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THEMA:   Arbeitslosigkeit durch Zinsbelastung ???

 12 Antwort(en).

Derek begann die Diskussion am 09.05.01 (16:22) mit folgendem Beitrag:

Hallo,

die Artbeitslosigkeit steigt mit der Zinsbelastung der Gesamtwirtschaft? Kann das sein?

https://www.systemfehler.de/antikapitalist.htm

Insbesondere folgende Statistik ist interessant:

https://www.systemfehler.de/img/alose.gif

(Internet-Tipp: https://www.systemfehler.de/antikapitalist.htm)


Werner A. Sedelmaier antwortete am 09.05.01 (16:56):

Spontane Antwort: Wenn Sie mir nachweisbare Zahlen über die Höhe der Zinsbelastung der Gesamtwirtschaft liefern, dann bekommen Sie von mir eine präzise Antwort auf diese Frage.

Der Hinweis auf https://www.systemfehler.de/img/alose.gif ist absolut nichtssagend. Es handelt sich um eine laienhafte Grafik, die jeder selbst herstellen kann.


Almex antwortete am 09.05.01 (20:56):

Hallo.
ohne die o.g. Sites bewerten zu wollen, ist eines klar: die Arbeitslosigkeit wird keinesfalls sinken, solange u.a. Zinsen, vor allem aber: Steuern - derartig hoch sind !
Zu meinem Lieblingsthema, der sog. ÖKO-Steuer habe ich mich schon oft genug geäußert, vor allem bin ich fassungslos, wenn ich sehe, daß diese Preislawine, die damit losgetreten wurde, von allen (der Regierung) verharmlost wird.
Gestern bezahlte ich für eine Flasche Orangenlimo -,79 DM, heute: -,99 DM - Begründung: höhere Transport- und Lagerkosten, Treibstoff, Kühlung, Beleuchtung !
Die Zinsen tun ein weiteres: auf ein Sparbuch (sofern man so etwas noch hat) gibt's lumpige 1,haste nicht gesehen % Zinsen, bei den Sollzinsen ist man ber schnell über 15% !?
Vom Verfall des Euros garnicht zu reden. Wenn da noch wer sagt, Herr Düsentrieb hätte alles im Griff ?
Verstehen kann ich jeden Arbeitgeber, der daran interessiert ist, jeden möglichen Arbeitsplatz abzubauen oder ins Ausland zu gehen.
Was nützen 30 Mark mehr Kindergeld, die haben die Abgaben in einem Monat aufgefressen.


Wolfgang antwortete am 10.05.01 (02:32):

Viele Menschen meinen, die Wirtschaft sei eine Veranstaltung, damit Güter möglichst preiswert erzeugt werden und möglichst viele Menschen daran mitarbeiten, die sich dann diese Güter mittels ihres Lohnes kaufen können. Die Wirklichkeit kapitalistisch verfasster Volkswirtschaften sieht völlig anders aus... Güter werden erzeugt, um aus Geld, mehr Geld zu machen. Alle anderen volkswirtschaftlichen Grössen - Beschäftigungsrate, Preisstabilität, Zinsniveau, Höhe der Arbeitskosten... um nur einige zu nennen - sind Grössen, die sich aus dem Kampf um dieses Ziel ergeben. Oft setzen die Profiteure die Bedingungen selber fest, unter denen sie ihre Profite am besten erwirtschaften können.

Wir haben seit geraumer Zeit eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und das trotz relativ niedriger und laufend sinkender Kosten. Die Zinsen sind seit Jahren auf historischem Tiefstand. Die Arbeitskosten auch... Mit anderen Worten: Die Differenz aus niedrigen Kosten verbunden mit hohen Erlösen führt zu fetten Gewinnen. Und das ist nun mal das Ziel in unserer Volkswirtschaft...

Unternehmen wählen nicht zwischen niedrigen Zinsen und hoher Arbeitslosigkeit, denn sie streben beides an, weil beides die Kosten senkt... eine notwendige (aber noch nicht hinreichende) Bedingung für hohe Profite. :-)


Werner A. Sedelmaier antwortete am 10.05.01 (02:43):

Es ist eigentlich absurd, wenn fast alle Preissteigerungen auf die sogenannte ÖKO-Steuer abgewälzt werden. Das ist an dem Beispiel mit der Orangenlimo sehr einfach nachzuweisen. Wenn sich binnen 24 Stunden der Preis um 20 Pfennige erhöht hat (das sind satte 25%), dann muß das andere Ursachen haben. Die ÖKO-Steuer hat sich nämlich in diesem Zeitraum nicht erhöht.

Ich glaube, daß da mit sehr viel Hysterie argumentiert wird. Preissteigerungen haben manchmal auch einen recht simplen Hintergrund, zum Beispiel schnöde Profitgier.

Eine Bundesregierung zu kritisieren, weil sie das Kindergeld um weitere 30 DM erhöhen will, das ist schon fast aberwitzig. Wem diese 30 Mark nichts nützen, was ja 360 DM im Jahr ausmacht, der kann doch freiwillig darauf verzichten. Wenn man das Geld aber trotzdem nimmt, dann könnte man damit auch die Preissteigerung von 1800 Flaschen Orangenlimo finanzieren. Alles relativ...

Zitat: "Verstehen kann ich jeden Arbeitgeber, der daran interessiert ist, jeden möglichen Arbeitsplatz abzubauen oder ins Ausland zu gehen."

Na, dann ist doch die Welt in Ordnung, denn das geschieht doch schon seit vielen Jahren. Warum dann trotzdem meckern?

Zum EURO folgendes: Einen Verfall hat es nie gegeben! Der EURO wurde als Binnenwährung für die EURO-Mitgliedsstaaten eingeführt. Der Referenzkurs betrug bei der Einführung genau 1,95583 DM für 1 EURO. Das gilt noch immer!

Wenn der Wechselkurs beispielsweise gegenüber dem Dollar gefallen ist, so ist das nur natürlich. Erstens ist das Wirtschaftswachstum in USA wesentlich höher gewesen und zweitens ist der EURO nach Meinung nahezu aller Fachleute stark unterbewertet.

Solche Schwankungen gab es auf dem Devisenmarkt schon immer. Ich erinnere mich an Zeiten, als ein Dollar noch rund 4,80 DM wert gewesen ist. Kein Mensch wäre damals auf die Idee gekommen, zu behaupten, daß die D-Mark vom Verfall bedroht ist.

Panikmache, Politikerschelte und Schwarzseherei sind ja zur Zeit in Mode gekommen. Glaubhaft wird es erst dann, wenn auch ein Körnchen Wahrheit dabei ist.


Manfred Franz antwortete am 10.05.01 (06:44):

Mit der Höhe der Zinsbelastung hat die hohe Arbeitslosigkeit sicher kaum zu tun. Fest steht aber, dass die Gesamtmenge der überhaupt noch notwendigen Arbeit laufend abnimmt. Soviel können die Dienstleistungsgesellschaft und neue Bedürfnisse gar nicht schaffen, wie durch die laufende Weiterentwicklung vernichtet werden. M.E. kann die Arbeitslosigkeit nur abgebaut werden, wenn die vorhandene Arbeit gleichmäßiger verteilt wird. Staatliche Vorgaben dazu wären 1. Eine begrenzte Maximalarbeitszeit (innerhalb von den Tarifparteien vorzugebender Zeiträume) und 2. Ein absolutes Überstundenverbot. Dazu müsste man aber WOLLEN. Und daran zweifle ich. Sowohl was die Arbeitgeber, den Staat als auch die Arbeitnehmer (!) betrifft. Den letzteren ist dieser Vorwurf am unbequemsten, weil leider wahr. Kaum einer möchte auf Überstunden verzichten, wenn´s an den Zahltag geht. Von der früher viel beschworenen Solidartität ist da keine Rede mehr.


KlausD antwortete am 10.05.01 (09:43):

Den Beitrag von Wolfgang sollte man sich mindestens zweimal durchlesen!!
Hier steht eigentlich a l l e s beschrieben.
Schade nur um die Menschen,welche in dieser Zwickmühle leiden müssen.


Werner A. Sedelmaier antwortete am 10.05.01 (10:18):

Zitat Manfred Franz: "Von der früher viel beschworenen Solidartität ist da keine Rede mehr."

Das trifft m. E. den Nagel auf den Kopf. Jeder will zunächst seinen eigenen Besitzstand wahren. Das Gemeinwohl spielt nur noch bei Individualisten, oder Idealisten, eine Rolle.

Im Übrigen war es noch nie die primäre Aufgabe des Staates Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu ist auch keine Regierung in der Lage. Der Staat könnte nur solche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die aus Steuermitteln finanziert werden.

Bleibt die Frage: Woher sollen diese Gelder kommen, wenn alle immer weniger (oder überhaupt keine) Steuern zahlen wollen?!

Die kausalen Zusammenhänge werden allzu leicht vergessen. Daher glaube ich allen Ernstes, daß die größte Kraft einer Gemeinschaft immer nur dann wirkungsvoll ist, solange ein solidarisches Grundverhalten erkennbar ist.


Wolfgang antwortete am 10.05.01 (11:01):

Ich meine auch: Hysterie wird geschürt und in Panik wird gemacht, insbesondere gegen Ökosteuern. Beispiel: Die seit Wochen kräftig steigenden Spritpreise. Was die Ökosteuer in Jahren nicht geschafft hätte, schafften die Ölkonzerne während einiger Wochen. Knappes Angebot, stärkere Nachfrage, höhere Preise... business as usual.

Noch mal zu den Zinsen... Japan ist ein gutes Beispiel dafür, wie alle Parameter, in diesem Fall die Zinsen, dem übergeordneten Ziel - Profite machen - angepasst werden: Seit fast zwei Jahren gibt es in Japan für Unternehmen Kredite, ohne dass diese dafür Zinsen bezahlen müssen. Null-Zins-Politik nennt man das grosspurig. Die Politiker sagen, dass man der schwächelnden Wirtschaft damit auf die Beine helfen kann. - Nun gibt natürlich kein Mensch freiwillig einem anderen sein Geld, ohne etwas dafür zu bekommen. Also zahlt der Staat. Der hat dann verschiedene Möglichkeiten... Er lässt neues Geld drucken, oder er erhöht die Steuern, oder er verschuldet sich und besorgt sich die nötigen Finanzmittel selbst am internationalen Kapitalmarkt (dort muss er allerdings Zinsen bezahlen). Wie man es auch dreht und wendet: Unternehmen bekommen etwas geschenkt, wofür andere - die kleinen Leute als Steuerzahler und Verbraucher und Sparer - zahlen müssen. Der Clou bei der Sache: Trotz Null-Zins-Politik geht die einstmals hochgelobte japanische Wirtschaft am Krückstock und Arbeitslosigkeit macht sich breit.


seewolf antwortete am 10.05.01 (13:37):

werner - deine argumentation teile ich und möchte sie ergänzen: das lemminghafte konsumverhalten der massen ist und bleibt wohl auch die eigentliche ursache für eine entwicklung, die mit jedem sogenannten technischen fortschritt einen schritt weitergegangen ist.

der verbraucher will als solcher immer mehr verbrauchen können, aber als arbeitnehmer immer weniger tun müssen und dafür mehr geld haben, damit er eben mehr verbrauchen kann.
derselbe elektriker, der - anstatt einen klempner sein kaputtes klo reparieren zu lassen und dafür einen angemessenen preis zu zahlen - selber zum billig-baumarkt fährt für schlechtes werkzeug und möglichst billige teile, schreit entsetzt auf, wenn der dadurch überflüssig gewordene klempner - mittlerweile arbeitslos - zwecks reparatur seiner defekten steckdosen dasselbe tut...

je mehr so handeln, desto weniger funktioniert der austausch von leistungen gegen angemessene bezahlung. den kleinen friseurmeister mit 2 gesellen und 3 lehrlingen gibt es vielfach nicht mehr, weil haarschneidemaschinen für 45 DM bei aldi ein erfolgreiches produkt geworden sind. daß die tochter des arbeitslosen klempners daher auch keine lehrstelle in einem ihren fähigkeiten angemessenen beruf (frisörin) mehr findet, ist die weit schlimmere folge.

die leute geben ihr geld aus ohne jegliche "wertschöpfung" - premiere-tv-gebühren finanzieren keine neuen arbeitsplätze - der billig-urlaub in der dominikanischen republik auch nicht, und industrie-erzeugnisse werden eben zunehmend maschinell hergestellt... wer will auch ernsthaft erwarten, daß ein automobil heute noch von hand zusammengefügt werde, wo es robot-straßen eben schneller, präziser UND auch billiger können. nicht einmal gewerkschaftsfunktionäre verlangen heute noch, einen heizer auf einer elektro-lok zu beschäftigen :-)))

die horrenden gelder, die bei so spektakulären aber volkswirtschaftlich blödsinnigen veranstaltungen wie formel 1 - champions-league - fußballbundesliga bewegt werden, stammen aus den taschen der verbraucher, die dafür eben nicht mehr beim krämer an der ecke kaufen, sondern bei einem global operierenden supermarkt das billigere auslands-dosenbier kaufen mit der weiteren folge, daß deutsche brauereien weiter rationalisieren usw usw usw...

...bei unverändertem verhalten des vielgepriesenen mündigen verbrauchers - der un-solidarischen einstellung, nur das eigene vergnügen mehren zu müssen und andere für die konsequenzen vernatwortlich machen zu wollen - wird es klugen wirtschafts-handhabern immer wieder gelingen, neue "bedürfniss" zu "wecken" oder "märkte" zu "erschließen"...

billig anbieten schafft nachfrage - egal für was. dies gilt eben auch für geld und zinsen... wenn die kreditnachfrage sinkt, haben die banken noch immer versucht, ihre ware durch niedrige preise = zinsen wieder an den konsumenten zu bringen ...

aus gutem grunde hatte seinerzeit mr. rockefeller "ein paar" öl-lampen nach china verschenkt.


seewolf antwortete am 10.05.01 (17:20):

nachtrag : die formulierung des themas an sich ist eine sehr fragwürdige frage:

zinsbelastung entsteht durch fremdmittelbeschaffung - also kapital-"einkauf". bislang jedoch war stets kapital erforderlich, um arbeit zu finanzieren. mir will beim besten willen nicht einleuchten, wie man arbeitslosigkeit aller philip holzmann - mitarbeiter hätte vermeiden sollen OHNE fremdkapital-inanspruchnahme ( mit der folge einer zinsbelastung natürlich :-) ).

übrigens - die zunahme privater konsumentenkredite in den letzten jahrzehnten hatte doch zur folge, daß zunächst einmal immer kreditsachbearbeiter bei den instituten ARBEIT BEKAMEN...


Bernd antwortete am 15.05.01 (19:30):

Ich weiß nicht, doch so langsam habe ich das übliche Geschimpfe über zu hohe Steuern mehr als über.
Mein Schwager lebt seit 30 Jahren in Tailand und zahlt dort schlappe 15 % Steuern. Das hört sich im Moment toll an, doch was gibt der Staat dort seinen Bürgern? Nichts, absolut nichts.
Wenn der Staat hohe Sozialleistungen erbringen soll (und siehe zum Bsp. die vielen Klagen über zu geringe Sätze der Altenheime etc.), dann muss ihm auch viel gegeben werden.
Die DDR ging doch nicht deshalb klaputt, weil sie aus betriebswirtschaftlicher Sicht schlicht und ergreifend bankrott war. Es gab eine tolle Kinderbetreuung, die Freistellung erziehender Eltern war einfach super usw., doch es war letztlich einfach nicht bezahlbar.
Ich wohne an der Grenze zu Dänemark. Kürzlich sprach ich mit der Leiterin eines kleinen Seniorenheimes. Wir kamen auf das Thema Steuern zu sprechen, die in Dänemark wesentlich höher sind als bei uns und sie sagte: "Ach so schlimm ist das nicht. Es wird damit ja auch ein sehr guter Sozialstaat finanziert. Ohne die hohen Steuern, ginge es Behinderten Alten und Kindern wesentlich schlechter."
Vielleicht sollten wir mal unsere Einstellung zu unserem Staat überdenken.


seewolf antwortete am 16.05.01 (20:48):

Bernd - ich danke Dir für Deinen beitrag. John F. Kennedy sagte mal in einer großen rede sinngemäß: fragt nicht immer zuerst, was euer land für euch tut - fragt euch, was ihr für euer land tun könnt.

bei uns scheint die größte tugend darin zu liegen, möglichst viel vom staat oder allgemeinen quellen zu bekommen und möglichst wenig dafür zu geben...

nun - der trost bleibt : geld kann man nicht essen und auch nicht mit ins grab nehmen