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THEMA:   Mutterliebe

 23 Antwort(en).

Geli begann die Diskussion am 24.05.02 (12:12) mit folgendem Beitrag:

Verschiedene Antworten in verschiedenen Forumsbeiträgen der letzten Zeit haben in mir eine Frage aufgeworfen:
Jede(r) weiß, man soll seine Mutter lieben (ich rede hier bewußt nur von der Mutter). Die meisten tun es ja wohl auch, manche mehr und von ganzem Herzen, manche halt weniger.
Aber was macht man, wenn man das nicht kann? Wenn man aus dem einen oder anderen Grund, oder auch aus gar keinem konkreten Grund, seine Mutter einfach nicht lieben kann? Wie geht das (meist schon erwachsene) Kind damit um? Das Gefühl "ich kann meine Mutter nicht lieben" ist doch eine vielleicht quälende Belastung? Wie geht die Mutter damit um? Vor allem: wie geht man da miteinander um?
Wahrscheinlich (wenn auch wohl seltener) gibt es auch die umgekehrte Konstellation, daß ei-ne Mutter ihr Kind nicht lieben kann.


verdana antwortete am 24.05.02 (12:38):

Liebe Geli,

da hast du ein sehr heikles Thema angefasst, denn normalerweise "sollte" man/frau seine Mutter lieben. Meine Mutter war eine abgrundtief böse Frau, die von niemanden geliebt wurde. Mit meinen Vater verband sie eine geschäftliche Beziehung, die nie in Abrede gestellt wurde, auch von ihm nicht, da sie gemeinsam grossen Erfolg hatten und ein gutes Vermögen geschaffen haben.

Kurz vor ihrem Tod kam mir der Gedanke, mit ihr darüber reden zu wollen, dass wir (mein Bruder und ich) sie gern geliebt hätten, wenn sie es denn zugelassen hätte. Ich habe es versucht, aber sie war - wie immer - eine einzige Ablehnung.

Jetzt aus der Distanz kann ich nur sagen, vermutlich hat sie selbst nie Liebe erfahren und wusste überhaupt nicht, was das ist und ich habe ihr vergeben, aber die Narben werden ich wohl "mein" ganzes Leben mit mir herumtragen.


Geli, ich verstehe dich so gut.. antwortete am 24.05.02 (13:24):

...darum veröffentliche ich nun extra für dich, nochmals mein traurig gedicht


Liebes Mami,

Es ist schon einige Jahre her,
da stand ich vor deiner Tür

Blumen hielt in den Händen ich
Auch Fotos vom Urenkel, hatt' ich für dich.

Ich war so glücklich sie bringen zu dürfen,
Die Fotos von ..... dem Urenkel dein.

Ich wollte zusammen mit dir sie betrachten,
Und zuschau'n wie sie Freude dir brächten.

Ich drückte die Klingel zur Wohnung dein,
Doch du, du liessest dein Kind nicht herein.

Du öffnetest das Fenster,
schautest wortlos mich an,

doch ohne ein Lächeln, ohne ein Gruss,
schlossest du einfach das Fenster nur zu.

Ich stand vor deiner Tür', ich war wie gelähmt,
„Das kann nicht sein, ich habe geträumt!'

So wartet' ich noch eine Minute oder zwei
Hoffend, dass dies ein böser Traum nur sei.

Doch bittrer Ernst war das, was ich sah,
was damals mitten am Tag geschah,

taumelnd vor schmerzen, die Augen voll Tränen
das Herz zerrissen, so eilt' ich davon....

Ich konnt' nichts mehr sehen,
ich konnt' nichts mehr hören.

War innerlich tot, und doch musst' ich gehen.
Konnt' nicht einfach bleiben da stehen.

Doch war ich nicht fähig mehr, zu sehn die Gefahr,
Und lief auf die Strasse, wurd' fast überfahrn.

Erst als der Fahrer mich tadelte sehr,
Da wurde ich wach, und heulte noch mehr.

Mami, mein Mami!!!
schrie ich innerlich zu dir!

Du aber, hast es nie vernommen dieses Schrei'n!
seit du mich geboren, drang dieser nie in die Seele dein


ich kam dir und deinen Plänen in die Quere,
alles wär' gut geworden, so ich nicht geboren wäre
nur manchmal, für kurze Zeit zwar nur,
da warst du freundlich und lieb zu mir

Diese wenigen Stunden konntest du das werden,
was jedes Kind sich wünscht auf Erden

Du ludst mich ein, ich durft' kommen zu dir
Und du sprachst freundliche Worte zu mir.

Wie Balsam sog diese zuwendung ich jeweils ein
Und dachte: "nun wird alles gut und wunderschön sein"

Dann folgten Tage von grosser Freud',
auch ich hatte ein Mami wie andere Leut'

Ich konnt'? in die Arme dich nehmen
und drücken dich fest!

Es war das schönste,
Es war wie ein fest.

Doch plötzlich, da fängst du wieder damit an.
Du beschimpfst mich, und klagst hassvoll mich an.

Du willst von mir hören, ich sei gar schlecht,
nur du seist ohne Schuld und immer im Recht.

Oh Mami, so konnte das nicht mehr weitergehn!
Ich konnt' mich nicht dauernd verklagen
für Dinge die niemals ich tat, die nie sind geschehn!

Für da wo ich wirklich Unrecht dir tat
Da bat ich längstens um Verzeihung schon.
Sogar dafür, dass ich ungebeten in dein Leben trat.


Oh Mami, ich sehne mich bei Tag und bei Nacht,
Nach Liebe, nach Frieden mit dir, mit aller Macht.

Du schreibst, ich sei ein schlechtes Kind,
tät dich lassen im stich wie ein aussätzig Hund.

Und niemand ich tät je gut zu dir sein,
Nicht mal zu Weihnachten laden dich ein.

Doch Mami, das weißt du doch ganz genau,
wie jahrelang wir alle dich luden ein.

Zu allen drei von den Kindern dein,
warst du stets eingeladen Weihnachten zu fei'rn

Doch zogst du es vor, den heiligen Abend,
bei fremden Menschen dich zu laben.

Mit alleinstehenden Menschen, feierst jeweils du,
und ihnen klagst du dann immerzu:
"drei Kinder hab ich, und keins lädt die arme Mutter je ein!"

Du hast wohl noch nie daran gedacht,
was für Kummer und Schmerz du uns damit machst!?

Endlich musste ich dies mit klaren Verstande einsehn-
"ich musste mich von dir trennen, ich musste gehn!"
dein Kind


Geli antwortete am 24.05.02 (13:37):

@ ?
Eine wirklich traurige Geschichte, und ich hoffe sehr, daß Du sie nicht selbst so erlebt hast! Leider glaube ich aber gleichzeitig doch, daß es Deine eigene Geschichte ist.
Hoffentlich konntest Du Dir mit dem Aufschreiben Deinen Kummer ein wenig "von der Seele schreiben" - das hoffe ich für Dich!


Irgendwer antwortete am 24.05.02 (14:23):

Liebe Geli,
ja es ist meine Geschichte.
Ich habe dieses "Gedicht" schon einmal veröffentlicht hier im ST. als mich das schlechte Gewissen so sehr plagte, (es war nahe vor Weihnachten. der Zuspruch von lieben Lesern hat mir sehr geholfen.

Heute, als ich deinen Aufruf las, da "musste" ich dieses einfach wieder aus meinen Dateien hervorkramen (in den Foren konnte ich es nicht mehr auffinden)

Ich tat es dir zuliebe, damit du dich nicht so alleine fühlen musst mit diesem traurigen Problem. Aber auch mir tut es gut, den Schrei wieder einmal in die Welt zu schicken und ich bin so dankbar, dass man dies hier auch anonym machen kann.

Ich habe dieses Jahr ganz besonders stark gelitten um die Muttertagszeit herum.
Was hätte ich darum gegeben, wenn ich meiner Mutter einen schönen Blumenstrauss hätte bringen können!

Einfach einen vor die Türe stellen? (bei Nacht und Nebel) das wäre auch nicht gut angekommen (was auch verständlcih wäre)
Doch selber hingehn damit, das ist, wie du aus dem Gedicht ersehen kannst, einfach unmöglich :-(

Ich grüsse dich und alle anderen Leserganz herzlich,
Igendwer


Nuxel antwortete am 24.05.02 (15:56):


An Unbekannt

Deine Wehmut,Trauer und Anklage habe ich wiederholt gelesen.
Ich kenne weder Dein Alter,noch das Deiner Mutter,da Du aber von Fotos des Urenkelchen gesprochen hast,nehme ich an,daß Die Lebenszeit Deiner Mutter möglicherweise begrenzt sein könnte.
Lebt Dein Vater noch?Wie ist oder war Euer Verhältnis zu ihm?Wäre es möglich,über ihn eine Brücke zur Mutter zu schlagen?
Wenn Du in diesem Jahr ganz besonders intensiv an Deine Mutter denken mußt,(Muttertag)könnte es sein,daß es ihr
ähnlich geht.....
Ich würde versuchen,irgendetwas Schönes zu finden,wovon Du denkst,daß es ihr Freude bereiten könnte.Vielleicht nur ein schönes Taschentuch mit besonders schöner Spitze und ein Fläschchen Lavendel dazu liebevoll verpacken.Ein besonders schöner Blumenstrauß ist auch nicht schwer zusammentzstellen.Schreib auf einer sehr schönen Karte einen lieben Gruß- nicht an-klagend -----und
bring eines Deiner Enkel- oder Urenkelkinder zur Tür Deiner Mutter,behalt es -ungesehen -im Auge,laß es läuten und warte,was geschieht.
Vielleicht wartet Deine Mutter auf ein Zeichen von Euch?

Statt immer bitterer zu empfinden,denk daran,wenn sie mal nicht mehr lebt, ist es zu spät,um noch ein liebes Wort zu sagen!
Dann ist nichts mehr wieder gut zu machen.
Nachdem Du selber Kinder und Enkel hast,solltest in der Lage sein,Deiner Mutter ohne Vorwürfe begegnen zu können.
Versuchs doch mal!
Man muß vergessen können,was weh getan hat.Wenn Du wirklich
endlich Kontakt zu Deiner Mutter aufnemen möchtest,tu es!
Nuxel


Tessy antwortete am 24.05.02 (17:00):

Ich wage es mal, Nuxels bestimmt gut gemeintem Rat zu widersprechen.
Ein Kind schuldet einer Mutter von der es keine Liebe bekommen hat, nichts! Und es ist ein Segen wenn das Kind, egal wie alt es inzwischen ist, sich frei machen kann von Schuldgefühlen. Denn das ist doch der springende Punkt: wenn ein Kind nicht geliebt wird, sucht es die Schuld bei sich und hetzt evtl. ein Leben lang hinterher um diese Liebe zu bekommen. (was aber meist nicht erreicht wird). Wie entläßt eine solche Mutter ihr Kind ins Leben? Ohne Selbstbewusstsein, immer auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. Hat die anonyme Schreiberin nicht schon genug Demütigungen, Kränkungen und Zurückweisungen erduldet? Und das Alter der Mutter ist keine Entschuldigung für jahrelanges Fehlverhalten. Wäre es nicht an der Mutter zu sagen: ich konnte dich nicht lieben, weil........, verzeihe mir?
Übrigens gibt es dasselbe Dilemma mit Vätern, ich weiß wovon ich spreche.
Gruß
Tessy


irgendwer - teil 1 antwortete am 24.05.02 (17:04):

Oh Nuxel....
Wie weh du mir tust!:-(
Du hast die Worte die ich in Gedanken meiner Mutter schrieb, gar kein bisschen verstanden :-(

Ich bin nicht verbittert, nein, das war ich in all den Jahren nie. Ich bin nur traurig, tief traurig über diese Ausweglosigkeit wo es nicht darum geht, dass einfach jemand den ersten Schritt täte.

Das alles was du schreibst, das ich tun könnte... oh das alles tat ich 7 mal 70 mal!!

darum geht es doch gar nicht, ich könnte offenen Herzens ohne den allergeringsten Groll,(jedoch mit viel Bangen) noch heute zu ihr gehen, denn ich habe ihr längstens vergeben (warum würde ich mich denn sonst noch so sehnen, sie - die Frau die mich so hasst- zu umarmen?).


Sie wohnt übrigens nur 10 Km von mir entfernt.

Ich könnte hin, ihr das alles bringen was du aufgezählt und noch vieles, vieles mehr, was ich ihr immer brachte -zeit, Zuwendung, stundenlang zuhören wie sie voller hass bei mir über meine Schwester und ihre Schwiegertochter spricht (bei ihnen tut sie das über mich) . Aber vielleicht würde sie sich nebst dem Hass auslassen, auch freuen, dass ich komme, mir Kaffe aufstellen und mir irgendwelche Nippsachen aus ihrem Regal schenken mich vielleicht sogar en bisschen umarmen. (hast du denn nicht gelesen?)

Das alles könnte ich - geben und bekommen. und dann.... ja, dann wirft sie mich plötzlich raus! oder/und sie hängt mir später wieder das Telefon auf, oder schreibt mir die bösartigsten und verleumderischsten Briefe die man sich nur ausdenken kann (oder eben nicht ausdenken kann) oder/und sie lässt mich wieder vor der Türe stehen (hast du denn nicht gelesen? :-(

Das alles hätte ich noch Jahre ertragen um darnach immer wieder über viele Tage oder Wochen in Depressionen zu fallen.

Bis eines Tages meine Tochter zu mir sagte:

"Mami, ich verbiete dir weiterhin zu dieser Frau zu gehen, ich kann das nicht mehr mit ansehen, wie sie mit dir Katz und Maus spielt, in dir immer wieder schöne Gefühle weckt um sie hernach mit Bergmannsschuhe wieder zu zerstampfen. Zudem erzählt sie so oder so, allen Leuten, dass du sie nie besuchen würdest, ganz gleich ob du kommst oder nicht. so stimmt es wenigstens."

Ja so sprach meine damals erst 20 Jährige Tochter.

Sie ist bei Leibe nicht eine hartherzige Frau, oh nein, im Gegenteil! Aber sie hat für mich den Riegel geschoben, den ich nie hätte schieben können. denn sie sah, dass ich so nicht mehr lange leben würde.


Irgendwer -teil2 antwortete am 24.05.02 (17:05):

Nicht desto trotz plagt es mich dermassen--denn ich LIEBE SIE DOCH SO SEHR!!:-( sie ist meine Mutter und sie leidet doch auch, nur mit dem GROSSEN Unterschied, dass sie gar nichts dagegen unternimmt (sprich= sie fühlt sich zu 100% unschuldig und im Recht so zu handeln.) Sie sagt auch immer wieder, sie hätte an uns keine Fehler begangen.

sie sucht immer wieder andere Psychologen auf, aber nur solange bis diese ihr zu verstehen geben, dass sie nicht richtig handelt, dann verlässt sie diese fluchtartig und sucht den nächsten auf. Bis heute fand sie keinen der ihr auch nur im Geringsten zustimmte, denn das hätte sie uns dann schon gesagt!

Sie will auch immer Familienkonferenzen" abhalten um über unsere vertrackte Situation zu reden. Doch bei diesen Sitzungen müssen alle: "ja Mami" sagen andernfalls läuft sie einfach davon.

Ja, so sieht es aus!! :-(

und dann noch diese zwar gut gemeinten Worte von dir :-(((

Nein einen Vater habe ich nicht mehr und hatte im prinizip genauso auch nie einen.

Ich wünsche niemandem, dass er je in so eine Lage kommt, welche dann auch noch mit denen verglichen wird, wo es nur darum geht, dass einer den ersten Schritt machen müsste.

ich werde mich nun nicht mehr dazu äussern, denn ich habe den Schrei an meine Mami, nicht ins Forum gesetzt um Erbarmen zu heischen, aber auch nicht, dass ich von Menschen die nicht richtig gelesen haben, noch mehr kaputt gemacht werde.
Denn - gäbe es eine Lösung bei der auch ich einigermassen über die runden käme, ich würde sie mit grosser Dankbarkeit annehmen.
Geli hat den Schrei verstanden.


Irgendwer antwortete am 24.05.02 (17:12):

Danke Tessy!
Du hast Deine lieben Worte, gesetzt, während ich meine schrieb.
Aber ich möchte doch auch barmehrzig sein und Nuxel, die mir sonst so lieb ist, jetzt nicht auch noch fertig machen. Nein, denn sie tat es bestimmt aus grosser Liebe. denn wie gesagt, wenn es so wäre ("einer muss den ersten Schritt tun") DANN wären ihre Worte mehr als wunderbar.
lassen wir also die Sache ruhen.
Ich komme schon irgendwie klar damit (muss ja:-)denn ich bin das ein ganzes Leben lang nicht anders gewohnt gewesen. Der Vater, die Mutter, und dann noch der Mann, sie alle haben mir Tonnenweise Schuldgefühle vermittelt , die auch heute noch laneg nicht alle weg sind, am wenigsten die gegenüber der Mutter.


Traurige Frau antwortete am 24.05.02 (17:36):

Es macht unendlich traurig, das, was hier zu lesen ist.
Aber: es gibt auch den anderen Fall. Es gibt Kinder, die sich als Erwachsene total von ihrer Mutter distanzieren, weil es die jeweiligen Ehe- oder sonstigen Partner so wollen, weil die eifersüchtig oder neidisch oder was weiss ich noch, sind.
Es gibt Söhne, die man über alles geliebt hat, für die zu leisten nichts zu viel war und die (bzw.der) jetzt über fünf Jahre keinen Schritt zu seiner Mutter machte. Trotz Briefen von ihr, trotz der Bitte "Komm, ich liebe Dich". Und es gibt Töchter, deren Ehemänner die Schwiegermutter nicht leiden können (wobei ich nicht sage, dass diese keine Fehler gemacht hätte), die genau so lange sie nicht mehr besuchen, keinen Glückwunsch zu Weihnachten oder zum Geburtstag übrig haben und den Enkeln verbieten, die Oma zu besuchen oder ihr zu schreiben.

Ja, so etwas gibt es auch.


verdana antwortete am 24.05.02 (18:13):

An Irgendwer,

mach´dich endlich frei von dieser Frau, wenn nötig mit Hilfe eines Therapeuten, sonst schleppst du das Zeit deines Lebens mit dir rum, wie ich es getan habe.

Ganz schlicht: diese Frau hat es nicht verdient, dass du um sie buhlst. Du verlierst irgendwann dein Selbstbewusstsein, oder hast es schon verloren. Es gibt eben Frauen, die besser keine Mütter geworden wären.


Nuxel antwortete am 24.05.02 (18:16):

@Irgendwer

Ich schrieb meine Gedanken zu dem von Dir geäußerten Kummer
hier auf.
MEINE Gedanken!
Es ist stets sehr heikel, raten zu wollen,ohne den ganzen Sachverhalt zu kennen.
Ich glaubte,Deine Klage beinhaltet noch den heimlichen Hilferuf: wie finde ich den Weg zu meiner Mutter Herz.

Nun erst wird einiges bekannt,was so erschütternd ist,daß mir die Worte fehlen.
Wenn denn der Familienrat tagte,wenn die eigene Tochter zur strikten Abnabelung riet,wenn,wie jetzt bekannt wird,wiederholt bei Fachärzten Rat oder Behandlung erfolgte,wenn denn tatsächlich überhaupt kein Zueinanderfinden möglich ist,warum dann der Hilfeschrei im Forum?
Ich will niemand wehe tun,das Gegenteil war mein Bestreben.
Tut mir leid,daß meine gutgemeinten Ratschläge nicht angebracht sind!

Eine Frage aber habe ich noch:
Warum das SOS,wenn angeblich gar keine Verständigung mehr möglich ist? Du hast eine eigene Familie! Da ist Deine Heimat.Vergiß die Vergangenheit-leb für und mit Deinen Angehörigen.


Irgendwer antwortete am 24.05.02 (19:24):

Liebe Nuxel,

Du zwingst mich leider (mit deiner Frage) mich nochmals zu äussern.

Ich werde dir antworten, obgleich ich weiss, dass du die Antwort im grunde deiens Herzens bereits selber kennst :-(

Ich habe das Gedicht ausdrücklich aus dem Anlass von Gelis Frage gepostet.
ich habe auch keinen SOS ruf gestartet (SOS heisst Hilfe anfordern, ich fordere keine Hilfe an)

Ein Schrei aus verwundetem Herzen (das Thema riss es besonders wieder auf) ist nicht immer ein Hilferuf, insbesondere nicht, wenn die Schreibende, selber sagt, dass da Hilfe praktisch unmöglich ist.

Noch eine rethorische Frage zur zweiten Hälfte dieses Satzes von dir:

>Warum das SOS,wenn angeblich gar keine Verständigung mehr möglich ist?
("angeblich" tönt übrigens nach zweifeln, aber das sei dir verziehen:-)

Also denkst du, dass wenn man für eine Not keine Lösung hat, man dann auch automatisch glücklich ist???
diese Theorie ist mir ganz neu:-(

Zu dieser Theorie möchte ich abschliessend noch dieses kleine selbstgebastelte Gleichnis bringen:

Ein Invalider möchte so gerne einmal auf einen Berg steigen, so richtig mit Seil und Haken. Aber er kann ja nicht gehen,er ist gelähmt!
Und kann auch nicht dahingetragen werden, da er mehrmals täglich irgendwelche Prozeduren ausüben muss (inhalieren, an eine künstliche Lunge sich anschliessen oder dergleichen.)

Was glaubst du nun - verliert er desswegen die grosse Sehnsucht (und auch die hoffnung!!) doch einmal in diese Berge zu klettern??

MfG
irgendwer
ps ich bitte dich und auch eventuell andere, von Herzen, mir keine Fragen mehr zu stellen, es bringt nur Verwirrung, und das wollte ich bestimmt nicht.
Ich hätte das Gedicht nicht setzen sollen, verzeiht mir diesen Fehler.


Utelo antwortete am 26.05.02 (15:52):

Mutterliebe -ich weiß nicht, was das ist. Habe ich nie bekommen und lange darum gebuhlt, bis zu fast völligen Selbstverleugnung. Dann kam irgendwann etwas ganz persönlich schlimmes und ich mußte und wollte an mich denken. Da habe ich laut meine bis dato nur innerliche Kündigung an meine Mutter abgegeben.Es gab nur eins, entweder bringe ich mich um oder ich löse mich von ihr. Habe dann letzteres getan und das war richtig. Danach gings mir besser. Nun ist sie endlich tot und mir geht es noch besser. So böse, wie diese "Mutter" war, sind viele in dem gewissen Alter, die denken, sie haben die Welt für sich alleine und seien absolute Herrschewr über ihre Männer und Kinder. Das ganze Suchen, Buhlen, NAchdenken, Selbstvorwürfe machen, hat nichts gebracht. Meinen Kindern würde ich so was nie antun un die wissen das. Si e haben oft genug gesagt, ich soll mich nicht so tyranisieren lassen von meiner "Mutter".


Felix Schweizer antwortete am 26.05.02 (20:20):

Die Mutter-Kind -Beziehung wird in der Entwicklungspsychologie als prägend angesehen. Alles, was das Neugeborene von der Welt erfahren kann, ist ... wenn alles natürlich verläuft ... seine Mutter ... das warme grosse Etwas .. mit der weichen Oberfläche ... das gut riecht ... einen beruhigenden Herzschlag hat ... mich liebevoll an die Brust hält ... und mich wonnig von diesem Lebensstrom trinken lässt ... bis ich genug habe und schläfrig in den Arm zurücksinke.
Schon nach der Geburt können Störungen dieser Harmonie auftreten .. gewollt .. oder weil die Umstände dazu geführt haben. Es gibt immer noch Geburtskliniken, die grobe Störungen gedankenlos zulassen. Zu helles Licht .. unnötige Störgeräusche ... brutales Abwaschen ... fehlender Körperkontakt mit der Mutter etc.

Warum weise ich darauf hin? Was hat das mit Mutterliebe zu tun? Mutterliebe und Liebe zur Mutter ist eine Beziehungsqualität, die in einer Wechselwirkung zwischen Mutter und Kind allmählich wachsen muss. Die hat der Mensch keinesfalls erfunden ... die finden wir in unzähligen Formen im Tierreich. Bei unsern näheren Verwandten praktisch in der Zeit kurz nach der Geburt identisch.

Auch bei andern Primaten kann es vorkommen, dass ein Säugling von anfang an ... oder nach einer gewissen Entwicklungsphase von der Mutter abgelehnt wird und damit entfällt die mütterliche Fürsorge. Ein Todesurteil in der Regel .... ausser ein anderes Weibchen adoptiert diesen verlassenen Säugling. Das kann sogar ein artfremdes Weibchen sein, das hormonell zur Milchproduktion angeregt wurde. z.B. Verlust des eigenen Jungen etc.

Beim Menschen kommt die moralische Verpflichtung dazu ein Kind auch dann grosszuziehen, wenn die biologischen Voraussetzungen dazu nicht oder nur vermindert vorhanden sind.

Die Auswirkungen für das Kind sind oft fatal. Weil die Beziehung zur Mutter im sozialen Umfeld Modellcharakter hat, kann die Beziehungsfähigkeit generell gestört sein. Kann ... muss aber nicht. Es gibt geradezu unglaubliche Lebensmuster, wie frühkindliche Frustrationen kompensiert oder bewältigt werden können. Die Abschiebung ins Unterbewusstsein oder andere Verdrängungsstrategien führen in der Regel zu psychischen Auffälligkeiten und auch zu psychotischem Verhalten.

Fälle von gestörter Mutter-Kind-Beziehung kenne ich aus meiner näheren Bekannt- und Verwandtschaft zur genüge.

Es ist sehr unterschiedlich, wie sich die auswirken kann. Überbehütung, kein Vertrauen zur Entwicklung und zum Verhalten des Kindes, Kompensation der fehlenden Liebe mit Verwöhnen, mit Überhäufen mit Geschenken ....aber Eifersuchtreaktion auf die Beziehungen die das Kind zu andern Personen aufbaut. Wobei die Störung der körperlichen Kontaktfähigkeit auffällig ist. Eltern, die ihre Kinder nur verkrampft umarmen und küssen können sind nicht selten.

Ich bin diesmal von einem biologischen Ansatz ausgegangen... Es ist keinesfalls der einzige ... aber meiner Meinung nach ein zentraler.


Nuxel antwortete am 26.05.02 (22:26):


ich muß doch etwas sagen,was mir sehr weh tut

Eure Schilderungen,eigenes Erleben,unbewältigte Vergangenheit der gestörten Mutter-Kind-Beziehung,
die Euch verfolgen,nicht zur inneren Ruhe kommen lassen,obwohl Ihr inzwischen selber Mütter seid,ist erschütternd,nachzulesen.

Aber darüber sollte nicht :
Mutterliebe
stehen.

Versteht bitte,was ich meine!
Es tut mir für Euch sehr leid,daß Ihr diese prägenden,bitteren und traurigen Erlebnisse hattet.

Aber,was in den Berichten zur Sprache kommt,ist nicht
"Mutterliebe"
sondern abnormes Verhalten von Frauen,die Kinder geboren haben,ohne Mutter sein zu können-somit auch keine
Mutterliebe geben und empfinden können.

Felix hat ja sehr gut geschildert,daß dieses Verhalten auch bei anderen Lebewesen möglich ist.

Sollten irgendwann die Anklagen nicht verstummen?
Seid doch dankbar,daß ihr eigene Familien habt und offenbar
andere Empfindungen und Gefühle weitergeben durftet.

Nuxel


schorsch antwortete am 27.05.02 (09:57):

Wir waren sieben Kinder. Jedesmal wenn ein "neues" dazu kam, war das für unsere Mutter das Allerliebste. Die "alten" mussten auf Liebe verzichten. So kam es denn, dass eigentlich jedes Kind, das vor dem gerade "neuen" war, eifersüchtig die Liebe der Mutter suchte - und zurück gestossen wurde.

Vor ein paar Tagen ist unsere Mutter im Alter von 98 Jahren gestorben. Ihre Asche wird am 4.Juni im engsten Familienkreise zu Grabe getragen - ich hole die Urne heute. Einige von uns haben sich mit ihr im Laufe der Jahre versöhnt. Aber für alle war ihr Tod eine Erleichterung. Nicht wegen der entgangenen Mutterliebe, sondern weil wir sie in den letzten Jahren dahin siechen sehen mussten. Sie hatte eine grosse Angst vor dem "Danach".

Schorsch


Noch immer nicht verstanden? antwortete am 27.05.02 (14:46):

@Nuxel

>Sollten irgendwann die Anklagen nicht verstummen?


Du hast leider noch immer nicht verstanden (oder willst du nicht verstehen? :-(

Ich auf alle Fälle klage meine Mutter längst nicht mehr an!!!!!

Ich und auch die anderen stellen nur fest, dass sie keine Mütter waren!
ich schätze, dass dieses Thema von Geli eröffnet wurde, damit Menschen die sowas erleben mussten, sich hier darüber aussprechen können unter Leidensgenossen und nicht, um von Menschen die davon keine Ahnung haben können, weil sie das ja nie erLEBTEN- geschulmeistert und gedemütigt zu werden.
Da nützen auch alle beschönigenden Worte wie:

>Es tut mir für Euch sehr leid,daß Ihr diese prägenden,bitteren und traurigen Erlebnisse hattet.

...nichts mehr, wenn darauf so- äusserst verletzende und ungerechten Worte folgen wie oben schon erwähnt und noch schlimmer:

>Seid doch dankbar,daß ihr eigene Familien habt und offenbar
andere Empfindungen und Gefühle weitergeben durftet.

Was glaubst du wie dankbar wir dafür sind????
wer kann denn dankbarer dafür sein, seinen Kindern alle Liebe zu schenken, als jemand der diese so bitter entbehren musste??

Räumt endlich auf mit dem märchen, dass wer keine Liebe empfing, auch keine geben könne, oder sich nicht an seiner Familie erfreuen könne!! Damit tut man den sonst schon genug geschundenen sehr unrecht.
Schorsch ist ein gute Beispiel dafür, dass es nicht so sein muss.

Und ich habe meinen Kindern auch alles gegeben (und dies mit Freuden!!) was eine Mutter nur geben kann (die gängigen Fehler miteingeschlossen:-)
und meine Kinder und ihre Familien sind für mich das Allerhöchste auf Erden.

Aber all das kann doch diese Vergangenheit trotzdem nicht einfach ungeschehen machen.

Und sie kann auch nicht den Schmerz und das schlechte Gewissen wegnehemen, denn diese Liebe zu meiner Mutter, die ich trotzdem noch immer in mir trage, mir verursacht.
Da sie eben nicht immer nur böse ist, macht es für mich noch viel schwieriger

Aber das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun.

Oder könntest du dich nicht mehr an deiner familie freuen, wenn z.B. dein Arbeitschef dir Unrecht täte?

Mit freundlichem Gruss
und der Bitte, doch ausnahsweise mal dieses Thema denen zu überlassen , die hier ganz einfach nur berichten möchten, wie es ihnen erging/oder ergeht mit dieser nie Empfangenen Mutterliebe. Und die auch auch gute Ratschläge vermitteln können aus dem eigenen Erleben, wie z.b. verdana und Utelo .













Tessy antwortete am 27.05.02 (16:31):

..und noch für Nuxel zu Erklärung:
Du darfst nicht glauben daß das Thema `nicht bekommene Liebe` nach der Pubertät abgeschlossen ist.
Ich fühlte mich Jahrzehnte als Mensch der Liebe nicht verdient, sich aber danach sehnt und versuchte deshalb es allen , wirklich allen, recht zu machen. Was ich damit erreichte war, meine Identität, so ich denn eine hatte, zu verlieren.
Ganz komme ich aus der Geschichte nie heraus und mit tut es ausgesprochen gut ab und zu darüber zu reden!!!! Vor allem mit Menschen die die Problematik verstehen.
Ich sehe auch nicht was es den anderen schaden kann??
Und dankbar sein? Nicht unbegrenzt, denn ich mußte auch sehr viel dafür tun um da zu stehen wo ich jetzt bin.
Gruß
Tessy


Nuxel antwortete am 27.05.02 (16:46):


Scheinbar sind Karls Worte,die er um 15:19 ins Forum setzte
nicht von allen gelesen worden.
aus diesem Grund werde ich auf die persönlichen Anschreiben
nicht antworten.
Nuxel


Irgendwer antwortete am 27.05.02 (23:32):

Hier habt ihr meine Mailadresse, für alle die das fehlen dieser störte.
Aber eine Antwort von mir muss niemand erwarten, denn für mich ist das Thema entgültig abgeschlossen.
Letzter Gruss
Irgendwer


Geli antwortete am 28.05.02 (17:24):

Vielen Dank allen, die bisher auf meinen Beitrag geantwortet haben! Es tut mir sehr leid, daß es darüber auch zu unschönen Wortwechseln gekommen ist! Bei einem so sensiblen Thema kostet es sicher genug Überwindung, darauf überhaupt zu antworten und damit etwas von sich preiszugeben (was man vielleicht lange nicht einmal sich selbst eingestehen konnte).

@ Irgendwer: Es tut mir leid, daß ich mit meiner Frage wieder etwas ans Licht gebracht habe, was Du vielleicht schon irgendwie zugedeckt hattest! Solche tiefen Wunden aus so schmerz-haften Erfahrungen kann man wohl nicht mehr heilen. Aber vielleicht hilft es doch ein biß-chen, wenn man darüber reden kann, am besten eben anonym. Ging es nur Dir so, oder auch Deinen Geschwistern? Normalerweise, wenn man eine solche Geschichte im Fernsehen sieht oder davon liest, könnte man es einfach nicht glauben. Vielleicht gelingt es Dir ja doch ir-gendwann, diese Frau aus Deinem Herzen zu verdrängen, wie es auch Deine Tochter ausge-drückt und Verdana Dir geraten hat, und wie es auch Utelo irgendwann gelungen ist. Denn vorher wirst Du keine Ruhe finden.
Wenigstens hast Du es aber geschafft, dieses Trauma insofern zu verwinden, als es Dir gelun-gen ist, es bei Deinen Kindern besser zu machen. Das ist ganz, ganz wichtig und in so einer Situation nicht selbstverständlich!

@ Verdana: Auch Deine Situation kann ich sehr gut verstehen. Vielleicht hat sich ja Deine Mutter tief im Innern doch auch nach Liebe gesehnt, und das nur nicht ausdrücken können bzw. sich hinter ihrer "Ablehnung" verschanzt? So wie Du es sagtest, daß sie selbst wohl nie Liebe erfahren hat. Aber ich verstehe auch sehr gut, daß man das nicht wirklich loswerden kann und sein ganzes Leben mit sich herumträgt. Manchmal ist der Tod der Mutter dann so etwas wie eine "Erlösung" - so hart das für manche klingen mag. Auch bei Utelo war es ja wohl so. Aber zu diesem Zeitpunkt sind zumindest Teile der eigenen Seele meist irreparabel beschädigt.

@ Tessy und Felix: Euren Analysen kann ich voll zustimmen! Wenn auch das Väter-Dilemma eine andere Qualität hat. Vielleicht sehen das ja auch Söhne anders als Töchter?

@ Nuxel: Du hast recht, daß der Titel "Mutterliebe" nicht ganz passend ist. Es ist wie die ab-gewandelte Redewendung: "Mutter werden ist nicht schwer ..." (wenn auch ein bißchen schwerer als Vater werden). Manche Frauen hätten nie Kinder bekommen dürfen (wahr-scheinlich haben sie sie auch gegen ihren Willen bekommen). Viele von ihnen hätten dann a-ber wahrscheinlich besser daran getan, ihr Kind gleich einer fremden "Mutter" zu übergeben, die fähig und bereit gewesen wäre, dem Kind Liebe zu geben.

@ Traurige Frau: Ja, solche Dinge gibt es auch. Das ist jedenfalls dann "unverdient", wenn es nur auf Drängen der Partner geschieht. Ich verstehe mich mit meiner Schwieger auch nicht sooo gut, aber es würde mir nie einfallen, meinen Mann auch nur irgendwie daran zu hindern, sie regelmäßig zu besuchen. Ich selbst beschränke mich eben auf die "offiziellen" Besuche. So klappt es ganz gut, und wir kommen im großen und ganzen ohne Streiterei aus.


Geli antwortete am 28.05.02 (17:27):

Nach all Euren traurigen und bitteren Erfahrungen erscheinen mir meine diesbezüglichen Probleme kaum noch der Rede wert. Denn unsere Mutter hat - im Gegensatz zu vielen der hier zu lesenden Beispiele - uns irgendwie sicher geliebt. Sie konnte es nur nicht zeigen (wahrscheinlich hat sie es auch nie gelernt). Aber was hat ein Kind (Mensch) von einer Liebe, wenn es sie nicht spüren kann??? Ich kann mich jedenfalls nicht an Zärtlichkeiten (verbal o-der physisch) erinnern.

Der Hauptgrund für ihr Verhalten war wahrscheinlich, daß uns unser Vater ziemlich früh verlassen hat (wir waren 2 und 4) - das hat sie nie verwunden (bis heute nicht), und sie wurde verbittert und mißtrauisch. Die ganzen Jahre versuchte sie auch, diesen Haß auf unseren Vater an uns weiterzugeben. Und sie war wohl doch auch ziemlich egoistisch. Es ging immer nur darum, wie schwer wir ihr das Leben machten; dafür hat sie uns wohl auch verantwortlich gemacht. Wir hingen wie ein Klotz an ihrem Bein. Das bekommen kleine Kinder sehr genau mit. Es sind so viele Kleinigkeiten, die eine kindliche Seele beschädigen können. Viele der damaligen Situationen sehe ich immer wieder vor mir. So vieles hat sie falsch gemacht. Aber sie hat es wohl nicht besser verstanden. Natürlich hatte sie es damals schwer - mit zwei kleinen Kindern und einem (Ex-)Mann, der nur unregelmäßig Unterhalt zahlte. So hatte sie sich ihr Leben (im Nachkriegs-Deutschland) sicher nicht vorgestellt.

So wie es auch Tessy beschrieben hat, laborieren mein Bruder und ich bis heute daran (mein Bruder noch mehr; er versucht es seit Jahren mit Therapien). Ja, und auch ich habe das, was ich erreicht habe, ohne ihre Hilfe und zumeist auch gegen ihren Willen erreicht.

Doch damit ich nicht falsch verstanden werde: all das habe ich tief in meinem Innern vergraben! Vor 20 Jahren hätte ich darüber noch nicht (schon gar nicht mir ihr) sprechen können, heute denke ich mir: was soll es noch bringen? Sie würde es nicht verstehen, denn ich glaube nicht, daß sie heute ihre Fehler erkennen könnte. Ich will sie auch nicht noch einmal unglücklich machen. Nach außen hin erscheint auch alles in Ordnung; ich habe mir im Laufe der vielen Jahre eine harte Schale zugelegt und versuche vieles einfach zu überspielen. Nur innerlich stelle ich immer wieder fest, daß da keine Liebe ist. Das macht mir schlechtes Gewissen, und dann bemühe ich mich noch mehr. Zu Zärtlichkeiten kann ich mich jedoch nicht überwinden - was man nicht bekommt, kann man auch nicht zurückgeben.

Mit Euren Antworten habt Ihr mir gezeigt, daß es nicht nur mir allein so geht, ja, daß es anderen noch viel, viel schlimmer damit geht.