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THEMA:   Solidarität

 11 Antwort(en).

H. JürgenGrebin begann die Diskussion am 17.11.00 (07:45) mit folgendem Beitrag:

Heute, in der sich globalisierenden Welt ist die Solidarität der Menschen ( die der Globalisierung schutzlos ausgeliefert sind ) wichtiger denn je. Diese Welt ist sonst dem neoliberalen Egoismus ausgeliefert. Stellen wir dem die Solidarität der "Schwachen" entgegen und kämpfen damit für die Menschheit. Jeder mit seinen Möglichkeiten! Sie kostet nur ein wenig Aufgabe von Bequemlichkeit.


Heidi Lachnitt antwortete am 17.11.00 (14:17):

...die Solidarität der "Schwachen"... hört sich zunächst einmal gut an. Ich habe aber zwei Probleme dabei - einmal die Definition der "Schwachen" und wie soll die "Solidarität" aussehen.
Das ist mir ein bißchen zu allgemein, Jürgen :-), nenn' doch Beispiele(ist ja wahrlich kein Mangel daran) - dann lässt es sich besser diskutieren.


Grebin antwortete am 17.11.00 (17:36):

Die "Schwachen" könnten alle die sein, die der starken Macht der globalisierten Welt gegenüberstehen, d. h. Länder des Südens oder der 3. Welt genauso wie Menschen, die durch die Kapitälmachte- allen voran durch den US-Markt, die Euro-Zone etc. in immer aussichtslosere Situationen gebracht werden. Dazu müßten diese Globalmächte durch ihre Völker in die Pflicht genommen werden. Warum muß ein Teil der Menschheit (0.0001% - willkürliche Prozentzahl nur zur Verdeutlichung) in Saus und Braus leben und die übrige Menschheit darbt und hungert, stirbt und verreckt. Auch in Deutschland kann man sich über die Oberschicht ( Wie nennen sie sich? Die VIP`s !) nur noch ekeln. Solidarität nicht durch diese VIP`s! Wenn die sich mit den Armen zeigen wird mir schlecht. Und auch nicht betteln bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit. Geld statt für die Armee in die armen Länder für Entwicklungsprojekte lenken.
Grebin


Wolfgang antwortete am 17.11.00 (17:47):

Ohne dass ich Jürgen zuvorkommen will... Aber um mal etwas konkreter zu werden, liebe Heidi, will ich den folgenden Gedanken ausführen:

Die BRD galt über all die Jahrzehnte als wohlhabende und sozial ausgerichtete Gesellschaft. Das Sozialstaatsgebot steht sogar ausdrücklich im Grundgesetz. So wurde ein Kapitalismus mit menschlichem Antlitz geschaffen. Dann brachen die Gesellschaftssysteme des Sozialismus in sich zusammen und die Mauer fiel. Ich werde den Verdacht nicht los, dass seit dieser Zeit die Herrschenden beschlossen haben, dass jetzt Schluss sein muss mit dem Sozialstaatsgetue. So gesehen, war die DDR eine Bremse für den Sozialabbau in der BRD.

Nun werden die Ideen der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität mit dem ärmeren Teil der Bevölkerung verspottet, als altmodisch abgetan, bekämpft oder bis zur Unkenntlichkeit umdefiniert. Ein ganz konkretes Beispiel (du hast selbst in Deinen Beiträgen zur Altenpflege darauf hingewiesen): Im Gesundheits- bzw. Krankheits- und Altenwesen sind die Interessen der betroffenen Menschen schon lange nicht mehr der Maßstab. Arbeitskosten müssen angeblich gesenkt werden (als hätten wir nicht die niedrigsten Lohnstückkosten weltweit und mit die höchsten Gewinne). Also senkt man die Leistungen und zieht den Menschen die Daumenschrauben an, und erzählt ihnen kalt lächelnd, dass sie gefälligst privat für sich vorsorgen müssen.

So verabschieden sich die Herrschenden in dieser Gesellschaft klammheimlich aus ihrer Verantwortung und setzen auf die "unsichtbare Hand" des Marktes, wohl wissend, dass dessen Mechanismen in aller erster Linie immer nur den Wohlhabenden und Fitten zugute kommen. Die soziale Stabilität und damit die Grundlage des Rechts und der Demokratie bleiben auf der Strecke. Vielleicht will man das ja so haben...


Heidi antwortete am 17.11.00 (20:37):

Kann beiden Beiträgen zustimmen - - - gut, wir haben also die "Schwachen"(Machtlosen/Armen) und die "Starken" (Mächtigen/Reichen) definiert und jetzt?

Solidarität - schönes Wort und missbrauchtes Wort (Solidaritätszuschlag!) Ich halte Solidarität für überlebenswichtig. Aber Solidarität mit wem und Solidarität wie??

Habe bereits an anderer Stelle gesagt, daß ich die "großen Themen" zunächst einmal in meinem eigenen Umfeld umsetzen will. Z.B. Solidarität unter Altenpflegekollegen - sehr schwierig - es herrscht bereits die Angst, der Druck von oben, die Kolleginnen sind auf ihren Lohn angewiesen und trauen sich nicht aufzumucken gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen, es wird zwar viel geschimpft aber immer nur heimlich im Eckchen.

Der Druck von oben ist bereits zu groß - - aber noch nicht groß genug für offene Revolution.
Es gibt zuviel Angst, Feigheit und Egoismus, wobei die Angst allerdings überwiegt.

Solidarität wie? - In meinem Arbeitsfeld : durch öffentliches Anprangern von Mißständen, durch eigenes Arbeiten nach "Arbeitgeber"-Qualitätsvorschrift und Motivieren der Kolleginnen, das gleiche zu tun. - Sehr wenig Erfolg - Wenn die Kolleginnen nur begreifen würden, daß ohne sie in unserem Hause nichts mehr geht . Gemeinsam könnten wir viel verändern! Habe bei der letzten öffentlichen Veranstaltung den Altenpflegeschülerinnen gesagt "ihr habt die "Macht! (obwohl ich dieses Wort nicht sehr gerne gebrauche) ich rufe nicht zum Streik auf, nur zum Dienst nach den Qualitätsvorschriften Eures Hauses" --- Zwei von ca. 80 Zuhörern haben begriffen, was ich meinte.
-
Soweit ein Teil meiner "kleinen" Solidarität -- Wie sieht Eure aus?

Da ich ein "unsachliches Weib" bin nachstehendes mir zum Trost. :-)

".....
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach "Er hat gelehrt."
Und so war auch das geklärt.

Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: Hat er was rausgekriegt?
Sprach der Knabe: " Daß das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt."
..."

Auszug aus "Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration" von Bertolt Brecht


Heidi antwortete am 20.11.00 (18:16):

Hannes Wader singt es (ich singe mit)

Vorwärts und nie vergessen
worin unsre Stärke besteht
beim Hungern und beim Essen
vorwärts und nie vergessen
die Solidarität

Auf ihr Völker dieser Erde
einigt euch in diesem Sinn
dass sie bald die eure werde
und die große Lehrerin

Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber:
endet eure Schlächterein
reden erst die Völker selber
werden sie schnell einig sein

Wollen wir es schnell erreichen
brauchen wir noch Dich und Dich
wer im Stich lässt seinesgleichen
lässt ja nur sich selbst im Stich

.... vorwärts


H. Jürgen antwortete am 21.11.00 (06:35):

Danke, hin und wieder muß man auch für unsere Brüder und Schwestern in den Altbundesländern und in den Neubundesländern das in Erinnerung rufen. Die an den Rand gedrängten ( besser für SCHWACHE) Bürger haben eigentlich eine gute Chance. Nur wer gibt ihnen diese, sich damit zu wehren. Eine große Entsolidarisierung ist im Gange.
Das noch als Bekräftigung und Ergänzung zum treffenden Beitrag von Wolfgang.
H. Jürgen


Manfred Franz antwortete am 21.11.00 (19:43):

Mal allen Ernstes: Glaubt Ihr wirklich, dass, wenn den Reichen ihr Reichtum genommen wird, ALLE reich sein werden? M.M. nach ist das Gegenteil der Fall: dann sind ALLE arm!
Hinzu kommt, dass ohne Kapital und Interesse daran, solches zu erwerben und zu mehren, auch kein Investitionskapital mehr zur Verfügung stehen wird. Wohin das führt, das haben wir am unrühmlichen Ende der DDR ja erst erlebt.
Das hat Nichts mit der notwendigen Solidarität der Schwachen zu tun, das ist nur einfach Tatsache. Man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern vernünftige Lösungen ohne Klassenkampf-Getümmel suchen.

(Internet-Tipp: https://Warum.here.de)


H. Jürgen antwortete am 22.11.00 (08:10):

Es gibt genug Zeitgenossen, die sich in ihrer sozialen Lage relativ sicher wähnen und alles tun, um die Situation bestehen zu lassen. Ohne Klassenkampf-Getümmel, natürlich!
S o wie Welt ist darf sie aber nicht bleiben. Natürlich sind und sollen nicht alle gleich sein. Man wird doch wohl trozdem hoffen dürfen, daß die REICHEN nicht ewig und durch ihre MACHT auf Kosten der MEHRHEIT leben darf.
Das hat weder etwas mit der DDR ( ein zu billiges Argument ) noch mit den dann "fehlenden Geld und Wohlstand machenden Reichen" zu tun. Übrigens, ihre MACHT erhalten sie auch durch "demokratische" Wahlen an denen , siehe USA, nicht mal 50% der Wähler teilnehmen. Warum wohl?
Beteiligen sollte man das "dumme Volk" mal bei entscheidenden Fragen an einem Volksentscheid. Es würde sich bestimmt nicht für unzulässig hohe Abgeordnetendiäten, für den gegenwärtigen Beamtenstatus ( treueste "Diener" des Staates) und vieles mehr entscheiden. Aber wie schrieb ich?- "dummes Volk" wird nicht gewünscht, es könnte zu dumm sein und das wäre das Ende der Herrschaft von bornierten Politikern und anderem XXXXXX.
Nichts für ungut, lieber Manfred.


Wolfgang Maul antwortete am 22.11.00 (12:20):

Zum "Klassenkampf-Getümmel" möchte ich auch was sagen, lieber Manfred... Nun ist es ja nicht zu bestreiten, dass es wirtschaftliche Interessen gibt und dass sich diese Interessen aus der jeweiligen Stellung im Wirtschaftsleben ergeben. Ein einfaches Beispiel: Für den Eigentümer einer Firma sind Löhne Kosten, die es zu minimieren gilt; umgekehrt ist der Lohn für die Arbeitenden Einkommen, das man möglichst zu maximieren trachtet. Mit anderen Worten: Das wirkliche Leben ist so, wie es ist. Welche Begriffe man dafür verwendet - Klassenkampf oder Sozialpartnerschaft - ist eigentlich nebensächlich.

Weil wir gerade vom Klassenkampf reden: Wenn ich die derzeitige Situation richtig deute, dann haben die Arbeitenden nicht viel zu lachen. Andere - Wenige - wiederum fühlen sich äußerst wohl, wenn ihre Gewinnquellen sprudeln, wie noch nie und sie dazu auch noch das ein oder andere Schnäppchen an der Börse machen können. Das ist eigentlich nichts Besonderes in kapitalistisch verfassten Ländern und business as usual. Das Besondere ist aber, dass sich die Teilhabe am wirtschaftlichen Geschehen (ich meine nicht nur die Löhne, sondern zum Beispiel auch die Mitbestimmung) drastisch zuungunsten der meisten Menschen geändert hat.

Deshalb: Nicht jeder aus der Kaste der Politiker oder der Bosse, der mit Palmwedeln in der Hand und schönen Worten das hohe Lied von der glücklichsten aller (kapitalistischen, versteht sich) Welten singt, ist ein Friedensengel. Meistens ist es ein ganz Ausgebuffter - ein Klassenkämpfer eben. :-)


Manfred Franz antwortete am 22.11.00 (19:55):

Muss ich doch noch ´mal antworten. Zuerst zu Jürgen: MEINE Argumente sind nicht BILLIG! ICH überlege genau, ehe ich etwas schreibe. Und was ich über die DDR, besser, den misslungenen Versuch, realen Sozialismus zu machen, gesagt, bzw. geschrieben habe, basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen mit diesem System. Ich habe es vom Anfang bis zum Ende hautnah und bewusst erlebt.
Und zu Wolfgang: Sicher bestimmt die persönliche Stellung des Einzelnen seine Ansichten. Bessere oder schlechtere Menschen sind allein deswegen weder die Einen noch die Anderen. Im Endeffekkt geht doch nur es um die Verteilung des Geschaffenen. Die einen wollen investieren, die anderen konsumieren. Vernünftig ist ein gerechter Ausgleich- wo liegt die Linie? M.E. ist es Unsinn zu glauben, eine Absenkung des persönlichen, also für die Konsumtion der wirtschaftlichen und politischen Machthaber verwendeten Anteiles würde die große Masse der Arbeitenden wesentlich reicher machen. Einfache Rechnungen beweisen den Irrtum. Aber der Neid is


Wolfgang Maul antwortete am 22.11.00 (20:50):

So ist es, Manfred... "Vernünftig ist ein gerechter Ausgleich..." - Genau um diesen Ausgleich wird gestritten. Verlangen die Arbeitenden ihren Anteil, werden jene, die sich dafür einsetzen oft als "Klassenkämpfer" denunziert. Wird der Klassenkampf von oben organisiert und geführt, sprechen die gleichen Leute vom Allgemeinwohl und von staatsmännischer Vernunft.

Ein gerechter Ausgleich muss also her. Und Mittel braucht es, damit friedlich und ohne Blutvergiessen über diesen Ausgleich gestritten werden kann. Deshalb haben wir eine Verfassung und - daraus abgeleitet - viele Verfahren, mit denen das wirtschaftliche Leben gestaltet werden kann. Die Verfassung selbst schreibt keinen Kapitalismus vor, schon gar nicht einen ungezügelten. Die Verfassung schreibt vor, dass diese Republik ein sozialer Rechtsstaat sein muss. Das ist ein kompliziertes und ständig bedrohtes Gebilde. Bedroht vor allem auch von Interessierten, die mit Hilfe ihrer wirtschaftlichen Macht einen ihnen nicht angemessenen und nicht verdienten Teil vom Kuchen bekommen wollen. Letztendlich geht es um die Macht im Staat: Wer hat sie - einige wenige oder viele?

Sie sprechen ihre persönlichen Erfahrungen in der DDR an. Damals, als die Menschen auf die Strasse gingen und "Wir sind das Volk" skandierten, wollten sie sicher nicht nur die einen Machthaber durch die anderen Machthaber austauschen. Sie gingen auch auf die Strasse für die Freiheit und das Recht und dafür, dass man sie beteiligt an allen wichtigen, also auch wirtschaftlichen Entscheidungen und dass man ihre Interessen angemessen berücksichtigt. Dies begreifen Mächtige oft nicht. Deswegen muss man es ihnen gelegentlich deutlich sagen.