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THEMA:   Morbus Alzheimer und unsere Wortwahl

 7 Antwort(en).

Rosmarie Vancura begann die Diskussion am 12.11.01 (20:37) mit folgendem Beitrag:

>Wer sich vergesslich zeigt wird oft mit dem lustig gemeinten Satz: "Alzheimer lässt grüssen " getröstet.Wir nennen uns " Seniorentreff" und ich glaube annehmen zu müssen, dass der eine oder andre unter uns es tatsächlich mit einem am Morbus Alzheimer erkranktem Partner zu tun hat. Ich kann Euch versichern, dass dies kein Honigschlecken und noch weniger ein Grund zum Scherzen ist.Ich habe jahrelang in einem Pflegeheim in der geschlossenen Abteilung mit Alzheimerpatienten und vor allem mit deren Angehörigen zu tun gehabt.Ich weiss was es bedeutet, wenn der geliebte Partner, mit dem man während vielen Jahren Freud und Leid geteilt hat, auf einmal nur noch die Hülle dessen ist, was er/sie einmal war. Und ich weiss auch, wie so achtlos hingeworfene und keineswegs bös gemeinte Sätze wehtun und verletzen können.Mein Bitte an diejenigen, welche dieses Beitrag lesen, etwas überlegter an eure Formulierungen rangehen. Man kann ja nie wissen, ob nicht wir eines Tages als Betroffene(r) oder Angehörige dazu gehören.

Grüsse von Rosmarie (Ruzenka)


Schorsch antwortete am 12.11.01 (21:58):

Dazu ein Erlebnis: In jenem Altersheim wo meine Mutter (98) ist, wird jedes Jahr ein Heimfest gestartet. Abwechselnd kommen die Vereine der angeschlossenen Gemeinden dran zum Organisieren und Wirken. Vor zwei Jahren, als wir dran waren, setzte ich mich an einen Tisch. Eine attraktive Frau in den Fünfzigern begann fröhlich lachend mit mir ein Gespräch. Aber ich verstand kein Wort. Erst gab ich dem allgemeinen Lärm die Schuld und rückte immer näher zu der Dame. Einem neben ihr sitzenden Herrn war dies offensichtlich nicht sehr angenehm. Er rückte seinen Kopf zu mir und flüsterte: "Sie hat Alzheimer!" Ich war schockiert - es war das erste Mal, dass ich mit dieser schrecklichen Krankheit direkt konfrontiert wurde. Aber es macht es mir heute leichter, mit meiner inzwischen ebenfalls mit Alz geschlagenen Mutter umzugehen.
Die oben erwähnte attraktive Dame starb übrigens einige Wochen nachdem ich sie kennen gelernt hatte.

Schorsch


doris16 antwortete am 13.11.01 (01:37):

Ich hoffe, dass viele/alle dies lesen. Ich habe schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass es keine scherzhafte Situation ist, und dass einer unserer Chatter damit täglich zu kämpfen hat.


Erna Ecker-Philippi antwortete am 13.11.01 (18:09):

Ihr Lieben alle,
meine Mutter ist 84-jährig im Januar 1990 gestorben. Ich kannte meine Mutter nur als liebenswürdige Frau, die einmal alles für mich getan hat. Mit 75 fing sie an, massiv zu vergessen. Als Krankheitsbild wurde damals cerebrale Arteriosklerose festgestellt, die man heute auch dem Morbus Alzheimer zuordnet. Ich habe erlebt, was es für einen Menschen bedeutet, wenn seine geistigen Fähigkeiten immer weniger werden, verbunden mit all den körperlichen Folgen. Die letzten fünf Monate lag meine liebe Mutter nur noch im Bett, sie war wie ein Baby. Ich habe sie all die Jahre betreut, schließlich intensiv gepflegt bis zu ihrem Tode. Damals gab es noch keine Pflegeversicherung, und jeder Handgriff einer fremden Hilfe musste bezahlt werden.
Ich weiß, dass Alzheimer nicht gut Witze verträgt. Eines Tages könnte sie unser eigenes Geschick werden.
Erna


Rosmarie Vancura antwortete am 14.11.01 (14:45):


Mein Gedicht an die Alzheimerpatienten
_______________________________________

Was ist mit dir
du alter Mensch
im dunklen Verliess deiner Gedanken
denkst du noch
oder bist du schon gegangen?

Wie nimmst du mich wahr?
Bin ich ein Freund?
Eine Liebe?
oder auch schon ein Niemand?

Spürst du die Zärtlichkeit
meiner Gedanken
meine Wehmut
die Trauer um meine Ohnmacht?

Und spürst du
dass du mir mehr bist
als die Hülle des Jemand
den du einst warst
ehe du zum Niemand geworden bist?

Weisst du...
dass dein Gesicht
deine Hände
deine Gestalt
mir Geschichten erzählen?
Geschichten aus der Zeit in der du warst
was ich heute bin?

Ein Jemand der versucht
ins dunkle Gefängnis
deine Lebens Einlass zu finden
um aus dem Niemand
wieder ein Jemand zu machen,

RV


Unbekannt antwortete am 15.11.01 (01:43):

Ich danke allen für die Beiträge! Ich komme selbst aus der Altenpfege und hatte viele Alzheimerpatienten zu plegen. Jetzt hat eine mir sehr liebe Freundin diese Diagnose, wir sind über 20jahre befreundet,sie hat mir während die Kinder klein waren aktiv geholfen, ich war mit 4 Kindernalleinerziehend!wir wollten dann die Restlebenszeit fröhlich gestalten, das war so unser Wunsch! Heute leidet sie an Alzheimer, noch in den Anfängen aber dochschon deutlich spürbar! Sie leidet!Noch weiß sie um ihre Ausfälle! Das ist eine schwierige Zeit.Ich werde sie Pflegen und auch die Kinder wollen sie nicht vergessen! Das tut ihr gut! Aber wie lange das noch geht weiß keiner!Wenn dann die Krankheit soweit fotgeschritten ist, das sie keine Unterschiede mehr erkennt, muß sie in ein Heim! Solange sie noch Freude an den kleinen Dingen des Lebens hat werde ich siePflegen! Gruß Ursel


Johannes Michalowsky antwortete am 15.11.01 (18:14):

Die Floskel, die Rosmarie zitiert, hat ihre Vorgänger - so erinnere ich mich an frühere Zeiten (oder hat sich das nicht geändert?), da ein unliebsames Gegenüber als Spastiker bezeichnet wurde. Ich habe damals auch öffentliche Proteste gegen diese höchst gedankenlose Artikulation gelesen.


Karin Bradenstein antwortete am 29.11.01 (22:44):

Ich empfehle Allen, die die Möglichkeit haben, das Theaterstück "die Akte der Auguste D" zu sehen, dieses anzusehen. Ich hatte eine Einladung zu diesem Stück, als es in meiner Heimatgemeinde aufgeführt wurde. Es ist beeindruckend und zugleich von tiefer Tragik, denn es wird der Krankheitsverlauf der "Alzheimer Krankheit" dargestellt.
Übrigens wurde Alois Alzheimer hier in Marktbreit, einem heute ca 3.700 Einwohner zählenden kleinen Städtchen in der Nähe von Würzburg geboren. Sein Geburtshaus ist heute eine Gedenkstätte, die anschauen lohnt. Besucht mal Marktbreit unter www.Marktbreit.de und ihr findet alles über Alzheimer in Kultur/Bildung
Seit ich diese Stück gesehen habe, werde ich jedesmal sehr böse, wenn Leute gedankenlos, naiv-dumm,sich über diese Krankheit auslassen und ihre Witze reissen.

Ich wünsche uns Allen da wir das Tor zum Alter schon durchschritten haben, daß wir von dieser schlimmen Krankheit verschont bleiben.