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THEMA:   Knast verbessert nich

 12 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 18.02.04 (09:20) mit folgendem Beitrag:

Vons in Knast rumlümmeln wird auch kein Menschen nich edel. Das is die Wahrheit und die nümm ich auf mein Eid!
Ich will damit nich gesagt haben, dass Gefängnisse nich gebraucht werden. Die braucht man schon, um Kriminelle einzusperren. Bloß besser wird dadurch eben fast kein.
Ich weiß das schon darum, weil ich selbst maal eineinhalb Tage abbrummen musste. Das war zwar eigenlich ein Patzer seitens von die Polizei. Aber immerhin, büschen Übung hab ich dadurch gekriegt.
Als sie mir eingelocht haben, da war ich ehrlich gesagt zu besoffen, um noch groß zu durchblicken, was da eigenlich gespielt wurde. Ich musste ja denken, dass sie mir in ein Erholungsheim gesteckt hatten, weil ich doch so bibberig auf die Beine war. Aber dass das was Staatliches war, das hab ich schon daran erkannt, dass alles so dürftig und knauserig eingerichtet war: Nirgends Tapeten, Gitter statt normale Türen, Schlägertypen statt hübsche Krankenschwestern, Holzpritschen statt Polstermöbel, Toilettenstuhl statt Aschenbecher, und nich maal zugeprostet wurde mir zun Empfang. Schlimmer gings kaum noch. Ein an Latz haben sie mir angeboten, als ich eine Flasche Sekt mit Kellnerin auf mein Zimmer bestelln wollte.
Als ich mein Rausch ausgeschlafen hatte, da fieln mir natürlich die Augen aus den Schuppen: „Das is’n Knast, Emil. Wie kommst du denn dahin?“
Später, bei die Vernehmung, hat sich alles aufgeklärt. Wo ich die Leiche von Emil Wachkopp versteckt hatte, wollten sie wissen.
„Dat Geripp vun Emil Wachkopp?”, heff ik seggt, “dat sitt jo in dissen Ogenblick schreeg gegenöver.” Und weil ich mir ausweisen konnte, mussten sie mir laufen lassen. Weil die Leiche nümlich noch lebte, konnte ich sie ja nich abgemurkst haben.

Ich werd bis heut aus den ganzen Tüderkraam nich klug. Vor allem darum nich, weil doch das Mordopfer nich perdu identisch mit den Mörder sein muss. Normalerweise. Na, ik segg mi ümmer: De Schudels mööt jo weten wat se maakt. Se kriegt jo för betahlt.
Jedenfalls haben die eineinhalb Tage hinter Gitter zu keine Verbesserung meinerseits geführt. Gesundheitlich wohl schon büschen. Aber sittlich nich so.


schorsch antwortete am 18.02.04 (18:28):

Oh du armer Emil Wachkopp. Hast du wenigstens gut ausschlafen können?


Felix antwortete am 19.02.04 (00:55):

Wenn die Haftstrafe in allen Fällen sinnlos wäre ... müsste man sie abschaffen und die Todesstrafe wieder einführen.
Ist d a s etwa dein Anliegen?


linus antwortete am 19.02.04 (05:07):

ich meine, dass die Haftstrafe - wie jede Strafe - etwas präventives hat; schwer vorstellbar, dass eine (zu erwartende) Strafe zur (bestrafbaren) Tat ermuntert.

Aber ich halte sie für ungerecht und unmenschlich, bis auf die Fälle, bei denen (in der Tat) ein Straftäter sein Opfer eingesperrt hat.

Ansonsten bin ich für alles zwischen Geld- und Todesstrafe, weil es mehr Gerechtigkeit und damit mehr Menschlichkeit bedeutet.


Gudrun_D antwortete am 19.02.04 (09:08):

Moin,moin,Emil Wachkopp

nu bin ich ganz verdattert-habe ich mich doch über Deine gelungene Knastgeschichte köstlich amüsiert.
War das falsch?
Wolltest du uns gar nicht lachen,sondern ganz ernsthaft diskutieren lassen?

*Jedenfalls haben die eineinhalb Tage hinter Gitter zu keine Verbesserung meinerseits geführt. Gesundheitlich wohl schon büschen. Aber sittlich nich so.*

Nu überleg ich immerzu,warum denn nur keine Verbesserung sittlicher Art bei dir möglich ist........warste vielleicht im falschen "Hotel"?


juergen1 antwortete am 19.02.04 (21:12):

Der Eine geht in den "Knast", weil er die Geldstrafe nicht aufbringen kann.
Der Andere bezahlt es aus der "Portokasse".

Unterschiede werden nicht gemacht - Richter müssten ja dann erst Denken lernen :-(


emilwachkopp antwortete am 20.02.04 (04:30):

Sinnlos ist eine Strafe, wenn sie keinen Zweck hat oder diesen konsequent verfehlt. Ich weiss zu wenig über diesen Kram bescheid und will mich deshalb so kategorisch über die Gefängnisstrafe nicht auslassen. Verbesserung ist auch nur ein Aspekt, der zu berücksichtigen ist.
Die Frage der Abschreckung ist psychologisch. D.h. die Antwort auf die Frage, ob und wen Strafen abschrecken können, muss aus psychologischer Erkenntnis gewonnen werden.
Ich bin persönlich davon überzeugt, dass gewisse Menschen nicht abgeschreckt werden können und dass in Einzelfällen zu erwartende Strafen sogar zu Straftaten ermuntern. D.h. Strafe ist in diesen seltenen Fällen nicht präventiv sondern animierend. Auch wenn es sich hier vielleicht nicht um sicheres Wissen handelt, behaupten einige amerikanische Psychologen, dass in Einzelfällen schwere Straftaten "Selbstvernichtung auf Umwegen" sein können. Ich weiss nicht, ob diese These stimmt, aber ernst nehmen möchte ich sie schon.
Einen praktischen Aspekt möchte ich auch berühren. Man muss sich immer die Frage stellen, ob wir über bessere und zur Verbrechensbekämpfung effektivere alternative Methoden verfügen. Die Frage ist dann besonders wichtig, wenn eine soziale Problematik Bedeutung für kriminelles Verhalten haben kann, weil wir alle Verantwortung für die sozialen Verhältnisse tragen. Wenn es aber gegenwärtig keine besseren Methoden gibt, ist es wahrscheinlich berechtigt, dass wir uns der Methoden bedienen, über die wir verfügen und die sich einigermassen bewährt haben.
Die Todestrafe kann auch begründet sein, aber sie wird wahrscheinlich nur in sehr schlechten und verrohten Gesellschaften gebraucht. Mir sind Gesellschaften zuwider, die ohne Todesstrafe nicht auskommen.


linus antwortete am 20.02.04 (16:34):

Die (angenommenen) Ausnahmefälle, wo Menschen durch eine zu erwartende Strafe zu einer Straftat ermuntert werden, (gedanklich, denn es gibt keinen Beweis) heranzuziehen geht am Ziel vorbei.

Das Ziel (hier) ist über eine Regel zu reden und dafür argumentativ (und nicht gefühlsmäßig) einzutreten. Die (bewährte) gesellschaftliche Regel ist es zu bestrafen. Der originäre (praktische) Zweck liegt in der Vorbeugung, denn Begangenes kann nicht ungeschehen gemacht werden.

Wie bestrafen ? Einem Dieb die Hand abhacken oder einen Dieb ein ganzes Leben lang einsperren ?

Der (psychologisch) beste Weg besteht darin, dem Täter seine Tat durch Miterleben bewußt zu machen; d.h. lerne ihn aus Erfahrung klug zu werden.

Wer bei einem Diebstahl von 50 000,- € am eigenen 'Leib' das Gefühl des Opfers mit(nach)erleben 'darf' erfährt die beste denkbare 'Psychotherapie'; genauso wie ein Töter.

Im letzten Falle schließt man gleichzeitig eine Wiederholung der Tat aus. Ich kann nicht glauben, daß suizidale Naturen im allgemeinen diesen Weg des Selbstmordes wählen.

Es kann keinen Abschließenden Weg geben. Zu sagen, daß es so wie es ist, richtig ist, schließt dieses Forum und rät (indirekt) dazu (mit geöffnetem Mund) den Dingen in der Welt zu zuschauen ..


ricardo antwortete am 20.02.04 (18:25):

Mal Hand aufs Herz:
Wer von euch hat denn praktische Erfahrung ?
Also wenn ihr mich fragt:
Ich bin immer noch der Alte
Ric


emilwachkopp antwortete am 20.02.04 (22:00):

Das ist wahr. Beweise hab ich keine oder wenige. Aber ich weiss auch nicht, ob jemand anders mehr Beweise hat.

Den Verdacht, dass gewisse Menschen indirekten oder direkten Selbstmord begehen, indem sie Mitmenschen schaden, gibt es auch in Bezug auf gewisse Verkehrsunfälle. Dabei machen sich vor allem solche Unfälle verdächtig, wo zwei frontal zusammenkrachen, weil einer in atemberaubender Weise überholt hat.
Zurück zu meiner These im vorigen Beitrag. WENN es stimmt, dass manche in grober Weise straffällig werden, um sich dadurch indirekt zu eliminieren, macht das im besten Fall die Todesstrafe anrüchig. Die Gefängnisstrafe wird dadurch nicht oder weniger berührt.
Stellen wir uns vor, wir würden künftig Vergewaltigungen mit dem Tode bestrafen. (Gefühlsmässig könnten viele das als plausibel empfinden.) Die wahrscheinliche Folge dieser Massnahme wäre aber, dass viele Vergewaltiger ihr Opfer nach begangener Tat als (häufig) einzigen Zeugen aus dem Wege räumen würden. Hier ist das Motiv natürlich genau das umgekehrte: sich vor Strafe zu schützen, aber das Ergebnis wäre katastrophal, weil Strafe ja eine Schutzfunktion haben soll, diese aber hier durch eine Radikalisierung des Strafmasses herabgesetzt würde.
Das war nur als weiteres Beispiel für meine These gedacht, dass gewisse Strafen sehr wohl Verbrechen provozieren können. Das ist, weil manche Menschen die Neigung haben, immer gleich nach der Todesstrafe zu rufen. Und dabei bedenkt man nicht, dass man den Schaden dadurch vielleicht noch grösser macht.

Die Methode, die Du uns beschreibst, nenn ich "Besserung durch Empathiebildung". (Das ist aber nur, weil alles einen Name haben soll.) Die Idee ist dem alten Christentum verwandt. Nur ist in Deiner Methode nicht die Reue zentral, sondern eine Art von Einsicht durch emotionales Nacherleben oder Sich-Hineinversetzen. Wenn sie funktioniert, bin ich unbedingt für die Methode, weil sie auch sehr menschlich ist.
Es wird Menschen geben, die nicht einmal über ein Mindestmass an Empathie verfügen. Für die wird diese Methode nicht in Frage kommen. Aber vielleicht kann man sich kognitive oder verhaltensmodifizierende Surrogate vorstellen, die Gefühlslosigkeit mit praktischem Wissen kompensieren können. Keine Ahnung! Jedenfalls würde man in irgendeiner Weise zu lernen haben, warum oder dass man dies und das nicht machen darf.
Ricardo fragt, ob wir eigene Erfahrungen haben. Die haben wir natürlich. Ich erfahre jeden Tag meine eigene Unverbesserlichkeit und dass Hunde leichtere Patienten sind als Menschen.


BarbaraH antwortete am 20.02.04 (22:56):

>>Wer bei einem Diebstahl von 50 000,- € am eigenen 'Leib' das Gefühl des Opfers mit(nach)erleben 'darf' erfährt die beste denkbare 'Psychotherapie'; genauso wie ein Töter.<<

Wenn ein "Töter" seine Tat am eigenen Leib erfahren soll, wird er wohl kaum noch in den Genuss der Empathiebildung kommen.

Aber man kann eben nicht alles haben.... ;-)


emilwachkopp antwortete am 21.02.04 (18:49):

Die Formulierung "am eigenen Leibe erfahren" ist in jedem Fall unklar. Auch wenn ich eine Summe Geld gemoppst habe, wird man mir nicht dieselbe Summe stehlen können, ohne damit ein weiteres Verbrechen zu begehen. Darüber hinaus riecht die Formulierung viel zu sehr nach Rache und das wäre ein ganz anderes Thema.
Rache und Empathiebildung schliessen einander wahrscheinlich aus.

BarbaraH hat recht. "Wenn ein 'Töter' seine Tat am eigenen Leib erfahren soll", muss man ihn zum Selbsttöter erziehen. Vielleicht könnte dann der Dressurakt, d.h. der pädagogische Weg zur Vollstreckung ein wenig psychologischen Wirbel erzeugen. Nach der Tat kommt jede Einsicht zu spät.


linus antwortete am 23.02.04 (15:37):

Eure Einwände sind berechtigt; was ich meinte war, daß es sicher unangenehm ist diese 50 000,- € bar bzw. in Raten (als Strafe) ableisten zu müssen... Ebenso dürfte die Zeit vor der Hinrichtung sehr tiefe Gefühle von Angst und Verzweiflung, wie sie das Opfer auch erleben durfte, hervorrufen (ohne das hierdurch die Prävention bewirkt wird !). In beiden Fällen finden wir des psychologischen und den präventiven Aspekt zumindestens vor.

Ich sehe, dass niemand bestritten hat, dass man (darüber reden soll wie ...) Straftaten vorgebeugt werden soll.

Jemand, der vor der Entscheidung steht, eine Straftat zu begehen, wird dies mit der Vorstellung der zu erwartenden Strafe in Abwägung mit dem Nutzen, mehr oder weniger bewußt, tun (denke ich mir ...). Wie eine zu erwartende Geldstrafe die Entscheidung für Diebstahl in Relation zu einer Haftstrafe beeinflussen, weis ich (mangels Erfahrung ...) nicht... (befragen wir also Straftäter dazu und lassen sie berichten ...). Ebensowenig weis ich nicht, wie eine zu erwartende Haftstrafe im Vergleich zu einer Todesstrafe auf das der Entscheidung ausgesetzte 'Gemüt' (Bewußtsein, Geist, Denken usw.) wirken; eine Ausnahme bildet die Todesstrafe, unter der Zielsetzung eine Wiederholungstat auszuschließen; ein nach meiner (privaten) Logik sehr starkes Argument (s.o.).

Damit bleibt (für mich) die Frage nach der richtigen Prävention unentscheidbar; d.h. die Antwort lässt sich wegen unzureichend gesicherter Erfahrung (...)
nicht (sicher) geben.

So sind wir bei der zweiten Frage, was nach der Tat zu tun ist (wäre): Gerechtigkeit zu üben, wenn nun einmal die Tat geschehen ist. Mein 'Vorschlag' war, die Strafe der Tat adäquat zu gestalten, weil - siehe auch die (von mir geteilte) Prämisse - Haftstrafen nicht bessern. Danach würden sie, bis auf die wenigen Fälle von Entführung u.drgl., völlig entfallen (Vergewaltiger z.B. würden selbst von Homosexuellen vergewaltigt; wenn das nicht ermuntert ...).

Dagegen empfinde ich das 'Geruchsargument' eher schwach ...; Rache ist ein Gefühl oder Affekt; das würde ich Richtern, wegen mangelnder Betroffenheit (ähnlich wie bei Ärzten) i.d.R. nicht unterstellen (ich meine das man sich Ausnahmen natürlich immer vorstellen kann) .