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THEMA:   Die Kunst zu sterben

 17 Antwort(en).

Joachim begann die Diskussion am 18.06.2000 (09:55) mit folgendem Beitrag:

Unter allen Lebewesen könnten Menschen als einzige auch vernünftige Sterbewesen sein. Den
meisten von uns fällt eine solche Einstellung jedoch sehr schwer.

https://userpage.fu-berlin.de/~aeimhof/amd.htm

Zur Vertiefung die URL - ein Vortrag von Prof. Dr. A.E. Imhof


Ruth antwortete am 21.06.00 (19:33):

Es ist traurig, dass in der heutigen fortschrittlichen Zeit, es nicht akzeptiert werden kann, dass der Mensch, trotz allem Fortschrittes unserer Zeit sterben muss. Es wird tabuisiert und ist ein konfliktreiches Thema. Gerade bei älteren Menschen, die sich oft nichts sehnlicher wünschen, als sterben zu dürfen, gibt es viele Schwierigkeiten, weil keiner dafür letztlich die Verantwortung übernehmen will. Ich frage mich, ob es notwendig ist, den Rettungshubschrauber anzufordern, wenn der Betroffene mit 95 Jahren ohnehin "nur in Ruhe" sterben will. Nein, man quält ihn mit Wiederbelebungsmaßnahmen und er verstirbt im Hubschrauber. Doch der Betroffene hätte sich gewünscht, dass jemand bei ihm sitzt, seine Hand haltet, die menschlichen Grundbedürfnisse erfüllt und das wird ihm verwährt, weil es könnte ja jemand zur Verantwortung gezogen werden. Die Patientenverfügung, die der Betroffene nach reiflicher Überlegung lange vorher schon unterschrieben hat, wird einfach außer Kraft gesetzt. Hat man mit 95 Jahren nicht mehr das Recht über sich zu entscheiden?


Antonia Höfer antwortete am 26.06.00 (00:48):

Hallo, Ruth! Das mussten wir leider auch erleben, als mein Vater sterbenskrank und verwirrt war.Das Patiententestament lag den Aerzten vor, mein Vater hat sich Zeit seines Lebens gewuenscht, nicht unnoetig hier aufgehalten zu werden, wenn es soweit war.Die Verfuegung lag bei seiner Patientenakte, niemand hat sich darum gekuemmert. Die Familie hat es nur mit massivem Druck von seiten meines Mannes ( Arzt) geschafft, Vater auf eigene Verantwortung aus der Klinik zu holen und ihn in Ruhe gehen zu lassen, betreut von einem verstaendnisvollen Hausarzt. Ich frage mich nur nach dem Nutzen eines PAtiententestamentes, wenn es doch nicht beachtet wird.
Gruss Antonia


Almex antwortete am 26.06.00 (12:58):

Leider ist es so, die "60er"-Jahrgänge (APO, antiautoritäre Erziehung) sitzen heute in Richterämtern. Da wird es sich ein Arzt 100 mal Überlegen, ob er etwas gegen das Verlängern eines eigentlich gelebten Lebens tun wird. (Gehört zwar nicht direkt hier her: aber warum der viele Frust bei Polizisten: die nehmen einen fest, vielleicht unter Einsatz ihres Lebens, die Richter lassen ihn laufen !)
Auch die "Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben" (Hauptanhängerin: Inge Meysel) hatte der Sache einen Bärendienst erwiesen - Wirtschaften in die eigene Tasche. Nun, das soll heute wohl anders sein, die damaligen Macher sind schon weg. Nur - ein Nachgeschmack bleibt.
Auch ich habe schon vor vielen Jahren ein Patiententestament gemacht, jeder weiß, wo es liegt. Nur, ob die Ärzte meinem Wunsch folgen werden, die Maschinen abzustellen, steht in den Sternen.


Peter K. aus GL antwortete am 27.06.00 (18:06):

Wenn es nach den Medien ginge, dann ist jeder Mensch, jung, dynamisch und unsterblich. Denen kann man ja auch am meisten verkaufen. Ich frage mich, wann Mensch endlich erkennt, das alles Materielle vergänglich ist und somit immer mit Leid behaftet. Würde die Menschen ihr Denken in eine andere Richtung lenken, nämlich in die der Nächstenliebe, im wahrsten Sinne des Wortes, würden vielen Mateiellen Dingen ihre Wirkung genommen. Oder findet ihr den Slogan einer Internetfirma toll: Tu nichts umsonst !
Eins soll sich jeder vor sein Auge halten. Keiner kann seinen handlungen davon laufen selbst im Tod nicht.


Eva Wenzel antwortete am 27.06.00 (21:38):

Ich muss dieses Thema uebersehen haben, wie ich am 21.6. unter Soziales und Lebenshilfe einen Beitrag geleistet habe.Moechte nochmals darauf hinweisen, dass man heute nicht mehr von einem Patiententestament spricht, sondern es heisst "Betreungsverfuegung und Vorsorgevollmacht" Untertitel "selbstbewust die Zukunfz gstalten,so lange ich noch gesund bin".Es sind zwei voellig voneinander getrennte Gebiete, ich kann mir selber das fuer mich zutreffende aussuchen. Man laesst es von einem Notar aufsetzen,muss selber unterschreiben und vom Notar beglaubigen lassen. Der Vorgang muss alle 2 Jahre wiederholt werden, oder kann nach Wunsch geaendert werden. Bei Vorlage dieser Urkunde ist der Arzt von seiner Pflicht, Leben zu erhalten, entbunden.


Zsuzsa antwortete am 12.07.00 (21:47):

Heute haben die Menschen nicht Angst vor dem Tod, denn damit beschäftigen sie sich erst gar nicht. Sie haben blos Angst um ihre hart erarbeiteten Güter, die sie zurücklassen müssen.
Das letzte Hemd hat halt keine Taschen.


Margret antwortete am 14.07.00 (17:43):

Es ist nicht die Angst vor dem Tod.
Es ist die Angst vor dem was dem Tod vorausgeht!! Die Angst vor dem Forscherdrang derer, die glauben, noch lange zu leben.


Ursula Trautmann antwortete am 17.07.00 (01:40):

Sterben ist in unserer Gegenward nicht mehr etwas selbstverständliches und notwendiges, sondern eher ein Mißgeschick oder ein Versagen des Arztes! Wenn jeder akzeptieren würde, das unsere Zeit endlich ist, wäre das alles kein Thema. Schön wäre es, wenn wieder zu Hause gestorben würde im Kreise der Familie oder Freunde. Lobelia


Gerlinde antwortete am 17.08.00 (21:56):

Ich habe solche Angst
zu sterben.

Aber damit
verhindere ich nicht
meinen Tod-

sondern behindere
mein Leben.


Angelika antwortete am 16.09.00 (11:40):

Hallo liebes Seniorentreff-Team,
ich wurde durch eine E-Mail-Partnerin auf Ihre Webaderesse aufmerksam gemacht. Ich möchte mich kurz vorstellen: Ich bin 48 Jahre alt und lebe in Geilenkirchen. Ehrenamtlich bin ich in der Hospizbewegung tätig. Wir schreiben im Jahr vier Hospizbriefe. Vielleicht hat der ein oder andere Lust, mir Beiträge über den Tod zur Verfügung zu stellen.
Meine bisherigen Erfahrungen in der Sterbebegleitung sind bereichernd. Man kann sehr viel für sein eigenes Leben mit nehmen. Aber man muß leider auch feststellen, dass die Menschen den Tod aus ihrem Leben ausklammern und sich bis zuletzt wehren, darüber zu reden. Damit geht die wertvolle Aussprache mit dem Partner, der zurück bleibt, verloren.
Ich wünsche Ihnen noch viel Glück mit interessanten Beiträgen und werde mit regelmäßig an Diskussionen bei Ihnen beteiligen.


Anna Helfenstein antwortete am 21.09.00 (21:44):

hallo gerlinde

weise hast du gesprochen

anna


Mila Macalka antwortete am 01.10.00 (20:06):

Da ich mein Sterben bereits voll erlebt habe, fühle ich mich verpflichtet etwas dazu zu sagen.
Als erstes möchte ich allen zurufen: Keine Angst! Das Sterben ist überhaupt das Aller- Allerschönste, was wir überhaupt erleben können!
Aber das Wichtigste dabei ist: sich zu ergeben! Nicht sich zu wehren, sondern voll bereit sein, dass ich eben sterbe!
Ich spürte, dass ich sterbe und nahm es ganz bewusst an.
Es kam mir vor, dass ich in einen dunklen Schacht hinunter falle, es war aber gar nicht schrecklich, ich war nur gespannt auf das was jetzt kommen wird, es wurde immer heller je tiefer ich sank, ein wundervolle sphärische Musik wurde immer lauter, ich fiel und fiel direkt in das volle Licht hinein und...
begann langsam zu erwachen.
Langsam wurde mir bewusst, dass ich noch nicht gestorben bin, dass ich immer noch im Spitalsbett liege, hörte die vielen Stimmen meiner Ärzte und....
meine Enttäuschung war so grenzenlos, dass ich dies kaum schildern kann!
Es passt absolut nicht zu meinem wirklich positiven Charakter, statt Freude empfand ich nur tiefste Trauer
und Enttäuschung, dass ich nicht gestorben war, weil dieses Sterben so unbeschreiblich schön gewesen ist, wenn dies auch noch so unglaubwürdig klingt!
Wenn ich mich völlig entspanne versuche ich manchmal dieses unbeschreibliche Glücksgefühl wieder zurück zu rufen, was aber nicht annähernd gelingt!
Daher kann ich nur allen zurufen:
Vor dem Sterben muss man sich wirklich
n i c h t fürchten!


Ilse antwortete am 03.10.00 (13:55):

Nein, ich fürchte das Sterben auch nicht, wohl aber das, was ihm vorausgehen könnte: Siechtum, Schmerzen, Hilflosigkeit und den Ärzten ausgeliefert sein. Wie gut, daß wir nicht in die Zukunft sehen können!


Angelika antwortete am 03.10.00 (15:56):

Ja, Ilse, dass stimmt. Die meisten Menschen haben Angst vor Schmerzen und Siechtum und vor Ärzten, die nicht in der Lage sind, den Willen eines Sterbenden zu akzeptieren. Gerade heute hörte ich von einem Fall, den ich Euch mitteilen möchte. Die Familie wollte den Sterbenden zuhause lassen. Der behandelne Arzt sagte aber, wenn sie den Kranken nicht in ein Krankenhaus bringen würden, dann würde er eine weitere Behandlung ablehnen. Diese Familie wußte nicht, dass es möglich ist, einen anderen Arzt mit der Behandlung zu beauftragen. Der Kranke ist dann qualvoll im Krankenhaus verstorben. Und hier setzt die Arbeit der Hospize ein. Aufzuklären in Bezug auf Schmerztherapie und eine menschenwürdige Behandlung bis zum letzten Atmenzug. Wir hier in unserem kleinen Hospiz setzen uns dafür ein und diese Arbeit ist sehr wertvoll. Wir bekommen das wertvollste geschenkt: Das Vertrauen des Sterbenden und seiner Familie. Welche Erfahrungen habt Ihr denn so mit Hospizen machen dürfen?


Elke Susanna antwortete am 04.10.00 (20:51):

Liebe Angelika!

Dein Name scheint nicht umsonst "Engel" zu bedeuten!!!
Habe ein bißchen Hospiz-Erfahrung - der Mann meiner Freundin hatte die Gnade im Jänner dieses Jahres in Hospiz-Behandlung sein Leben zu beschließen.
Er hatte seit 4 1/2 Jahren Kehlkopfkrebs und die Fernsehsendung, in der Uschi Glas das Thema Hospiz erörterte, hat uns auf die Idee gebracht, auch in Wien danach zu suchen.
Im AKH hat man meiner Freundin höflich, aber bestimmt gesagt, daß das Krankenhaus nichts mehr für ihn tun könne und es zwecklos sei, ihn wieder (nach langjähriger Behandlung und vielen Operationen) herzubringen. Er wäre ein Pflegefall und sie müsse sich anders wo umsehen.
Im "göttlichen Heiland", einem sehr bekannten Wiener Spital, sind wir fündig geworden.
Dort ist ein Hospiz mit 12 Betten angeschlossen, welches von geistlichen Schwestern und einem auserlesenen Ärtze-Team betreut wird.
Es wird eine spezielle Schmerztherapie zusammengestellt.
Es ist nicht nur als Sterbebegleitung gedacht, viele Patienten werden auch wieder in häusliche Pflege entlassen.
Die Behandlung und Betreuung erfolgte überaus liebevoll und mit der Geduld, die die "ungeschulten" Familienmitglieder oftmals überfordern.
Da es keine fixen Besuchszeiten gibt, ist es den Angehörigen möglich, jederzeit anwesend zu sein.
Meine Freundin hat leider die Kraft nicht aufgebracht, in der letzten Stunde seines Daseins bei ihm zu sein, um mit ihm gemeinsam seinen letzten Weg zu gehen.
Vielleicht hat sie auch die Bedeutung und Notwendigkeit nicht erkannt.
Ich persönlich bedaure es zutiefst, zu diesem Zeitpunkt von meiner Freundin nicht über seinen damaligen ernsten Zustand informiert worden zu sein.
Ich bin jedoch sicher, daß er bei den geistlichen Schwestern in den besten Händen war!

Ich glaube, man kann gar nicht genug Informationen über dieses Thema haben, vorallem, weil dieses Thema in unserer Gesellschaft "Jung-Schön-Aktiv" nicht gerne (bzw. überhaupt nicht) angesprochen wird.
Aus diesem Grund liegt es an uns allen, sich mit dieser Thematik mit unseren Mitmenschen auseinander zu setzen und die Möglichkeiten publik zu machen und sie zu erörtern.

Mit lieben Grüßen

Elke Susanna


Zsuzsa antwortete am 04.10.00 (20:54):

Liebe Leute!

Nicht vor dem Sterben solltet ihr euch fürchten, sondern vor dem Leben und das täglich.
Da habt's alle Hände voll zu tun.


Angelina antwortete am 04.10.00 (23:15):

Liebe Zsuzsa, warum sollen wir uns vor dem Leben fürchten? Hast Du so schlimmes erlebt? Ich liebe das Leben und seitdem ich in einem ambulanten Hospiz ehrenamtlich mitarbeite, liebe ich das Leben noch mehr. Wenn man klar erkennt, wie sehr sich das ganze Leben am Ende auf das Wichtigste reduziert, dann bleibt nichts anderes übrig, als sein eigenes Leben mehr zu genießen, den Gedankenaustausch mit anderen zu suchen und auf diese Weise Menschen die Angst vor Schmerzen und dem Alleinsein in der letzten Stunde zu nehmen. Ich gebe Elke recht, die sagt, es liegt an uns allen, sich mit dem Tod auseinander zu setzen. Ich glaube nicht, dass sich die Menschen vor dem Tod so sehr fürchten, sondern vor Schmerzen und dass sich die Menschen und sogar die Freunde abwenden, die mit diesem Thema auch nicht umgehen können, da ihnen die Kraft dazu fehlt. Dies ist verständlich. Nur in einer guten Kommunikation können wir alle auch diesen Menschen helfen.
Ich möchte mich auf diesem Wege für die vielen interessanten Berichte bedanken und ich hoffe noch auf eine gute und lehrreiche Diskussion.
Ich grüße Euch alle