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THEMA:   Willensfreiheit

 32 Antwort(en).

Hermann Penker begann die Diskussion am 17.07.02 (13:32) mit folgendem Beitrag:

Dieser Begriff wurde in der letzen Zeit bei verschiedenen Themen mehrmals aufgegriffen, Karl verwies darauf, dass dieses Thema bereits diskutiert worden ist. Meine Suche lieferte Beiträge über Willensfreiheit im Archiv, nur kann man meines Wissens dort nicht darüber weiter diskutieren. Ich hoffe, dass Felix nichts dagegen hat, dass ich seine Beiträge, die er an anderer Stelle öffentlich an mich gerichtet hat, und auch meine Antwort dazu, hierher kopiere, nur damit wir hier die Diskussion fortsetzen können und nicht mehr unter einem anderen Thema als Paralleldiskussion.
MfG Hermann Penker


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (13:36):

erste Kopie, erstellt v. H. P.
Felix Schweizer antwortete am 16.07.02 (00:04):

@Hermann ... ich versuchs nochmals ... ganz ruhig.

Es gibt auch beim sozialen Verhalten meist einen Auslöser eine Motivation, die dieses Verhalten auslöst. Mit unserem vereinfachten Bewertungsschema könnte man annehmen, dass es egoistische und altruistische Motivationen gibt. Bei genauerer Betrachtung gibt es eigentlich nur egoistische Motivationen, die sich aber auch durchaus zozial auswirken können.
Eine Mutter, die verzweifelt versucht ihr Kind aus einem brennenden Haus zu retten .. und dabei ihr eigenes Leben riskiert ... handelt aus einem äusserst starken Antrieb heraus ... der Beschützerinstinkt überwältigt den Überlebenstrieb ... trotzdem ist es die Befriedigung eines eigenen also egoistischen Antriebes ... in diesem Fall eines sozialen.... Ist das unverständlich? Der Trugschluss liegt bei der "moralischen" Bewertung... egoistisch schlecht ... altruistisch gut! Man könnte auch von einem sozial sich positiv auswirkenden Verhalten sprechen.
Bei sozialen Lebewesen, die unter sich eine meist nicht lineare Rangordnung ausmachen, spielen eben nicht nur Machtdemonstrationen wie Imponiergehabe, Drohverhalten und Angriff eine entscheidende Rolle, sondern auch ruhiges selbstsicheres Aufreten, Toleranz oder Grossmütigkeit gegenüber rangniederen Mitgliedern.
Menschen, die einen Fehler zugeben können und sich entschuldigen zeigen genau diese überlegene Verhalten .. und geniessen in der Regel mehr Achtung als die Angstbeisser.
Sogar Menschen, die sich für eine Idee oder ihren Glauben aufopfern, befriedigen einen egoistischen Antrieb. Sie opfern sich auf ... mit der Befriedigung .. eine gute Tat zu vollbringen ... oder die Menschheit zu erlösen!
Die Religionen sind erfüllt von solchen Märtyrergeschichten.

Das wäre ein eigenes Thema wert!


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (13:37):

Hermann Penker antwortete am 16.07.02 (12:21):

Lieber Felix!
Ich danke Dir für Dein Bemühen, mir Teilaspekte aus Deinem sicher sehr großen Wissen über das Verhalten von Lebewesen nahe zu bringen. Deine Aussagen sind auch für mich nachvollziehbar, wenn ich sie auf Grund meiner persönlichen Lebenserfahrung für mich auch nicht als alleinige Ursache menschlicher Verhaltensweisen ansehen kann. Nimm das bitte nicht als Kritik. Mein Denken wird durch meine Lebenserfahrung, durch meine Weltanschauung und durch die mir zugänglichen Informationen bestimmt. Für mich gibt es auch eine durch den Verstand diktierte Werthaltung, die bei konsequentem Verhalten mindestens zum Versuch anregt, nach der akzeptierten Wertskala zu leben. Dass diese Versuche dann sehr oft eher kläglich ausfallen ist wahrscheinlich häufig auf den Einfluss des Unterbewusstseins zurück zu führen. Und hier kommen die von Dir genannten Aspekte zum Tragen: Triebsteuerung, vielleicht auch Angst vor Machtverlust bzw. Verlust des Platzes in der Rangordnung und all die Dinge, die Du viel besser aufzählen kannst. Nochmals, dies ist nicht der Versuch, Dich zu korrigieren, dies ist meine persönliche Sicht.
Ich habe noch zwei Frage an Dich: Wenn heute so oft der freie Wille des Menschen in Zweifel gezogen wird, müssten wir dann nicht alle Gefängnisse zusperren? Ist es nicht doch so, dass wir zwar Zwängen unterworfen sind, dass wir aber ausreichend Entscheidungsspielraum haben?
MfG Hermann


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (13:40):

2. Kopie, erstellt von H. P.
Felix Schweizer antwortete am 16.07.02 (23:59):

Hallo Hermann

Die Fragen, die du stellst, sind sehr zentral ... lassen sich aber nicht so leicht beantworten.

Ist ein Rechtsbrecher verantwortlich für seine Tat? War er im Zeitpunkt der Tat juristisch gesprochen "zurechnungsfähig" .. also auch belangbar und strafbar? Ich bin selber kein Jurist, habe aber erfahren, dass es äusserst schwierig ist ... diese Frage von Fall zu Fall zu klären. Auch die Frage nach dem Entscheidungsfreiraum, was wiederum mit dem alten phlilosophischen Problem der Willensfreiheit zu tun hat, liefert Stoff für ein neues spezifisch philosophisches Forum.
Ich möchte vorerst nur soviel dazu sagen, dass der Mensch, der sich meist unreflektiert als freientscheidendes Subjekt wähnt ... sehr ernüchtert würde, wenn er einsehen müsste, wie schmal und zufällig sein wirklicher Entscheidungsfreiraum in Wirklichkeit ist. Neben systemimmanenten (angeborenen und erworbenen) Entscheidungsstrukturen kommen noch alle sozialen Präferenzen, Erwartungen, Gewohnheiten, kulturbedingten Verhaltensvorschriften etc. dazu. .
Nehmen wir ein Beispiel...... Weshalb habe ich vor einem Jahrzehnt mit dem Rauchen aufgehört? Aus freiem Entscheid? Aus zwingenden Gesundheitsgründen? Weil meine nächste soziale Umgebung dies von mir erwartete? Weil mir das Rauchen keine Befriedigung mehr verschaffte? Weil mich die Abhängigkeit vom Nikotin ständig demütigte? Weil es gerade Mode .. und ein gesellschaftlicher Trend war? Weil ich in einer übermütigen Wettlaune behauptete, diesen starken Willen zu haben! Weil ich als Lehrer oder Vater ein gutes Vorbild sein wollte? Weil mir der Spass allmählich zu teuer wurde .. und ich das ersparte Geld besser verwenden wollte .... etc.etc. Ich könnte mit Motivationen und Beweggründen beliebig fortfahren ... frei und unabhängig war dieser Entscheid sicherlich nicht ... obwohl ich ihn subjektiv als das empfand!
Ich lasse es vorderhand bei dem bewenden!


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (13:42):

Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (12:02):

Lieber Felix!
An Stelle einer Antwort komme ich jetzt mit einer Bitte. Karl hat schon mehrmals darauf verwiesen, dass er Paralleldiskussionen innerhalb eines Themas für falsch hält, und mancher Beitrag von Mitdiskutierenden drückte den Unwillen darüber aus. Karl hat es verdient, dass man seine Ratschläge befolgt, schließlich hat er Arbeit genug mit uns, und dies außerhalb seiner Berufsarbeit, also in seiner Freizeit, die er ja auch wie die meisten für sich und die eigene Familie verwenden könnte.
Stellst Du mit Deinem umfangreichen Wissen auf diesem Gebiet das Thema "Freier Wille" nochmals zur Diskussion, im Archiv können wir ja wohl nicht weiterdiskutieren? Meine Suche mit dem Suchbegriff freier Wille brachte mir Beiträge aus dem Archiv. Oder gibt es eine andere Lösung, wenn man das Thema diskutieren möchte, gleichzeitig aber vermeiden möchte, Karl und anderen auf den Wecker zu gehen? Ich möchte Dir dann an der richtigen Stelle meine Sicht der Dinge vorstellen.
MfG Hermann

Felix antwortete am 17.07.02 (12:25):

Hallo Hermann...

natürlich hast du vollkommen recht ... von mir ist es vermutlich Bequemlichkeit .. einen Beitrag an einen andern ... der mich anspricht .. einfach anzuhängen.
Aber weshalb ich? ... Ich habe in letzter Zeit schon einige Themen angerissen ... Bitte nach dir ... du kannst mit mir rechnen!


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (13:46):

Ich hoffe, dass andere Diskussionsteilnehmer, die an anderer Stelle sich in einer Antwort auf die Willensfreiheit bezogen, vielleicht ihren Beitrag auch übertragen. Vielleicht irre ich mich, aber ich glaube,u. a. auch Schorsch nahm einmal Bezug auf dieses Thema.
MfG Hermann


Felix Schweizer antwortete am 17.07.02 (15:04):

@ Hermann ... vielen Dank für deine Bemühungen, dieses schwierige aber höchst bedeutende Problem nochmals sauber aufzurollen. Zu diesem Problemkreis gehört auch alles, was über Freiheit oder von mir über den Freiheitsgrad gesagt wurde. Vielleicht durchstöbert man auch einmal das Archiv nach diesen Stichworten!
z.B. Allg.Themen:"Was ist Freiheit?" Unter Naturwissenschaften hat es diverse erkenntnistheoretische Beiträge z.B. in "Ich weiss, dass ich nichts weiss".


Roswitha antwortete am 17.07.02 (15:53):

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten??


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (16:31):

Wenn ich sage, der "geistig gesunde Mensch" besitzt einen freien Willen, dann erkläre ich ihn für seine Taten voll verantwortlich, weil er sie ja aus freiem Willen setzt. Wenn ich ihm den freien Willen abspreche, werde ich oft auch akzeptieren müssen, dass er für seine Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, weil er aus einem unüberwindlichen Zwang heraus gehandelt hat.
MfG Hermann


Hermann Penker antwortete am 17.07.02 (16:59):

Lieber Felix!

Du zählst eine Reihe von wichtigen Faktoren auf, die die Willensbildung in verschiedenem Ausmaß beeinflussen können. Das gewählte Beispiel gefällt mir besonders gut, weil ich vor mehr als 2 Jahrzehnten diesen Schritt ebenfalls setzte und daher aus Erfahrung weiß, was in der Abgewöhnungsphase im Betroffenen vorgehen kann.
Ich möchte Dir erzählen, wie es mir ging: Ich stand an der Busstation und wartete auf den Bus. Aus Langeweile studierte ich die Auslage eines Zeitungsstandes und sah ein Monatsheft von Readers Digest, Schlagzeile Rauschgift. Kauf, Lesen, ins Kaffee gehen und den Text verschlingen war die Folge.
Mir wurde aus den Symptombeschreibungen klar, ich bin süchtig, zwar nicht nach Hasch oder Opium etc., aber die Sucht trieb mich oft bei einem Sommeraufenthalt in den Alpen 500 Höhenmeter tiefer, um Zigaretten zu besorgen, und dann wieder zurück, auch bei Regen und Schneefall. Diese Erkenntnis war für mich so niederschmetternd, dass ich beschloss aufzuhören. Ich hatte schon mehrere Versuche hinter mir, daher wechselte ich jetzt die Taktik: Ich fasste nicht den Vorsatz, für immer auf zu hören, sondern zuerst nur für eine Woche, und die Frist erstreckte ich immer weiter. Dies sparte Kraft. Meine Frau durfte den halbvollen Aschenbecher mit einer nur halbgerauchten Zigarette lange nicht ausleeren, und eine fast volle Zigarettenpackung blieb griffbereit neben dem Aschenbecher liegen. Ich hatte das Bewusstsein, jederzeit rauchen zu können, wenn ich wollte. Die netten Kollegen, denen das Aufhören x-mal misslang, setzten lange ihre Versuche fort, mich wieder zum Rauchen zu bringen. Allein mit den in dieser Zeit geschenkten Zigarettenstangen oder beim Kaffee angebotenen hätte ich mich fast zu Tode rauchen können. Ich habe aber Stand gehalten. Ich glaube schon, dass ich das meinem Willen verdanke.
MfG Hermann


Felix Schweizer antwortete am 17.07.02 (18:33):

@ schön Hermann ... bei mir war die Motivation ähnlich ... der Weg aber sehr kurz entschlossen und radikal ... allerdings mit Nikotinpflaster, welche die Abstinenzsymptome erträglicher machten.
Frei war mein Wille bei genauerem Hinsehen natürlich keinesfalls! Aber stark genug um durchzuhalten!

Lies doch(noch)einmal die Arbeit unseres lieben Karl.... er hat sie schon einmal angeboten!

https://www.zum.de/ki/Willensfreiheit.htm

(Internet-Tipp: https://www.zum.de/ki/Willensfreiheit.htm)


kleinella antwortete am 17.07.02 (23:01):

Meine Güte, ist das hochtrabend. Ich würde mich freuen, wenn es hier mit normalen Worten um ganz normale Probleme ginge. Ich wage oft gar nicht, meine Meinung zu äußern weil ich direkt Komplexe bekomme.


Felix antwortete am 17.07.02 (23:17):

@kleinella & Roswitha .. kein Problem ... es gibt genügend andere Themen!


schorsch antwortete am 18.07.02 (10:36):

Ich habe das Thema Rauchen anders angegangen: Ich kaufte einfach keine! Mit dem eingesparten Geld habe ich einen grossen Teil meines Hauses abbezahlt.
Eine Frage: Was glaubt ihr, was ein pro Tag nicht gerauchtes Packet Zigaretten, in 40 Jahren einbringt? Antwort: Wenn man, statt ein Packet täglich zu rauchen, das Geld dafür gewissenhaft jeden Monat zur Bank trägt, es dort mit Zins und Zinseszins 40 Jahre arbeiten lässt, kann man dafür ein bescheidenes Häuschen kaufen!
Kein Aufschrei bitte - nachrechnen!


E-l-e-n-a antwortete am 18.07.02 (11:01):

@ schorsch

das hat ein Bekannter ebenfalls so gehandhabt. Er hat sich schon mit 40 Jahren von dem Ersparten eine Wohnung im Süden gekauft, aber wer ist schon so konsequent?

Häufig frage ich "konvertierte" Nichtraucher, was habt ihr mit dem Eingesparten gemacht? Dann ernte ich meistens nur ein müdes Lächeln,- das Geld ist so und so weg, wird dann geantwortet. Rechnerisch hast du sicher recht.

Eine - leider - noch immer Raucherin.


Irene antwortete am 18.07.02 (12:02):

Hallo Elena,
darfst Du denn bei dem Bekannten rauchen?


Jane antwortete am 18.07.02 (12:07):

Mein Arzt: Sie müssen unbedingt aufhören mit dem Rauchen!
Ich: Das kann ich nicht.
Mein Arzt: Wieviele rauchen Sie denn jetzt?
Ich: achtzehn.
Mein Arzt: Dann rauchen Sie jetzt erst mal nur zwölf.
Ich dachte: Dem werde ich es zeigen!

Ab dem übernächsten Tag (Dezember 1998) habe ich gar nicht mehr geraucht.


E-l-e-n-a antwortete am 18.07.02 (13:51):

@ Irene

ja, bei diesen Bekannten schon, aber ich habe bei anderen Gastgebern auch schon bei minus 15° draussen vor der Tür gestanden:-))

Es blieb dann bei der einen Fluppe nach dem Essen*grins*.


Hermann Penker antwortete am 18.07.02 (14:37):

Lieber Felix!
Ich habe im Archiv und in jenen Beiträgen, die ich auch privat abgespeichert habe, gesucht und vieles gefunden, was zu unserem jetzigen Thema passt. Es ist der alte Kampf zwischen Determinismus, der davon ausgeht, dass die menschlichen Handlungen durch äußere (Melieu) und innere (genetische Anlagen, körperliche Voraussetzungen) Bedingungen bestimmt werden, und dem Indeterminismus. Dieser lehnt Einflüsse der äußeren und inneren Bedingungen auf das Wollen nicht ab, führt aber die letzte und konkrete Entscheidung auf die Persönlichkeit zurück. Deine und Karls Meinung sind dort klar zum Ausdruck gebracht worden. Ich bin froh, dass schon einige wackere "STler" zu unserer Neuauflage des Themas gefunden haben. Ich nehme an, es wird auch neue Denkanstöße geben, die eine weitere Diskussion anheizen können.
Die Tatsache, dass die Deterministen sich heute der Jetztzeit entsprechenden Mittel (Mathematik) bedient, ist für mich noch kein Beweis. Einerseits beruft sich meines Wissens auch die Astrologie auf Berechnungen, ich halte aber von ihren Ergebnissen nichts. Andrerseits sind die Lügen am leichtesten zu verkaufen, die man mit einer Statistik Unterstützen kann. (Bitte beziehe jetzt aber Lüge nicht auf Eure Aussagen). Und viele schöne Rechnungen brachten schon schöne Ergebnisse, nur dass diese falsch waren, weil der Ansatz falsch war, weil vielleicht die Randbedingungen falsch angenommen wurden.
Der Indeterminismus scheint sich in der Öffentlichkeit und im Strafrecht durchgesetzt zu haben. Wer straffällig wird, wird normalerweise bestraft, weil er für die Tat verantwortlich ist. Lässt sich aber beweisen, dass der Täter zu den Ausnahmen gehört, dass er unter einem unüberwindlichen Zwang handelte, dann kommt er bei schweren Straftaten nicht ins Gefängnis sondern in Verwahrung in einer Sonderanstalt für geistig und psychisch abnorme Rechtsbrecher.
MfG Hermann


Hermann Penker antwortete am 18.07.02 (16:28):

Lieber Schorsch!

Wenn ich mich richtig erinnere, warst Du in früheren Beiträgen geneigt, den Determinismus als richtig zu akzeptieren. Deine Schilderung, wie Du das Rauchen abgewöhntest, zeigt aber, dass Du über einen respektablen persönlichen Willen verfügst. Von den Möglichkeiten, für die Familie ausreichend Wohnraum zu schaffen, wähltest Du nicht gerade die billigste Variante. Die Überlegung, das durch Rauchverzicht ersparte Geld zum Hausbau zu verwenden ist auch eine Entscheidung, die von kluger Überlegung zeugt. Andere machen einfach Schulden, und lassen auch die Erben noch kräftig zahlen. Du entschiedst Dich für Konsumverzicht, also nicht gerade für die leichteste Methode. Lieber Schorsch, in Deinem Fall kann ich nur an Deinen freien Willen glauben, der für das Gelingen verantwortlich war. Jetzt meine ich es nicht ganz ernst, also nicht böse sein: Wenn es trotz allem eine Handlung aus einem unüberwindlich großem Zwang gewesen ist, dann könnte nur der freie und ungemein starke Wille Deiner Frau dahinter stecken? Aber dann gibt es ihn auch, eben bei Deiner Frau.
MfG Hermann


Felix Schweizer antwortete am 18.07.02 (17:17):

Der starke Wille ist kein Hinweis auf die Freiheit des Entschlusses ... sondern kann ebensogut das Resultat einer starken Motivation sein. Wir haben schon einige mögliche Motivationen aufgezählt: Leidensdruck unter der Suchtabhängigkeit oder körperliche Schäden, Gruppendruck, Sparmassnahmen, soziale Verantwortung, Vorbidfunktion etc. Bei mir war es .. wie schon gesagt ... vorallem die Sucht-Abhängigkeit, unter der ich litt und die mir die Willensstärke gab ... nicht mehr anzufangen!

@ Hermann ... der Determinismus eines Descartes hat mit dem... was ich meine nicht viel zu tun.

Aber davon später.


Hermann Penker antwortete am 20.07.02 (21:59):

Lieber Felix!
Ich bin gespannt, ob man mit Hilfe der neuesten biologischen Erkenntnisse auch den ungeheuren Mut von Jägerstetter mit unlauteren Motiven oder mit irgendwelchen Charaktermängeln erklären kann: Jägerstetter wurde christlich erzogen und lebte als Christ, er bekam den Einberufungsbefehl und sollte für Hitler und seinen Nationalsozialismus in den Krieg ziehen. Er weigerte sich, dies zu tun. Zuerst sprach ihm sein Ortspfarrer zu, dem Staat zu gehorchen. Als er sein Gewissen über die Vorhaltungen seines Pfarrers stellte und sich weiter weigerte, wurde er von seinem Bischof "bearbeitet". Doch auch dieser war nicht in der Lage, Jägerstetter zu überzeugen, dass es rechtens ist, für die Nazis Menschen zu töten. "Gehirnwäsche" durch eine extreme christliche "Erziehung" kann es nicht gewesen sein, denn sonst hätte er seinen "kirchlichen Ratgebern" gehorchen müssen. Es ist auch nicht so, dass er das Märtyrertum angestrebt hätte. Aus seinen Briefen weiß man, dass er leben wollte, und dass er Angst hatte, dass er aber nicht bereit war, zur Rettung seines Lebens das zu tun, was er für einen Gräuel vor Gott hielt.
MfG Hermann


sofia204 antwortete am 21.07.02 (02:36):

Wie kommt es überhaupt, daß man einen Willen hat?
soziales Anpassen würde doch reichen. :-}


Charlie antwortete am 21.07.02 (08:51):

Liebe Sofia,

das lassīmal unsere "Fachleute" hier beantworten, die machen das ganz prima und haben da sicher bessere Gedanken und Erklärungen.

Was und wie ist denn Wille, angeboren oder anerzogen? Eigentlich auch mal wieder eine gute Frage.

Schönen Sonntag


sofia204 antwortete am 21.07.02 (12:38):

@ Charlie,
Mich brauchst Du nicht führen,
bin nicht blind .


Hermann Penker antwortete am 21.07.02 (21:31):

Lieber Felix!
Ich hoffe, Du bist nur momentan unterwegs und nicht vergrämt. Sicher warte nicht nur ich darauf, dass Du endlich wieder etwas von Dir gibst. Gräme dich bitte nicht wegen der Dinge, die in der letzten Zeit passiert sind. Auch mir und Friedrich Schmide ging es einmal so, dass etwas ins Archiv verschoben wurde, während wir im intensiven Wortgefecht waren. Ich war über Karl zuerst nicht erfreut, aber nachdem er mir seine Begründung gegeben hatte, musste ich ihm recht geben. Machen wir es ihm nicht so schwer, er trägt ja auch die Verantwortung für alles.
Vielleicht sollten wir alle an uns arbeiten, etwas weniger empfindlich zu sein. Dass wir alle dasselbe für beleidigend oder richtig oder gut etc. halten, werden wir nie erreichen. Dann können wir aber nur dann miteinander reden, wenn wir mehr aushalten, sonst laufen sich die Themen der Reihe nach tot. Das wäre doch schlecht, oder?
MfG Hermann
p. S.: Wenn ich Deiner Meinung nach im letzten Beitrag nicht den richtigen Ton angeschlagen habe, dann entschuldige ich mich, beleidigen wollte ich Dich nicht.


Felix Schweizer antwortete am 22.07.02 (02:09):

@Hermann ich wüsste keinen Grund vergrämt oder verärgert zu sein ... wenigstens nicht in Bezug auf dich.

Ich weiss nicht, ob meine früheren Ausführungen über den Freiheitsgrad als Charakteristikum eines kybernetischen Systems noch präsent und klar genug verstanden sind?
Der Freiheisgrad wird in einer Skala von 0 bis 1 angegeben. Freiheitsgrad null bedeutet absolute, voraussagbare Regelhaftigkeit eines Verhaltens ohne Abweichungen und Fehler. Beim Freiheitsgrad 1 haben wir ein rein stochastisches, chaotisches Verhalten ohne Voraussagbarkeit oder Regelhaftigkeit. Nur bei zunehmenden Fallzahlen... lassen sich statistische Erwartungen... unter dem Gestz der grossen Zahl (Wahrscheinlichkeitsrechnung) ableiten.
Ein Lebewesen kann als kybernetisches (Information verarbeitendes) System beschriebe werden. Einfache Lebewesen, wie Einzeller.. haben durchaus einen Freiheitsgrad, der in der Nähe von 0 liegt. Wenn die gesamte Reizsituation bekannt ist ... ist auch das Reaktionsschema weitgehend voraussagbar. Der Freiheitsgrad ist verschwindend klein. Ein einzelnes instabiles Element kann zu irgend einem zufälligen Moment zerfallen, hat also einen Freiheitsgrad, der gegen 1 geht. Reelle komplexere Lebewesen haben Teilsysteme, wie der Blutkreislauf oder Stoffwechselzyklen, die wenig Freiheitsgrad aufweisen. Sie lassen sich auch sehr gut mit einfachen kybernetischen Regelmodellen darstellen. Sobald komplexere zentralnervöse Strukturen mit ihren gegenseitigen Hemmungen (Inhibitionen) oder sonstigen Beeinflussungen untersucht werden ... umso schwieriger wird es Abläufe als Reiz-Reaktions-Muster darzustellen. Mit andern Worten ... der Freiheitsgrad nimmt zu ... und die Voraussagbarkeit nimmt ab.
Das .... was wir so simpel als Willensleistung bezeichnen ... ist in Wirklichkeit ein unübersehbarer Prozess, der weite Teile unseres zentralen Nervensystems in Anspruch nimmt und in komplexen Abläufen unzählige Informationen miteinander verrechnet und evaluiert .. ohne dass wir uns über diese bewusst werden. Am Schluss wird irgend ein Handlungsmuster daraus resultieren, das mehr oder weniger von Bewusstsein begleitet .. . als Motivation oder eben Willen zur einer Handlung führen kann.
Im Ablauf dieses Prozesses stehen vieleTeilprozesse, die mehr oder weniger Freiheisgrad aufweisen können. Der Freiheitsgrad der gesamten Willensleistung ... und dies ist das, was wir eben als freien Willen wahrnehmen ...setzt sich aus den Freiheiten der Teilprozesse zusammen.
Sowohl deterministische Erklärungsmodelle wie auch die mechanistischen Reiz-Reaktions-Schematas genügen in keiner Weise.


Hermann Penker antwortete am 22.07.02 (09:50):

Lieber Felix!
Das mit den Freiheitsgraden hast Du sehr schön und verständlich geschrieben und muss wohl weitgehend so gesehen werden. Mir scheint nur, dass diese Zusammenhänge in erster Linie für mechanische Systeme und primitive Lebensformen ohne Fähigkeit, das eigene Leben zu reflektieren, gelten. Beim Menschen kommen zwei Faktoren hinzu: Der Mensch ist auch in der Lage, in unbewusst ablaufende Vorgänge ein zu greifen, sie zu beschleunigen oder zu bremsen. Fakire können (gefahrlos) ihre Herztätigkeit auf das Mindestmaß beschränken. Natürlich ist das auch "Westlern" möglich, nur könnte dies wegen mangelnder Übung auch schief ausgehen. Mein Herz beginnt manchmal einen stolpernden Rhythmus zu schlagen. Mit der Formel "Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig, bekomme ich alles sehr schnell wieder ins Lot. Die Erwärmung bei der Wärmeübung kann mit dem Thermometer gemessen werden. D. h., man kann in liegender oder sitzender Position durch konzentrative Entspannung die Wärme in den Gliedern verändern und dies durch Messung auch beweisen. Es ist auch die Erwärmung von Organen möglich, womit therapeutische Effekte erzielbar sind, denn die Erwärmung beruht ja auf verstärkter Durchblutung (nur gibt`s da für Laien Probleme mit der Messung. Allerdings ist die Wärme deutlich spürbar). Die Steuerung kann hier auch über das Unterbewusstsein laufen. Wenn bei Fremdsuggestion jemandem etwas suggeriert wird, was seiner Weltsicht widerspricht, gelingt die Suggestion nicht, oft erwacht die Versuchsperson lieber, bevor sie etwas gegen ihr Gewissen tut.
Das zweite ist die Möglichkeit des Menschen, transzendente Aspekte in seine Überlegungen einzubeziehen und damit die Willensbildung zu beeinflussen. Das kann weder Maschine noch Tier. MfG Hermann


Felix antwortete am 22.07.02 (12:53):

Lieber Hermann ... du siehst ich töne schon recht freundlich.

Du beschreibst Phänomene, die mit der "Vernetzung" somatischer (körperlicher) und mentaler oder psychischer Vorgänge zu tun haben. Auch etwas vereinfacht als psychosomatisch oder umgekehrt als somatopsychisch Bezeichnet.
Die willentliche Veränderung der Pulsfrequenz ist ein solcher psychosomatische Effekt .. aber auch das Erröten als schamhafte Reaktion, die in der Regel unwillkürlich abläuft.
Ich werde später noch darauf zurückkommen ..... Ich muss hier leider unterbrechen!


Hermann Penker antwortete am 22.07.02 (13:42):

Lieber Felix!
Hinzufügen möchte ich noch, dass die Visualisierung den Effekt wesentlich beschleunigt und vertieft. Das Denken der Worte allein bringt nur wenig oder bedarf zumindest sehr langer Übung, bis ein nennenswerter Erfolg eintritt. Die Kombination mit der bildlichen Vorstellung führt zu raschem Erfolg.
MfG Hermann


Alfred antwortete am 23.07.02 (00:05):

Lieber Herrmann,

auch wenn hier kaum jemand "postet" (welch Wort) so kann ich mir nicht vorstellen, so hoffe ich nicht, daß sich ein Thema zwischen Euch beiden "totläuft..."
Wunderbar, wie sich hier Wort zu Wort fügt und mitlesend Denken so leicht macht ***
Bin mich bedauernd, nicht schon früher profitierender Mitleser geworden zu sein...

Müßte īn Vergnügen sein, Euch in einem Seminar oder wenigstens īner Vorlesung zu erleben!
Danke


Charlie antwortete am 23.07.02 (09:42):

Hallo Hermann,

deine Worte erinnern mich an das, was die Psycholtherapeuten beim Autogenen Trainung einsetzen, das Denken der Worte, es dauert aber eine ganze Zeit, bis der Erfolg spürbar ist.

In der Krebsbehandlung ist man zwischenzeitlich auch dazu übergegangen. Gegensteuern durch Visualisierung und was kaum jemand zunächst glauben wollte, es zeigen sich Stabilierungen, die niemand nicht für möglich gehalten hat. Es werden ganz schlicht Selbstheilungen in Gang gesetzt.

Als Ergänzung eine wunderbare Möglichkeit, wenn auch keineswegs immer von Erfolg gekrönt.


Hermann Penker antwortete am 23.07.02 (16:14):

Hallo Charlie,
das Autogene Training nach I. H. Schultz ist wunderbar geeignet, Körperreaktionen zu bewirken, die Oberstufe ermöglicht auch "Farbvisionen". Heute existieren viele Variationen von Zwischenformen, zusammengesetzt aus Techniken des autogenen Trainings und der Meditation. Ich persönlich ziehe die Führung durch eine Stimme vor, verwende allerdings am liebsten die eigene. Mit Hilfe des Programmes GoldWave von Kelly Data GmbH ist es möglich, gleichzeitig Meditationsmusik (über die Stereoanlage) in den PC einzulesen und über ein Mikrofon den gewünschten Text dazu zu sprechen (natürlich wegen des Urheberrechtes nur für den Eigengebrauch). Dann auf die Festplatte speichern und auf CD brennen, und los kanns gehen.
Solange man sich auf die Möglichkeiten des Autogenen Trainings beschränkt, kann nichts schief gehen, wichtig ist nur, dass man richtig "zurück nimmt", um nicht beim Aufstehen auf die Nase zu fallen. Du schreibst richtig, dass dies kein Arztersatz sein kann. Ausbleibender Erfolg kann aber auf zu wenig Geduld zurück zu führen sein, oder das Anpeilen eines Ziels, welches auf diesem Wege nicht erreichbar ist. Es gibt aber eine Fülle von Möglichkeiten.
MfG Hermann