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THEMA:   Optimismus/Pessimismus - Kann man umlernen?

 10 Antwort(en).

Jutta Medina begann die Diskussion am 11.11.01 (03:26) mit folgendem Beitrag:

Erstmal, hoffentlich darf ich das, aber ich nehme mir mal die Freiheit ein neues
Forum zu eroeffnen, basiert auf den letzten Eintrag einer anderen Person in
einem vorherigen Forum:

Hermann Penker Schrieb:

Wie man unschwer dem "Neuen Brockhaus" entnehmen kann, kann Pessimismus u. a. auch auf schlechte Erfahrungen zurück zu führen sein. Wie kommst Du dazu, diesen Begriff derart abwertend zu verwenden? Selbst wenn Du der Optimismus in Person bist, ist es wenigstens für einen Leser Deiner bisherigen Beiträge nicht so eindeutig, dass Dein Optimismus persönlich erarbeitet und nicht nur individuelle Anlage ist. Wäre letzteres der Fall, wäre dies kein besonderes Verdienst. Und ist Dein Optimismus das Ergebnis langer persönlicher Arbeit an Dir selbst, dann bleibt die abwertende Verwendung des Wortes Pessimist für Menschen anderer Meinung eigentlich auch unverständlich.

Also hier meine Antwort und Frage:

Optimismus - fuer mich - ist eine hart erlernte Faehigkeit!
Pessimismus gab's bei uns zum Fruehstueck, Mittag und
Abendessen zu Hause.
Enstprechend entwickelte ich die Affinitaet ebenso pessimistisch
zu sein wie man als Kind solche Verhaltensweisen eben zu Hause lernt!
Entsprechend lief mein Leben!

Einsam, in die Ecke gestellt, und immer nur mit Saurem Gesicht
und der Gewissheit, dass eben alles nix taugt - so lief ich
"missverstanden" herum und haderte mit meinem Schiksal!

Aber dann wurde mir ein Engel geschickt (Gesicht und Namen
schon lange vergessen), der sagte mir recht brutal, dass ich
wohl erwarten muesse ohne Freunde zu bleiben, wer wolle denn staendig nur ein Saures Gesicht und eine negative Einstellung um sich haben.

Muss wohl tagelange ueber diese "Gemeinheit" geheult haben,
aber dann habe ich angefangen mein Leben zu ueberdenken
und warum alles so war wie es war.
Mindestens ein Jahr hat es gedauert, bis ich die ersten "positiven"
Resultate in meinen Verhaltungsweisen - und die Reaktion
meiner Umwelt dazu - gesehen habe!
Gottseidank habe ich mir das "angetan" und aktiv an mir selber,
meinem Verhalten und damit auch an meinen Einstellungen,
gearbeitet!

Optimismus KANN gelernt werden. Fuer mich war es: Do or Die!

Wenn ich grade SEHR aggressiv erscheine, wenn es zu
Pessimismus kommt, dann kommt das NICHT aus einer gewollten, oder gar gezielten "Abwertung" des Begriffes oder Jemandem
der/die unter erdrueckendem Pessimismus zu leiden hat.
Sondern viel mehr aus Erinnerung und Angst vor gehabten Aengsten!
"Individuelle" Anlage halte ich fuer absolut ausgeschlossen,
das liegt absolut NICHT im Erbgut, soweit es mich betrifft! :)

Also, wer glaubt dass Pessimismus und auch Optimismus
ein erlerntes Verhalten ist und/oder inwiefern Erbanlagen
eine Rolle spielen in diesen Verhaltensweisen?

Dass Pessimismus eine Reaktion zur Umwelt ist, sagen wir
mal politische Geschehnisse und ihre Auswirkungen, werden
natuerlich unter "erlernt" fallen muessen, oder?

Was muss als Reaktion zu negativen Lebenserfahrungen
abgehakt werden? Wo ist die Grenze zwischen Pessimismus
und Depression? Gibt es eine Grenze?
Es wuerde mich wirklich interessieren wie ihr darueber denkt,
denn wie gesagt: Pessimismus gab's bei mir daheim zum
Fruehstueck, Mittag und Abendessen!

Danke im Voraus fuer Eure Antworten...und verspreche mich
bestimmt zu bessern :)


Volker Zdunnek antwortete am 11.11.01 (12:37):

Hallo Jutta,
ein ziemlich weitverbreiteter Satz simplifiziert
den Unterschied zwischen Pessimismus und Optimismus:
Pessimistisch: Das Glas ist halbleer.
Optmistisch: Das Glas ist halbvoll.
Wer nörgelt und Zustände kritisiert und andere beschuldigt,
ohne Verbesserungsvorschläge zu machen, scheint mir
pessimistisch zu sein.
Der Optimist hat trotz der Schwierigkeiten und Probleme immer
noch die Hoffnung, eine Lösung oder einen Ausweg zu finden.
"Die Hoffnung stirbt zuletzt".
Ich bevorzuge natürlich diese optimistische Einstellung; denn
sie ist gesünder...
Je nach "Schwere" der Lebenslage tendieren wir Menschen mal
zur pessimistischen und mal zur optimistischen Sichtweise.
Schön, wenn die Hoffnung nicht auf der Strecke bleibt.

Grüß Dich optimistisch
Volker


bongoline - Margit Wanner antwortete am 11.11.01 (14:20):

Liebe Jutta
ich möchte keine Abhandlung zu Pessimismus - Optimismus schreiben

Pessimismus wird vom Kleinkind an eingeimpft.
Es wird eine Mutter nie zu einem 4-jährigen Kind sagen - oh ja, du schaffst es, auf diesen Baum zu klettern - nein, sie wird sagen - paß auf, daß du nicht herunterfällst.
Diese ständige Angst vor dem Fall sitzt in uns drinnen.

Außerdem ist Pessimismus auch viel bequemer zu leben, ich sehe schwarz - andere sollen das Licht anmachen.

Optimismus zu seinem Lebensziel zu machen ist ein schweres Stück Arbeit, erfordert sehr oft, über seinen eigenen Schatten zu springen. Aber glücklich alle, die es schaffen. Dann sind auch Probleme nicht mehr unüberwindbar, denn ein Optimist verarbeitet das Problem - ein Pessimist verdrängt es nur, um es zu gegebener Zeit wieder hervorholen zu können, denn er braucht ja Probleme, wie sonst könnte er Pessimist sein.

Jutta, auch ich habe diesen Weg gewählt, ein langer und oft schwieriger Weg - aber ich habe mein Ziel erreicht - ich bin stolz darauf.


Sammy antwortete am 11.11.01 (16:38):

Für alles in dieser Welt gibt es Erklärungen.Erst die Zuordnung bzw. Deutung der Situation lässt zu dem werden was wir sind-Pessimisten oder Optimisten.
Beispiel: Über den Schwebebalken in 20cm Höhe wurde wahrscheinlich jeder balancieren,in 20m Höhe nicht jeder.
Das Erkennen der unterschiedlichstenen Situationen bringt uns in die Passivität oder Aktivität.
Ein jeder Mensch wird somit auch nicht ausschließlich Pessimist oder Optimist sein,nur die Anteile werden unterschiedlich ausgeprägt sein.Diese resultieren aus der Erziehung oder aus vielschichtigen Lebenserfahrungen.
Somit "hinkt" auch das Beispiel mit dem Wasserglas.Wenn ich ein volles Wasserglas bestellt habe,bekomme es aber nur
halb gefüllt-ist es für mich schon halb leer.
Wenn ich mich bei einer schweisstreibenden Arbeit nach Wasser sehne und unvorhergesehen reicht mir jemand ein halb gefülltes Glas Wasser-dann ist es für mich halb voll.
Und noch etwas fällt auf,der Pessimist ist oft passiv-der Optimist dagegen aktiv.


Lara antwortete am 11.11.01 (17:11):

Zum Beispiel:
Pessimismus dem Melancholiker zuordnen?
Optimismus dem Sanguiniker?

Nicht a l l e s ist allein der Kinder-Erziehung zuzuschreiben.
Lara


Manfred Franz antwortete am 11.11.01 (19:32):

Sicher ist nicht allein der Erziehung in der Kindheit für die Grundeinstellung wichtig. Aber die Umstände und Erfahrungen, in denen man lebte und die man machen musste. Zum Optimismus gehört m.E.auch, dass man erkennt, das jedes Ding und jede Situation zwei Seiten hat. Optimisten sehen die gute Seite zuerst. Ich lebte als Kind im zerbombten Leipzig. Die Bombentrichter waren ideale kleine Badeteiche in dem heißem Sommer des Jahres 1945. (Unsere Eltern sahen das natürlich nicht so!) Es war Erfindergeist gefragt im zerstörtem Land. Und weil man es schaffte, deshalb wurde der Optimismus bestätigt. Das ist doch eine allemal positivere Erfahrung, als wenn der Pessimismus recht behält. Oder? Zur Eingangsfrage: Bestimmte Ereignisse/Erfahrungen/Einflüsse können m.E. sehr wohl ein Umdenken bewirken, allerdings in beiden Richtungen. Und, um in meinem Eingangsbilde zu bleiben, auch Pessimisten sind wichtig. Sie mahnen zur Vor- und Umsicht, die die Optimisten schnell īmal vermissen lassen!


Karl antwortete am 11.11.01 (20:03):

Auch nach meiner Meinung liegt die Wahrheit in der Mitte. Wir können sehr viel an uns selber arbeiten, aber dem einen fällt der Optimismus doch erkennbar leichter als dem anderen.

Ich zitiere hier aus:
https://www.yavivo.de/Erkrankungen/GG_Depression/30Ursachen/07biologisch.html
---- Zitat Anfang ----
Die Psychiatrie hat sich in den letzten Jahren entscheidend gewandelt: Einerseits hat sich die Struktur der Psychiatrie von der Diagnostik bis zur Therapie völlig verändert, zum anderen beginnt die enge Verbindung zur Neurobiologie greifbare Früchte zu tragen. Das heißt bezüglich der Depressionen: Ihre Entstehung ist vielschichtig und nicht auf eine lineare Ursache-Wirkungs-Beziehung zurückführbar. Die Ursachen der Depression findet man nicht nur in der Lebensgeschichte des Patienten, sondern sie sind auch biologischer Natur.
----Zitat Ende ----

Nun ist die Depression eine sehr extreme Form des "Pessimismus" und natürlich ist ein Pessimist nicht sogleich krank, häufig weiss er nur zuviel. Aber andererseits treten in den Extremfällen häufig am deutlichsten die bestimmenden Faktoren zutage. Wir wären nichts ohne unsere Anlagen und auch nichts ohne unsere Erfahrungen. Das Ergebnis, unsere Persönlichkeit, ist eine sehr komplexe, untrennbare Mischung aus beidem.

Mit freundlichen Grüßen

Karl

(Internet-Tipp: https://www.yavivo.de/Erkrankungen/GG_Depression/30Ursachen/07biologisch.html)


Felix Schweizer antwortete am 12.11.01 (02:19):

liebe Teilnehmer/innen,
hallo Karl,
nun treffen wir uns wieder bei einem andern Thema, welches deinen Drosophilas ziemlich schnubbe sein wird... (Entschuldingung war eine Bemerkung für Insider!).
Auch ich bin überzeugt, dass die Gründe für eine überwiegend positive oder negative Bewertung der Lebenssituation, Ereignisse, Erlebnisse etc. sehr komplex sind. Von der Typologie in der Form von einem Ernst Kretschmer (geb.1888) halte ich zwar nicht allzuviel. Er postulierte in seinem Werk " Körperbau und Charakter", die Zuordnung angeborener Körperbautypen wie z.B. Leptosomen, Pykniker, Athletiker zu Charaktertypen oder Temperamenten (nach Hippokrates) wie Sanguiniker (optimistisch, leichtgläubig, kommunikativ etc.), Melancholiker (tiefgründig, schwermütig, depressiv) , Choleriker (heftig, spontan, launisch, unbefriedigt) und Phlegmatiker (gleichgültig, kaum ansprechbar,kaltblütig). Nach Kreschmer gibt es 6 Haupttemperamente:
der Hypomanische (heiter, beweglich, flexibel), der Syntone (praktisch, realistisch, humoristisch), der Schwerblütige (depressiv, tiefgründig, pessimistisch), der Hyperästhetiker (reizbar, nervös, idealistisch, leicht verletzbar), der Schizothyme (kühl, überlegt, energisch, systematisch, konsequent) und der Anästhetiker (kalt, nervös, verschroben, Sonderling, empfindungsarm, affektlahm, stumpf etc.) .. und alle Mischformen davon!
Obwohl diese Einteilung relativ willkürlich ist, zeigt sie doch auf, wie schwierig es ist, zu entscheiden, wieweit angeborene Grundmuster des Verhaltens durch individuelle Lernprozesse modifiziert werden können.
Trotz allen Wenn ... und Aber scheint es mir sinnvoll, bei der Erziehung, bei Reaktionen auf das Verhalten von Mitmenschen ... aber auch bei der sebstkritischen Beurteilung seines eigenen Verhaltens nach Möglichkeit die Form zu bevorzugen, die eine positive, optimistische Grundhaltung widerspiegelt und diese auch beim Gegenüber anspricht.
Dies ist leichter gesagt als getan!

optimistisch grüsst euch alle ...

Felix (= "der Glückliche")


Manfred Franz antwortete am 12.11.01 (07:05):

Manchmal gibt es interessante Querverbindungen zu anderen Forum-Themen. Die Einteilung Kretschmers halte ich für bemerkenswert. Mir gab sie die Möglichkeit, gedanklich natürlich, einige mener Mitmenschen und mich selbst in die entsprechenden Schubladen zu stecken. Das ging besser als mit der hippokratischen Einteilung. Da ist dann die Gedankenverbindung, die ich schon īmal äußerte, nicht schwer, dass in bestimmten Monaten, bedingt durch die allgemeine Stimmungslage im Wechsel des Jahreslaufes, mehr Menschen ganz bestimmter Temperamente geboren werden, als in den anderen. Das führt dann m.E. zu der Zuordnung zu bestimmten Sternkonstellationen zur Geburts- bzw. Zeugungszeit. Eine Schein-Kohärenz also. Bleibt lediglich der Einfluss der Sonnenaktivität auf bestimmte Verhaltensweisen- aber davon hatte ich ja schon dort gesprochen....Entschuldigt die Themaabweichung und Wiederholung!


Schorsch antwortete am 12.11.01 (11:37):

Wenn ich auf einen Pessimisten treffe, denke ich mir: Schon wieder ein Zeitgenosse, dem ich die schönen Seiten des Optimismus noch nicht habe zeigen und beibringen können.

Schorsch


KlausD antwortete am 12.11.01 (14:57):

Ich bin der Meinung,daß es im täglichen Leben mit einer Dreiteilung ausreichend beschrieben ist.

Optimist,das Glas ist halb voll.
Pessimist,das Glas ist halb leer.

R E A L I S T,das Glas ist zu 50% belegt.