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Werner Bleicher

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Die zwei Sportkarrieren

Eine etwas längere Kurzgeschichte aus der Vor-Senioren(treff)zeit

„Wir müssen mehr für unsere Gesundheit tun“, stellte eines Tages Eva fachfraulich fest, „wir treiben Sport!“. Ich konnte ihr nicht widersprechen. Die Schlafzimmerwaage und der Hausarzt lagen mir mit dieser Forderung schon seit langem im Magen und auf den Nerven.

Nicht, dass ich etwas gegen den Sport gehabt hätte, beileibe nicht. In meiner Jugend hatte ich Fußball gespielt, später spielte ich lieber mit meinen Kindern oder dem Plattenspieler. Waage und Spiegel erklärte ich zu meinen Todfeinden. Meine besten Freunde, die gemeinen Kerle, fragten immer wieder mit einem spöttischen Blick auf den zum Zerreißen gespannten untersten Hemdknopf, ob ich vielleicht den Ball, gegen den ich zuletzt getreten hatte, als Erinnerung unter meinem Hemd versteckt habe?

Ich tat doch alles um mein Gewicht zu halten. Ich zog die Schuhe aus, wenn ich auf die Waage stieg und konnte so verkünden, mein Gewicht seit zwei Wochen gehalten zu haben. Ein paar Tage später legte ich vor dem Wiegen die Armbanduhr und den Geldbeutel ab und konnte wieder verkünden nichts zugenommen zu haben. Als ich dann auch noch die Hose ablegen musste um mein Gewicht zu halten, kaufte ich ein neues elektronisches Gewichtsbestimmungsgerät. Nachdem ich nur noch den Ehering abzulegen hatte, der war aber inzwischen so eingegangen, dass er sich nicht mehr vom Finger ziehen ließ, schob ich meinen ganzen Frust samt der elektronischen  Waage unter das Bett.

„Mach doch was du willst“, hatte Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, gemosert, „ich jedenfalls“ und sie betonte das ich in ihrer eigentümlichen Bestimmtheit, „werde Tennis spielen!“

„Tennis“, fragte ich entsetzt, „das ist doch der teuerste Sport! Wo willst du denn das Geld dazu hernehmen. Denk doch an unsere drei kleinen Kinder und das neue Haus!“ jammerte ich.

„Da sieht man einmal wieder, dass du nicht up do date bist“, erwiderte die sportlichste Ehefrau von allen, mit ihrem süßesten Lächeln, „Tennis ist heute nicht mehr teurer als jede andere Sportart.“

Sie rechnete mir dann vor, wie günstig sie in ihrer Sportabteilung in dem großen Kaufhaus in welchem sie angestellt war, an die Ausrüstung kommen könne. Es gäbe immer wieder Auslaufmodelle günstig zu erstehen oder zweite Wahl mit fast unsichtbaren Fehlern. Mir war nach diesem Vortrag klar, dass ich noch draufzahlen müsse, wenn sie diese Vorteile nicht nützen und nicht Tennisspielen würde.

„Aber, aber ...“, wagte ich den vorsichtigen Einwand, „... mit wem willst du denn eigentlich spielen? Du kannst doch gar nicht Tennisspielen und bei einem Club bist du doch auch nicht!“

Da setzte sich Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, mit ihrem Minitennisröckchen – sie sah darin hinreißend aus – auf meinen Schoß, legte die Arme um mich und erklärte in ihrem unwiderstehlichsten Tonfall – ich wusste, dass nun jeder Widerstand zwecklos sei -: „Mein Lieber, bei einem Verein oder Club muss man heute nicht unbedingt sein, es gibt jetzt überall private Tennisplätze, die man stundenweise mieten kann“.

Das war mir tatsächlich neu, denn Tennis und alles was dazu gehört, hatte mich bisher nicht einmal am Rande interessiert. Bereits die geheimnisvolle, nach meinem Geschmack snobistische, Zählweise mit fünfzehn, dreißig aber dann anstatt was logisch wäre fünfundvierzig, plötzlich wieder vierzig, brachte mich schon bei Fernsehübertragungen in Rasche. Dazu kam die blasierte Reportersprache, fast wie bei einer Beerdigung und keiner der Schnösel fand es der Mühe wert, den Zuschauer einmal zu erklären wieso man mit einem einzigen Fehler gleich fünfzehn Miese machen kann und der Gegner für einen raffiniert gespielten Ball wieder fünfzehn (was eigentlich?) gut geschrieben bekam.

„Für den Anfang, habe ich mir gedacht, nehme ich ein paar Trainerstunden“, flötete sie, „dann werden sich mit der Zeit schon noch andere Partnerinnen finden.“

Bei dem Wort Trainerstunden sprang ich so entsetzt aus meinem Sessel, dass die sportlichste Ehefrau von allen fast das Gleichgewicht verloren hätte. Es war gar nicht das Geld, was mir wie ein Blitz durch den Kopf schoss. „Trainer“-Stunden! Tennistrainer und Skilehrer waren für mich wie das rote Tuch für den Stier. Tennis- und Skilehrer waren die Ausgeburt von Schürzenjägern und Ehebrechern, noch weit vor Hollywood-Schauspielern. Das konnte man in vielen Romanen lesen. In jedem Film in welchem einer der beiden Gattungen oder gleich beide vorkamen gab es nur Ärger und Verwicklungen. Das auch noch, überlegte ich blitzschnell und eben so schnell wurde mir klar, dass  ich dagegen nichts mehr unternehmen konnte. Es war bereits ihr erster Sieg, wenn auch nur im ersten Satz.

„Komm doch mit!“, lächelte die sportlichste Ehefrau von allen. Aus der Art wie sie es sagte konnte ich entnehmen, dass sie damit nicht nur das Zuschauen, sondern das Mitmachen meinte.

Auf der Anlage erwartete sie bereits der Tennislehrer. Ich glaubte zuerst, es wäre der Platzwart, der Hausmeister oder ein ähnlicher dienstbarer Geist. Ich suchte deshalb mit den Augen möglichst unauffällig und verstohlen auf den Nachbarplätzen nach dem Typ Herzensbrecher vom Dienst – vergeblich. Also war diese halbe Portion hier neben mir, tatsächlich der Trainer!

Aus mir, dem Fernsehsportler, hätte man leicht zwei Tennistrainer dieses Kalibers machen können. Dafür kann er ja nichts, dachte ich und für sein beträchtlich fortgeschrittenes Alter konnte der gute Mann ja auch nichts. „Mein Name ist Crakwoicek“, (oder so ähnlich) sagte der Gnom in einer Mischung aus Tschechisch und „bähmmischen Deitsch“. Dafür konnte er auch nichts. Auch nicht für seine etwas stark verschobene Figur mit den kurzen Armen. Es sah aus, als würde ihm der Tennisschläger direkt aus der Schulter wachsen und ich befürchtete bei jedem Schlag, dass aus dem dürren Männchen irgend ein Teil knirschend herausbrechen würde.

Er bewegte sich kaum auf dem Platz während Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, bereits nach wenigen Minuten schweißgebadet war, obwohl ihr der kleine Kobold alle Bälle die in seine Reichweite kamen immer wieder genau vor die Füße schlenzte – und das waren seltsamer weise fast alle Bälle die von Eva nicht gerade über den Zaun geschossen wurden.

Ich hatte genug gesehen und glaubte auch für mein Eheleben keine Gefahren befürchten zu müssen und trollte mich wieder nach Hause. Ich hatte nun auch nichts mehr dagegen, dass Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, jeden Sonntag in den frühen Morgenstunden ihre Tennislektion bekam – bis etwas eintrat, womit ich, im reinsten Wortsinn, nicht gerechnet hatte.

Unschuldig fragte ich sie eines Tages was der Spaß denn nun eigentlich kostet. Nachdem sie mir ehrlich den Betrag genannt hatte wurde ich abwechselnd blass und rot, schnappte nach Luft und röchelte: „... da..., dafür, dass sich der Kerl nicht einmal bewegt! – Also, liebes sportliches Eheweib, dir die Bälle über das Netz schaufeln, dass du daran deine Schläge üben kannst, das kann ich als ehemaliger Ballsportler immer noch! Und zwar kostenlos!“

Sie war sofort damit einverstanden. Ihr feines Lächeln, das dabei über ihr Gesicht huschte fiel mir weiter nicht auf. Sie wusste, das war der zweite gewonnene Satz. Aber große Turniere gehen über drei Gewinnsätze!

„Ich besorge dir nächste Woche eine Grundausstattung. Wir haben noch einen ganz billigen Ladenhüter bei den Schlägern, wenn dir die Griffstärke passt haben wir gleich einen Schläger für dich!“

„Wieso Griffstärke – wo soll die passen?“ fragte ich unwissend.

„Hast eigentlich recht“, sagte sie, „du willst ja nicht spielen, sondern nur mir die Bälle zuschlagen, dazu reicht der Schläger auf jeden Fall“, bestätigte sie eilig und ich merkte die Falle wieder nicht.

Am nächsten Sonntag buchten Eva und ich einen Platz für die frühest mögliche Stunde in der Hoffnung, weder vom Tennislehrer noch von irgendwelchen anderen Frühaufstehern beobachtet zu werden. Ich nahm die Bälle, stellte mich ans Netz wie ich es von dem ehemaligen Herzensbrecher gesehen hatte und brachte tatsächlich den ersten Ball übers Netz – aber leider für Eva  unerreichbar. Die sportlichste Ehefrau von allen erklärte ihrem Fernsehsportler nun alles, was sie bisher gelernt hatte und siehe da, ich brachte tatsächlich immer mehr Bälle über das Netz und manchmal auch ins Feld und wenn es das Glück wollte sogar so in Eva’s Nähe, dass sie auch einmal einen Ball zurückschlagen konnte – nur ich erwischte ihre Bälle nie. Sie lobte ständig meine Fortschritte. Sie erklärte mir auch gleich die alte Tennisweisheit, dass die gesündeste Übung bei dieser Sportart, das Bücken beim Ballaufheben sei.

Bei dieser Tätigkeit erspähte ich aus den Augenwinkeln, den Herrn Crakwiak (oder wie er hieß). Er lehnte wie uninteressiert an der Tür der Umkleidehütte und nahm ein paar tiefe Züge an der morgendlichen klaren, frischen – Konditionszigarette. Ich bemühte mich nun noch mehr die Bälle gezielt über das Netz zu schubsen, so wie es Herr Krakowski (oder wie er hieß), in so unnachahmlicher Art mit seinem angewachsenen Tennisschläger immer machte. Aber wie ich mich auch mühte, der Arm schmerzte schon, die Bälle flogen fast nie dahin wo ich sie haben wollte. Ich war eigentlich ganz froh, als die Stunde um war.

Ich zahlte die Stunde bei Herrn Crukw..., beim Tennislehrer, der auch gleichzeitig, Platzwart, Wirt und Kassier war und beobachtete genau seine Miene. Dieser feige Zwerg zeigte aber nicht die geringste Lust freiwillig in irgend einer Form zu meiner Privatstunde mit Eva Stellung zu beziehen. Ich sah mich deshalb genötigt, höflichkeitshalber wie ich glaubte, den Anfang zu einem Fachgespräch zu machen, in der Hoffnung beim Herrn Tennislehrer auf ehrlichen aber ebenso taktvollen Widerspruch zu stoßen: „Da dreht sich wohl bei einem Tennistrainer der Magen um, wenn er so etwas wie eben zu sehen bekommt?!“

Cool (würde man heute sagen) kam die Antwort: „Da habän sie Rächt, mein Härr!“

In der Folge geschah es, dass auch der Fernsehsportler, zusammen mit seiner sportlichsten und raffiniertesten Ehefrau von allen, Trainerstunden in dieser von mir ungeliebten Sportart nahm. Eva konnte bei sich Satz und Sieg verbuchen.

Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, sowie der, wie Phönix aus der Asche von den Niederungen des Volkssports Fußball in die Höhen des Trendsports Tennis emporgestiegene Reiner, machten nun eine weitere Erfahrung in ihrer Sportlerkarriere.

Nach dem Spiel müssen zunächst alle Gründe der vermeidbaren Niederlage geklärt werden – im Clublokal bei einem gepflegten Pils oder einem Gläschen Sekt versteht sich. Es gibt wohl selten bescheidener Sportler als die Tennisspieler. Ein ungeschriebenes Gesetz der Fairness verlangt es, bei sich und den eigenen Unzulänglichkeiten den Grund für die Niederlage zu suchen. Vom eingewachsenen Zehennagel über den noch völlig ungewohnten neuen Schläger (wenn er auch schon zwei Jahre alt ist) bis zum störenden Wimpernschlag des Zuschauers in der dritten Reihe, ist wieder einmal alles eine Verkettung widrigster Umstände, denn sonst hätte man das Match niemals verloren. Es ist tunlichst zu vermeiden auch nur mit dem Gedanken zu spielen, der Gegner hätte an diesem Tag ganz einfach einmal besser gewesen sein können!

Interessant bei diesen Gesprächen ist aber noch die seltsame Tatsache, dass als nächstes Thema mitten im Sommer unweigerlich der Wintersport, die neuesten Skimodelle, die tollsten Bindungen und die geheimsten Geheimtipps über absolut schneesichere und dabei nicht einmal überlaufene Pisten und die gefährlichsten Abenteuer bei den Abfahrten besprochen werden. Im Winter, in der Skihütte, wird dann nochmals eruiert, warum man im Sommer das Halbfinale bei der Tennis-Vereinsmeisterschaft verloren hat.

Eva spitzte die Ohren, denn an ihrer Sportabteilung in dem großen Kaufhaus gab es selbstverständlich auch komplette Wintersportausrüstungen. Nachdem selbst ernstzunehmende Ärzte behaupten eine Woche Wintersport würde soviel gesundheitlichen Nutzen vermitteln wie zwei Wochen Mallorca  – meiner Meinung nach sind sie alle von der Wintersportindustrie bestochen – stand für Eva fest, dass es an der Zeit wäre auch einen Versuch im Schnee zu starten. Meine Gegenwehr wurde mit allen Waffen einer Frau gebrochen. Unter gleichzeitiger Zuhilfenahme namhafter Ski-Asse, die an der Wintersport-Abteilung des großen Kaufhauses dank ihrer Olympischen Ringe auf dem neuesten Dress absolute Kompetenz ausstrahlten, erklärte Eva unbedarften Neulingen wie mir, dass nur ein skifahrendes Individuum Einlass in die verschneiten Bereiche der Alpen finden würde.

Mein „energischer“ Widerstand zeitigte wenigstens einen kleinen Erfolg: Es wurde mir gnädigst erlassen, die Streif oder das Hahnenkammrennen fahren zu müssen. Dafür wurde ich auf die Spur – sprich Loipe – des seinerzeit verschwunden Langläufers Behle gesetzt (den der Sportreporter Bruno Morawetz heute noch sucht – wenn er nicht gestorben ist). Ich bekam eine nordische Langlaufausrüstung mit Schuppen-(Renn-)Ski und wurde bei der Skischule angemeldet.

Mit einer handvoll anderer absoluter Neulinge (wie alle behaupteten) wartete ich vergeblich am Skischul-Sammelplatz auf den Loipen-Sepp. Schließlich erbarmte sich der Skischulbesitzer, der über sein Funkgerät  von der Verspätung des Sepp erfahren hatte und empfahl den Schülern einstweilen in den beiden Spuren, die Loipe hießen, selbständig auf die Strecke zu gehen. Der Sepp sei bei der Olympiade 1936 der zweitbeste Mitteleuropäer gewesen und würde sie schon schnellstens einholen.

Was offensichtlich in den Augen des gründlich und zuverlässig ausbildenden Skischulbesitzers nicht erwähnenswert schien, war der Umstand, dass  die Loipe zunächst in Serpentinen einen für Anfänger schier unüberwindlichen Hang hinaufstieg. Während ich schwitzend und schimpfend, weil ich ja Langlauf und nicht Alpin lernen wollte, im Stil der Echternacher Springprozession zwei Schritte vor, einen zurück, dazwischen einen Kniefall, mich aufwärts quälte, sah ich beim ersten Rundblick nicht einmal mehr einen Skistock der anderen „blutigen Anfänger“. Beim Blick hinter mich entdeckte ich noch eine einzige Leidensgenossin – allerdings norddeutscher Herkunft, wie sich beim ersten Wort herausstellte. Das war nun im Hinblick auf meinen Bayerischen Nationalstolz besonders peinlich, wusste ich doch (oder vermutete es zumindest), dass man in Norddeutschland davon ausginge, dass in Bayern die Kinder schon auf Skiern geboren würden.

Es war mir bei diesem Anstieg bisher schon so ähnlich ergangen wie seinerzeit Till Eulenspiegel, nur unter umgekehrten Vorzeichen: Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, wusste ich doch, dass nach diesem Aufstieg auch eine Abfahrt kommen musste. Kurz vor einer Panik stand ich dann beim nächsten Schritt nach vorn! Unversehens stand ich vor einem steilen, meiner Meinung nach fast senkrechten Abhang von mindestens zwei Metern Höhe und die Loipe fiel gnadenlos in direkter Linie nach unten. Um das Maß der Schwierigkeiten voll zu machen führte die Spur nach wenigen Metern genau auf eine Schlucht zu, deren Tiefe von meinem Standort aus nicht einsehbar war. Das kühne Bauwerk das den Abgrund überbrückte, bestand aus zwei Brettern und einem windigen Ast als Geländer auf nur einer Seite. Das Gemeinste aber war: die Preußin saß mir immer noch im Nacken.

Was macht ein „boarischer Bua“ in einer derartigen Situation? (Ich hätte mich als Nürnberger vor meinem Gewissen ja rausreden können, dass ich eigentlich Franke sei, ich wusste aber, dass  man in Preußen hier keine großen Unterschiede kannte.) Ich entschloss mich zu einer Aktion, die den Großen Bayerischen Verdienstorden wert gewesen wäre – ich stürzte mich mit geschlossenen Augen todesmutig in die Tiefe. Zwischen Steilhang und Schlucht hatte ich Buschwerk erspäht und nachdem ich ja an meinen Langlaufskiern keine Bremse wusste, hatte ich schon oben geplant, das Gebüsch als Notbremse zu missbrauchen. Der Plan zur Rettung von Bayerns Ansehen klappte auch vorzüglich, nur hatte ich vorher aus der Entfernung dem Gebüsch nicht angesehen, dass es ein Ableger des biblischen brennenden Dornbusches war – ich war ab sofort „Ehren-Igel“!

Meine Leidensgenossin war offensichtlich weniger patriotisch gesinnt. Ihr war Preußens Gloria auf gut bayerisch „wurscht“. Sie entledigte sich ihrer Gehbehinderungswerkzeuge und rutschte, auf dem dafür zwar nicht vorgesehenen aber praktischen Skianzug, den Hang hinunter.

Weil dann weder in der Loipe noch am Sammelplatz ein Sepp oder blutige Mit-Anfänger zu sehen waren, ließ ich mir im Büro der Skischule meine Schillinge „Lehrgeld“ zurückerstatten.

Eva, die sportlichste Ehefrau von allen, hatte beim Apres-Ski alle Mühe mich mental wieder aufzurüsten. Sie müsste eine schlechte Sportartikel-Verkäuferin sein, wenn ihr das nicht gelungen wäre. Ich entdeckte mit ihrer psychologischen Hilfe meinen Durchhaltewillen und unternahm anderntags einen Alleingang in einer anderen Loipe.

Mit Todesverachtung rutschte ich dreißig Zentimeter hohe Gefälle hinab.  Gelegentlich gelang es mir dabei sogar aufrecht zu bleiben. Die steilen Anstiege über halbe Meter hohe Dämme meisterte ich ganz gut und den Abstieg erledigte ich zu Fuß, wenn gerade niemand auf der Strecke zu sehen war.

Dabei passierte es, dass mir auf der Gegenspur ein Langlauf-Fan, der Figur nach eine „Fanin“, (immer diese Frauen!!!) just in dem Moment in die Quere kam, als wieder ein Anstieg und eine Abfahrt bevorstand. Ich dachte ‘wenn das wieder eine Preußin ist, will ich nach der gestrigen Affäre mir nicht wieder eine Blöße geben’ und begann an meiner Skibindung zu nesteln während gleichzeitig mein Gegenüber die Nase putzen musste. War das nun Zufall ...!? Ich beschloss die Probe aufs Exempel zu machen und putzte nun meinerseits die Nase und tatsächlich – gegenüber war ebenfalls an der Skibindung etwas nicht in Ordnung. ‘Ja, wenn das so ist ...’ überlegte ich, löste die Bindung und trug meine Skier über das störende Hindernis. Freundlich lächelten wir uns mit den Brettern auf den Schultern bei der Begegnung an und ich wusste: das war das Ende meiner Langlaufkarriere!

Inzwischen sind wir, Eva, die sportlichste Ehefrau von allen und ich, der Fernsehsportler, im Fitness-Studio gelandet. Dort verbläst kein Wind Tennisbälle und keine Schluchten zwingen zu halsbrecherischen Abfahrten. Wenn die Gewichte zu schwer werden träume ich in der Sauna von einer goldenen halben Bier mit einer herrlichen Schaumkrone darauf. Die Waage ist zwar noch immer mein Todfeind, aber nachdem Muskeln schwerer als Fett sind (hat der Fitness-Trainer erklärt) kann ich immer wieder die „Fortschritte“ meines Trainings beobachten!

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