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THEMA:   Westliche Lebensart

 12 Antwort(en).

Hermann Penker begann die Diskussion am 04.10.01 (21:20) mit folgendem Beitrag:

Leider beginnt das Interesse am von Dorothee aufgeworfenen Thema einzuschlafen. Liegt es daran, dass niemandem mehr etwas dazu einfällt, oder ist in der Diskussion etwas schief gelaufen?
Mein Versuch mit meinem Beitrag vom 2. 10. 01 so quasi als advocatus diaboli die Seite zu wechseln und nicht mehr von der Seite der an den Attentaten unbeteiligten und von Gegenschlägen möglicherweise betroffenen Moslems aus zu argumentieren, sondern auf die Seite der ebenfalls unschuldigen und vom Terror bedrohten Menschen des Westens überzugehen, scheiterte kläglich, wenn ich mir eifrigen Widerspruch und ein Anheizen der Diskussion verhoffte. Es half alles nichts, von wenigen Ausnahmen abgesehen schlummert das Thema friedlichen vor sich hin. Ich machte einen Test und stellte fast wortident den Inhalt meines Beitragstextes vom 2. 10. 01 als neues Thema in ein anderes Diskussionsforum. Der Unterschied in der Reaktion war frappierend. Nach wenigen etwas zögerlichen zustimmenden Beiträgen erfolgten wütende und verächtliche Angriffe, die Vorstellung, es könnte an der westlichen Kultur auch nur irgend etwas verteidigungswürdiges zu finden sein, wurde als Schwachsinn zurückgewiesen. Entgegnungen bestanden teils aus wenigen Worten, dass man einige Zeit brauchte, um den Zusammenhang mit dem vorher gelieferten Beitrag zu erkennen. Zum Teil wurden überhaupt keine sich auf den Beitrag beziehende Argumente vorgebracht sondern lediglich Schmähungen und persönliche Abwertungen. Der Begriff christliche Kultur wirkte wie angeblich ein rotes Tuch auf einen Stier. An dieser Stelle muss ich dem Seniorentreff ein Kompliment aussprechen, und wir müssen eigentlich froh sein, dass unser Webmaster manches nicht zulässt, selbst wenn es anfangs oft nicht gleich einsehbar ist.
Die Reaktion der Diskussionsteilnehmer im Forum des Seniorentreffs könnte damit zu erklären sein, dass meine zumindest "Fast-Kehrtwendung" einfach zu unglaubwürdig war, und mein Beitrag daher einfach mit Verachtung bestraft wurde. Aber ich frage mich, wie groß ist die Unzufriedenheit im satten Westen, dass viele offensichtlich nichts dagegen hätten, unsere Lebensart gegen eine importierte oder auch aufgezwungene auszutauschen? Ich möchte ganz gerne Eure Meinung zum Thema "Westliche Lebensart" hören.
Herzliche Grüße
Hermann


Johannes Michalowsky antwortete am 04.10.01 (22:33):

Eine Stellungnahme zu diesem Beitrag setzt voraus, daß man die ganze angedeutete Historie nachvollzieht - beginnend damit, was Dorothee (wer ist das?) geschrieben hat. Dabei muß man erst einmal feststellen, w o das geschehen ist - sollen alle Diskutanten hier nun erst einmal auf eine wilde Suche gehen? - bis zu Beiträgen vom 2.10., die wohl nur wenigen gegenwärtig sind. Worum geht es hier überhaupt, wenn man fragen darf?


Hermann Penker antwortete am 04.10.01 (23:02):

Lieber Herr Johannes Michalowsky!
Mich würde das "Für und Wider" für unsere Lebensart interessieren. Sind meine "Diskussionserfahrungen" an einer anderen Diskussionsplattform, wo die westliche Lebensart fast allgemein als nicht schützenswert und minderwertig beurteilt wurde, als zufällige Einzelerfahrung zu werten, oder ist die Zahl der Unzufriedenen trotz unserer Freiheiten wirklich groß? Dorothee stellte das Thema "Meinung zum Terror und zur Gewalt" zur Debatte. Doch alles zu lesen ist sicher nicht nötig, der Hinweis darauf war ja nur der Vorspann. Wenn die Begriffe westliche Kultur oder christliche Kultur derart vehement angegriffen wurden,dass verbale Übergriffe zum Normalfall wurden, dann wäre auch zu definieren, was darunter zu verstehen ist, oder ob diese Begriffe tatsächlich ihren Sinn verloren haben? Heißen schwindende Zahlen von Kirchenbesuchern automatisch, dass in unserer Kultur tatsächlich keine christlichen Elemente mehr vorkommen? Ist daher unsere Lenensart lediglich noch gelebter Materialismus und Kapitalismus, oder hat der Westen auch Ideale zu bieten, die es wert sind, dass er sie verteidigt?
Herzliche Grüße
Hermann


Karl antwortete am 05.10.01 (10:50):

Lieber Hermann,

"oder hat der Westen auch Ideale zu bieten, die es wert sind, dass er sie verteidigt?"

Natürlich hat er das. Um nur einige zu nennen:

1. Meinungs- und Pressefreiheit ist keine Phrase. Niemand muss mit Verhaftung rechnen, weil er gegen die westliche Kultur wettert.
2. Religionsfreiheit und Freiheit von Religion, falls gewünscht
3. Demokratie, immer noch die beste aller denkbaren Staatsformen
4. das Wirtschaftssystem, welches die Eigeninitiative fördert und deshalb Wohlstand geschaffen hat (Proteste hiergegen werden durch Nr.1 abgedeckt ;-).

MfG Karl


Sammy antwortete am 05.10.01 (12:35):

Hallo Karl,
Zu 1.: Wie wird denn in Firmenetagen gehandelt,wenn ein leitender Angestellter mit einem anderen Parteibuch (andere Meinung)eingestellt werden soll?.
Was bringt uns die grenzenlose Pressefreiheit? Wer ins Zielfeuer ungerechtfertigt kommt kann ein Lied davon singen.
(Anm.: Ich bin für Pressefreiheit,aber nicht für Berichterstattungen die aus der hohlen Hand gesogen wurden)
Zu 2.: Gerade aktuell ist doch die Zugehörigkeit zu den Moslems und dem Islam mit inzwischen auftretenden Zwischenfällen.
Zu 3.: Bin ich uneingeschränkt der gleichen Meinung;wenn sie denn paktiziert wird.
(Ich bin der Meinung ein Großteil der Menschheit ist dazu nicht fähig)
Zu 4.: Die FREIE MARKTWIRTSCHAFT hat zwar nach dem Krieg hervorragend dazu beigetragen den Wohlstand herbeizuführen,aber bei gesättigter Nachfrage ungeeignet.Hier muss m.E. mitregulierenden Mitteln eingegriffen werden,was aber leider schwer möglich ist,da mittlerweile die Wirtschaft das SAGEN hat.

Mit den besten Wünschen
für weiterhin positives Denken
aber mit Augenmass für das "FÜR u. WIDER"

Mfg Sammy



Hermann Penker antwortete am 05.10.01 (19:41):

Lieber Karl! Deine 4 Punkte sind meiner Meinung nach als richtig einzustufen, wenn ich auch der Meinung bin, dass Punkt 4 nicht nur positive Aspekte aufweist. Sammy zeigt aber auf, dass theoretische Möglichkeiten sich nicht immer in die Realität umsetzen lassen. Nur ein kleines Beispiel: Wir haben auch Reisefreiheit. Aber was hilft sie jemandem, der trotz vieler Bemühungen ein Langzeitarbeitsloser bleibt, vielleicht schon seine Wohnung aufgeben musste, weil er sie mit der Notstandsunterstützung nicht halten konnte? Er wird von dieser Freiheit keinen Gebrauch machen können. In seiner Not werden ihm auch die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit wahrscheinlich nicht viel bedeuten. Ich glaube, dass diese Freiheiten überhaupt nur bewusst sind oder bewusst bleiben, wenn sie auch "konsumiert" werden können. Und da wären wir bei Punkt 4. Damit möglichst alle an diesen Freiheiten Anteil bekommen, müsste der Kapitalismus etwas gezügelt werden, wie auch Sammy ausführte. Und ob nicht mehr direkte Demokratie das Ansehen der Demokratie steigern würde, wäre auch zu hinterfragen.
MhG Hermann


friedrich antwortete am 06.10.01 (22:08):

"Ideale" hat der Westen nicht zu bieten----,höchstens materielle Vorteilhaftigkeiten------gegenüber utopischen Sehnsüchten -----. Aber nichts ist von Dauer !--auch nicht der momentane Luxus----. Vielleicht lebt es sich irgendwann später einmal in der Saraha angenehmer, wenn das Erdöl zu Ende gegangen sein wird ---???---in ca. 100 Jahren möglicherweise----??? ----Aber erst dann kann der Islam frohlocken, bitte nicht vorher---! ICH werde meine Vorteile verteidigen!!!!----mit oder ohne Religion!!!


Hermann Penker antwortete am 07.10.01 (12:06):

Lieber friedrich! Am Erdöl wird unser Luxus sicher nicht scheitern. Das große Interesse der Großmächte an Afghanistan in den letzten Jahren erklärt sich leicht durch die riesigen noch unerschlossenen Erdölquellen im Umfeld Afghanistans, und der kürzeste Weg für Pipelines nach Pakistan und Indien führt durch Afghanistan. Ich befürchte, dass Mutter Erde noch vor dem Ende des Ölzeitalters den homo sapiens abschütteln wird. Es wäre schlimm um uns bestellt, hätten wir lediglich unseren Egoismus als Grund, unsere westliche Welt zu verteidigen. Dann wäre unser Weg vorgezeichnet, denn es sind schon genug Kulturen daran gescheitert, dass sie nicht einmal ausreichend Verteidigungswillen besaßen.
MfG Hermann


friedrich antwortete am 07.10.01 (19:00):

Lieber HERMANN PENKER, ich weiß doch auch nicht so recht, ob man mit der Waffe in der Hand bzw. mit Waffengewalt die westliche "Kultur" verteidigen solle---jetzt im Atomraketenzeitalter----,wo auch der "Feind" bzw. der Gegenspieler diesselben Massenvernichtungswaffen besitzt----.----Genaugenommen gibt es nur eines, das es zu verteidigen gilt, nämlich die sog. VERNUNFT ---.Also kein Mensch darf für RELIGION sterben (wollen)---!!! VERNUNFT aber kann doch nicht mystische Irrealitäten verherrlichen--!?---oder was meinen Sie, lieber Hermann ??


Hermann Penker antwortete am 07.10.01 (20:39):

Lieber friedrich! Ich stecke ja auch in einem großen Dilemma: Mir tun die Unschuldigen und an Verbrechen Unbeteiligten beider Seiten leid. Attentate treffen sicher nicht diejenigen, die mit ihrer Politik Unglück über die Bewohner der dritten Welt bringen, und die Reaktion auf Attentate wird neben der Zerschlagung militärischer Anlagen auch tote Zivilisten bewirken, wie in Jugoslawien erlebt. Ich sagte schon immer, die Religionen werden als Vorwand für Gewalttaten benutzt, denn sowohl das Christentum als auch der Islam verbieten die Tötung von Menschen. Ich besitze einen Koran auf CD, und habe eine Stelle gefunden, die in dieser Hinsicht eindeutig ist. Aber Menschen, die nicht gläubig sind, versuchen, etwas weniger mit religiösem Wissen ausgestattete mit falschen religiösen Argumenten zu Gewalttaten zu verführen. Und sehr oft gelingt dies, siehe in Europa das Beispiel Irland. Alle Gewalttaten widersprechen den Worten der Bibel, und Dummköpfe glauben, mit Mord ein gottgefälliges Werk zu vollbringen. Was also am meisten zu bekämpfen wäre, ist die Dummheit und Halbbildung. Leider ist der Krieg schon einige Zeit im Gange, ich gehe wieder zum Fernseher.
MhG Hermann


friedrich antwortete am 08.10.01 (11:18):

Lieber Hermann Penker, wir beiden haben ausführliche und lange Dispute über religiöse Halbbildung miteinander geführt --insbesondere auch per privater eMails--.----Von KARL wurde ich außerdem zu "mehr Besonnenheit und Sensibilität" in meinen Forums-Äußerungen ermahnt---. Es bedeutet nicht Unhöflichkeit, wenn ich daher über Religionen und deren Mißbräuchlichkeit mich ab sofort nicht mehr auslassen möchte, nochzumal ich konkurrierende --und Jahrhunderte nach der BIBEL formulierte-- Auslegungen von einundderselben (mosaischen) Original-Gottesbildvorstellung als überflüssig, ja sogar als ungebührlich empfinde.----


Hermann Penker antwortete am 08.10.01 (12:05):

Lieber friedrich! Damit habe ich kein Problem, eine Religionsdebatte anfangen wollte ich sicher nicht, daher habe ich ja auch nicht besonders viel in diese Richtung ausgesagt. Das war nur die Antwort auf die Aussage, "kein Mensch darf für die Religion sterben. Antworten muss erlaubt sein, auch bei einem offensichtlichen Tabuthema. Und man darf nicht alle Vorwürfe gegen Karl richten. Wenn wir ehrlich sind, haben doch viele nicht immer vorsichtig argumentiert, wir beide müssen dies schon zugeben. Dieser Text stört eigentlich das Thema, also Thema verfehlt, aber wenn ich dies nicht wiederhole, wird es schon nicht so schlimm sein. MhG Hermann


Hans-Jürgen antwortete am 08.10.01 (14:56):

Lieber Friedrich,

in Deinem Beitrag vom 7.10., 19:00, hebst Du zum wiederholten Male die *Vernunft* empor, auf die Du sehr stolz zu sein scheinst. Erinnert sei deshalb z. B. an die Französische Revolution, die die Vernunft auf ihr Programm setzte und ein "Zeitalter der Vernunft" eingeläutet zu haben behauptete. Was wirklich daraus wurde, weiß jeder, der die Geschichte kennt. Darüber hinaus ist "Vernunft" nichts Feststehendes, Eindeutiges, so daß man vorsichtig sein muß. Was dem einen vernünftig erscheint, kann anderen absurd vorkommen; die Maßstäbe und Ansichten darüber wechseln im Laufe der Zeit und sind nach Ländern und Kulturen oftmals verschieden.

Der Vernunft wird gerne – wie es mir scheint, nicht ohne eine Spur von Überheblichkeit – "die Religion" gegenübergestellt, und zwar deren *negative* Seite: ihr *Mißbrauch* durch irregeleitete, machtbesessene, egoistische Menschen und Organisationen, die von ihnen geleitet und vertreten werden. Diejenigen, die zu Kreuzzügen aufriefen und sie durchführten, die Menschen wegen ihres Glaubens verbrannten und angebliche "Hexen" aus religiösen Gründen zu Tode folterten, handelten *nicht* im Geiste der christlichen Religion (um allein bei ihr zu bleiben), sondern zutiefst unchristlich! Sie verletzten unter anderem das Gebot der *Nächstenliebe*. Dies geschieht bis heute in Nordirland, kann aber der Religion als solcher nicht angelastet werden.

Religiös empfindende Menschen sehen die Welt aus einer anderen Perspektive als Nichtgläubige, haben andere Zielvorstellungen und setzen ihre Prioritäten anders als sie. Worin die Unterschiede im einzelnen bestehen, läßt sich in kurzen Worten nicht umfassend erklären, doch kann man einiges schon dazu sagen.

Gläubige gehen bei ihren Gedanken und Überzeugungen nicht gänzlich *ohne* Vernunft vor, sind bei genauerer Betrachtung nicht vollkommen "unvernünftig". Sie folgen nur ihrer *eigenen* Logik, indem sie auch das Vorhandensein von Geheimnisvollem, Unerklärlichem, dem Menschen Unzugänglichem mit in Betracht ziehen und respektieren. Außerdem bedienen sie sich nicht nur ihres Verstandes, sondern auch ihrer *Gefühle*, was der reine "Vernunftsmensch" bei *seinen* Überlegungen als etwas nicht Dazugehöriges ablehnt, obwohl natürlich auch er welche hat.

Religiöse Menschen, vor allem ältere, denken viel über den Tod nach, über das Jenseits, über Schuld und die Unvollkommenheit ("Sündhaftigkeit") des Menschen, über eigenes Versagen und die Erlösung von alledem. Sie bemühen sich, vielleicht ernsthafter als andere, ihre eigenen Schwächen und Fehlhaltungen zu erkennen und zu minimieren. (Wieweit das im Einzelfall gelingt, ist eine andere Frage.) Sie neigen zur Dankbarkeit gegenüber Gott, auch in schlechten Zeiten und scheinbar verzweifelten Situationen. Sie sehen, wie relativ, wie vergänglich das Meiste ist und wie rasch das eigene Leben durch Unfall oder Gewalttat zuende sein kann; hierauf bereiten sie sich außer materiell vor allem innerlich vor. Für sie ist mit dem Tod nicht alles "aus".

Ich *bin*, lieber Friedrich, gläubig. Trotzdem gebrauchte ich stets und gebrauche noch immer auch meinen Verstand, meine Vernunft, von denen ich annehme, daß sie, wie alles andere, von Gott kommen. Von Beruf Naturwissenschaftler, unterrichtete ich jahrzehntelang Physik und Mathematik. Letztere gehört nach wie vor zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Bei ihr hilft der *Glaube* allein nicht weiter. :-)

Mit herzlichen Grüßen, Hans-Jürgen