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THEMA:   Klage in den USA

 8 Antwort(en).

mulde begann die Diskussion am 30.06.02 (10:32) mit folgendem Beitrag:

Heute morgen wurde in den Nachrichten veröffentlicht
der Verband der Alteigentümer von Grundstücken
die nicht von der BRD entschädigt wurden.
Wollen in den USA vor Gericht klagen.
Frage: In wiefern müsste die Regierung das Urteil
eines Ausländischen Gerichtes anerkennen.
Nach deutschem Recht ist die Sache entschieden.
Steht US-amerikanisches Recht über deutsches Recht?
Kann die deutsche Justiz eigenes staatliches Recht
nicht vollziehen??
habe die Allgemeinen Themen vorgezogen- Kam technisch bdingt nicht in die Spalte Gesellschaft und Politik.


Charlie antwortete am 30.06.02 (15:48):

Nein, Mulde, ich denke, ein amerikanisches Gerichtsurteil ist in Deutschland nicht vollstreckbar, wo kämen wir denn da hin, es sei denn es gäbe in speziellen Fällen ein gegenstaatliches Abkommen. Sonst könnten ja alle Verfahren gleich in Amerika durchgeführt werden und unsere Anwälte und Richter wären "arbeitslos" und wir könnten unsere Gesetze in den Wind schreiben.

Denn Gerichte haben nach deutschen staatl. Gesetzen zu urteilen, das steht fest,- oder????


Oje-oje antwortete am 30.06.02 (17:10):

...ein amerikanisches Gerichtsurteil in Deutschland vollstreckbar.....

Dann müssten ja auch in Deutschland Todesurteile Amerikas vollstreckt werden....

Gott bewahre uns......


mulde antwortete am 30.06.02 (17:23):

Charly danke !
Ich hab einfach aus dem Bauch heraus gefragt.
bin darin naiv - unerfahren
es muß aber etwas geben denn sie drohen ja die Bundes-
regierung damit.
es geht wohl um 16 Milliarden Euro
deren Protest ist schon mal von deutschen Gerichten
abgelehnt worden.
so wurde es in Früh Nachrichten vom MDR mehrmal verlesen
Nachtigall ick hör dir trapsen!


mulde antwortete am 30.06.02 (17:29):

Nachtrag
als Vorbild dieser Klage sollen Urteile aus den Prozessen
zur Entschädigung der eh. Zwangsarbeiter sein.
mulde


DorisW antwortete am 30.06.02 (21:17):

Möglicherweise muß man hier zwischen Zivil- und Strafrecht unterscheiden.
Bei der Berichterstattung zum (Straf-)Prozeß wegen des Seilbahnunglücks in Kaprun (letzte oder vorletzte Woche) habe ich auch gehört, daß die Angehörigen in den USA (im Rahmen des Zivilverfahrens) gegen den Betreiber klagen wollen, um höheren Schadenersatz herauszuholen. War es nicht auch bei dem Concorde-Absturz in Paris so?

Ich wüßte auch gerne mehr über die Hintergründe, weil ich es ebenfalls verwunderlich finde, daß man einfach dort klagen kann, wo am meisten dabei rausspringt.


Wolfgang antwortete am 30.06.02 (22:46):

Es geht natürlich in diesem Fall um Entschädigungen, also um eine Frage des Zivilrechts. Die Alteigentümer von Immobilien in der DDR prüfen jetzt, wo sie am besten und am schnellsten zu ihrem Recht kommen können. Von der BRD - der Rechtsnachfolgerin der DDR - haben sie bis jetzt nichts bekommen. Da ist es völlig legitim und für mich verständlich, dass auch eine möglicherweise effizientere und erfolgversprechendere Strategie aus dem Ausland erwogen wird.

In der WELT gab es heute eine Artikel darüber:

Alteigentümer drohen Regierung mit amerikanischer Sammelklage (von JOCHEN KUMMER)
https://www.welt.de/daten/2002/06/30/0630de341546.htx

(Internet-Tipp: https://www.welt.de/daten/2002/06/30/0630de341546.htx)


mulde antwortete am 01.07.02 (10:06):

Wolfgang!
Du sollst mit der Darstellung aus Deiner Sicht durchaus
im Recht sein.
Nur für einen Menschen , der in der großen Jurysterei nicht
bewandert ist -auch nicht in der Kleinen (so wie ich)
der erkennt , das USA Recht über deutsches Recht steht.
Mithin ist die BRD kein souveräner Staat.
Es ist also in der Theorie möglich: ein Dorfsherriff
aus Texas fordert im Bundeskanzleramt die Schuldbegleichung an.
Grausame Vorstellung!!
Nun habe ich, weder im Grundgesetz noch bei kundigen Leuten
eine Erklärung gefunden.
Oder ist das eine groß anlegte Abzocke amerikanischer Anwälte?
Ich versteh das immer noch nicht.
Wolfgang trotzdem danke


Wolfgang antwortete am 01.07.02 (10:28):

Alles ist ein Frage des Gerichtsstands... Darüber wird oft gestritten. Im Strafrecht - also einem Teil des öffentlichen Rechts - ist das meistens klarer geregelt, weil im Regelfall dort verhandelt wird, wo die Tat begangen wurde. Aber selbst dann sind nicht immer nationale Gerichte zuständig.

Wenn es ums Vermögens geht, wird die Sache ganz unübersichtlich. Die Zwangsarbeiter haben zum Beispiel in den USA geklagt, weil dort Dependancen grosser deutscher Firmen ansässig sind, Rechtsnachfolger der Firmen, die im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 Zwangsarbeiter beschäftigten und ihre Arbeitskraft ausbeuteten, ohne ihnen einen entsprechenden Lohn zu zahlen. Diese Sammelklage hatte Erfolg insofern, als der politische Druck und die Gefahr des Imageverlustes so gross wurden, dass die deutschen Firmen und der deutsche Staat es vorzogen, "freiwillig" einen Ablass zu bezahlen.

Die BRD ist ein souveräner Staat. Hier gilt das Recht. Das heisst aber auch, dass internationales Recht gilt (was unter Umständen nationales Recht "sticht") oder - wenn es begründet werden kann - per Gerichtsstand fremdes Recht in Anspruch genommen wird.

Das ist "business as usual" und wird in allen Staaten praktiziert. Vielleicht mit der Besonderheit, dass in den USA hohe Entschädigungsforderungen leichter durchzusetzen sind, und die Anwälte aus durchaus eigennützigen Motiven sich mehr anstrengen und einen guten Job machen. :-)