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THEMA:   Studenten, Ehre und das Duell

 7 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 20.09.03 (22:46) mit folgendem Beitrag:

Das war, ich weiss das noch. In‘t Johr 1811 mutt dat west sien. In Leipzig. Da haben sich, meist auf Saufgelage, die Thuringia Studenten mit ihre adeligen Kommilitonen oft das Haun gekriggt. „Thuringia“, das war eine was sie damals „Landsmannschaft“ nannten. Heute würde man das wull „Studentenverein“ oder sowas nennen. In solche hatten sich die Studenten damals schon organisiert, um ihr sublimiertes Auftreten ins öffentliche Leben durch nächtelange Besäufnisse und „Romanzen“ auszugleichen. Bei solche Gelegenheiten hat man sich denn immer leicht mal das Haun gekriggt. Und das weiss ja jeder, der mal Student gewesen is: Entweder Du gibst für einen Besoffenen leicht mal ein Grund für eine Hauerei ab oder das Verhalten von die andern ist Dir in‘n Suff leicht mal Grund für eine Hauerei. Wenn beide besopen sünd, vermehren sich die Entzündungsmöglichkeiten für alle Beteiligten mit jedes Glas in Kubik.
(Unter die, die nie studiert haben, ist das natürlich auch so, aber die sind meist nich gebildet genug, um das richtig zu erkennen.)
Warum die sich aber graad 1811 so oft in die Wolle gekriggt haben, und denn graade Adelige und Bürger; das weiss ich nicht. Vielleicht hatte das was mit Napoleon zu tun; wer für und wer gegen ihn war.
Das war aber alles noch graad vor meine Zeit.
Ich erzähl das ja auch blos, weil mir die Geschichte büschen an meine eigne Jugend an erinnern tut. Ich war nümlich auch paar Jahre Mitglied in so eine Landsmannschaft. Aber nich weil ich Student war. (Das ging damals mit Hilfsschulabschluss noch nich.) Sondern weil ich Adelsmann war und weil ich flüssiges Französisch sprechen konnte. Deswegen is das nich so aufgefallen. An die französische Sprache konnst mir jedenfalls nicht von ein französischen Student unterscheiden. Höchstens an‘n Inhalt.

Meine Ur-Urenkel fragen mir heute manchmal noch: „Is dat wohr, Ur-Urgrootvadder Emil, dat du maal Adelsmann west büst?“
„Do kannst Gift op nehmen.“
„Hest di denn ook duelleert?“
Was soll man auf sowas antworten? Ich kann doch nich beigehn und sagen, ich hab von nichs was gewusst. Immer das sagen, was man für die Wahrheit hält. Sag was Du für wahr hälst und bereu, wenn‘s was zu bereuen gibt. Das is jedenfalls meine Lebensvielosuffie.
Meist nich. Wenn was loos war, denn heff ik mi immer ehrer verkrümelt. Auch wenn ich selber büschen mit der Grund für die Hauerrei war. Duelle sind genug vorgekommen. Aber ich bin denn immer büschen abseits, dass ich nichs abkriegen, aber alles noch gut mitkriegen konnte. Wenn ich die Zeit hatte, hab ich mir sogar die Flasche noch mitgenommen.
Aber einmal. Das muss ich wull zugeben. Aber das war auch wiederum, ich konnt gar nich anders. Die wussten wer ich war und mein Wohnsitz kannten die auch. Wenn ich nich zu das Duell hingegangen wär, denn hätten sie mir von zuhaus weggeholt. Auf ein Mistwagen, voll mit Kuhmist und ich mit Narrenkappe op,n Kopp. Und ein Schild um den Hals: „Ich, Emil Wachkopp, bin eine Memme.“
Das hätt mir wull alles nich so gekratzt, wenn sie blos geschrieben hätten „ich bin eine Memme“ oder meintwegen auch „ich, Emil, bin eine Memme.“ „Ich“ is jeder und Emils gibts viele. Aber bei „Wachkopp“ explodierte die Bombe. Bei meine Sippschaft ehrer. Der Name is doch Familienbesitz. Da konnt ich nich mit umspringen wie mi dat in den Kraam passte. Dieser Name musste immer schön unbesudelt bleiben. Äusserlich gesehen.
Ich musste deshalb für die Ehre von meine damals schon reichlich verluderte Sippschaft antreten. Ob ich das nu wollt oder nich. Eerst hab ich mir noch übelegt, ob man vielleicht ein andern schicken könnt. Mein Vater zun Beispiel. Aber die kannten mir doch so genau vons Aussehen her. Der Schmuh wär rausgekommen.


emilwachkopp antwortete am 20.09.03 (22:59):

Das war alles wegen eine Frau. Eine Verwexelung. Ihre Verwexelung ehrer noch als wie meine. Ich weiss das nümlich deshalb noch hundertprozentig genau, weil ich gedacht hab: „Wo will denn die Fremde da hingehen?“, hab ich nümlich noch gedacht, weil mir das doch alles schon büschen spanisch vorkam.
Jedenfalls war das auch wieder auf so ein Besäufnis in die Landsmannschaft. Die haben die ganze Nacht die Klinge gekreuzt, und mir wurde das zu langweilig, weil das ja doch immer blos hin und her ging. Darum hatte ich mir schon zur Ruhe gebettet und hab mir gedacht: „Schöölt de sik klabatschen. Wenn Emil mööd is, denn geiht he to Bett.“
Aber denn muss ihr Verlobter sie doch auf die Schliche gekommen sein. Und dadurch denn indirekt auch mir. Ehrer deduktiv.
Heute regeln die meisten sowas ganz anders als wie wir damals. Die haun die Frau einfach zu Mus. Aber so rubbig ging das doch in meine Kreise gar nich zu. Heut noch nich. Auch heut heisst das bei uns immer noch, dass Du an eine Frau nich Deine Wut an auslassen darfst. Nich mal an andre ihre. (Bei uns in den Adel hatte die Frau von Haus aus viel das Mitbestimmen. Da hast mein Wort op.)
Heute is das jedenfalls alles gar nich mehr so ritterlich wie damals noch in meine Kreise: Klatsch, hatte ich‘n Handschuh an‘n Kürbis! So ging das damals bei uns zu. Seine Verlobte hat er nichs angetan. Aber sie musste als Beweismaterial dableiben.

Ich bin denn erstmal ganz geknickt nach Haus und denn gingen die Verhandlungen durch Boten hin und her. Zuerst sollte ich die Waffen wählen. Ich hab mir denn, nach reifliches Überlegen, für die Pistole entschieden und mein Gegner sollte einen Degen bekommen. Aber denn hiess das plötzlich, das muss für beide dieselbe Waffengattung sein. Ich hab denn noch mal nachfragen lassen, ob das genau dieselbe Waffengattung sein muss oder blos verwandt. „Genau dieselbe“ hiess das denn. Ich hab denn gesagt „Pistole“, weil ein Degen doch immer büschen klobig is und zu viel Platz einnimmt.
Und denn war das Datum fällig. Ich hab Totensonntag gewählt, weil mir büschen an eine würdige Einrahmung gelegen war.
Und zun Schluss denn auch noch wo. Auf die Bühne in die Aula von die Dorfschule, hab ich gewählt. Das Leben is so un so blos ein Schauspiel, dorüm kannst de letzte grote Reis ook gliek op de Schauspeelbühn antreden. Denn büst gliek richtig.


emilwachkopp antwortete am 20.09.03 (23:02):

Denn waren die letzten Vorbereitungen an die Reihe. Ich hab mir zur Sicherheit noch katoolsch umtaufen lassen, hab Vater und Mutter umarmt, mein Kaninchen nochmal ordentlich gefüttert, und denn hat das ganze Dorf mir die Hand gedrückt und die Schultern beklopft. „Bis bald, Emil“, hat jeder gesagt, und trotzdem waren sie alle bleicher als wie der Tod.

Auf den Weg meiner letzten Reise komm ich denn an meine alte Kneipe vorbei. „Ach wat“, heff ik mi dacht, „de Dood kann geern‘n beten töven. Ik drink eerst noch een.“
Und weil ich doch nich gedacht hab, dass ich noch mal was kriegen würd, bin ich wull etwas überladen auf meine letzte Reise gegangen. Jedenfalls hab ich mir in mein Dusel mit die Eingangstür zur Aula verfranzt. Ich muss hinter die Bühne gelandet sein, anstatt vor die Bühne, wo ich hinsollte. Ich hab das also graad verkehrt rum gemacht. Jedenfalls komm ich denn, weil doch hinter die Bühne kein Licht war, über ein ganzen Berg von Musikinstrumente zu stolpern. Den Krach, der dadurch entstanden is, den kann sich nur einer vorstellen, der damals die Bombenangriffe auf Hamburg in zweiten Weltkrieg miterlebt, oder wer mal Stockhausens kakophonische Orgien über sich ergehn lassen hat. Ich hätt jedenfalls leicht taub von werden könn. Und ich war nich versichert!
Aber mein Gegner, den hat das wull doch noch büschen schlimmer erwischt. Der hat sich nümlich dabei selber erschossen.
Das hiess, er soll noch mal, zur Probe, in‘n Lauf gekuckt haben. Und das rein zufällig graad wo ich meine unfreiwillige kakophonische Bruchlandung mach. Das war ein Reflex!
Aber das durfte doch nich rauskommen: Junker Freiherr von und zu So-Und-So erschiesst sich vor Schreck selber, weil der döösbattelige Wachkopp aus den Süden Schlewig Holsteins in sein Dusel über ein paar Musikinstrumente zu stolpern gekommen is. Stell Di vor, das wär ins Ausland bekannt geworden.
Deswegen musste das denn, schon aus diplomatische Gründe, als Staatsgeheimnis bewahrt werden. Das musste alles vertuscht und so hingedreht werden, als wie wenn ich das Duell auf wenigstens büschen mehr konventionelle Art gewonnen hätte. Sie haben denn erst unsere Pistolen vertauscht. Und denn haben sie mit die Pistole, die eigenlich meine war, zehn bis zwölf Mal dahin gefeuert, wo ich eigenlich hätte stehn sollen. Und denn musste ich mit meine Pistole, die eigenlich seine hätte sein sollen, immer in die entgegengesetzte Richtung gegenan feuern. Und denn nach jeden Schuss dichter an die Mitte ran, bis unsere Nasenspitzen einander berührten. Und denn haben sie den Gegner sein Monokel geklaut und versteckt, und ich musste beim Kopf meiner Mutter schwören, kurzsichtig zu sein. Dat weer een Theater, do kunnst ganz biesterig vun warden.
Aber denn is das Pistolenduell wull ehrer was für Kurzsichtige gewesen. Denn wörd ich jedenfalls verstehen, wieso man erst so dicht aneinander ran sein muss, ehr man den andern treffen kann. Aber denn versteh ich auf die andre Seite wiederum nich, warum man denn nich, statt Pistole, gleich Rasierklinge wählt. Hautnaher ging‘s nümlich nich.


Medea. antwortete am 21.09.03 (09:02):

Oh, mien leeve Emil, Adelsmann un watt du sonst noch voor een büst - nich bloot de Lüür von dienen S-tand kriecht Haue ... Ek hebb eenstmals ook toslagen, door wöör so een Wiebsbild un dat mookt mien Eberhard so glubsche Oogen un tätschelt emm sien Knie. Dat wöör bien Schützenfest un datt Frunslüür nich ut unsern Dörp. Un ek beseeh mi datt eene lütte Weile un denn packt mi de Zorn un ek schups ehr vonnt Barhocker un wech vont Knie von mien Eberhard - un de guckt ganz mall. Denn dat Frunszimmer sitzt nu op de Deelen un
bölkt un ek dreh mi ümm un denn ruut ut de Döör.

Abers de annern Mannslüür seggt to mien Eberhard: watt hest du voor eene Huusfru - Hoot ap voor ehr, de hett jo den Düübel int Liev un de läßt sich nix gefalln.
Un mien Eberhard, de scholl ganz verschamig gegrinst habn.
Un mi hahr he een Blumenbukee nach Huus mitbracht un een Kuß hebb ek kreegen - denn wenn eene Fru immers noch eifersüchtig is, denn mutt se ehr Mannsbild ook noch leevhaben.


Gudrun_D antwortete am 21.09.03 (09:43):

Woll,woll Medea!!!!

ick mut laachen


Medea. antwortete am 21.09.03 (10:25):

Moin, moin, mien leeve Gudrun:

das war ein "Duell" unter Frauen ....,
die schießen sich nur im Notfall tot. :-))


emilwachkopp antwortete am 22.09.03 (03:26):

In meine Familie waren die meisten Fraun friedlich. Meine Halbschwester, was die Ingrid war, die nich so.
Zu Haus bei uns hatte Mutter das Sagen. Aber nich aus Leidenschaft oder Machtbegierde, sünner weil sie mehr in'n Kopp hatte als Vater.
Das hatte sich wull so vererbt. Meine Grossmutter, was die Anna war, hatte auch mehr in'n Kopp als wie ihr Mann.
Ich bin wull die erste bemerkenswerte Ausnahme in unser Stammbaum. Eine Implosion..., nee, so heisst das doch nich. Ein unerklärlicher Entwicklungssprung, mein ich.

Öffentlich gesehen hatten die Frauen NICHT dieselben Rechte wie die Männer. Auch in'n Adel nich. Aber in Haushalt, der immer sehr gross war, da mussten sie genau dieselben Fähigkeiten haben, als wie der Mann. Sogar Krieg führen mussten sie können. Nich auf unser lütten Hof natürlich, aber generell gesehen. Von die Hauswirtschaft mussten sie genauso viel verstehen wie die Männer. Von die Politik ebenfalls, obwohl sie da nich öffentlich an teilgenommen haben.
Liebhaber durften sie haben, genau wie der Mann. Blos umgedreht.
Musikalisch gesehen waren sie oft hervorragend. Clara Schumann denk ich graad an. Die hat sogar komponiert, obwohl die ehrer Bürgerin war. Gleichzeitig mit den alten Brahms ungefähr mutt dat west sien. Aber das war noch die alte Tradition.
Alle Künste sollten die Frauen eigenlich beherrschen, und das haben sie meist auch. Dichten und Poesie schreiben konnten sehr viele. Sie mussten ja auch immer intelligente Gespräche führen können, und dazu brauchten sie Bildung.

In das öffentliche Leben waren die Frauen im Adel auch diskriminiert, sagt man heute. Genau wie heute, auch wenn das allmählich besser wird. Aber unterschätz niemals die Frauen im Adel. Denn tust Du sie und die Geschichte unrecht.
Hast Dir gut gekloppt, sag ich mal.
Herzliche Grüsse, Emil.


Gudrun_D antwortete am 22.09.03 (07:23):

O,O,min lewen Emil Wachkopp

muscha Dich man gor nich an dat "min" stören,nech! Ick meen dat nich so ganz nah! Awwer nach einer ganz schlechten "dolorosa"-Nacht(gibt woll anneres Wetter)
haben mich Deine Überlegungen wieder lebendig gemacht-so mit lachen,meen ick!Denn man schöin Tach ooch,neech!

Gudrun