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THEMA:   Wiedererrichtung von Nostalgiebauten

 27 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 15.06.02 (18:26) mit folgendem Beitrag:

Beim Treffen des ST in Berlin stieß ich erneut auf die Bestrebungen, das Berliner Stadtschloß wieder aufzubauen. Zuvor war ich in Dresden gewesen und habe mir die Baustelle der total zerstörten Frauenkirche angeschaut

Ich erinnere mich auch noch an die heftigen Diskussionen um den Wiederaufbau des ebenfalls zerstört gewesenen Goethehauses in Frankfurt im Jahre 1948, der dann auch rechtzeitig zum Goethegeburtstag 1949 vollendet wurde.

Beispiele mag es noch mehr geben.

Macht es Sinn, Bauten wiederzuerrichten, die aussehen wie die Originale, aber in Wahrheit dies nicht sind, sondern Neubauten - so sehr man sich bemüht, diese Tatsache zu kaschieren? Würde es nicht ausreichen, an den betr. Stellen Gedenkstätten für das, was war, einzurichten - das jedenfalls war seinerzeit von einer Seite bei der Auseinandersetzung um das Goethehaus gefordert worden. Und
auch hierfür gibt es Beispiele, z.B. in Hamburg und in Hannover.

Was meint Ihr?


rolf antwortete am 15.06.02 (18:58):

Kopie bleibt Kopie, das Geld ist besser für Restauriergung vom Verfall bedrohter Gebäude verwendet.


WANDA antwortete am 15.06.02 (19:25):

Nein, ich denke anders. In Hildesheim hat man das Knochenhauer Amtshaus wieder aufgebaut und das freut nicht nur die Einheimischen, sondern auch viele viele Besucher aus dem In- und Ausland.


sofia204 antwortete am 15.06.02 (20:00):

Jo, das ist doch nicht Dein Ernst?o


mulde antwortete am 15.06.02 (20:19):

Wanda
Das Knochenhauer Amtshaus liebe ich
aus fachlicher Sicht - durfte es (mit anderen)
in ganz besonderer Art besichtigen
Wenn ich auch Jo zustimme - halte ich mich als Mensch
vom Bau und einer der viel mit ex Ruinen zutun hatte,
aus dieser Diskussion raus.
Ps.Der Wiederaufbau in Hildsheim stand unter ganz anderen
Gesichtspunkten -auch das Goethehaus.
in Dresden und in Berlin das sind viel andere Aspeckte!
Qu vadis


Ursula antwortete am 15.06.02 (21:10):

Lieber Johannes,

nach meiner Ansicht Geldverschwendung. Für mich wären Gedenkstätten völlig ausreichend, zumal man den Zeitgeist ja nicht reproduzieren kann.

(Für die Restauration historischer Bauten sollte man natürlich viel investieren.)

Viele Grüße
Ursula


Karl antwortete am 15.06.02 (21:43):

Lieber Jo,

die Dresdener Frauenkirche ist sicher kein Neubau. Wenn man gesehen hat, mit welcher Akribie jedes kleine und große Steinchen nummeriert wurde, dann kann man dies durchaus als Restauration ansehen. Da die Mittel zu einem wesentlichen Teil auch aus Spenden gewonnen wurden (werden), besteht offensichtlich ein Bedürfnis zum Wiederaufbau, da zu befriedigen m.E. in Ordnung ist.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Karl antwortete am 15.06.02 (21:44):

Lieber Jo,

die Dresdener Frauenkirche ist sicher kein Neubau. Wenn man gesehen hat, mit welcher Akribie jedes kleine und große Steinchen nummeriert wurde, dann kann man dies durchaus als Restauration ansehen. Da die Mittel zu einem wesentlichen Teil auch aus Spenden gewonnen wurden (werden), besteht offensichtlich ein Bedürfnis zum Wiederaufbau, das zu befriedigen m.E. in Ordnung ist.

Mit freundlichen Grüßen

Karl


Ruth aus Dresden antwortete am 15.06.02 (21:53):

Als Dresdnerin stimme ich der Meinung gegen die Nostalgiebauten zu. Speziell zu unserer Frauenkirche - ich war damals 15 Jahre alt, als sie ein Opfer Bombennacht wurde und war sehr erschüttert - nicht nur die vielen Menschenopfer, auch noch diese Kirche! Doch die Not stellte uns vor so viele und große lebensnotwendige Aufgaben, der Wiederaufbau der Kirche war einfach nicht möglich. Die Ruine empfand ich als ein sehr eindrucksvolles Mahnmal. Die Erinnerung an die sinnlose Zerstörung geht durch den Wiederaufbau -trotz evtl. Gedenktafel o.ä.- vor allem für spätere Generationen verloren.
Das soll nicht heissen, daß ich nicht allen Sponsoren und auch den Spendern, die ein Scherflein dazu beitragen, für den schönen Bau dankbar bin. Doch wie ist das als Christ zu vereinbaren hier Prunkbau und daneben arbeits- ja sogar obdachlosigkeit?
Ihr eht ich habe da so meine Schwierigkeiten.

_


Johannes Michalowsky antwortete am 15.06.02 (22:28):

Ich verstehe die eine oder andere Äußerung, soweit sie mich betrifft, deswegen nicht, weil ich mich zumindest bemüht habe, keine eigene Meinung sichtbar werden zu lassen. Ich wollte nur mal das Thema in den Raum stellen.

Deswegen verstehe ich Sofia's Bemerkung, das könne doch nicht mein Ernst sein, nicht.

Das Puzzle-Spiel mit den Steinen der Frauenkirche habe ich diesmal und vor zwei Jahren schon einmal betrachtet, und das meinte ich mit Kaschieren der Tatsache, daß es eben doch ein Neubau ist. Dennoch: Mit oder ohne Steinesammlung ist für das Stadtbild von Dresden die Kuppel der Frauenkirche essentiell, für das Stadtschloß in Berlin kann man das ja wohl nicht sagen. Und Berliner Freunde konnten mir noch nicht einmal erzählen, was denn das Statdtschloß für eine Funktion haben werde, wenn es denn mal fertig sein sollte.

Und wenn die Menschheit so spendenfreudig ist wie im Falle der Frauenkirche und evt. auch des Berliner Schlosses, da gäbe es schon noch ein paar andere Empfänger, die einer finanziellen Kraftanstrengung wert sind.

Ich wollte das aber, wie gesagt, zur Diskussion stellen, weil ich mir da meiner eigenen Meinung nicht sicher bin.


70plus@gmx.de antwortete am 15.06.02 (22:42):



Ob es „Sinn macht“ Nostalgiebauten wieder aufzubauen ? Spontan ist man versucht,NEIN zu sagen in einer Zeit,in der Arbeitslosigkeit,Hunger
und Krieg in weiten Teilen der Welt herrscht!
Aber müßte dann nicht auch bei allem Anderen „gespart“ werden?

Nuxel


York v. Selasinsky antwortete am 15.06.02 (22:46):

Alte historische Gebäude sollten immer wieder aufgebaut werden....an die" Alte Oper" in Frankfurt/M erinnere ich mich gerne zurück und natürlich die Frauenkirche in Dresden und das Berliner Stadtschloß gehören auch dazu.
Andere Empfänger gibt es bestimmt noch haufenweise,aber da sind private Sponsoren auch gefragt.


Nuxel antwortete am 15.06.02 (23:52):


Entschuldigung,habe vor lauter Müdigkeit statt Nicknamen,meine Emailadresse geschrieben.
Schreibt ihr mir jetzt alle;-))) ?

Nuxel


Irmgard Dupke antwortete am 16.06.02 (02:13):

Na was soll denn da stehen??? Vielleicht dieser Asbest verseuchte Kasten, den man Palast der Replubik nannte????
Die Linden, das Zeughaus, der Dom, die Staatsoper.......alles noch da, was würde denn da passen?
Sorry, ich verstehe diese Diskussion nicht, zumal aus politischen -ideologischen- Gründen, dieses schöne Bauwerk
einfach gesprengt wurde. Es passte und passt noch immer dorthin. Wie man es innen gestaltet, na ob Bibliothek oder Museum, ist doch egal.
Die Attrappe damals zeigte uns doch, wie es zum Stil aller umgebenden Bauwerke paßt.
Und warum hat denn die DDR das Eosander-Tor erhalten und in ihr Staatsratsgebäude eingefügt???? Offensichtlich fanden einige, wenige damals , so`n bischen vom Schloß noch erhaltenswert. Und wenns nur ein Portal war.
Jedenfalls haben die damaligen Baumeister schon erkannt, was wozu passt. Die Kommunisten wollten , daß das Volk
alles, was an Monarchie erinnerte, einfach vergessen soll.
In England feierte man grade das 50 j. Jubiläum der Queen und nun ihren Geburtstag........nun ja, auch nicht mehr zeitgemäß........aber die Briten lieben ihr Königshaus
und vor allem auch ihre Bauten......
Vielleicht sollte man auf dem Schloßplatz eine "NANA" der gerade verstorbenen Niki de Saint Phalle aufstellen, dann wären wir doch endlich mal zeitgemäß.........
Sorry! Was soll denn der ganze Quatsch.
Das Schloß entsprach der UMGEBUNG und es würde auch heute noch der Umgebung ein gewisses "Flair" verleihen.
Kosten hin und her, ich bin sicher, daß sich da viele Spender am Aufbau beteilgen würden.


schorsch antwortete am 16.06.02 (09:00):

Wenn ein Gebäude mit DEN gleichen (nicht mit gleichen!) Materialien nach Fotos und Plänen wieder aufbaut, ist nichts dagegen einzuwenden. Schliesslich werden ja auch alte Häuser abgerissen und in Museumsdörfern wieder aufgebaut. Wenn man aber mit Steinen, die mit dem alten Gebäude überhaupt nichts zu tun hatten, eine "Restaurierung" nachbaut, ist das verlorenes Geld.

Wenn ein Haus abbrennt und man es wieder genau gleich, aber mit neuen Materialien, wieder nachbaut, ist es ja auch kein Original mehr und man kann nicht sagen, das Haus wäre so und so viele Jahrhunderte alt.

Genau so wenig kann man einen Menschen klonen und dann sagen, er wäre das Original.

Schorsch


Ursula antwortete am 16.06.02 (11:28):


Wer mehr zum Thema "Stadtschloss Berlin" wissen möchte, dem sei die u.a. URL empfohlen.

Am 06. Juni 2002 hat auch der Bundestag über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und über die Gestaltung des Baus debattiert - wie nicht anders zu erwarten, kontrovers:

Während die Koalition von SPD und Grünen sich dafür aussprach, dass bei einer Neubebauung des Schlossplatzes die Fassadengestaltung in einem Architektenwettbewerb geklärt werden soll, plädierte die FDP für die Wiederherstellung des Platzes "in seiner historischen Gestaltung".

Die PDS plädierte für einen offenen Architektenwettbewerb und die "Einbeziehung nutzbarer Teile des Palstes der Republik".

(Feuilleton der Berliner Morgenpost vom 07.06.2002)

(Internet-Tipp: https://www.stadtschloss-berlin.de/)


Fred Reinhardt antwortete am 16.06.02 (13:07):

In einer alten Stadt wie Bamberg ( Altstadt = Weltkulturerbe ) zu wohnen, hat schon etwas für sich.
Damit sind aber auch Nachteile verbunden, auf denen ich jetzt nicht eingehen möchte.
Der Wiederaufbau der Ruinen in Dresden und das Stadtschloss in Berlin haben miteinander nichts gleich. So weit mir bekannt ist, ist Coventry die Partnerstadt von Dresden und dort bleibt die durch Bombenangriffe zerstörte Kathedrale als Zeitdenkmal erhalten. Auch dies ist eine Möglichkeit. Ich stand davor und ein Schauer lief mir über den Rücken.
Ruinen wieder herzurichten und finde ich gut. Einen Neubau ( Nachkriegsbau ), auch wenn dieser nicht gerade gelungen ist, abzureissen und dann eine Kopie des Stadtschlosses neuzubauen finde ich nicht gut. Wenn der Kasten unbedingt weg muss dann einen Bau der unser Jahrhundert für die Zukunft repräsendiert.


Ursula J. antwortete am 16.06.02 (13:41):

In einer wieder aufgebauten Kirche finden sicherlich Gottesdienste statt.
Aber wofür braucht man ein Schloss?


schorsch antwortete am 16.06.02 (17:36):

Ich hab eins am Fahrrad (;--))))

Schorsch


E-l-e-n-a antwortete am 16.06.02 (17:36):

Die Vorstellung, dass der Alexander-Platz im alten Stil wieder aufgebaut wäre, ist doch völlig abwegig. Obwohl für mich persönlich die Neubauten noch gewöhnungsbedürftig sind, finde ich doch die gesamte Anlage sehr gelungen.

Könntet ihr euch dort Alt/Neubauten vorstellen und dann mit den jetzt vorhandenen Geschäften, Büros und Lokalen, die heute ganz andere Anforderungen an Gebäude stellen?


E-l-e-n-a antwortete am 16.06.02 (17:50):

.. da hat doch Herr Freud seine Finger im Spiel gehabt ..

Natürlich habe ich den Potsdamer Platz gemeint!!


Irmgard Dupke antwortete am 16.06.02 (18:06):

Wozu braucht man ein Brandenburger Tor,
eine Siegessäule usw. usw.?


Johannes Michalowsky antwortete am 16.06.02 (18:37):

Ich habe heute einen Ausflug zur Klosterruine Hirsau im Schwarzwald gemacht. Dort habe ich gedacht, daß, erwägt man die Rekonstruktion von Ruinen, diese vor allen anderen Vorhaben, nicht zuletzt vor dem Neubau des Berliner Stadtschlosses, Priorität haben müßte. Immerhin ist die Ruine schon 310 Jahre alt!

Das Kloster wurde von unseren heutigen französischen Freunden zerstört, die man vielleicht an den Wiederaufbaukosten als Wiedergutmachungsleistung beteiligen könnte. Das Berliner Stadtschloß ist hingegen von Deutschen selbst beseitigt worden.

Außerdem ist von diesem einstigen Bauwerk sehr viel mehr erhalten als von dem Berliner Schloß, und Argumente von Klecksi für einen Wiederaufbau treffen auf Hirsau ebenfalls zu, außer daß es nicht in der Hauptstadt liegt.

Spaß beiseite: was alles soll noch aufgebaut werden, nur um historischem Ästhetisieren zu entsprechen?

Eine Dokumentation mit recht guten Bildern der Klosterruine habe ich in meiner HP - Adresse unten - vorübergehend angelegt.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/my/)


Ursula J. antwortete am 16.06.02 (19:34):

Irmgard,
es gab Gründe warum einst die Siegessäule, das Brandenburger Tor und auch das Schloss gebaut wurden.
Heute eín "Schloss" zu bauen würde bedeuten eine Kopie herzustellen und kein Schloss.


WANDA antwortete am 16.06.02 (19:38):

Da komme ich nicht mehr mit - eine Klosterruine im Schwarzwald contra das Berliner Schloss. Für den Fall, dass man sich für den Aufbau der Fassade entscheidet, wird diese aus Spendenmitteln finanziert.


Irmgard Dupke antwortete am 16.06.02 (19:44):

Wanda, stimme Dir zu.
Und Ursula, ist eine Kopie eines Schlosses dann
kein Schloß mehr?


sofia204 antwortete am 16.06.02 (20:37):

alle Brücken hinter sich abzubrechen,
um neu anzufangen ist gut.
Aber die Vergangenheit haben wir nicht selbst gemacht,
und kommen doch aus ihr hervor,
wer mag sich den eigenen Ast absägen?
Dann braucht es auch keine Grabsteine, - aber
selbst die Neandertaler sind uns erhalten.


Wolfgang antwortete am 27.06.02 (14:13):

Erhaltung bzw. Renovierung oder sogar ein Neubau eines "alten" Bauwerks wird ja meistens begründet mit unserer Pflicht, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen, indem durch Gebäude an diese erinnert werden soll.

Mein Eindruck: Fast immer geht es gar nicht um die kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte. In aller Regel geht es darum, dass sich die heutige Generation Gebäude erhält, um sich in der Gegenwart besser einzurichten. Nostalgie, nicht Erinnerung ist gefragt, G'fühliges ist in Mode...

HANNO RAUTERBERG heute in DIE ZEIT: "In Wahrheit allerdings plädieren die Schlossfreunde für eine Geschichte ohne Erinnerung. Wenn sie die Vergangenheit ernst nähmen, dann könnten sie auch mit deren Verlusten leben. Sie wollen aber keine unbequemen Denkmäler [z. B. den 'Palast der Republik', W. M.], die uns vom Gewesenen berichten. Sie wollen Denkmäler als Wohlfühlkulissen der Gegenwart. [...]"

Wie barock ist Deutschland?
Das Stadtschloss im Bundestag
Von Hanno Rauterberg
https://www.zeit.de/2002/27/Kultur/200227_spitze.html

(Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2002/27/Kultur/200227_spitze.html)