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THEMA:   Das Zwischenmenschliche

 13 Antwort(en).

hedwig begann die Diskussion am 20.03.02 (08:04) mit folgendem Beitrag:

Ein kleines Erlebnis möchte ich berichten.

„Was haste denn, olle Kralle?“ Rief ein junger Mann erbost einer älteren Dame hinterher, die gerade dem Bus entstiegen war und ungehalten den Kopf geschüttelt hatte.
Er und ich waren am Einsteigen, und er hatte noch ein Zigarrettenende weggeworfen.

Ich, in seinen Jargon verfallend: „Vielleicht hamse zu nahe der Dame ihre Kippe weggeschmissen.“ Dabei lachte ich ihn fröhlich an, denn sein Gesicht war so sehr auf Krawall eingestellt.
Er: Na ja, dann hätte se doch was sagn könn.“
Ich: „Sein se froh, dass se nix gesagt hat, denn das wäre sicher ein sehr ärgerliches Wort gewesen“

Er, mich genau ansehend: „Da hamse auch wohl recht, aber ich weiß jetzt, was es war. Ich habe ihr meinen Rauch ins Gesicht geblasen.“

Ich: „O weh, das machte mal jemand bei mir, danach war mir noch lange fast übel.
Olle Krallen können wir durchaus sein, aber in diesem Falle war die Dame es nicht.

Er: „da hamse ja recht, und man sollte wohl nicht alles zu ernst nehmen, das >Leben ist schon schwer genug.“

Beide schwiegen wir einträchtig, und vorm Aussteigen schenkte mir sein zwar junges,
aber faltiges Kravallgesicht ein herzliches, strahlendes Lächeln.

Ihm hatte ich ein bisschen die Wochenendlaune gesichert "und vielleicht eine kleine Einsicht,
auch für ein nächstes Mal", dachte ich bei mir, aber jene Dame, die hatte von allem leider nur den Ärger ins Wochenende mitnehmen müssen.


Rosmarie Schmitt antwortete am 20.03.02 (13:01):

Liebe Hedwig,

wie schön, dass du uns dein Erlebnis mitgeteilt hast! Ich sitze hier, nachdenklich und --- schmunzelnd!

Herzliche Grüße
Rosmarie


Ilse Dilschmann antwortete am 20.03.02 (15:29):

Liebe Hedwig,
Deine Geschichte gefällt mir Sie zeigt doch mal wieder, dass man mit jüngeren Menschen durchaus nett reden kann.
Bei uns in der Strasse stellen die Schüler oft die Einfahrten zu. Sie sind halt morgens noch müde. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie nett reagieren, wenn man sie auch nett darauf aufmerksam macht und nicht gleich schimpft.
Viele Grüsse
desiree


utelo antwortete am 20.03.02 (19:51):

Hallo Hedwig,
diese Geschichte gefällt mir. Ähnliches ist mir vor einiger Zeit passiert. Ich kam mit der Straßenbahn ziemlich spät vom Englisch-Kurs. In der Bahn jede Menge junge Leute -Punks und so, Füße auf den Sitzen, Zigaretten an und so was noch. Ich habe ein paar angesprochen und gefragt, welche Veranstaltung denn so toll war, daß sie diese Bombenstimmung haben. Sie guckten zwar erst etwas ungläubig, nahmen die Füße vom Sitz, daß ich mich setzen konnte und erzählten von dem geilen Rockkonzert. Sie fragten mich allerdings auch, wie so alle Leute Angst vor ihnen hätten und ich nicht. Dazu konnte ich nur sagen, ich habe nich tvergessen, daß i ch auch mal jung war, drei Kinder großgezogen habe, die auch nicht immer brav waren und im allgemeinen sehr vielseitig interessiert bin. Also geht doch, etwas mehr Courage, etwas mehr Verständnis für alle Seiten und schon läuft es. Außerdem wissen diese Art Leutchen auch, mit wem sie was machen können. Man sollte einfach keine Angst zeigen -auch wenns im Bauch rumort. Ein lieber oder auch finsterer Blick -je nach Situation- kann viel verändern.

Wünsche Euch allen viel Spaß beim Ausprobieren
Utelo


Bernd-Christian antwortete am 21.03.02 (02:50):

Liebe Hedwig,

danke für deinen Erlebnisbericht. Es spricht sehr viel Lebenserfahrung daraus. Unangenehme Situationen lassen sich oft entschärfen, indem man den "Gegenüber" mit einem Lächeln auf dem Gesicht anspricht. Meistens entspannt sich dann auch der Gesprächspartner und entschließt sich ebenfalls zu einem Lächeln und freundlicherem Verhalten. Ich glaube, dass hat etwas mit unseren Ursprüngen zu tun, da dieses Verhalten auch bei Primaten zu beobachten ist.

In meinem Beruf erhalte ich oft unangenehme, ärgerliche Anrufe von Kunden. Grundsätzlich bin ich dann bemüht, mit Verständnis zu reagieren und meine Erklärungen mit einem Lächeln rüberzubringen. Es ist tatsächlich so! Der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung spürt das und reagiert sehr bald zuvorkommender, obwohl er dich gar nicht sehen kann.

Entscheidend ist dabei die Stimme, die nur dann wirklich freundlich klingt, wenn unsere Einstellung zum Partner aus innerer Überzeugung von Herzen kommt. So kann Lächeln sogar am Telefon Wunder bewirken.

Aber Vorsicht! Ein künstlich aufgesetztes Lächeln, ohne Überzeugung, kann sehr schnell als Anbiederung oder gar als "Veraschung" verstanden werden und bewirkt dann genau das Gegenteil der erwarteten Reaktion.

Deshalb grüße ich dich jetzt mit einem wirklich von Herzen kommenden Lächeln! Und nun schließe bitte deine Augen, und du wirst mich in deiner eigenen, persönlichen Vorstellung sehen und nur aufgrund dieses Briefes dir ein Bild von mir gemacht haben!

Bernd-Christian

Nun? Wie habe ich in deiner Vorstellung ausgesehen und auf dich gewirkt, allein nur aufgrund meiner Schriftsprache?

Auf die Wirkung der geschriebenen Sprache will ich hier nicht weiter eingehen. Das wäre ein neues Thema.

Nochmals recht herzliche Grüße

Bernd Christian







Doris Routliffe antwortete am 21.03.02 (03:03):

Diese Phrasen sind zwar "abgedroschen", aber trotzdem nach wie vor gültig: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück" und "Der Ton macht die Musik". Ist ja durch Hedwigs Geschichte auch wieder bewiesen.


hedwig antwortete am 21.03.02 (09:36):

Hallo,
Alle bisherigen "Antworter" reagieren so nett auf
mein Erlebnis, und, lieber Bernd Christian, dich sowie
euch alle zusammen sehe ich beim Schließen der Augen
nett und brüderlich, und mit Freuden.

Am liebsten würde ich auf jeden einzelnen Bericht
antworten, da mir auf jeden Beitrag gleich wieder soviel einfällt,
aber die Hauptsache ist, dass wir gerade der Jugend
unsere gute Gesinnung und Verständnis
vermitteln und dabei gleichzeitig an uns selber was "tun".
Seid gegrüßt!


Johanna Müller antwortete am 21.03.02 (15:48):

Es kommt immer darauf an, daß wie und wo man marschiert, man allerorts die Musik des Lebens hört!


margretm antwortete am 21.03.02 (16:00):

Liebe Hedwig,
auch ich möchte eine Geschichte erzählen.
vor ca. 2 Jahren rief mich nachts meine Nachbarin an und teilte mir mit, dass ein junger Mann an meinem Auto die Radkappen entwenden wollte. Sie hatte ihm wohl vom Fenster aufgefordert dieses sein zu lassen.
Ich ging hinaus und stellte fest, daß er nur eine Radkappe entwendet hatte und dachte mir, er kommt bestimmt zurück um die anderen Radkappen zu holen. Nach einer Stunde geschah dies auch, er kam zurück und stahl die restlichen 3 Kappen.
Ich ging hinaus und stellte Ihn zur Rede.Er war so erschrocken, daß er die Kappen fallen ließ und abhauen wollte, dabei stolperte er und viel zu Boden. Als ich ihn festhielt erkannte ich ihn, er war ein Junge- ca. 19 Jahre- aus unserem Dorf. Ich wollte per handy die Polizei rufen.
Sofort veränderte er sein Verhalten und bat mich davon Abstand zu nehmen. Es gab einen regen Wortwechsel und
ich stellte fest, daß er seine Tat ernsthaft bereute. Ich gab ihm eine Chance und wir vereinbarten, daß er am anderen Tag(nüchtern) sich bei mir entschuldigt sollte.Dies hat er auch gemacht und ich habe die Anzeige fallen lassen. Am anderen Tag erfuhr ich, daß er den gleichen Wagentyp fuhr wie ich und ihm meine Radkappen sehr gut gefallen hätten. Ich habe ihm verziehen und wenn wir uns heute im Dorf begegnen, lächeln wir uns geheimnisvoll an. Ich glaube ihm und auch mir hat diese Entscheidung gut getan.

Margret


hedwig antwortete am 21.03.02 (18:58):

Deine Geschichte, liebe Margretm,
hat mich echt beeindruckt.
Der hat wohl für sein leben was
begriffen und gelernt. Prima. h


schorsch antwortete am 22.03.02 (11:39):

Als ewiger Nörgeler und Pessimist glaube ich eher, dass dieser junge Mann hinterher über seinen "Sieg" gelacht hat - und "seine" Radkappen an einem anderen Auto fand!

Schorsch


hedwig antwortete am 22.03.02 (12:50):

Habe dich als Nörgler noch nicht kennen gelernt, Schorsch.
Aber margretm´s Handeln finde ich groß0artig.


margretm antwortete am 23.03.02 (17:50):

Hallo Schorsch,
warum so pessimistisch? Glaube an das Gute im Menschen und dir wird gutes wiederfahren.

Glaube mir, der junge Mann war nicht der typische Dieb. Er hatte getrunken und ich habe bis heute nichts negatives mehr über ihn gehört.

Margret


schorsch antwortete am 23.03.02 (18:55):

Na dann lass ihn schön grüssen von mir und es täte mir leid...... Ach ja: der weiss ja gar nichts von meiner pessimistischen Prognose über ihn. Sag ihm einfach, ich lasse ihn nicht grüssen.....

Schorsch