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THEMA:   " Civilcourage" - was ist das?

 10 Antwort(en).

Ilse Fahl begann die Diskussion am 13.10.00 (06:30) mit folgendem Beitrag:

Die Medien rufen zu mehr "Civilcourage" vor allem gegen die NPD - Aktionen auf, Wo sonst wäre sie gebraucht? Wie stellt man sie dar?


Manfred Franz antwortete am 14.10.00 (06:45):

Gebraucht wird sie eigentlich immer, wenn es Leben und Lebenswerte zu schützen gilt. Da kann man eben nicht einfach wegsehen, da sollte man schon -mit den Kräften und Mitteln die man noch hat- eingreifen. Ich meine hier nicht unbedingt mit körperlicher Gewalt. Es gibt so viele Möglichkeiten. Manchmal z.B. schon einfach die des Beschämens: Wenn ich z.B. in der Tram aufstehe, um einer Mutter mit Kleinkind Platz zu machen, obwohl genügend Kinder und Jugendliche sich auf ihren Plätzen lümmeln.....
Oder indem man sein Handy nutzt, um Hilfe zu rufen, wenn jemand in Not gerät, ...oder...oder...oder
Einfach, indem man nicht zur schweigenden, dumpfen Masse gehört....

(Internet-Tipp: https://Radefeld.here.de)


Ilse Fahl antwortete am 14.10.00 (10:05):

Hier möchte ich noch einmal erklären, was mich zu dieser Frage führte: Die Zahl der NPD-Mitglieder steigt leider ständig weiter - die Gefahr, wieder in Situationen wie unter Hitler hineinzugeraten belastet!
Bisher hatte ich mit Genugtuung erfahren, wie man sich mit einem gewissen Erfolg darum bemüht hatte, die psychologischen Beweggründe der Jugendlichen herauszufinden. Ich dachte:Es geht also voran!
Wenn ich nun aber abend für abend in den Nachrichten höre wie die Zahl der gewaltbereitsn Mitglieder immer und immer mehr wächst, anschließend die Aufforderung höre: Mehr Cicilcourage aufzubringen, um dieser Entwicklung entgegen zu arbeiten,dann überlege ich: Was heißt das für mich!?
Zu gern würde ich hier sehr aktiv werden! Hab schließlich den letzten Krieg sehr intensiv miterleben müssen! Aber wie kann ich es tun? Wenn ich daneben stehen würde, dann würde ich sicherlich auch ein Opfer, denn beobachten lassen die sich nicht.
Was kann man machen? Sich opfern bringt niemanden auch nur die geringste Hilfe? Wie also stellt man sich das so vor? Bei geringstem Verdacht per Telefon die Polizei benachrichtigen? Aber in diese Situation kommt man als alte Frau kaum, weil man abends mehr zuhause bleibt! Also: was könnte man tun, wie könnte man "Civilcourage" anbieten, um hier der bösen Entwicklung Einhalt zu bieten?


Manfred Franz antwortete am 15.10.00 (07:04):

Da hatte ich wohl das Thema zu allgemein ausgelegt. Es ging hier offenbar speziell um die Courage gegen RECHTE Gewalt. So würde ich das nicht eingrenzen wollen. Schließlich ist es für die Betroffenen doch gleichgültig, ob sie mit dem Baseballschläger eines Neonazis erschlagen werden, oder ob sie ein Messer eines Autonomen der linken Gewaltscene in den Rippen haben. Oder was es sonst noch an Gewaltauswüchsen alles gibt. Gewalt ist und bleibt der Ausdruck unterentwickelten Geistes. Oft sind es die Auswüchse und das Ausleben pubertären Imponiergehabes. Das muss den Leuten gesagt werden! Auch und vor allem von uns, den etwas Älteren, die schon mehrere Diktaturen erlebt haben. Und auch, dass es eben Erwachsene gibt, die aus Machtgier und in verbrecherischer Absicht sich dieses jugendlichen Elans bedienen, um mit den Mitteln der Demokratie eben diese selbst zu bekämpfen und abzuschaffen.


Ilse Fahl antwortete am 15.10.00 (10:26):

Ja, Franz, was Du da schreibst, daß ist mir durchaus bekannt, nur - gegen wen immer ich diese "Civilcourage" einsetzen muß und will - : Wie kann diese aussehen? Was kann man tun, um die Gewalt rechtzeitig als solche in ihrem Auswirkungen zu erkennen und möglichst dazu beitragen, daß sie gemindert wird und nicht ausgeweitet, wie es z.Zt. so beängstigend durchaus geschieht! Deshalb fordern die Medien uns alle auf: Mehr "Civilcourage" einsetzen! Das war der Inhalt meiner Frage!WIE???????Was kann ich tun?????


Anita antwortete am 15.10.00 (13:59):

Wenn der Staat durch seine Politiker zur Zivilcourage aufruft, dann hat er versagt. Er hat die Pflicht, die Bürger zu schützen, für die Wahrung ihrer Menschenwürde zu sorgen u.a. Er hat die Instrumente dazu und auch die Steuergelder. Es ist unverantwortlich zivile Personen zum "Kampf" aufzurufen und damit zu riskieren, daß diese sich gefährden. Anita


H. Jürgen Grebin antwortete am 15.10.00 (17:00):

Ja Anita,
das stimmt. Was ist das für ein Staat, der seit Jahrzehnten die Überbleibsel des Nazismus gedeihen ließ und nun "aktiv" wird, indem er zur Zivilcourage aufruft. Zu spät? Nein, nur wenn er will, das diese Nazibrühe verschwindet, muß er den Boden bereiten und nicht NAZIS schützen, sondern, die sie bekämpfen. Manchmal nicht mit den richtigen Mitteln, aber sie tun es. Und der brave deutsche Spießbürger sieht zu und schüttelt mit dem Kopf. Da war mir der sogenannte "verordnete Antifaschismus" in der DDR doch lieber. Die haben wenigsten etwas getan.
H. Jürgen Grebin


Ilse Fahl antwortete am 15.10.00 (22:07):

Der Staat - wer ist das, ein böser Mann, der all die vielen Jahre nur geschlafen hat und die Millionen gesammelt? Und wenn der nun nicht mehr da ist, wollen wir ihn rufen? Was kann - was wird - er machen? Er hat die Schuld! Na und nun?Alles so laufen lassen, weil er damals solange nichts tat? Können wir uns nicht vielleicht auch beteiligen! Aber wie? Das ist ja meine Frage! Oder sollen wir lieber alles so laufen lassen, nur über den langen Schläfer schimpfen? Ob das sehr viel weiterbringt? Ich fürchte nicht! Aber ich suche ja nach Mitteln und Wegen, was ich machen könnte! Nicht wahr, in den Aussagen gegen die Rechtsradikalen anfangs, da klang doch aus mancheinem auch die Überzeugung: "so geht das nicht weiter!" Wenn auch damals - m.E. - nur mehr Empörung war, was aus allem sprach, gibt es denn wirklich für uns keine Möglichkeit, aktiv zu werden? Es tut mir so leid, daß ich selber so nichts weiß, darum suche ich Eure Hilfe!


Ilse antwortete am 16.10.00 (13:48):

Der ehem. Innenminister von Sachsen-Anhalt, Eggert (richtig?) erzählte kürzlich in einer Talkshow, wie er mit einer Gruppe Skins in Magdeburg auf der Straße aneinander geriet. Im Laufe der Diskussion kamen abfällige Bemerkungen über Juden hoch. Eggert schaute einen der Burschen intensiv an und sagte: "Ich kann mir nicht helfen, du siehst selbst ein bißchen jüdisch aus!" Große Verblüffung! Man ging gemeinsam ins nächste Café und debattierte weiter.

Was dabei herauskam, weiß ich nicht. Man sieht aber, daß Witz, Schlagfertigkeit und ein gesundes Selbstvertrauen mitunter guten Erfolg erzielen.


Ilse Fahl antwortete am 27.10.00 (21:17):

Ist es falsch, wenn wir erkennen: Der Staat, das sind wir selber?
Nicht wahr, so ist es, wir alle haben mitzudenken, mitzugestalten, mitzuwählen, jeder ist verantwortlich! Leider gibt es nicht jemanden, dem wir "die Schuld" geben können! Wie praktisch wäre es!!! Ich denke, verantwortlich müssen wir alle uns fühlen! - Klar, wenn ich hier die Frage stelle nachdem:"was kann ich tun?" dann ist es mir - und ich unterstelle es auch Euch -klar, daß ich nie auf eine endgültige und gar noch "richtige" Antwort kommen kann! Aber ist nicht allein die Situation, daß wir jeder in uns dieses Problem erkennen und darüber nachdenken , ein riesen Schritt in die richtige Richtung? Nur so - wenn auch mit winzigen Schritten und hoffentlich auch durch viele Gespräche, - kommen wir da nicht vielleicht doch einer Lösung näher? Das wenigstens möchte ich mir und Euch wünschen!


Ilse Fahl antwortete am 31.10.00 (18:13):

Soeben sah ich eine beeindruckende Sendung im ZDF .17.45 -18.oo Uhr :"Hier stehe ich... Zivilcourage heute zum Reformationstag " Also gar nicht soweit von den Problemen unserer Zeit entferntdie Klärung in unserem Forum! Ich fand es schon interessant! Aber: nicht wahr, hierüber sollte sich jeder für sich selber Gedanken machen! Auseinandersetzungen sind dann mehr ein Zeichen der Bereitschaft auch anderer Leute Meinung anhören zu können und vielleicht sogar daraus Erkenntnisse zu ziehen, die unser eigenes Handeln bewußter werden lassen!??? Wie großartig wäre es, wenn wir auch mit unseren Freunden darüber sprächen und auch die sich selber Gedanken zu machen begännen! - Aber wenn das auch so klappen sollte, dann wäre es gut, wir würden etwas tolleranter und interessierter auch andere Meinungen anhören zu können und nicht gleich solche furchtbare Aggressivität zu entwickeln wie in der Überlegung zu Günter Wallraffs Frage:"Was heißt hier deutsch" Auch dazu sollte man bereit sein und frei genug,aufzunehmen um auch für sich weiterzukommen!