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THEMA:   Falsche Behandlung tötet Tausende Pflegepatienten

 17 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 05.01.03 (22:44) mit folgendem Beitrag:

Schockierendes aus Spiegel online (s. Link):

"Hannover - Nach Untersuchungen an fast 17.000 Leichen kam Joachim Eidam, Rechtsmediziner an der Medizinischen Hochschule in Hannover, offenbar zu einem erschreckenden Ergebnis: Bei nahezu 14 Prozent der Patienten ... habe er "Pflegeschäden" festgestellt. Hauptsächlich habe es sich dabei um Druckgeschwüre gehandelt, die häufig bei bettlägerigen Menschen aufträten. Bei einem Prozent der Untersuchten, also fast 2000 Personen, seien die Verletzungen so schwer gewesen, dass sie auch als Todesursache in Frage kämen. "

Was kann getan werden, um solche Missstände zu beseitigen?

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,229433,00.html


Maria M. antwortete am 06.01.03 (05:18):

SPIEGEL online bezieht sich in seinem Artikel ausgerechnet auf "Bild am Sonntag" als Quelle. Fakt ist, dass die Untersuchung, die die BamS zitiert, bereits gut ein Jahr alt ist. Und mit Vorsicht zu genießen. Denn: Hier wird schon wieder versucht, die Altenheime als die Schuldigen hinzustellen. Obwohl viele der Dekubitus-Patienten in Krankenhäusern erkranken und mit Wunden in ihr Altenheim zurückkehren...

- Das Aufnahmealter von Pflegebedürftigen in den Heimen ist inzwischen auf 86 (!) Jahre gestiegen. Ein Alter, in dem naturgemäß viele Krankheiten auftreten. Was heißt, daß die Bewohner als Patienten in Krankenhäuser eingeliefert werden und schon nach vier (!) Tagen Druckgeschwüre entwickeln können, wenn sie nicht alle zwei (!) Stunden umgelagert werden, rund um die Uhr.
- Es gibt Krankheiten wie Krebs zum Beispiel, da entwickeln sich Druckgeschwüre - und sind so gar nicht mehr wichtig, wenn es um würdevolles Sterben geht! Bei den Leichen werden, wenn es um Feststellung der Druckgeschwüre geht, aber keine Warums und Weswegens erfragt.

Das sind nur zwei Beispiele, warum solch ein Thema nicht einfach gefühlsgemäss diskutiert werden sollte. Das bitte ich zu bedenken.

Wer sich ins Thema erst mal einlesen möchte: In Hannover gibt es einen Experten, den Wundmanager Markus Hartmann (Caritas-Verband Hannover, Altenzentrum St. Martinshof), der unter www.dekubitus-online.de eine sachliche Einführung gibt.

Internet-Tipp: https://www.dekubitus-online.de


hl antwortete am 06.01.03 (09:12):

"..Die häufigsten Probleme seien Austrocknung, Wundliegen und schlechte Medikamentenversorgung."

Dazu ein Auszug aus dem Brief einer Altenpflegerin:

...
Nein, bei uns verhungern und verdursten die Leute nicht, sie werden gestopft wie die Gänse, mit Essen, mit Getränken und mit den 6-8 verschiedenen Medikamenten - ob sie wollen oder nicht - und wenn es nicht mehr geht, gibt es sc-Infusionen oder PEG.

Sie liegen auch nicht wund - wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen - es wird peinlich genau gelagert.

Natürlich muss alles ein bißchen schnell gehen, vor allem in der Nachtwache, wenn 2 Pflegekräfte für ein ganzes Haus zuständig sind und durch die Flure der Stationen rennen.

Da bleibt keine Zeit für vorsichtiges Wecken oder Ansprechen, das muss Hoppla-hopp gehen, Decke hoch, anheben und drehen, Kissen wechseln, hinlegen, ggf. noch die Einlage wechseln. Das grosse Licht müssen wir schon dabei anmachen, tut uns ja leid, daß die Zimmernachbarin dadurch auch geweckt wird, aber im dunkeln geht es nun mal nicht.

Da jeder von uns mal Nachtwache macht, passiert es natürlich auch, dass man diese Hoppla-hopp-Technik auch im Tagdienst anwendet. Was sollen wir machen? 30 von 40 Bewohnern, die zweistündlich gelagert werden müssen, das muss schnell gehen! Die Lagerungspläne müssen abgehakt werden! Schließlich haben wir ja noch mehr zu tun.

Zeit für den Einzelnen? Ja, noch nehme ich sie mir und ich komme mir dabei vor wie ein Dieb, der Zeit stiehlt! Das Pflegesoll muss erfüllt werden ...

.. der Altenpflegealltag ist zum Kotzen und wenn nicht die kleinen Lichtblicke (in Form von positiven Reaktionen seitens der alten Menschen) zwischendurch wären, würde ich es nicht mehr aushalten.


hl antwortete am 06.01.03 (09:22):

TV-Tipp:

6.Jan.2002 21:00 Uhr ARD Report aus München:

u.a. "Kartell des Schweigens: Wie Kontrollen in Pflegeheimen versagen".


schorsch antwortete am 06.01.03 (10:44):

Es gibt Solche und Solche: Die einen Alters- und Pflegeheime werden gegründet, damit Alte in Würde ihren Lebensabend verbringen können. Andere Heime werden aus Rentabilitätsgründen gebaut nach dem Motto: Jeder Insasse kostet uns im Schnitt 2000 Ä, sollte uns aber das Doppelte einbringen. Klar, dass in letzteren an Pflegepersonal und allen Pflegemitteln gespart wird bis hin zur Küche.


Angelika antwortete am 06.01.03 (11:08):

Sicher gibt es solche und solche - aber wer will das kontrollieren? Als meine Mutter noch lebte, zwar blind war und 3x pro Wo in die Dialyse musste, war ich noch voll berufstätig und musste alle 2 Monate für eine Woche in die Zentrale meiner Firma nach Südamerika, das hiess: Muttchen musste die Woche in ein Pflegeheim, dass ich natürlich privat bezahlen musste. Im Heim des ASB war das Pflegepersonal überaus rüde und unverschämt (meine Mutter wurde wie ein dummes Kind geduzt und angebrüllt, als sie dann sagte "ich bin blind, aber nicht taub" schlug man ihr mit dem Löffel auf die Finger. Beim nächsten Mal buchte ich für Muttchen einen Platz in einem privaten, eleganten Pflegeheim. Da bekam ich sie dann inkontinet zurück, denn statt auf "jedes Klingeln" ins Zimmer zu kommen um ihr beim Gang zum WC zu helfen, pappte man ihr einfach eine Windel um und liess sie so bis zum Abend im eigenen Saft oder mehr sitzen. Meine Mutter hat unendlich unter dieser Erniedrigung gelitten und bekam das Problem hinterher nie wieder richtig in den Griff. Und das für 450DM am Tag! Danach hab ich meinen Job aufgegeben, denn ich konnte mir die Behinderung meiner Mutter nicht mehr leisten und übernahm die Pflege selbst.

Warum ASB von Ärzten auch scherzhaft "Aktive Sterbehilfe Berlin" genannt wird, ist mir nach noch einigen anderen Vorfällen damals klar geworden.

Aber zur Frage von Karl:
Zu bemängeln ist nicht nur die unzureichende Pflege sondern auch der mangelnde Respekt vor den Senioren in vielen Heimen.

Was ich für wirklich wichtig finde, ist ein positiveres, attraktiveres Bild sämtlicher Pflegeberufe und vor allem eine bessere Bezahlung - das würde auch die Leute motivieren, die in diesem Beruf sind. "Altenpflegerin" - das ist ein Beruf, da rümpfen die meisten die Nase, wie bei allen Berufen, in denen dem Menschen gedient wird. Es ist traurig und bezeichnend für unsere Gesellschaft, dass Berufe, in denen man einer Maschine dient (dem Computer zB) angesehener sind .... und auch besser bezahlt werden.

Dazu kommt, dass viele AltenpflegerInnen den Beruf eher als zweite Wahl ergriffen haben bzw unfreiwillig erlernten: Wer LangzeitarbeitsloseR ist und über 35, der wird irgendwann vor die Alternative gestellt, "umzuschulen" - und Altenpflege steht da immer ganz oben auf der Liste ...


wese antwortete am 06.01.03 (11:13):

Ich darf mal einen persönlichen Aspekt ansprechen, der sehr wichtig für mich gewesen ist. Betrifft jetzt kein Pflegeheim, sondern ein Krankenhaus. Die Situation dürfte aber vergleichbar sein.

Ich lag nach einem Unfall mehrere Wochen auf einer Intensivstation. Und danach verbrachte ich über ein Jahr im Krankenhaus. Es handelt sich dabei um eines der modernsten Krankenhäuser in Deutschland.

Medizinisch habe ich eine erklassige Hilfe erhalten. Menschlich bin ich kaum beachtet worden und ich wurde extrem schlecht versorgt. Nicht einmal einen Namen hatte ich mehr, sondern ich wurde auf den Fall X reduziert. Die Versorgung mit Essen und Trinken war schlecht. Der Gang zur Toilette nur auf intensivste Bitten möglich.

Schuld daran war nicht die Qualität des Personals. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Schuld war einzig und allein die permanente Überforderung, der Stress und die mehr als unwürdigen Arbeitsbedingungen des Klinikpersonals.


Angelika antwortete am 06.01.03 (11:42):

Wie schlimm es einem im Krankenhaus ergehen kann, beschreibt mein Freund Eddy sehr bildhaft auf seiner Website. Eddy war ein stattlicher und auch sehr dicker Mann, der mit sehr unkonventioneller Meinung gegen die Vorurteile ggü. Dicker ankämpfte und darüber hinaus einen brachialen, schwarzen Humor hatte. Eddy erzählte mir vor etwa 6 Monaten, dass er Leberkrebs hat - vor wenigen Wochen verstarb Eddy, nicht mal 60 Jahre alt. Auf seiner Website hat er in sehr drastischer Weise seine Erlebnisse im Krankenhaus geschildert - hier der Link zum Nachlesen.
Leider ist das kein Einzelfall - nur schweigen die meisten Patienten...

Internet-Tipp: https://www.eduardmann.com/dickeseiten/krankenhaus.html


Angelika antwortete am 06.01.03 (11:45):

Hier noch der sehr lesenswerte Teil 2

Internet-Tipp: https://www.eduardmann.com/dickeseiten/arzte.html


Simba antwortete am 06.01.03 (12:28):

Meine Freundin ist mit Leib und Seele Altenpflegerin - jedoch gibt es zuwenig Personal. Bei dem Kurs den sie machte, wurde auf Validation und psychische Begleitung dementer Menschen sehr viel Wert gelegt, in der Praxis sieht alles anders aus, weil sie zu diesen Dingen gar keine Zeit hat. Ich verstehe das sowieso nicht, da gibt es (sehr alte )Menschen deren Körper sich auf das Sterben vorbereitet, in dem er und Essen und Trinken verweigert und man zwingt sie weiterzuleben. Man verpasst ihnen Astronautenkost und Infusionen und Medikamente und damit sie weiterdahinvegetieren können und womöglich nicht einmal mehr wissen dass sie leben. Ich nehme an, dass hier grosse finanzielle Interessen im Spiel sind.


mechtild antwortete am 09.01.03 (22:37):

Meine Freundin ist auch mit Freuden Altenpflegerin und leidet darunter, dass es zu wenig Personal gibt. Außerdem werden PflegerInnen häufig schlechter bezahlt als Menschen mit weniger Verantwortung in der Verwaltung.
Als Patient kann ich jedoch das Personal im Krankenhaus nur loben. Ich war 2001 fast 3 Monate im Krankenhaus und leider sehr pflegebedürftig. Das Personal war immer freundlich und hilfsbereit, trotz der vielen Arbeit. Ohne die Hilfe durch meine Freunde und Angehörigen wäre ich jedoch nicht ausreichend versorgt worden.
Auch als meine Mutter im Sommer nach schwerer Krankheit im Krankenhaus gestorben ist, kann ich nur sagen, dass das Personal sehr freundlich und hilfsbereit war, sowohl zu meiner Mutter, als auch zu mir als Besuch.


DorisW antwortete am 10.01.03 (08:39):

@Angelika

Auf den Seiten deines Freundes Eddy habe ich mit viel Interesse gestöbert und gelesen.
Hoffentlich bleiben diese Texte auch nach seinem Tod im Internet erhalten!


Karl antwortete am 10.01.03 (08:44):

Der ST könnte solche Seiten eventuell zum Bestandsschutz dauerhaft übernehmen, falls der Wunsch besteht.


Angelika antwortete am 10.01.03 (09:19):

@Liebe DorisW - Eddy hatte sogar seinen virtuellen Grabstein ins Netz gesetzt, der Mann war so wunderbar wie er auch makaber sein konnte. Ich habe mir für mich alle die Seiten "gezogen" und es wäre sehr, sehr schade, wenn seine Seiten eines Tages nicht mehr im Netz stehen, aber wie ich ihn kenne, hat er da vorgesorgt.


@Karl: Ich würde das sehr begrüssen!


Karl antwortete am 10.01.03 (12:46):

@ Angelika
Nur müsste ich dazu autorisiert sein, ich darf ja nicht einfach kopieren. Könntest Du das organisieren, falls Du Kontakte zu den Erben hast?


Angelika antwortete am 10.01.03 (15:24):

Hallo Karl - ich werde mich mit seiner Witwe in Verbindung setzen, nur will ich noch ein paar Wochen warten, alles ist noch zu präsent...

Angelika


Simba antwortete am 14.01.03 (09:25):

Die Grossmutter einer meiner Mitarbeiterin ist 99 Jahre alt und befindet sich seit acht Jahren in einem Pflegeheim. Sie ist eine recht muntere alte Dame, zeitweise von schweren Demenzschüben geplagt, hat schon einige schwere Lungenentzündungen hinter sich und wurde dank ärztlicher Kunst jedesmal wieder ins Leben zurückgeholt. Seit mehr als einer Woche weigert sie sich beharrlich zu trinken und spuckt jeden Schluck Flüssigkeit den man ihr einzuflössen versucht, wieder aus. Jetzt führt man ihr mit Infusionen die Flüssigkeit zu,jedoch reisst sie sich die Nadeln und Schläuche raus. Nun hat man sie angebunden... ist das ein Leben in Würde? Die Verwandten versuchen nun mit einer Unterschriftenaktion die Ärtze und Pflegepersonal dazuzubringen, die Grossmutter von den Infusionen zu befreien und sie so leben (oder auch sterben) zu lassen wie sie möchte. Ob der Gesetzgeber das erlaubt weiss ich nicht.


Margret antwortete am 14.01.03 (10:52):

@ Simba
Ich bin entsetzt wenn ich lese wie die alte Dame am Leben erhalten werden soll. Jeder hat ein Recht auf sein Leben- aber auch jeder hat ein Recht auf einen würdigen Tod (nur meine eigene Meinung).
Das zeigt mir aber auch wie wichtig eine Patientenverfügung ist.Meine liegt längst fertig bei meinen Papieren und die Familie weiß das, sicher ich bin noch längst nicht sooo alt
aber wer weiß was einem noch zustoßen kann, da möchte ich einfach vorgesorgt haben.
Gruß Margret