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THEMA: Legasthenie
4 Antwort(en).
Regina
begann die Diskussion am 18.06.02 (14:38) mit folgendem Beitrag:
Ich weiss, dass das eigentlich kein Thema für Senioren ist, aber vielleicht hat jemand Erfahrungen weiterzugeben? Ich frage wegen meinem 12-jährigen Enkelsohn, der grosse Schwierigkeiten hat, aus Buchstaben ein Wort und daraus einen Satz zusammenzubasteln. Er gibt sich grosse Mühe und lernt und paukt jeden Tag, auch in den Ferien, aber bis zum nächsten Diktat ist wieder alles vergessen. Die Buchstaben ergeben einfach keinen Sinn für ihn! Er durchlief mehrere Therapien und geht momentan zur Grundschule, hat dort Förderunterricht und soll im Herbst in die Hauptschule wechseln. Nun haben wir Angst, daß er dort "untergeht", bzw. man sich, wenn sich die Situation nicht bessert, ihn, auch aus Zeitmangel nicht lange in der Klasse halten wird. Hat jemand einen Lichtblick? Kann man ihm anders helfen (er will keine Therapie mehr)? Danke im Voraus
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webmaster@seniorentreff.de
antwortete am 18.06.02 (16:19):
Hier findest Du viele Links zum Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Karl
(Internet-Tipp: https://zum.de/Faecher/Sonder/BW/Foerder/leu/legasthe.htm)
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Juliane1
antwortete am 23.06.02 (14:08):
Liebe Regina, zunächst einmal: Ein Patentrezept zur Behebung von LRS kann sicher niemand vermitteln, aber das Studium der von Karl genannten Links gibt wertvolle Hinweise. U.a. wird daraus ersichtlich, dass Ihr Enkel bei anerkannter LRS (evtl in Verbindung mit ADHS ?) auch weiterhin Anspruch auf Förderung hat. Diese ist nach Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. Ganz wichtig für das betroffene Kind: Eltern und Verwandte müssen ihm zeigen, dass sie an seinen schließlichen Erfolg glauben, auch wenn's schwerfällt; Erfolgserlebnisse auf anderen Gebieten (z.B. Sport, Technik)verschaffen, wo er Stärken hat; Überforderung durch falsche Schulwahl vermeiden, da sonst der Frust immer größer wird und zur Resignation führt (siehe:"Er will keine Therapie mehr").In den Grundschulen besteht heute ein enormer Leistungs- und Zeitdruck, dem ein Kind mit Lerndefiziten nicht gewachsen ist. Lernen in kleinerem Klassenverband, ohne inhaltlich überfrachteten Stoffplan, mit speziell geschulten Lehrern, wäre anzustreben. Eine weiterführende Schule, in der das Kind nicht mitkommt, hat lediglich zusätzliche psychische Probleme zur Folge. Und schließlich: Jetzt keinesfalls aufgeben,Geduld bewahren, weiter nach kompetenter Unterstützung suchen und für ausreichende Erholungs- und Freiräume (auch der Geist braucht völliges Abschalten in den Ferien!) sowie ideenreiche Motivation sorgen.Manchmal dauert es bis ins Erwachsenenalter, dass der "Knoten platzt", aber selbst in unserer Leistungsgesellschaft gilt m.E.:der Wert eines Menschen hängt von der Gesamtheit seiner Attribute und nicht von einem einzelnen Defizit ab! Ihrer Familie alles Gute!
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Barbara
antwortete am 26.06.02 (18:02):
Liebe Regina,
leider sind die Chancen für legasthene Kinder je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Im Schulgesetz von Schleswig-Holstein ist als oberster Satz zu lesen:
"Die Schule ist dazu da, die Begabungen der Schüler und Schülerinnen zu fördern"
Diesen Satz habe ich denn verschiedenen Lehrern meiner drei legasthenen Kinder (inzwischen zum Glück alle der Schule entwachsen) oft um die Ohren gehauen, denn ein legasthenes Kind wird meistens auf seine Schwäche reduziert. Dabei benötigen diese Kinder keine spezielle Therapie, sondern sehr viel Verständnis, Geduld, etwas Unterstützung und vor allem Notenschutz bei sämtlichen schriftlichen Arbeiten, um angstfrei lernen zu können. Genau wie Juliane1 rate auch ich, nach den Stärken des Kindes zu suchen, den Jungen auf diesem Gebiet zu fördern, damit er und andere sehen, dass er durchaus etwas leisten kann und ganz gewiss nicht dumm ist.
Ich denke jedoch nicht, dass diese Kinder aufgrund der schlechten Zensuren in höheren Schulen überfordert sein müssen. Im Lesen und Schreiben zu versagen, heißt für die betroffenen Kinder eine Behinderung in JEDEM Fach. Es heißt jedoch nicht, dass sie intellektuell den Stoff nicht erfassen können.
Gib Deinem Enkelsohn immer wieder zu verstehen, dass Du an ihn glaubst. Vielleicht kannst Du ihm Texte vorschreiben, wenn immer er Hilfe benötigt. Hat er z.B. als Hausaufgabe einen Aufsatz auf, lass ihn Dir diktieren, so dass er sich voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren kann und den fehlerfreien Text anschließend von Deiner Vorlage abschreiben kann.
Da diese Kinder einfach nicht in unser Schulsystem passen, würde ich zu einer Intelligenzprüfung durch die Schule, bzw. den Arzt (Psychologen) raten. Durch verschiedene Tests kann der Intelligenzquotient ermittelt werden, der wichtige Hinweise für die einzuschlagende Schullaufbahn geben kann. Mein Sohn erzielte z.B. bei einem IQ von 136 (=kleiner Einstein) einen Rechtschreibprozentrang von 0,1, d.h. dass er von tausend Kindern die schlechteste Rechtschreibleistung erbrachte. Wäre die Hauptschule für ihn die richtige Schule gewesen, nur weil er in der Rechtschreibung total versagte?
Es hat viel Kraft gekostet, meine drei betroffenen Kinder bis zum Abitur zu "begleiten". Heute kann ich sagen, dass es sich gelohnt hat: ein Kind befindet sich noch im Studium, die anderen haben ihr Studium mit Erfolg abgeschlossen. Alle drei sind heute sehr selbstbewusste junge Menschen, die viel Verständnis für ihre Mitmenschen haben und gern anderen helfen.
Ich möchte Dir außerdem raten, Dich an den Bundesverband Legasthenie e.V. in Hannover zu wenden. Dieser Selbsthilfeverband von betroffenen Eltern unterhält in allen Bundesländern Landesverbände. Dort erhältst Du Wege aufgezeichnet, die Deinem Enkel in seinem Bundesland möglich sind.
Ich wünsche Dir und Deinem Enkel viel Kraft und verständnisvolle Lehrer
Barbara
(Internet-Tipp: https://www.legasthenie.net/)
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Regina
antwortete am 01.07.02 (18:08):
Regina mit Grüssen an alle, die mir zu diesem Thema etwas sagen konnten: Danke für Eure Beiträge, ich werde die möglichen links testen und vor allen Dingen werden wir versuchen, mit Liebe und Gelassenheit dieses Problem zu meistern.
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