Schwabenstraße
13, 90518 Altdorf, Tel.
09187/1203 Fax 09187/906549 Der schicksalhafte Käfer Sehen Sie, schon bin
ich abgeschweift! Ich wollte Ihnen ja erzählen: Wie ich dahinter kam, dass
diese Eva genau meine fehlende Rippe ist! Ich habe das bisher
noch niemand erzählt und außer den Beteiligten kennt niemand diese
Geschichte. Es leben von den Beteiligten auch nur noch Eva und ich. Selbst der
(fast) leblose Gegenstand der dabei eine Hauptrolle spielt, dürfte
längst verschrottet sein. – Eine Einschränkung muss ich doch
noch machen – ähnlich wie beim
„Enthüllungsjournalismus“: Vieles ist schon fast ein halbes
Jahrhundert her und stellt sich vielleicht im Nachhinein anders dar, als es mir
damals erschienen ist! Beschwören möchte ich da gar nichts! - Wir wohnten
seinerzeit in einer bayerischen Großstadt deren Namen auf ...berg endet.
Ich möchte den vollständigen Namen nicht nennen, um eventuellen
Lesern aus München und dem umgebenden Rest von Bayern die Gewissensbisse
zu ersparen, bewusst ein Buch zu lesen, das einmal nicht in Oberbayern spielt. Eines Tages packte
ich mein „Evchen“ – Verzeihung: meine Eva – samt Schwiegermutter
und Schwiegervater in spe in einen nagelneuen VW-Käfer – vom Autoverleih
– und fuhr mit ihnen in ihre alte Heimat nach H...stadt. – Jetzt
erst, beim Schreiben dieser Zeilen, fällt mir auf: Wir wohnen jetzt wieder
in einem H...stadt. Nur das „...“ dazwischen heißt anders! Es war ein typisch
mitteleuropäisch/deutscher Sommertag, das heißt: Es regnete in
Strömen! Sie können sich jetzt vielleicht schon denken was kommt! Es
stimmt aber tatsächlich! Kurz vor einem
Bahnübergang und kurz vor H...stadt blieb der nigelnagelneue Käfer
bei strömenden Regen einfach stehen! Es war kein Schaltfehler und der
vollgefüllte Tank konnte nach diesen paar Kilometern auch noch lange nicht
leer sein! Er bockte grundlos, wie ein störrisches Kind das nicht mehr
weiterlaufen und lieber getragen werden wollte. (Diese Erfahrung ist ein Zeit-
und Gedankensprung; ich machte sie erst einige Jahre später.) Vielleicht
wollte er mich bei Eva und ihren Eltern einfach nur blamieren? Es blieb sein
Geheimnis was der Grund für seinen Generalstreik war! Ich fühlte fast
körperlich die fragenden und erwartungsvollen Blicke meiner Mitfahrer. Im
Nachhinein glaubte ich, bei Eva auch ein kleines aufmunterndes Lächeln
gesehen zu haben. Was sollte ich tun? Ich hatte keine Ahnung von einem Motor
– ob Flugzeug oder VW! Mit einem eleganten
Schwung der Selbstsicherheit und überzeugtes „Gewusst-wo“
signalisieren sollte, sprang ich aus dem Fahrzeug. Glücklicher Weise
erinnerte ich mich gerade noch rechtzeitig, nach einem halben Schritt in die
falsche Richtung, dass der Motor ja hinten war. Wie gesagt: Es goss
in Strömen! Ich öffnete die Motorhaube und suchte darunter Schutz vor
den herabstürzenden Wassermassen. Ab und zu warf ich einen abgrundtief
verächtlichen Blick auf das Aggregat vor mir. Das ist also der –
damals schon berühmte – unverwüstliche, luftgekühlte
VW-Motor, der allen wassergekühlten Antrieben überlegen war –
sowohl auf dem Großglockner als sogar seinerzeit in der Hitze der
afrikanischen Wüste bei Rommel. Regen, schönen
mitteleuropäischen Sommerregen, mochte er aber offenbar nicht –
jedenfalls dieser! Mir schien als
glotzte er mich mit einem hinterhältigen Grinsen an. Zur Strafe streckte
ich ihm die Zunge heraus – es sah ja niemand – zupfte ihn
ärgerlich an irgendwelchen Riemen, schlug mit der Faust auf feststehende
und ungefährliche Elemente und klopfte wütend auf blecherne
Karosserieteile. Ich wusste ja, dass eine Auto jedes Geräusch
verstärkt nach innen überträgt. – Huscht Ihnen jetzt auch
ein leichter Schauer über den Rücken, wenn Sie daran denken, wie es
sich anhörte, als Sie das letzte Mal beim Ausfahren ganz leicht am
Garagentor anstreiften? Dann knallte ich den Deckel wieder zu
und sprang mit dem –
„Diese-Kleinigkeit-ist-kein-Problem-für-mich-Gesicht“ wieder
in den Wagen. Ich wagte es nicht, jemanden anzusehen. Nun setzte ich mein
„Wir-wollen-doch-mal-sehen-Gesicht“ auf und drehte –
gleichzeitig mit einem ähnlichen drehenden Gefühl in meinem Magen
– den Zündschlüssel um. Und dann – allen Ingenieuren,
Entwicklern und VW-Monteuren sei Dank – das liebe, gute Automobil sprang
auf Anhieb an! Es tat so als wäre nichts gewesen! Das ärgerte mich
noch mehr – ich war pudelnass! Nachdem ich die
Anerkennung von meinen Schwiegereltern in spe genossen hatte und ich merkte,
dass ich in deren Achtung um mehrere Grade hochgeschnellt war, tat ich in
meinem Innersten dem hinterhältigen und bösartigen Gefährt
Abbitte, denn etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können.
Nur Eva blieb erstaunlich stumm! In einem stillen
Augenblick, unter vier Augen, fragte mich Eva, die ja mein „technisches
Genie“ kannte: „Du hast doch
nicht wirklich etwas an dem Motor gemacht?“ „Nein“,
musste ich kleinlaut zugeben. Der Blick der mich
dann aus ihren Augen traf war unbeschreiblich: Verzeihend, mitfühlend,
verschwörerisch, liebevoll – alles gleichzeitig. Ihre Augen sagten
deutlich: Ich verrate nichts! Ich mag dich! Auch wenn du keine Automotoren
reparieren kannst! – Da war mir klar: Mit ihr kann man Pferde stehlen.
Ich werde mich bei nächster Gelegenheit revanchieren – und dann habe
ich sie geheiratet!. * Das ist auch nach
mehr als vierzig Jahren noch ein Thema: Wer hat wen geheiratet? Sie hat mich
bis heute auf dem Glauben gelassen, ich hätte sie geheiratet. Typisch Eva
eben! Dann wieder kommen mir doch manchmal Zweifel! Aber ist das
überhaupt von Bedeutung? Bei zwei Menschen die beide nichts außer
sich selber in die Ehe bringen konnten? Nach vierzig Jahren ist das wohl das unwichtigste
Problem! * |