Vorspann
Selbstverwirklichung war für den jugendlichen Reiner ein unbekanntes Wort in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Sein
moralisches und ethisches Bewusstsein hatte sich in einer Zeit gebildet, in der jeder Anflug von Selbstverwirklichung im KZ oder
für männliche Jugendliche und Erwachsene zumindest an der Ostfront endete. Bomben, Rauch und Feuer, die Angst ums nackte
Leben und der knurrende Magen nach dem Überleben waren die Hindernisse, die sich ihm bei der Findung und Bildung von
Idealen in den Weg stellten. In dem entstandenen Vakuum suchte er nach neuen Zielen. In diese Zeit fiel auch seine Pubertät, die
diese Leere noch weiter aufdehnte und die Suche nach neuen Idealen zusätzlich erschwerte.
Seine Religiosität konnte nur wenig dazu beitragen dieses Vakuum auszufüllen. Um die Jugend wenigstens an ihre Tradition zu
binden und so noch einen gewissen Einfluss zu behalten, lebten nach dem 2. Weltkrieg weitestgehend die alten Organisationen
wieder auf. Wieder ins Leben gerufen von Funktionären, deren Ideale die Verbote während der Nazizeit und den Krieg
überstanden hatten. Vor allem die Sportvereine waren es, im Bereich der katholischen Kirche die DJK (Deutsche Jugendkraft), die
damals reihenweise wieder gegründet wurden. Der Sport, propagiert als Einheit von Körper und Geist, der Wettkampf als
Sinnbild des Lebenskampfes und die Fairness als oberstes Gebot, war noch mit am ehesten geeignet, das Vakuum zu verkleinern.
Die Kirche hielt sich im übrigen an die Jahrhunderte alten Ge- und Verbote. Filme wurden von einem moralischen Standpunkt
aus bewertet, der heute selbst manchen Bischof zu einem Kopfschütteln veranlassen würde. Ein Kuss ohne vorherige Verlobung
grenzte schon an eine sündhafte Handlung und führte zu Gewissensbissen. Auf Marktplätzen empfahlen Wanderprediger als
Empfängnisverhütung das berühmte Glas Wasser - nicht vorher oder nachher, sondern anstatt.
Die vom Tausendjährigen Reich Übriggebliebenen und deren Söhne und Töchter begannen Schutt und Asche beiseite zu räumen
und versuchten in Arbeitswut und Vergnügungsrausch die schreckliche Vergangenheit zu vergessen. Ihr Ideal war, in
gesichertem Frieden und in wachsendem Wohlstand Geld und Prestige nachzujagen. Die Mahner zur Mäßigung wurden nicht
gehört oder verlacht. Vor dem Hintergrund des absoluten Nichts, das die Nazizeit und der Krieg hinterlassen hatten,
unterschieden sich die Generationen der Väter und die der Söhne kaum in ihren Wertvorstellungen. Von dem Konflikt der
Generationen, wie er sich heute weitgehend darstellt, war nur wenig fühlbar.
Reiner suchte eine Richtschnur für sein Leben oder wenigstens für die nächste Zukunft zu finden. Der Film ,,Die großen ,F'", der
in seinem Geiste jederzeit abrufbar gespeichert war, war ihm Ausgangspunkt und Stütze auf seinem ungenauen Weg. Die großen
,,F" standen für alles, was einen jungen Mann interessierte und bewegte: Frauen, Finanzen, Fahrzeuge, Fußball, Freizeit.
Natürlich basierte das Drehbuch zu diesem Film auf den Einflüssen, Ängsten, Ge- und Verboten und den unabwendbaren