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THEMA:   Ethik am Lebensende

 7 Antwort(en).

Geli begann die Diskussion am 15.04.04 (15:08) mit folgendem Beitrag:

"Sterbefall Mensch? Würde bis zuletzt", lautet der Titel eines internationalen Palliative-Care-Symposiums, das vom 15. bis 17. April in Wien stattfindet. Mehrere Vorträge setzen sich mit den ethischen Fragen der Sterbebegleitung und der Sterbehilfe auseinander, darunter auch der hier in Auszügen dokumentierte Kongressbeitrag:
https://science.orf.at/science/koertner/110897

Internet-Tipp: https://science.orf.at/science/koertner/110897


siria antwortete am 21.04.04 (17:18):

Sollte einmal der gesetzliche Teil des Sterbens und der Sterbehilfe klar sein, dass ein Entscheid gefällt würde, ob die Mithilfe zum Suizid oder auch die alleinige Ausführung der Handlung an einem handlungsunfähigen Kranken, straffrei wäre, dann würde doch noch die Frage des Gewissens zu lösen sein für jeden Einzelnen.

Es liegt mir ganz fern, hier Regeln oder Normen aufzustellen oder zu bevorzugen. Aber ich hoffe sehr, dass ich niemals vor diese Situation gestellt werde. Was ich tun würde? Eins ist sicher, selber hätte ich nicht den Mut, das Nötige zu unternehmen. Ich würde Hilfe suchen, vielleicht bei einem Arzt, einem Pfarrer, den ich gut kenne...

Jedenfalls würde ich irgend einen Weg einschlagen, der schon existiert. Niemals würde ich einen Angehörigen "erlösen", auch nicht, wenn ich ihn sehr lieb hätte.
Aber durch die Hilfe-Anforderung wäre das Vorhaben wahrscheinlich bereits gescheitert, denn jeder Mensch, den man ins Vertrauen zieht, könnte einen dann einschüchtern, (wenn das in diesem Fall noch nötig wäre.) Oder er könnte einem, (mir?) mit Klage drohen. Und ich bin nicht einmal sicher, ob ich dann nicht noch froh wäre, nicht handeln zu müssen, nicht zu können, weil mich ja jemand verklagen würde.
Bitte verachtet mich nun nicht, ich habe sowieso nicht viel Mut, aber für so etwas schon gar nicht.
Ich bin nun überhaupt nicht sicher, ob ich überhaupt eine Entscheidung fällen könnte, obwohl mir klar ist, dass es sowieso nicht meine Entscheidung wäre. So verzwickt ist das Thema.

Selber war ich auch schon ein paar Mal in der Lage, mit einem Bein im Grab zu stehen. Ich habe Schmerzen erlitten, die die meisten Menschen sich nicht vorstellen können.
Und ich habe überlebt, habe aber auch nie um den Tod gebeten, weil ich der Ansicht bin, dass man das nicht selber in der Hand hält.
Aber ich verstehe jeden, der unter solchen Umständen einfach nicht mehr kann, nur noch Ruhe will und Schmerzfreiheit, nur noch weg aus der gegenwärtigen, unerträglichen Situation.
Hier kommt dann der Glaube oder das Nichtglauben an ein Leben nach dem Tod ins traurige Spiel. Ich glaube, dass Sterben gut ist, und dass es mir nachher gut geht, aber ich glaube auch, dass ich diesen Zeitpunkt nicht selber bestimmen soll.
Schwierig, sehr schwierige Frage. Ich würde sicher niemanden verurteilen, der so ein Sterben wünscht oder jemanden, der dabei behilflich ist. Aber selber? Ich weiss nicht. Ich weiss es wirklich nicht.


schorsch antwortete am 21.04.04 (21:05):

Ich hätte keine Angst, mit Schmerzen dem Tod entgegen zu gehen. Aber ich hätte Angst, jemandem damit Schmerzen und Sorgen zu bereiten......oder gar zur Last zu fallen.


siria antwortete am 22.04.04 (10:29):

Genau, Schorsch, das fürchte ich auch. Ich habe erlebt, wie mein Mann und zwei halbwüchsige Söhne, 14 und 16, an meinem Bett standen, bis ich den Bericht der Krebsuntersuchung hatte. Hilflos, ziemlich fassungslos.
Das tat mir am meisten weh, nicht einmal meine Krankheit.

Man hört ja oft, wenn jemand gestorben ist: Ich war rund um die Uhr bei ihm, und grad, als ich auf die Toilette musste, ist er gegangen. Ja, das würde ich auch tun.
Selber leiden, und damit andern Leid bereiten, das ist so ziemlich das Schlimmste, was ich kenne.

Aber kann man dem entgehen?


schorsch antwortete am 22.04.04 (10:40):

@ siria: "...Aber kann man dem entgehen?...

Man kann das bedingt - wenn man schon bezeiten sich auf einen geplanten Abgang vorbereitet - und dann noch die Kraft und die Möglichkeit hat, es durchzuziehen.....


siria antwortete am 22.04.04 (10:49):

Ich meine nicht, dem Leiden und Sterben entgehen, sondern, dass man dadurch Leiden bereitet. Dem kann man nur entgehen, wenn man so lange lebt, bis alle, die trauern könnten, gestorben sind, oder wenn man so eine Last geworden ist, dass alle froh sind, wenn es endlich aufhört.

Oder wenn man so gelitten hat, dass einem alle den Frieden gönnen. Aber durch dieses Leiden hat man auch andern wieder Leiden bereitet. Du verstehst wohl, was ich meine. Eigenen Schmerzen kann man nicht entgehen, aber auch nicht, andern Leid zu bereiten, auf diese oder die andere Art. Das ist wohl unser aller Schicksal, die wir Menschen haben, die uns lieben.


Johanna antwortete am 23.04.04 (09:54):

Nein schorsch, man kann das auch nicht bedingt - auch nicht, wenn man sich schon beizeiten auf einen geplanten Abgang vorbereitet.
Es ist wirklich das Schlimmste, wenn man selber leiden muss und dabei zusieht, wie auch der Andere darunter leidet.
Heute bin ich dankbar, daß ich den Mut zur Ehrlichkeit hatte und auch, daß ich mein eigenes Leid nicht verbarg. Dies gibt die Kraft sich gegenseitig Mut zuzusprechen und trösten zu können.
Das Leid in diesem Fall wird es IMMER geben und das ist unser Schicksal als Mensch, wie Siria schon schrieb.


siria antwortete am 23.04.04 (10:21):

Johanna, danke, du nimmst mir die Worte aus dem Mund.
Und was ganz wichtig ist: Man darf nicht dem Andern etwas vormachen, "sein eigenes Leid nicht verbergen", wie du schreibst.
Dann kann man es zusammen tragen und das festigt die Partnerschaft. Dann gehen zwei Menschen mit einander bis zum letzten Tor, dem Ende oder dem Anfang, wie man es halt sieht.
Lange habe ich die tapfere Patientin gespielt, hatte immer einen Spass auf den Lippen und war stolz darauf, wenn niemand merkte, wie mir zu Mute war. Jetzt sehe ich ein, dass das falsch war. Ich irritierte meine Freunde, meine Familie, und ich bewirkte, dass sie glaubten, genau so "tapfer" sein zu müssen wie ich.

Wir spielten monatelang Theater. Alle. Und ich habe den Anfang gemacht. Vielleicht kann jemand etwas lernen aus diesen Beiträgen, denn das ist reine Erfahrung.