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THEMA:   Nicht für die Schule, für's Leben lernen wir

 35 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 19.06.02 (14:20) mit folgendem Beitrag:

Nach einer intensiven Diskussion kam ich zu der Frage:

Was habt Ihr denn in der Schule gelernt, und was hat das Gelernte Euch in der Rückschau für das Leben gebracht - z.B. der Zeichen-, der Musik- und der Religionsunterricht - sofern Ihr einen solchen genießen durftet? War das nun unnötiger Ballast, mit dem man Euch befrachtet hat? Oder habt Ihr daraus Gewinn gezogen für's Leben?

Meine ganz persönliche Einstellung für mich: Ich bin dankbar für das, was mir meine Eltern ermöglicht haben, und ich habe die meisten (nicht alle!) meiner Lehrer in ganz lieber Erinnerung und wünschte mir, ihnen noch jetzt Danke sagen zu können - und freue mich auch heute noch oft genug über das, was ich hatte lernen dürfen.


Carola antwortete am 19.06.02 (14:36):

Z e i c h n e n gerne, bißchen Talent vorhanden.

M u s i k gerne, war in den Kapellmeister verliebt.

R e l i g i o n gerne, Pfarrer hatte Beziehungen zum Kultusministerium in München, gab uns 3 Themen zur Auswahl, eins davon kam dran, im Abitur 'ne 1.


Karl antwortete am 19.06.02 (14:47):

Ich bin mehreren meiner Lehrer sehr dankbar, auf einige hätte ich allerdings auch verzichten können. Speziell mit meinem Biolehrer verbindet mich noch jetzt eine Freundschaft. Religion war ein tolles Fach zum Diskutieren und Streiten lernen. Der Religionslehrer in der Oberstufe war aufgeschlossen, zwar immer anderer Meinung, aber lernfähig ;-))


Lissy antwortete am 19.06.02 (15:38):

Abi vor 52 Jahren - und doch ist heute noch sehr viel präsent! "Kunsterziehung" hat uns damals die Augen für die moderne Kunst geöffnet, wir hatten eine fabelhafte Lehrerin. Musik - das "durchgängige" Einserfach :-) und Religion war für uns auch damals schon Ethik - ohne so zu heißen. Unser Lehrer, Dekan der ev.-luth. Kirche in meinem Heimatort, hat uns für das spätere Leben außerordentlich viel an Lebensweisheiten mitgegeben.
Wie Johannes bin auch ich sowohl meinen Eltern als auch den Lehrern heute noch dankbar.
Unsere jährlichen Klassentreffen sprechen doch dafür, auch wenn es nicht mehr allzu viele sind, die kommen können!


Petrone antwortete am 19.06.02 (16:21):

Mein bester Lehrer war und ist das Leben!
Und mein Zweitbester war und ist mein innerer Schweinehund.
Die anderen habe ich vergessen.


jako antwortete am 19.06.02 (18:07):

Ich habe die Schule geliebt. Nicht alle Lehrer, nicht alle Fächer, aber ich liebte das Lernen an sich, die ständige Herausforderung. Später wurde dann das Leben meine Schule, jetzt ist es das Internet. Ich bin dankbar, dass ich das im Alter noch erfahren durfte. Und natürlich auch all denen, die mich im Leben gefördert haben, in erster Linie meinen Eltern. Und ich bedaure alle Kinder, die das in ihrer Jugend entbehren müssen.


Chris antwortete am 19.06.02 (18:29):

Das ganze Leben ist eine Schule......

man lernt nie aus...... ich möchte aber auch all denen danken, die mir das Lernen ermöglicht haben.
Wir haben hier im nächsten Jahr Klassentreffen und es ist besonders schön, dass unsere Klassenlehrerin,
auch teilnimmt. Sie ist nur 10 J. älter als wir. Die gemeinsamen Erinnerungen lassen diese Treffen immer
zu etwas besonderem werden.

Doch auch das Leben in seinen Höhen und Tiefen lehrt uns vieles zu verstehen, was wir vielleicht als
junge Menschen gar nicht sooo verstanden haben.

Den techn. Fortschritt, den wir ja miterlebt haben, der hat unser Leben verändert....... sicher vieles
zum Vorteil, aber auch sicher nicht alles!

Wünsche einen schönen Abend


Ursula antwortete am 19.06.02 (18:52):

In meiner Erinnerung ist die Bilanz positiv, sowohl fachlich, als auch menschlich.

Besonders gerne denke ich an die LehrerInnen zurück, die es verstanden, uns für ihr Unterrichtsfach zu motivieren oder sogar zu begeistern (weil sie selbst begeistert waren)- und zwar alle Schüler, nicht nur einzelne.

Besonders dankbar war ich später (!) für das breite Wissen, das uns damals angeboten wurde sowie die zahlreichen Arbeitsgemeinschaften (Theater, Musik, Kunst, Naturwissenschaften, Sprachen ...) und dass wir schon zu Schulzeiten selbstständiges Arbeiten gelernt haben.

Allerdings hatten wir in der Oberstufe auch ausgesprochen günsige Rahmenbedingungen (Klassenstärke zuletzt 10!), was natürlich auch die Lehrer beflügelt hat.


Felix Schweizer antwortete am 19.06.02 (21:48):

Ich habe die Schule aus mehreren Perspektiven erlebt:
- als Sohn eines Lehrers, den ich auch bei seiner Arbeit erleben durfte und der viele Exkursionen, Museumsbesuche, Themen, Bastelarbeiten etc. zuerst an uns erprobte.
- als Schüler, der zufrüh eingeschult worden war, der sehr viele Interessen hatte, die im Schulstoff kaum vorkamen.
Meine Schullaufbahn verlief deshalb auch nicht geradlinig Kindergarten - Primarschule - freiwillige Repetition der 4. Klasse - Mathematisch-Naturwissenschaftliches Gymnasium - Seminar in einem Internat - Lehrerdiplom
- als Primarlehrer an allen Stufen (1. - 5.Kl.)
- als Schulleiter der Gemeindeschulen (Rektor)
- als Lehrervertreter in der Schulbehörde
- als Gründer, Leiter und Lehrer einer Montessori-Privatschule, ausgebildet auch an Heilpädagogik
- als Lehrer und Leiter einer Integrationsklasse an der Realschule mit fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler ohne Deutschkenntnisse aus sehr unterschiedlichen Ethnien von der 6. Klasse an.
- als Vater eines Adoptivsohnes, der auch nicht mit Leichtigkeit durch die Schule kam.
- Als Mitarbeiter einer Lehrergruppe, die einen völlig neuen Lehrplan ins Leben rief.

Aus all diesen Fazetten betrachtet erscheint mir "die Schule" und "die Lehrkräfte" äusserst uneinheitlich.

Vielleicht einige Wünsche für eine Schule nach meinen Vorstellungen:

- Ziel der Schule soll sein, einen sich entwickelnden Menschen ... bei der Entfaltung seiner Fähigkeiten, Anlagen und Begabungen und beim Entdecken der Welt zu begleiten. Im Sinne einer Hilfe.
- Der Stoff, an welchem die Fähigkeiten geübt und entwickelt werden, sollen aus dem altersgemässen Erlebnisbereich stammen. Sie sind das geistige Turngerät und sind somit austauschbar. Es ist also nicht von grosser Bedeutung, ob man von den Römern, Steinzeitmenschen oder Kolonialmächten spricht, sondern dass man an diesen Beispielen das Prinzip des geschichtlichen Denkens lernt. Bei älteren Semestern sollte man von den aktuellen Problemen (z.B. Palästinakonflikt) ausgehen und zur Erklärung die geschichtlichen Hintergründe aufrollen. Ich glaube nicht, dass die punischen Kriege, die wir mühsam gelernt hatten, viel beitragen, die heutigen Weltprobleme besser zu verstehen.
- Die Neugierde und der Spieltrieb sind bei einem gesunden Kind Antrieb genug .. um die Welt und ihre Zusammenhänge sowie Kulturtechniken selbsttätig erfahren und erlernen zu wollen.
- Stoff beibringen und einpauken würde sich weitgehend erübrigen.


Karl antwortete am 19.06.02 (23:03):

@ Ursula: Noch etwas zur Klassenstärke:
Ich gehöre zum geburtenstarken Jahrgang 1948. Wir waren im Abitur 13 Schüler. Meine Frau unterrichtet heute Klassen mit der Stärke von 30.
Neulich bei Sabine Christiansen: Den Lehrern wird vorgeworfen, dass kaum jemand bis zum Pensionsalter unterrichtet. Faulheit? Nein, die Lehrerinnen und Lehrer sind ausgebrannt und erledigt. Die Lebenserwartung von Lehrern ist kürzer als die von Dompteuren. Ohne das Prestige des Lehrerberufs wieder anzuheben und eine grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen (kleinere Klassen), wird das deutsche Bildungssystem am Boden bleiben.

(Internet-Tipp: https://www.zum.de/Faecher/evR2/BAYreal/as/se/pis/pisa7.htm)


Johannes Michalowsky antwortete am 20.06.02 (07:51):

Die Klassenstärke alleine kann es meiner Meinung nach nicht sein - da müssen noch andere Dinge hinzukommen. Ich habe mein ganzes Leben lang - von 1937 bis 1950 - in keiner Klasse mit weniger als 25 Schülern gelernt, und ich habe sehr viele verschiedene Klassen - kriegsbedingt, durch Flucht u.a. - erlebt.

Dennoch bin ich sicher, eine gute Schulbildung vermittelt bekommen zu haben und auch, daß alle Lehrer, die ich hatte, in ihrem Beruf keinem überdurchschnittlichen Stress unterworfen gewesen waren.


Rosmarie Schmitt antwortete am 20.06.02 (08:36):

Guten Morgen,

meine Erinnerungen an die Schulzeit sind zwiespältig. Nein, nicht wegen der Lehrer - denn die Ansprüche, die Schüler heute zu recht stellen, hatten wir noch nicht. Ich litt unter dem Leistungsdruck meiner Eltern, der so aussah, dass ich bei einer 4 ernste Predigten zu erwarten hatte, bei einer 5 schlimmstes Geschimpfe und auch mal eine Ohrfeige oder andere Strafmaßnahmen.
Heute verstehe ich meine Eltern eher, denn sie äußerten gelegentlich: "Du bist viel intelligenter als..., aber sooo faul!" Dieser Satz war völlig unpsychologisch, denn er bestätigte mich insgeheim, dass ich, eben WEIL ich intelligent war, nicht im Traum daran dachte, mehr zu tun als nötig... :-))
Später mit wachsender Eigenmotivation hat sich diese Faulheit gegeben.

Entsprechend habe ich die positivsten Erinnerungen an Lehrer und Unterrichtseinheiten, in denen uns die Begeisterung des Lehrers ansteckte. In den letzten zwei Jahren fand ich z.B. Geschichte ganz toll, obwohl ich in dem Fach vorher immer an der 4 herummanövriert habe. Und das z.B. beim Durchnehmen der Weimarer Republik!
Kunst hat mich immer fasziniert und wurde von meinen Eltern auch unterstützt. Dieses Fach hat mich nie mehr los gelassen.
Deutsch hat mich in der Grundschule endlos gequält, da ich viele Fehler geschrieben habe. Später hat es mir Spaß gemacht, weil mir Aufsätze schreiben lag.

Zu den großen Klassen: In den letzten drei Jahren wurden wir von 30 Schülerinnen auf 15 ausgesiebt. Merkwürdigerweise habe ich als Schülerin eine große Klasse nicht als Nachteil empfunden. Vielleicht weil ich mündlich recht gehemmt und froh war, nicht allzu oft dranzukommen. :-) Allerdings entstand bei uns in großen Klassen auch keine zusätzliche Unruhe, was heute natürlich gegeben ist. Auch wurde nur frontal unterrichtet. Interessantere und ergiebigere Unterrichtsformen gab es damals (bin Jahrgang 46) sowieso noch nicht.


Karl antwortete am 20.06.02 (08:36):

Lieber Jo,

die Klassenstärke allein ist nicht das Problem, aber in Kombination mit der Zerrüttung der Familien und der Erziehungslosigkeit vieler Kinder ist die jetzige normale Klassenstärke von 30 eine Katastrophe, weil mindestens 2-3 völlig enthemmte Kinder darin enthalten sind.

Wir begrüssen einerseits alle sehr, dass heute Lehrer nicht mehr zuschlagen dürfen, aber ich muss sagen, wenn ich so manchen Erlebnisbericht von Lehrern heutzutage höre (z.B. Angespucktwerden etc.), dann habe ich spontan schon so reagiert "Dem hätte ich aber eine runtergehauen". Wenn Autorität sich nicht mehr auf Macht gründen soll, sondern auf Kompetenz, Wissen und Erfahrung, so ist das prima, solange Kompetenz, Wissen und Erfahrung anerkannt werden. Hierzu sind viele Schüler aber überhaupt nicht in der Lage. Völlig verwöhnt von der "antiautoritären Erziehung" kennen viele keinerlei Grenzen und sind wirklich verdutzt, wenn sie Konsequenzen ihres Handelns zu spüren bekommen.

Wir wollen nicht die vor Angst erstarrten Schüler früherer Zeiten, sondern mündige, selbstbewusste Kinder. Letzteres ist aber nicht mit Verwahrlosung und der völligen Missachtung aller Regeln gleichzusetzen.

Ich bin Ehemann einer Lehrerin, der die Schule noch Spass macht und die das Glück hat, "mit den Schülern umgehen zu können". Wehe den LehrerInnen, die Probleme habe sich durchzusetzen, sie sind sehr bald körperlich und seelisch am Ende.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Nuxel antwortete am 20.06.02 (08:38):

Es ist wohl niemand unter uns,der nicht 7x70 mal gehört hat: du lernst nicht für die Schule,sondern für dich und dein Leben!!
So ist es ja auch,aber das Lernen fürs Leben hört doch eigentlich nie auf-wenn man will!
Ich bin sehr froh darüber,daß heute Möglichkeiten geboten werden,auch als älterer Mensch noch etwas Neues lernen zu können.
Man muß nur-wie auch früher in der Schule-es wollen!


Rosmarie Schmitt antwortete am 20.06.02 (08:49):

Hallo, gerade lese ich Karls Darstellung. Der kann ich mich nur voll anschließen. Das Problem heute ist in meinen Augen einmal die Lernunlust vieler Schüler (es werden in der Freizeit ja weitaus interessantere Tätigkeiten angeboten) und vor allem die psychischen Verwahrlosungen und Störungen, die immer mehr Kinder in den Unterricht tragen.
Drei stark verhaltensauffällige Kinder pro 30 dürfte ein "Wunschtraum" sein. Ich schätze die Zahl auf mindestens acht... Und das durchaus im Unterricht von "Lieblingslehrern"... :-(


WANDA antwortete am 20.06.02 (08:56):

@Karl, vielleicht hast Du auch die allerletzte Sabine Christiansen gesehen, da sagte Günter Jauch über die Lehrer, ich bewundere jeden, der sich tagtäglich neu dieser Aufgabe widmet. Die letzten drei Worte können auch anders gewesen sein, z.B. in dem Kampf stürzt. Ich habe es abgemildert, weil ich es nicht mehr wortwörtlich weiss. Auf jeden Fall ging es mir wie Oel runter!
Zur Schule: erst als wir 46 in die Schweiz kamen, kam ich wieder in Genuss dieser "Nebenfächer" und ich habe sie genossen, Religion ist mir entfallen, aber Kunst und Musik waren die Fächer, wo ich was vorzuweisen hatte und das war wichtig für ein deutsches Kind, dass das Bernerdütsch nicht verstand und das auch schwer für die anderen zu verstehen war. Diese Generation war noch ohne Fernsehen aufgewachsen und Deutschland war so verpönt, dass ich mich heute noch wundere, dass ich überhaupt ein Bein an die Erde bekommen habe. Wir haben Ende August Klassentreffen und ich freue mich wie ein Schneekönig.


schorsch antwortete am 20.06.02 (09:00):

Eigentlich müsste ich nach dem Lesen all dieser Berichte ein wenig neidisch werden - bin es aber nicht.
Kindergarten war zu unserer Zeit noch ein Fremdwort. Ich konnte nur 8 Jahre Primarschule besuchen, war ein guter Schüler, aber ein Minimalist. Daheim war weder Vater noch Mutter, die sich je um die Schulaufgaben oder Schulleistungen der Kinder (7) gekümmert hätten. Ausser Rechnen, Lesen, Schreiben, Geographie und Turnen gab es gerade noch Heimatkunde und Singen. Als es darum ging, ab der 7. Klasse eine höhere Schule zu besuchen (die Unterlagen für die Prüfung waren schon dort), fragte Mutter beiläufig, ob ich mir das tatsächlich antun wolle - ich müsse nachher sowieso in die Fabrik um mit zu verdienen. Da hats mir abgelöscht! Ich machte also meine 8 Jahre fertig und ging dann auf eigene Initiative (niemand hat sich darum gekümmert) in die Französische Schweiz um Französisch zu lernen. Denkste! Ich musste allein des Bauern Anwesen schaffen, denn er hatte eine Wirtschaft aber keine Frau.
Nachher gings in die Fabrik. Bis ich heiratete musste ich den ganzen Lohn abgeben - es blieb mir gerade noch 5 Franken Sackgeld.
Mit 33 Jahren habe ich dann dennoch die Mechanikerprüfung gemacht und wurde nach einigen Jahren Meister in der Abteilung, wo ich als 15-Jähriger eingetreten und in der Folge 50 Jahre tätig war.
Bereuen? Nein, nichts. Das Leben war meine Schule. Ich ging mit offenen Augen durch sie. Und was hätte ich denn sonst in meine Bücher schreiben sollen?

Schorsch


E-l-e-n-a antwortete am 20.06.02 (09:54):

@ Schorsch ..

wie gut kann ich das nach empfinden. Meine Eltern fanden verschiedene Unterrichtsfächer nur als brotlose Kunst, denn schliesslich hatten sie ohne grosse schulische Bildung sehr viel im Leben erreicht, Geld und Ansehen.

Warum sollten ihre Kinder kostbare Zeit in der Schule "vertrödeln" a r b e i t e n war angesagt und nahmen uns, meinen Bruder und mich von der (damals noch so genannten Mittelschule) und vom Lyzeum. Mir haben sie wenigstens noch ein Jahr Handelsschule "gegönnt". Ich habe immer sehr bedautert, dass ich keine bessere Schulbildung geniessen konnte, aber ich habe in späteren Jahren versucht selbst viel nachzulernen. Es ist aber für mich wie ein Stigma, wenn andere von Abitur und Studium erzählen.


Johannes Michalowsky antwortete am 20.06.02 (10:47):

@Karl

"Wir wollen nicht die vor Angst erstarrten Schüler früherer Zeiten, sondern mündige, selbstbewusste Kinder..."

Also, "die ... Schüler", das ist eine Verallgemeinerung, vor Angst erstarrt bin ich nie, und ich war doch "in früheren Zeiten" in der Schule. Eher in Erinnerung habe ich oft eine unheimliche Langeweile während des Unterrichts, nicht zuletzt in Mathe, wenn . .

(Damen bitte weghören!) :-))

. . . unser bedauernswerter Mathe-Lehrer dem letzten unserer Mädchen mühsam und an der Tafel eine besondere Dreieckskonstruktion, die Berechnung der Kreiszahl pi oder was auch immer plausibel machen mußte.

Und Manches interessierte ganz schlicht nicht, z.B. hatte ich keinerlei Ehrgeiz, eine Axt zeichnen zu können, Hausaufgaben, die mein Vater für mich erledigte, solange ich ihn hatte.

Auch später brauchte ich diese Fertigkeiten nicht - und darauf zielt meine Frage: Was habt Ihr gelernt, was brauchtet Ihr davon wirklich im Leben?


Ursula antwortete am 20.06.02 (11:20):

Meinem obigen Beitrag möchte ich noch anfügen, dass ich vor allem meinen Eltern unendlich dankbar bin:

Ich bin 1940 geboren, meine Brüder 1936 bzw.1938. Abitur und Studium waren damals alles andere als selbstverständlich. Unsere Eltern hatten im Krieg alles verloren, und unser Vater hat erst 1949 wieder eine Arbeit als Ingenieur bekommen.

Trotz größter Sorgen an allen Ecken und Enden war es bei uns zuhause nie ein Thema, dass alle drei Kinder eine optimale Schulausbildung bekommen sollten, um einen Beruf erlernen zu können, der ihren Fähigkeiten entsprach.

Als mein ältester Bruder ins Gymnasium kam, mußten Eltern noch "Schulgeld" bezahlen. Obgleich damals völlig mittellos, haben meine Eltern es gewagt - und hatten Glück: Meinem Bruder wurde wegen seiner guten Leistungen das Schulgeld erlassen, sonst wäre seine Schullaufbahn beendet gewesen, bevor sie begonnen hatte ...

Was unsere Eltern damals geleistet und welche Opfer sie für uns Kinder gebracht haben, ist kaum vorstellbar und wird mich und meine Geschwister bis ans Lebensende mit tiefer Dankbarkeit erfüllen.

@Karl Unsere gegenwärtige Bildungsmisere hat viele Ursachen. Sie beginnt häufig schon in den ersten 6 Lebensjahren und findet in der Schule ihre traurige Fortsetzung. Verbesserungen der Unterrichtsbedingungen für Lehrer sind zwingend notwendig aber allein keine Lösung.

Ursula


pilli antwortete am 20.06.02 (11:22):

ich habe wenig gelernt aber vieles erfahren.

eine "Dame" bin ich nicht, ich darf also hören...*ggg*

ob mädchen oder jungen "mühsam" gelernt haben weiß ich nicht, hier gibt es aktuelle anderslautende wissenschaftliche erkenntnisse, die für mich aussagekräftiger sind.:-))

zur "gezielten" frage:
alles erfahrene erfährt immer wieder neue erkenntnisse.


Rosmarie Schmitt antwortete am 20.06.02 (12:14):

Lieber Jo,

gelernt habe ich das, was früher auf Gymnasien Allgemeinbildung war. Hängengeblieben sind viele Gedichte, die ich mir auch heute immer mal wieder aufsage und die für mein Leben relativ wichtig sind. Meine Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch sind vergleichbar dürftig geblieben. Der Kunstunterricht bildete die bleibende Basis für alles Folgende. Die Liebe zur Biologie ist geblieben und hobbymäßig ausgebaut worden. Vergessen wurde die gesamte Mathematik (im Gegensatz zu deinen Erfahrungen mit Mädchen, war ich recht gut darin :-))

Elenas und Schorsch´ Beiträge haben mich sehr berührt. Wie gut, dass Persönlichkeit und Motivation soviel bewirken können! Dennoch bleibt bei mir Trauer. Denn bei wie vielen mögen die Lebensträume durch ähnlich ungünstige, damals aber durchaus normale Umstände verschüttet worden sein?


Hannelore antwortete am 20.06.02 (12:44):

Leider fehlte meiner Mutter (Kriegerwitwe) das Geld um mich zur einer höheren Schule zuschicken. Sie hat es mir trotzdem ermöglich die Realschule zu besuchen. Leider kam ich nach einem Bombenangriff wieder zur Volkschule und habe meinen Abschluß dort gemacht. Bei einer private Handelschule habe ich die Prüfung ohne Wissen meiner Mutter gemacht, aber es scheiterte wieder am Geld. Meinen Berufswunsch "Modezeichnerin" mußte ich auch begraben, da es keine Ausbildungsplätze gab. Einen Hinweis in einem Schaufenster "Lehrling gesucht" nahm meine Mutter sofort wahr und ehe ich mich versah und es mir richtig bewußt wurde hatte ich einen Lehrvertrag. Damals total unbegab und lustlos habe ich trotzdem drei Jahre gelernt immer wieder an diversen Kursen teilgenommen damit ich dem kaufmänischen Beruf bald vergessen konnte. Leider wurde nichts daraus und ich bin dem Beruf treu geblieben. Es hat mir nicht einen Tag leid getan. Durch Weiterbildung und Eigeninitiative habe ich es bis zu Rentenalter in einer guten Position ausgehalten.


Ursula antwortete am 20.06.02 (13:17):

Hallo Jo,

um auf Deine Frage etwas konkreter einzugehen: Es sind weniger detailliertes Wissen und detaillierte Fertigkeiten, an die ich denke. Von vielem ist etwas hängengeblieben, von vielem aber auch nichts. Für die Zeit nach der Schule wertvoll waren für mich Chemie, Physik, Biologie und Mathematik ;-). Diese Fächer hatten mir so richtig Spaß gemacht, relativ unabhängig vom jeweiligen Lehrer.

Bedeutsamer finde ich heute, dass die Schule Interessen geweckt hat und ganz allgemein die Freude am Lernen. Das war jedenfalls für mich eine der wichtigsten Weichenstellungen für mein späteres Leben.

Übrigens hing die kleine Klasse nur damit zusammen, dass ich in der Oberstufe den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig gewählt hatte, der bei Mädchen (wir waren ein reines Mädchengymnasium) nicht so beliebt war. Im neusprachlichen Zweig tummelten sich 35 Schülerinnen; erkennbar unglücklicher oder weniger erfolgreich waren die deshalb nicht.

Ursula


Johannes Michalowsky antwortete am 20.06.02 (15:56):

@pilli

ich habe nicht aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zitiert - die ja wohl ohnehin auf unsere Schuljahrgänge nicht mehr anwendbare wären - sondern aus meinen persönlichen Erfahrungen.

Belastet war das Problem der Mädchen im Mathe-Unterricht noch dadurch, daß unter den an der Tafel Leidenden auch immer mal - wechselnd - eine Flamme war! Damen waren das noch nicht außer in der Tanzstunde (wo, wie mir gerade einfällt, ja auch etwas fürs Leben Brauchbares vermittelt wurde, z.B. gute Manieren im Umgang mit Partnern).


Felix Schweizer antwortete am 20.06.02 (17:57):

An unserem Schulsystem mit den Jahrgangsklassen ist auch eine grosse Ungereimtheit eingebaut.
Schulkinder ... und darunter fallen auch Vorschulkinder sind menschliche Individuen ... also in einem bestimmten Alter auch sehr unterschiedlich entwickelt, lernmotiviert und interessiert.
Es bestehen durchschnittlich schon ganz gewaltige Reifeunterschiede zwischen den Geschlechtern ... aber auch innerhalb des gleichen Geschlechtes. z.T. gibt es dazu auch physiologische Ursachen. Mädchen sind lange den Knaben in der Ausdifferenzierung der Sprachregionen im Gehirn weit voraus.... Aber das weiss ja jeder! Unsere Schule nimmt in der Regel auf diesen Umstand keine Rücksicht.
Als Lehrer an einer Montessori-Grundschule und mit Praktika an einem Montessorie-Kindergarten machte ich in Bezug auf "Schreiben und Lesen" folgende Erfahrung.
Für viele Mädchen ist der ideale Zeitpunkt für das Erlernen unserer Schrift lange vor dem eigentlichen Schuleintritt. In Montessori Kindergärten ist auch alles Material zum Erlernen des Lesens und Schreibens vielfältig vorhanden. Kein Kind wird aber dazu genötigt. Wir hatten einen Knaben, der sich bis zur 2.Primarklasse einen Deut für unsere Schrift interessierte ... wohl aber für technische und mathematische Problemstellungen. Er hat einfach etwas später ... wie nebenbei ... halt auch sich wie die andern diese Kulturtechnik angeeignet. Ein anderer Erstklässler entwickelte zuerst einmal eine eigene Geheimschrift. Es war eine orginelle Laut-Zuordnungs-Schrift, deren Schlüssel ich in mühseliger Kleinarbeit knacken konnte. Er hatte schon viele Seiten mit seinen eigenen Schrift- Zeichen vollgeschrieben ... und staunte nicht schlecht, als ich ihm einen Brief in seiner eigenen Schrift zum Lesen gab mit ... samt Schlüssel und einigen Fehlern (typisch Lehrer). Es wird euch einleuchten, dass er unsere Schrift in wenigen Wochen dazulernte, weil es ihn verdross, dass er nur mit mir kommunizieren konnte.
Ich bin kein Papst der Montessori-Pädagogik ... aber etwas könnte man von diesen kindgerechten Ideen auch in der Staatsschule übernehen ... Das gleich gilt auch z.B. für die Rudolf Steiner Pädagogik , vorallem in der Heilpädagogik.


pilli antwortete am 20.06.02 (18:09):

hi jo,

klar hast du nicht wissenschaftlich zitiert, das ist eindeutig zu erkennen. es ist mein beitrag zu deiner frage, nicht mehr ....:-))

ist es nicht wunderbar, daß wir unterschiedlicher meinung sind? du bist glücklich und zufrieden mit deinen erfahrungen . gut, daß brauchbares wie "gute Manieren" für dich von wichtigkeit sind. ich habe zunächst im "duden" nachgesehen, ich kannte das wort nicht. hier fand ich die bedeutung des wortes:

"behandlungsart, kunstgriff, verkünstelung, das gekünstelte oder die verschrobenheit:

von diesen begriffen, wenn denn du das gemeint hast (?),
ist mir jeder fremd. ich besitze demnach auch keine "guten manieren". aber jetzt kenne ich jemanden mit "guten manieren" und schon bin ich um eine erfahrung reicher. ich danke dir!

learning by doing as it`s best...:-))


Samantina antwortete am 20.06.02 (18:45):

@ Madame "P"

.. da können wir alle uns aber glücklich schätzen, dass du im "späten" Alter noch dazugelernt hast, was Manieren sind,- aber wirst du sie auch anwenden?


pilli antwortete am 20.06.02 (19:20):

@ Samantina,

bestimmt nicht!:-))))


WANDA antwortete am 20.06.02 (19:33):

Bei diesem Thema möchte ich im nachhinein drei Männern einen tiefen tiefen Dank abstatten. Alle drei werden wahrscheinlich nicht mehr leben, aber vielleicht erkennen die Kinder ihre Väter.
Ende 45 oder Anfang 46 kamen wir in die Schweiz, zuerst nach Wilderswil, dann in das Rückwandererheim Hotel National in Interlaken. Dort gab es eine Schule mit einem Lehrer. Dieser Lehrer - den Namen vergesse ich nie - erkannte bald, das 4 von uns dort nicht hingehörten, das war ein Junge aus Bessarabien, einer aus Russland und mein Bruder und ich. Wir hatten bereits höhere Schulen besucht.
Die öffentlichen Schulen waren aber für uns nicht zugänglich, zumindest für deutsche nicht. Der Lehrer und der Heimleiter gingen also zum Polizeipräsidenten, wie oft sie dort waren weiss ich nicht. Fakt war, dass wir Staatenlose wurden und damit war der Weg zu den Schweizer Schulen frei. Ihr lieben Schweizer, vielleicht mögt Ihr das jetzt nicht glauben, aber es war so.
Als Kind nimmt man das an, erst viel später habe ich gewusst, was diese drei Männer für uns getan haben. Ich erwähne das hier, um zu betonen, was es für Pädagogen und Menschen gibt und auch deshalb, dass wir nicht aufhören, an das Gute im Menschen zu glauben


Nuxel antwortete am 20.06.02 (19:57):

@Pilli

"Gute Manieren" bedeuten,sich gesittet und wohlerzogen zu benehmen.
Werden durch Erziehung und vorleben vermittelt.
Keinesfalls sind es gekünstelte oder verschrobene Eigenschaften!
"Gute Manieren"= gutes Benehmen sollte eigentlich selbstverständlich sein!


Klaus Märker antwortete am 20.06.02 (21:35):

Hallo allerseits,
die unten angeführte Webseite gibt Auskunft über eine Schule
(Abifeier)
Viel Spass beim Lesen und lesen Sie auch mal das Forum darin.
Grüße an alle
Klaus

https://mitglied.lycos.de/avauha/#abisprecher

(Internet-Tipp: https://https://mitglied.lycos.de/avauha/#abisprecher)


Klaus Märker antwortete am 21.06.02 (11:29):

Tschuldigung die Adresse stimmt natürlich nicht
Richtig:
https://mitglied.lycos.de/avauha/#abisprecher

(Internet-Tipp: https://mitglied.lycos.de/avauha/#abisprecher)


Felix Schweizer antwortete am 24.06.02 (11:47):

Es stimmt mich etwas nachdenklich ... dass die meisten Beiträge an Erinnerungen hängenbleiben und nicht in die Zukunft gerichtet sind. Die Schule, die wir Senioren damals erlebt haben, mag Sonnen- und Schattenseiten gehabt haben ... aber tauglich für heute und morgen? .. Da zweifle ich stark daran!
Wie stellt ihr euch eine zukünftige Schule vor?


Johannes Michalowsky antwortete am 24.06.02 (12:09):

Lieber Felix,

das liegt daran, daß die Fragestellung so war, die ich versucht hatte unter die Leute zu bringen. Wir befinden uns im Kreis von Senioren, und mancher von uns kann Rückschau halten und tut das auch, wie man sieht. Mich hat das interessiert, nachdem wir im privaten Kreis die Frage aufgeworfen hatten, ob es z.B. sinnvoll gewesen war, das Lesen von Noten (Musik) zu erlernen, irgendeinen Gegenstand zeichnen oder abmalen oder Schiller's Glocke auswendig aufsagen zu können.

Die Einstellung zu solchen Fragen war schon zu meiner Schulzeit bei uns Schülern unterschiedlich, und es ist doch ganz interessant mal zu hören, wie sie bei Betroffenen jetzt ist.

Ich meine, kaum einer hier ist kompetent, um sich über die Fragen des Schulsystemes für die Zukunft zu äußern, das war aber auch nicht die Frage hier.


WANDA antwortete am 24.06.02 (18:46):

Schule wird immer bestimmt auch von Menschen und von dem Kontakt unter Menschen. Ich denke, dass ist das Wichtigste. Wir Sozialpädagogen haben immer gesagt, man lernt nur dort, wo man liebt. Natürlich stimmt das nicht. Aber an meinen Enkeln sehe ich doch, dass dort, wo die Chemie stimmt, wo man den Lehrer mag, das Gesagte viel schneller hängen bleibt und deshalb hoffe ich nur, dass -Schulsystem hin oder her- die wahren Pädagogen nicht aussterben, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass sie nicht aussterben.