noch schlaftrunkenen Ost mit Grau besprenkelnd. Ich wünsche allen einen schönen Sonntagmorgen :-)
|
Heidi
antwortete am 27.05.01 (19:57):
Dämmerung
Der Abend naht der Tag war lang (warum ist mir im Herz so bang?)
Sturmwinde wehen Wolken ziehen... die Sonne versinkt
Himmel murmelt leise vor sich hin der Tag vergeht.. wohin, wohin?
Sturmwinde wehen Wolken ziehen... die Sonne versinkt
Vögel singen ihr Abendlied in Fenstern man schon Lichter sieht
Sturmwinde wehen Wolken ziehen.. die Sonne versinkt
Der Abend naht es folgt die Nacht bleib ruhig, Herz halte nur Wacht
Sturmwinde wehen Wolken ziehen.. die Sonne versinkt
hl
|
sieghard
antwortete am 27.05.01 (22:34):
Das Wort
Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott
Und Gott gab uns das Wort und wir wohnen im Wort
Und das Wort ist unser Traum und der Traum ist unser Leben
R.A.
.
|
waltraud fuchs
antwortete am 28.05.01 (01:16):
Hallo,Grüsse an alle, war heute zu einer Lyrik-Lesung mit Irma Münch und Hans Peter Minetti, ein tolles Erlebnis, u.a. auch Louis Fürnberg. Von diesem für euch alle
" Und draußen ist ein großes Kinderlachen"
Und draußen ist ein großes Kinderlachen, dein Herz wie schlägt es leicht und frei trotz seiner zentnerschweren Siebensachen. So alt du bist, du bist ja noch dabei.
Du kämpfst,daß alle Kinder froh erwachen und daß für alle immer Sonntag sei... so laß die Schweine Schweinereien machen; geh deinen Weg! Was tut dir ihr Geschrei!
Denn seit du denkst,bekämpftest du die Drachen der Selbstsucht und den nimmersatten Hai, hab keine Angst und lach ihm in den Rachen, wirf die Harpune aus, dann ist's mit ihm vorbei.
Da sitzt du nun und flüchtest in Gedichte, weil du sie haßt, die so erbärmlich sind. Sei nicht so kleinlich, lern aus der Geschichte: daß das, was schlecht ist, nie den Kampf gewinnt.
|
eva
antwortete am 28.05.01 (07:40):
Einen schönen guten Morgen zum Wochenbeginn - und etwas zum Schmunzeln :
Gestern war ich in der Oper. Man gab : Die Frau ohne Schatten. Die Sänger auf der Bühne sangen sich die Seele aus dem Leib; es half ihnen wenig :
Die Sensation des Abends war eine Dame, sechste Reihe Parkett. Sie trug ein goldfarbenes Abendkleid und auf dem Kopf einen Federbusch !
Nein - auf dem wohlfrisierten Lockenköpfchen steckte ein kunstvolles Arrangement von fächerartig arrangierten Pfauenfedern, fünfundzwanzig Zentimeter hoch.
Nicht nur der Herr auf dem Sitz hinter ihr war irritiert: ich bin es noch heute. Wo führt das hin ? Welche Perspektiven ergeben sich hier ? Kehrt die Rokokozeit zurück ?!
Ich werde demnächst meine Tante Frieda in Unterkreuzstetten besuchen. Die Gute hat einen schönen Hühnerhof mit einem prächtigen Hahn ...
eKr
|
Heidi
antwortete am 28.05.01 (09:13):
Für B.
Windstoß
War's ein Hauch, der mich betrog, Daß ich auch von dannen flog, Wenn der Zweige Weiße Neige Blühend unterm Wind sich bog?
Blüten haben kurze Dauer, Schwirrn wie Vögel aus dem Bauer. Aufgescheucht, Regenfeucht Weht ein Wind sie von der Mauer.
Streut ein voller Zweig sich aus, Schweif ich selber mit hinaus, Doch es endet, Wie's versendet, Denn ich selbst hab auch kein Haus.
Georg von der Vring
|
Iris
antwortete am 28.05.01 (09:26):
Für Eva...
;-)) nun darfst du weiter schmunzeln...und lesen...was im 17.jahrhundert...
Laurentius von Schnüffis...zu diesem thema schrieb...
Von Torheit der falschen Haaren und Parucken
Wie toerecht seind die Teutsche nicht Von Hoffart angeflammet, Weil sie zum eignen Hohngedicht Mehr, als ein Hahn, bekammet, Der Kopf tragt, ob er schon nicht Glatz, Ein Haarnest mit Beschwerden, Vielleicht auf daß allda der Spatz Einwohner möge werden.
Der Hut vom Kopf verbannet wird Nur fremder Haaren wegen, Der doch zuvor als eine Zierd Gar schön darauf gelegen: Nun unterm Arm gerumpfet er Vor Angst schier möcht erbleichen: Ist es, wer hutlos geht daher, Nicht eines Dieners Zeichen?
Ich schweige, daß den Kopfes-Strauch Von Pferden man entlehne, Ich glaube von dem Esel auch, Wann er hätt lange Mähne: Wird diese dumme Eitelkeit In Gottes Straf nicht fallen, Als dem verhaßt insonderheit Die Hoffart ist vor allen?
*****
|
Brita
antwortete am 28.05.01 (12:16):
Wirklich schön, wie Du - Heidi - auf die verschiedensten Beiträge reagierst und an Eva: Die Oper könnte heissen: Die Frau mit Federschatten...Ich träume gerade noch von England...
O DEAR, dear England! how my longing eye Turned westward, shaping in the steady clouds Thy sands an high cliffs!
S. T. COLERIDGE
|
Anni
antwortete am 28.05.01 (19:20):
Georg von der Vring kannte ich nicht. Angeregt von Ihren Gedichten habe ich mich näher mit ihm befaßt. Hier noch ein Gedicht vom ihm:
Traum, du Knospe
Traum, du Knospe, Was verbirgst Du, Deinen Baum zu Überraschen?
Scherz, du Blüte, Was enthüllst Du, Deinen Kelch zu Überglänzen?
Und ich selber, Was verrinnt mir Mit dem Perlweiß Dieser Blüten?
Und ihr Späteren, Was verbleibt euch Vom Rubinrot Jener Kirschen?
|
Heidi
antwortete am 28.05.01 (21:58):
Sommerwind
Korn im Land, Wind durchblies es; Silberhand, Öffne und schließ es.
Ährengesind, Neige und bäum dich; Sommerwind, Bleib und versäum dich.
Treibt es dich um? Rufst du als Kuckuck? Kehr wieder, du stumm Gewordener Wind!
Georg von der Vring
|
sylvia
antwortete am 28.05.01 (22:51):
Pfingstwunder
Die Parther, Meder, Elamiter von damals können mich nicht mehr begeistern und auch die Feuerzungen nicht
Die Leute aus Galiläa haben die Sprache der Liebe gesprochen keine wohlgeformten Sätze sondern die Ich-bin-dir-gut-Sprache die sie mühsam gelernt hatten von dem der sie lebte ein Wort gab das andere die Aussätzigen die Zöllner die Frauen die ohne Chancen das letzte Wort waren die ausgebreiteten Arme am Kreuz und Gott sprach das grosse Amen da gingen ihnen die Augen auf weil sie Ohren hatten zu hören das machte sie so verständlich
Christel Voss-Goldstein aus "Balance zwischen Mund-aufmachen und Hände-falten" (Frauentexte zum Glaubensalltag)
|
Heidi
antwortete am 28.05.01 (23:18):
Noch einmal Georg von der Vring :-)
Vor Nacht
Jener Abendstern stand immer Überm Wust von schwarzen Sträuchern. Der Johanniskäfer Glimmen Schien die Zäune auszuräuchern.
Und der Abendstern verkühlte Mehr und mehr, und wir erschraken, Als ein Haupt das andre fühlte Auf dem schön bereiten Laken.
Und der Abendstern erstarrte Als ein Bruchstück, das man findet, Alten Silbers, und der zarte Himmel war erblindet -
Nimm für alles, was versunken Oder schwarz am Boden kauert Auge du, den Glanz und Funken, Der im andern Auge dauert.
|
waltraud
antwortete am 29.05.01 (00:48):
Liebe Heidi und alle Mitschreiber, die Natur hat ja einen bedeutenden Stellenwert in der Lyrik. Sogar in der Schule versuchen sich unsere Kinder daran, ihre Gefühle, Gedanken oder Beobachtungen in Versen aufzuschreiben. Ich fand ein Gedicht in einer Schülersammlung von Yvonne Kawandt, 10 Jahre:
Der alte Baum
Ich seh den Baum, wie er sich biegt, Sich hin und her im Winde wiegt.
Ich höre, wie er knarrt und ächzt Und wie ein alter Rabe krächzt.
Wie nun der Sturm die Äste rüttelt Und die dünnen Zweige schüttelt!
Wind, ach Wind, laß nun dein Wehen, Denn unser Baum kann kaum noch stehen!
|
waltraud
antwortete am 29.05.01 (00:59):
Nun noch ein Gedicht ( eigentlich Lied) von Max Zimmering, zu dem kein Kommentar nötig scheint:
Es beginnt erst der Mensch, wo die Ausbeutung endet, wo das Brot, das du ißt, keinen würgt. Wo die Frau ihren Pfennig nicht tausendmal wendet, wo das Leben das Leben verbürgt.
Es beginnt erst der Mensch, wo das Sterben verständlich, weil die Jahre zur Neige gelebt, und wo endlich der menschliche Friede unendlich, wo das Schwert keine Gräber mehr gräbt.
Es beginnt erst der Mensch, wo die Herzen erklingen, wo die Flamme der Menschlichkeit brennt und wo die Hände die toten Gesteine bezwingen, wo der Mensch sich zum Menschen bekennt.
Gute Nacht an alle!
|
Heidi
antwortete am 29.05.01 (08:41):
Der Rosenbusch
Es haben meine wilden Rosen - erschauernd vor dem Hauch der Nacht - die windeleichten, lichten, losen Blüten behutsam zugemacht.
Doch sind sie so voll Licht gesogen, daß es wie Schleier sie umweht, und daß die Nacht in scheuem Bogen am Rosenbusch vorübergeht.
Hermann Claudius
|
Iris
antwortete am 29.05.01 (12:18):
Das Rosenband
Im Frühlingsschatten fand ich sie: Da band ich sie mit Rosenbändern Sie fühlt` es nicht, und schlummerte.
Ich sah sie an; mein Leben hing Mit diesem Blick an ihrem Leben: Ich fühlt` es wohl, und wußt` es nicht.
Doch lispelt` ich ihr sprachlos zu, und rauschte mit den Rosenbändern: Da wachte sie vom Schlummer auf
Sie sah mich an; ihr leben hing Mit diesem Blick an meinem Leben, Und um uns ward`s Elysium.
Friedrich Gottlieb Klopstock
|
eva
antwortete am 29.05.01 (15:33):
Der Käfer im Laube, die Würmer im Boden, sie leben in ihrer eigenen Welt.
Der Mensch auf der Erde hat auch nicht mehr Wert als das Moos auf dem Stein.
Doch sind Käfer und Würmer, Mensch, Moos und Steine gleich eingebunden in den Kreislauf des Lebens; in den ewigen Gesang der Sterne, in den Plan der Schöpfung.
eKr
|
Brita
antwortete am 29.05.01 (21:08):
nicht gerade leichtfüßig, diese Ingeborg...
Die blaue Stunde
Der alte Mann sagt: mein Engel, wie du willst, wenn du nur den offenen Abend stillst und an meinem Arm eine Weile gehst, den Wahrspruch verschworener Linden verstehst, die Lampen, gedunsen, betreten im Blau, letzte Gesichter! nur deins glänzt genau. Tot die Bücher, entspannt die Pole der Welt, was die dunkle Flut noch zusammenhält, die Spange in deinem Haar, scheidet aus. Ohne Aufenthalt Windzug in meinem Haus, Mondpfiff - dann auf freier Strecke der Sprung, die Liebe, geschleift von Erinnerung.
Der junge Mann fragt: und wirst du auch immer? Schwör's bei den Schatten in meinem Zimmer, und ist der Lindenspruch dunkel und wahr, sag ihn her mit Blüten und öffne dein Haar und den Puls der Nacht, die verströmen will! Dann ein Mondsignal, und der Wind steht still. Gesellig die Lampen im blauen Licht, bis der Raum mit der vagen Stunde bricht, unter sanften Bissen dein Mund einkehrt bei meinem Mund, bis dich Schmerz belehrt: lebendig das Wort, das die Welt gewinnt, ausspielt und verliert, und Liebe beginnt.
Das Mädchen schweigt, bis die Spindel sich dreht. Sterntaler fällt. Die Zeit in den Rosen vergeht: - Ihr Herren, gebt mir das Schwert in die Hand, und Jeanne d'Arc rettet das Vaterland. Leute, wir bringen das Schiff durchs Eis, ich halte den Kurs, den keiner mehr weiss. Kauft Anemonen! drei Wünsche das Bund, die schließen vorm Hauch eines Wunsches den Mund. Vom hohen Trapez im Zirkuszelt spring ich durch den Feuerreifen der Welt, ich gebe mich in die Hand meines Herrn, und er schickt mir gnädig den Abendstern.
Ingeborg Bachmann
|
Anni
antwortete am 29.05.01 (22:23):
Die Drossel
Am Fenster war ein grünes Licht. Ach, ist es schon der Morgenschein? Die Drossel sang am Ohre dicht; Ein starkes Lied, das fiel ihr ein. Da stand ich auf und sah sie nicht Vor lauter Schlaf und Morgenschein Und rieb den Schlaf aus dem Gesicht. Da drang der Morgen ganz herein.
Am Morgen, da kein Halm sich regte, Und grau der Strauch in Knospen steht, Der Himmel seine Sonne trägt, Manch zarten Keim das Gartenbeet - Ich seh sie wohl, die kaum bewegt Überm Gezweig nach Osten späht Und weiterflötet ungeregt Wenn jemand unterm Baum hingeht.
Vom Garten kühl noch übertaut Und schon die Sonn an schwarzer Brust, Sie flötet leis und flötet laut, Ein schöner Quell der Weltenlust. Die frühe Zeit ist ihr vertraut; Ein frühes Lied wird dir bewußt. Sings leis wie sie und wieder laut, Und daß du nichts verschweigen mußt.
Georg von der Vring
|
Heidi
antwortete am 30.05.01 (00:14):
Aus einer Nacht
Oh Nachtgedank, mein Ungewinn: Ich werde nie sein, der ich bin. Der Ulmbaum ist's, das Weinlaub ist's, Du Regenguss an Scheiben bist's, Ihr Füchse seid's, ihr Gruben seid's, Ein hingeflüstert Wort bereits.
Dies lag mir schon im Kindersinn: Ich werde nie sein, der ich bin. Die Mutter war's, das Zimmer war's, Der Fluss im Sterngeflimmer war's; ein Hund im Ort, ein Hund an Bord, Ihr Zorngebell durch Stunden fort.
Mich führt kein Weg zu keinem hin: Ich werde nie sein, der ich bin. Was ich bedenk, bleibt ungelenk, Was ich betracht, scheint ungeschlacht; Was ich mir träum, sind Uferbäum, Darin ich euren Ruf versäum.
Ihr ruft mir schon seit Anbeginn, Jedoch ich bin nicht, der ich bin. Ich hör im Ried, ich hör im Schilf Mein unverlierbar Lied: Gott hilf! Und greif ins Haar, ob ich erfahr, Dass ich ein Schilf, ein Ried nie war.
Georg von der Vring
|
Heidi
antwortete am 30.05.01 (00:19):
auch Georg von der Vring:
Nachtlied
Sage, hast du das Gras erdacht, Oder war es ein anderer Meister? Ich habe nur dies und das gemacht, Aber hätt ich das Gras erdacht Wäre ich wohl ein anderer Meister
Einsame Nacht In eine Glockenblume zu gehn, Mitten ins Blau verwehn -
Sage, hast du den Flieder erdacht, Oder war es ein anderer Meister? Ich habe nur kleine Lieder gemacht, Aber hätt ich den Flieder erdacht, Wäre ich wohl ein anderer Meister
Einsame Nacht, In eine Mohnblume einzugehn, Mitten ins Rot verwehn -
Sage, hast du den Schlummer erdacht, Oder war es ein anderer Meister? Ich habe nur Freude und Kummer gemacht, Aber hätt ich den Schlummer erdacht, Wäre ich wohl ein anderer Meister.
Einsame Nacht, In deine Fernen einzugehn, Mitten ins Weltenwehn. Gute Nacht.
|
Heidi
antwortete am 30.05.01 (09:18):
Morgenstern zum Morgen ;-)
Vice Versa
Ein Hase sitzt auf einer Wiese des Glaubens, niemand sähe diese.
Doch, im Besitze eines Zeisses, betrachtet voll gehaltnen Fleisses
vom vis-a-vis gelegnen Berg ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum ein Gott von fern an, mild und stumm.
Christian Morgenstern
|
Heidi
antwortete am 30.05.01 (09:38):
Ich habe mir erlaubt, die Nr.13 zu eröffnen ;-))
|
Iris
antwortete am 30.05.01 (19:56):
...und weil auch im Kapitel 13...die Liebe... den meisten Platz einnehmen soll...fange ich nun damit an ;-)
Für °°°° °°°°
Zwischenfall
Ich schreibe dir noch immer daß ich dich liebe
Ich schreibe daß ich dich liebe und daß du nicht da bist
aber daß ich nicht allein bin: denn ich sitze neben mir
Ich sehe mich an und nicke und strecke die Hand aus
Ich rühre mich an und freue mich daß ich noch da bin
Ich bin froh daß ich nicht allein bin wenn ich dir schreibe
Ich hebe den Kopf und sehe: Ich bin nicht mehr da
Bin ich zu dir gegangen? ich kann nicht mehr schreiben
Erich Fried
|
|