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THEMA:   Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße

 8 Antwort(en).

Johannes Michalowsky begann die Diskussion am 04.07.01 (21:32) mit folgendem Beitrag:

Nein, die Überschrift ist kein Verschreiber, sie soll die Verkehrspolitik in unserem Land ins rechte Licht rücken.

Jahrelang wurde uns von der umweltfreundlichen Bahn erzählt und daß es wünschenswert sei, den Straßenverkehr auf die Schiene zu verlagern.

Traurige gegenwärtige Situation:

Die Einschränkungen sowohl im Verkehrsangebot als auch im Service der Bahn sind signifikant. Nach eigenen Angaben der Bahn wurde das Angebot im Fernverkehr zum Fahrplanwechsel um knapp 8% angeblich schlecht ausgelasteter und unrentabler Verbindungen reduziert. Das Angebot im Personenverkehr sei damit „auf eine wirtschaftliche Basis“ gestellt worden, so hieß es. „Marktorientierung“ nennt sich diese nur an der Wirtschaftlichkeit orientierte Verkehrspolitik.

Der Fahrgastverband Pro Bahn rechnet mit einem massiven Rückgang der Passagierzahlen. Die DB ziehe so dramatisch wie nie zuvor Fernverkehr aus der Fläche zurück.

Gleichzeitig hören wir jetzt von einem neuen Tarifmodell, das eine saftige Verteuerung nur mühsam verbirgt. Zahlt man z.B. heute mit Bahnkarte Dm 100,-- (für einen vollen Tarif von Dm 200,--), dann sind künftig Dm 150,-- fällig, was einer Preiserhöhung von 50% entspricht. Die Verbilligung der Bahnkarte wird durch diese Preiserhöhung schon bei einer einzigen Fahrt nur von Stuttgart nach München und zurück aufgefressen.

Herr Mehdorn hat die Aufgabe, aus der Bahn ein rentables Unternehmen zu machen. Umwelt oder gar Kunden kommen dabei nicht vor. Die Vorgaben der Politik – immerhin ist die Bundesrepublik Deutschland Eigentümer der Bahn – erinnern ihn daran offenbar nicht.

Dem sogenannten Autokanzler Schröder mag das alles willkommen sein. Die Chance einer rot-grünen Regierung und die mit ihr verbundene Hoffnung auf ein an den Interessen des Landes und seiner Menschen und nicht am Kommerz orientierten Verkehrspolitik ist vertan, Alternativen in dieser Richtung nicht mehr in Sicht. Verblüffend einmal mehr das Schweigen der Öffentlichkeit, überrumpelt, gleichgültig, ahnungslos? Was würde passieren, wenn in einer nur annähernd gleichgewichtigen Weise in den Straßenverkehr eingegriffen würde?

(Internet-Tipp: https://www.ftd.de/ub/di/FTDPUR8MMNC.html)


Klaus antwortete am 04.07.01 (22:53):

Hallo Johannes,
>> ..... und daß es wünschenswert sei, den Straßenverkehr auf die Schiene zu verlagern. << diese Aussage gilt heute noch ! ( und immer mehr !)
Wenn so weiter gemacht wird wie derzeit, wird der Verkehrstod in kürze eintreten.
Im Vergleich mit dem menschlichen Organismus ist jeder Stau – und davon gibt es viele - als Infarkt oder Schlaganfall zu werten. Damit ist mehr als deutlich: Der Patient „Sraßenverkehr“ ist mehr als lebensgefährdet ja er liegt schon fast im Sterben. Dies Fakten zum Straßenverkehr kann ja wohl keiner abstreiten.

Ich wohne nur ungefähr 300m von einer Bahnstrecke entfernt. Die Strecke ist eine der wenigen existierenden Ost – Westverbindungen in der Mitte unseres Landes.
Eine Brücke ist derart marode, daß sie nur in Langsamfahrt befahren werden darf. Die Strecke wird zwar fast stündlich von ca. 5.oo bis 21.oo Uhr bedient, doch sind die Züge die dreckigsten und ältesten Taiga-Trommeln die die Bahn auftreiben kann. Die Wagen stinken, sind schmutzig und voller Grafitti. Wer diesen Zug benutzen muß, ist bestraft.
Gleichzeitig hat man in den letzten Jahren die Bundesstraße so ausgebaut, daß man mit dem Auto bequem (ohne Infarktgefahr) zur Arbeit fahren kann.
Wo also sind die wirklichen DB - Kaufleute, die merken, daß Angebote solcher Art genau die falschen sind ? Die Mißstände sind so deutlich, daß vermutet werden muß, daß eine absichtliche Zerstörung der Nebenstrecken geplant ist.
Das geht so: Einfach die Preise erhöhen. Damit wird der Beweis erbracht, daß insbesondere Nebenstrecken unwirtschaftlich sind.
Dennoch gibt es Privatbahnen, die mit attraktiven Angeboten sogar Gewinne herausfahren.
Die Bahn verhindert aber den Wettbewerb durch Nichtabgabe des nicht benötigten Wagenparks an diese Wettbewerber.
Ich denke, daß ein Satz des letzten Absatzes deines Statements >> Dem sogenannten Autokanzler Schröder mag das alles willkommen sein << so nicht mehr stimmt. Ich glaube eher, daß die Politiker nicht mehr die Macht haben, sich den Entscheidungen der Manager entgegen zu stemmen. Die Wirtschaft hat längst die Macht im Staate übernommen.


Manfred Franz antwortete am 05.07.01 (06:34):

Und ich habe das Gefühl, dass sie alle, Politik, Wirtschaft und auch der >Otto-Normalbürger< gar nicht wollen. Ist doch so schön und bequem- und profitabel auch- solange es noch einige wenige staufreie Straßen gibt! Es wird hier so sein wie beim Thema Arbeitslosigkeit: Alle wissen, dass das nur ein Verteilungsproblem ist- alle schimpfen und bedauern- aber keiner will wirklich etwas ändern: Nicht die Arbeitgeber, ist billiger und bequemer, Überstunden machen zu lassen, nicht die Politik- unbequeme Lösungen könnten Wählerstimmen kosten, aus mindestens EINEM der Lager bestimmt- und auch nicht die Arbeit-habenden Arbeitnehmer, für die das Wort SOLIDARITÄT ein Überbleibsel aus frühkapitalistischer Zeit ist!


Georg Segessenmann,alias Georg von antwortete am 05.07.01 (08:33):

Die Misere kann nur mit dem "Verursacherprinzip" gelöst werden: Im Moment ist es doch so, dass (hauptsächlich bei den Brummis) das Kostenprizip angewendet wird - wenn überhaupt. Man rechnet also aus, dass ein Motor so und so viele "Schäden" verursacht, die der Halter oder Betreiber dieses Motors zu bezahlen habe. In Wirklichkeit aber verursacht dieser Betreiber noch viel mehr. 1.) werden die effekiven Kosten, unter welche auch die Kosten für Langzeitbehandlung der geschundenen Natur sowie die Kosten für Behandlung von Lungenschäden, wie auch die Versorgerschäden für frühzeitig durch Umweltgifte Verstorbene, nicht ausgeglichen und 2.) verursacht der Individualverkehr den Bahnen (die ja schliesslich vor den Autos uns beförderten!) einen Abzug der Benützer.

Nun gehen die Betreiber der Bahnen - durch die Regierung sprich Lobby der Strassentransporteure gezwungen - ebenfalls zum "Verursacherprinzip" über. Das heisst, die Kosten der Bahnen werden durch die Anzahl der Benützer derselben geteilt. Je weniger Benützer also die Bahnen noch haben, desto höher kommt der zu bezahlende Anteil für den Einzelnen. Je höher aber die Beförderungskosten, desto weniger Benützer gibt es...... Die Katze beisst sich in den Schwanz. Und je weniger die Bahnen rentieren, und je teurer die Fahrkarten und Transportgebühren der Bahnen werden, umso mehr können die Tansporteure, die uns mit den Lastwagen zwar verwöhnen, aber uns auch die Luft verpesten, triumphieren und ausrufen: "Seht, die Bahn ist nicht konkurrenzfähig - schafft sie ab!"

Fazit: Nur wenn die Kosten der Strassenbenützer diesen vollumfänglich aufgebürdet werden - plus einen Zuschlag für Reserven, wie es von jedem Privatwirtschaftler erwartet wird - kann die Bahn mit mehr Transporten auf den Schienen rechnen. Weil nur über das Portmonnaie der Verstand der Menschen noch angesprochen und umgepolt werden kann!

Schorsch


Johannes Michalowsky antwortete am 05.07.01 (08:56):

Die Bemerkung von Schorsch:

...und 2.) verursacht der Individualverkehr den Bahnen (die ja schliesslich vor den Autos uns beförderten!) einen Abzug der Benützer.

trifft genau meinen Punkt, nämlich, daß es die Bahn und die die bei uns betriebene Verkehrspolitik selber ist, die dem Individualverkehr die Benutzer zutreibt, im Gegensatz zu dem Auftrag, den sie eigentlich wahrzunehmen hätte - so würde ich das wenigstens sehen.

Ich dachte dabei auch eher an den öffentlichen Personenverkehr, der in der Schweiz vorbildlich betrieben wird. So stammt die Idee zur Bahnkarte, die bei uns jetzt zum Abschuß freigegeben ist, von dort und wurde dort erstmalig realisiert.

(Internet-Tipp: https://www.bahn.de/presse/uebersicht/die_bahn_presse.shtml)


Sammy antwortete am 05.07.01 (18:36):

Es gibt tausend Gründe dafür und tausend dagegen!!!!!
1.Die "AUTOBAUER" und "ZULIEFERER" verlieren Arbeitsplätze-
geht also nicht!!!
2.Die "BAHN" müßte atraktiver (Berufsverkehr insbes.)werden- kein Geld-kann also nicht!!!!!
3.Langfristig "POLITISCHE" Lenkungswirkung einbringen-der
Bürger (Wähler)u. Autolobby schlechthin verstehen es nicht-geht also auch nicht.
Da im Moment hier und da noch etwas geht,warten wir halt- bis wir irgendwann am "TROPF" hängen!!!!!


Wolfgang antwortete am 06.07.01 (06:29):

Gewinner der neuen Tarifstruktur der Bahn werden die Familien sein... Kinder - wenn sie nicht älter als 14 Jahre sind - reisen in Begleitung der Eltern oder Großeltern umsonst. Fahren die Kinder alleine, wird ihnen immerhin noch die Hälfte des Ticketpreises erlassen. :-)))


Georg Segessenmann antwortete am 06.07.01 (11:56):

An Johannes und andere die es interessieren könnte

Es gibt in der Schweiz noch andere gute Ansätze und Absichten. So sollten zum Beispiel die meisten Brummis die Schweiz möglichst auf dem Schienenweg passieren, wenn sie zum Beispiel von Deutschland nach Italien wollen. Aber da sind sooo viele Widerstände von der Brummilobby....!
Und je länger es so geht, desto mehr Brummis werden angeschafft. Und je mehr Brummis einmal da sind, umso grösser und stärker ist die Brummilobby. Diese wiederum ist mit sooo vielen anderen Kapitalkreisen vernetzt, auch im Parlament, dass die Einsichtigen jedesmal den Kürzeren ziehen. Das wird sich erst ändern, wenn vom Bodensee bis Chiasso eine einzige Brummikolonne steht!

Schorsch


Wolfgang antwortete am 06.07.01 (18:45):

Eine Beispielrechnung: Ein 2. Klasse Hin- und Zurück-Ticket mit dem Nachtzug im Liegewagen für die Strecke Nürnberg - Berlin - Nürnberg... Mit der zur Zeit gültigen Bahncard (50% Emässigung) kostet das Ticket rund 200 Mark. Allerdings muss vorher die Bahncard für 270 Mark erworben werden. Demnächst wird das gleiche Ticket rund 240 Mark kosten, allerdings sind für die Bahncard (25% Ermässigung) dann auch nur 117 Mark zu zahlen. Jetzt kommt der Clou: Frühbucher können nach der neuen Tarifstruktur - wenn sie 7 Tage vorher buchen - zu den ansonsten gleichen Konditionen das Ticket für etwa 140 Mark erwerben. Also: Sparmöglichkeiten sowohl bei der Bahncard, als auch beim Ticket selbst.

Ganz günstig für mich wird es, wenn ich meinen kleinen Sohn mit auf eine Reise nehme. Zur Zeit kostet das noch echtes Geld. Demnächst darf er umsonst fahren. Ich denke mir (entsprechende persönliche Umstände und entsprechendes Verhalten vorausgesetzt): Mit der neuen Tarifstruktur kann Geld gespart werden... Ich begrüsse deshalb die Neuerungen. :-)))

P.S.: Für Menschen ab 65/60 Jahren und Reisende ohne Kinder wird meine Beispielrechnung anders aussehen. Ich habe diese Varianten nicht gewählt, weil sie mich nicht betreffen.